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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.01.1990
Aktenzeichen: 295/88
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 802/68, Verordnung Nr. 876/68, Verordnung Nr. 2682/72, Verordnung Nr. 1380/75, EWGV


Vorschriften:

Verordnung Nr. 802/68 Art. 5
Verordnung Nr. 876/68 Art. 7
Verordnung Nr. 2682/72 Art. 9
Verordnung Nr. 1380/75 Art. 12 Abs. 1
EWGV Anhang II
EWGV Art. 38 Abs. 1
EWGV Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Qualifizierung einer Ware im Hinblick auf Anhang II des Vertrages richtet sich ausschließlich nach ihrer Tarifposition gemäß dem Brüsseler Zolltarifschema. Deshalb kann weder die unrichtige Tarifierung einer Ware bei ihrer Einfuhr in die Gemeinschaft noch der Irrtum über den Ursprung dieser Ware, der dem Erwerber in gutem Glauben unterlaufen ist, noch die Art des daraus durch Verarbeitung hervorgegangenen Erzeugnisses oder die Tatsache, daß dieses Erzeugnis, weil es keine wesentliche Verarbeitung erfahren hat, nicht als Ursprungserzeugnis der Gemeinschaft anzusehen ist, dazu führen, daß eine nicht in Anhang II des Vertrages aufgeführte Ware für die spätere Anwendung der Vorschriften über die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und aussergemeinschaftlichen Währungsausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr der durch Verarbeitung dieser Ware gewonnenen Stoffe aus der Gemeinschaft als Grunderzeugnis im Sinne dieses Anhangs betrachtet wird.

2. Artikel 9 der Verordnung Nr. 2682/72 ist dahin auszulegen, daß er die Ausfuhrerstattungen nur für die als solche oder nach Verarbeitung ausgeführten, nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Waren ausschließt, die zuvor als solche aus Drittländern eingeführt und in der Gemeinschaft in den freien Verkehr gebracht wurden. Er gilt hingegen nicht für die Ausfuhr eines Grunderzeugnisses, das aus der Verarbeitung einer zuvor eingeführten, nicht unter Anhang II fallenden Ware hervorgegangen ist.

3. Die Verordnung Nr. 876/68 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Milch und Milcherzeugnissen und die Kriterien für die Festsetzung der Erstattung schließt nach dem dieses Gebiet beherrschenden Grundsatz, wonach nur für Erzeugnisse mit Ursprung in der Gemeinschaft ein Erstattungsanspruch besteht, einen Erstattungsanspruch für die Ausfuhr eines Grunderzeugnisses aus der Gemeinschaft aus, das durch Verarbeitung einer nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Ware gewonnen wurde und das nicht als Ursprungserzeugnis der Gemeinschaft angesehen werden kann. Von diesem Ausschluß sieht Artikel 7 der Verordnung nur eine Ausnahme vor, und zwar für Erzeugnisse mit aussergemeinschaftlichem Ursprung, für die Einfuhrabschöpfung gezahlt worden ist und die unverändert wieder ausgeführt worden sind.

4. Bei der Ausfuhr eines Grunderzeugnisses, das durch Verarbeitung einer nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Ware gewonnen wurde und das nicht als Ursprungserzeugnis der Gemeinschaft angesehen werden kann, aus der Gemeinschaft können unter den Voraussetzungen der Verordnung Nr. 974/71 und des Artikels 12 Absatz 1 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 1380/75 Währungsausgleichsbeträge gewährt werden. Die gegebenenfalls geschuldeten Währungsausgleichsbeträge dürfen weder nach Maßgabe der bei der Einfuhr der fraglichen Ware in die Gemeinschaft tatsächlich erhobenen Abgaben noch nach Maßgabe der Abgaben, die bei richtiger Tarifierung aus diesem Anlaß hätten erhoben werden müssen, beschränkt werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 18. JANUAR 1990. - NICOLAS CORMAN & FILS SA GEGEN KOENIGREICH BELGIEN UND GROSSHERZOGTUM LUXEMBURG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR D'APPEL DE BRUXELLES - BELGIEN. - LANDWIRTSCHAFT - AUSFUHRERSTATTUNGEN UND WAEHRUNGSAUSGLEICHSBETRAEGE - UNTER EINER UNRICHTIGEN TARIFPOSITION EINGEFUEHRTE WARE. - RECHTSSACHE 295/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Cour d' appel Brüssel hat mit Zwischenurteil vom 29. September 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Oktober 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung mehrerer Gemeinschaftsvorschriften über die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträgen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit der SA Nicolas Corman et Fils ( im folgenden : Firma Corman ) gegen den belgischen Staat und das Großherzogtum Luxemburg wegen des Anspruchs der Firma Corman auf Zahlung von Erstattungen und Währungsausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr von Butteroil, einem aus einem Erzeugnis mit der Bezeichnung Nutrix, das nicht im Anhang II des EWG-Vertrags aufgeführt ist, hergestellten Grunderzeugnis, aus der Gemeinschaft.

3 Hinsichtlich des Nutrix, von dem zunächst angenommen worden war, daß es französischen Ursprungs sei, stellte sich nach einer von den belgischen und französischen Zollbehörden durchgeführten Untersuchung heraus, daß es aus Österreich stammte, von wo es unter einer unrichtigen Tarifstelle in Frankreich eingeführt worden war; dies hatte zur Erhebung einer Abschöpfung geführt, die niedriger war als die, die sich bei richtiger Tarifierung ergeben hätte.

4 Das vorlegende Gericht entschied im Ausgangsverfahren, es sei weder bewiesen, daß die von der Firma Corman vorgenommene Verarbeitung des Nutrix zu Butteroil im Hinblick auf die Gemeinschaftsvorschriften betrügerisch gewesen sei, noch, daß der Firma Corman der aussergemeinschaftliche Ursprung dieses Erzeugnisses bekannt gewesen sei. Auch könne nicht angenommen werden, daß es sich bei dem Butteroil um eine Ursprungsware der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 5 der Verordnung ( EWG ) Nr. 802/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Warenursprung ( ABl. L 148, S. 1 ) handele. Das Gericht erkannte schließlich einen Anspruch der Firma Corman auf die verlangten innergemeinschaftlichen Währungsausgleichsbeträge und Beitrittsausgleichsbeträge an.

5 Um über den Anspruch der Firma Corman auf Zahlung von Erstattungen und Währungsausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr des Butteroils aus der Gemeinschaft entscheiden zu können, hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt :

"1 ) Sind in einem Fall, in dem

i ) eine Ware, die nicht in dem in Artikel 38 Absatz 1 EWG-Vertrag genannten Anhang II aufgeführt ist und zu 84 % aus Butterfett, zu 2 % aus entfettetem Kakao und zu 12 % aus Weizenmehl besteht, unter einer unrichtigen Tarifstelle ( 19.02 B II b - die richtige Tarifstelle wäre 18.06 gewesen ) in die EWG - Mitgliedstaat A - eingeführt und bei dieser Einfuhr nach der Verordnung Nr. 1059/69 mit Abgaben belegt wurde,

ii ) diese Ware in der Folgezeit unter ihrer richtigen Tarifstelle in einen anderen Mitgliedstaat ( Mitgliedstaat B ) eingeführt und von einem Unternehmen in diesem Mitgliedstaat B ohne betrügerische Absicht als im freien Verkehr in der EWG befindliche Ursprungsware des Mitgliedstaats A erworben wurde,

iii ) dieses Unternehmen diese Ware später in der Weise verarbeitet hat, daß es insbesondere ein Fett mit der Bezeichnung Butteroil, also ein in Anhang II des EWG-Vertrags genanntes Grunderzeugnis, daraus gewonnen hat und dieses Erzeugnis in der Folgezeit teilweise aus der EWG wiederausgeführt hat,

iv)entschieden wurde, daß diese Behandlung nicht im Sinne des Artikels 5 der Verordnung Nr. 802/68 den Charakter einer wesentlichen Be - oder Verarbeitung hatte und nicht zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt, so daß dieses Erzeugnis nicht als Ursprungserzeugnis des Mitgliedstaats B angesehen werden kann,

diese Umstände geeignet, der nicht in Anhang II genannten, ursprünglich eingeführten Ware die Eigenschaft eines Grunderzeugnisses zu verleihen, insbesondere für die spätere Anwendung der Vorschriften über die Gewährung der Ausfuhrerstattungen und der - namentlich aussergemeinschaftlichen - Ausgleichsbeträge bei der Ausfuhr des aus dieser Ware durch Verarbeitung gewonnenen Grunderzeugnisses?

2 ) Falls die erste Frage dahin zu beantworten ist, daß die betroffenen Waren als nicht unter Anhang II fallend anzusehen sind, und falls diese Waren in der EWG in den freien Verkehr gebracht und dann nach Verarbeitung ausgeführt wurden, welche Regelung ist dann auf das aus dieser Verarbeitung hervorgegangene Grunderzeugnis anzuwenden? Anders ausgedrückt, welche der folgenden Auslegungen ist für die Anwendung der Verordnung Nr. 2682/72 vom 12. Dezember 1972 zutreffend?

i ) Artikel 9 dieser Verordnung schließt die Vergünstigung der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Erstattung sowohl für die Waren als auch für die aus der vorstehend beschriebenen Verarbeitung hervorgegangenen Grunderzeugnisse aus,

ii ) oder Artikel 9 schließt die Vergünstigung der Erstattung nur für diejenigen aus einer solchen Verarbeitung hervorgegangenen Waren aus, die nicht in Anhang II aufgeführt sind.

3 ) Falls die zweite Frage dahin zu beantworten ist, daß Artikel 9 der Verordnung Nr. 2682/72 nicht die Vergünstigung einer Ausfuhrerstattung für ein Grunderzeugnis ausschließt, das aus der Verarbeitung einer zuvor eingeführten, nicht in Anhang II genannten Ware hervorgegangen ist, aufgrund welcher gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze oder Vorschriften sind dann

i ) die dem Exporteur dieses Grunderzeugnisses eventuell geschuldeten Erstattungen bei der Ausfuhr aus der Gemeinschaft,

ii ) die im Fall der Ausfuhr von Erzeugnissen nach Drittländern zu zahlenden Ausgleichsbeträge

festzusetzen?

4 ) Falls die Ausgleichszahlungen oder die Erstattungen, die nach den in Beantwortung der dritten Frage aufgestellten Regeln geschuldet werden, insbesondere in den in Artikel 12 der Verordnung Nr. 1380/75 vorgesehenen Fällen einer Beschränkung unterliegen, ist dann anzunehmen, daß, da es sich um Erzeugnisse handelt, die sich gemäß Artikel 10 EWG-Vertrag im freien Verkehr in der Gemeinschaft befinden, die Abgaben und Abschöpfungen, die für die Beschränkung des Betrags der Erstattungen und der aussergemeinschaftlichen Währungsausgleichsbeträge berücksichtigt werden müssen, feste und variable Abgaben - wie in der Verordnung Nr. 1059/69 vorgesehen - sind, so wie sie bei der Einfuhr in die Gemeinschaft nach der richtigen Tarifstelle hätten erhoben werden müssen, oder ist die Beschränkung in bezug auf die bei der Einfuhr in die Gemeinschaft - und sei es auch auf einer unrichtigen Grundlage - tatsächlich erhobenen Abgaben zu berechnen?

6 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

7 Das vorlegende Gericht hat zutreffend festgestellt, daß das Nutrix, das zu 84 % aus Butterfett, zu 2 % aus entfettetem Kakao und zu 12 % aus Weizenmehl besteht, nicht in der Liste der Erzeugnisse enthalten ist, die unter die Artikel 39 bis 46 EWG-Vertrag fallen und in Anhang II des Vertrages aufgeführt sind. Dies wird bestätigt durch den Anhang der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 148, S. 13 ), der eine Liste von Waren enthält, die nicht unter Anhang II des Vertrages fallen, darunter "Schokolade und andere kakaohaltige Lebensmittelzubereitungen ".

8 Im Hinblick darauf, daß das Nutrix bei seiner ursprünglichen Einfuhr in die Gemeinschaft einer unrichtigen Tarifstelle zugewiesen wurde, daß es von dem verarbeitenden Unternehmen ohne betrügerische Absicht als Gemeinschaftsware erworben wurde, daß aus seiner Verarbeitung ein unter Anhang II des Vertrages fallendes Grunderzeugnis hervorging und daß dieses Erzeugnis nicht einem neuen Erzeugnis oder einem aus einer wesentlichen Be - oder Verarbeitung im Sinne des Artikels 5 der Verordnung Nr. 802/68 hervorgegangenen Erzeugnis gleichgestellt werden kann und es somit keinen Gemeinschaftsursprung hat, hat sich das vorlegende Gericht jedoch gefragt, ob das Nutrix für die spätere Anwendung der Vorschriften über die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und aussergemeinschaftlichen Währungsausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr der durch Verarbeitung aus diesem Erzeugnis gewonnenen Stoffe aus der Gemeinschaft einem Grunderzeugnis gleichgestellt werden könnte.

9 Die belgische Regierung und die luxemburgische Regierung führen dazu aus, die ursprünglich in die Gemeinschaft eingeführte Ware habe als solche keinen Wert. Ihr einziger Wert bestehe darin, die in ihr enthaltenen Grunderzeugnisse zu verbergen. Sie sei deshalb einem Grunderzeugnis gleichzustellen.

10 Die vorgenannten Umstände wirken sich nicht auf die Qualifizierung einer Ware im Hinblick auf Anhang II des Vertrages aus. Diese Qualifizierung richtet sich nämlich unabhängig davon, zu welchen Zwecken sie vorgenommen wird, ausschließlich nach der Tarifposition der fraglichen Ware gemäß dem Brüsseler Zolltarifschema, auf das Anhang II des Vertrages verweist.

11 Auf die erste Frage ist deshalb zu antworten, daß weder die unrichtige Tarifierung einer Ware bei ihrer Einfuhr in die Gemeinschaft noch der Irrtum über den Ursprung dieser Ware, der dem Erwerber in gutem Glauben unterlaufen ist, noch die Art des daraus durch Verarbeitung hervorgegangenen Erzeugnisses oder schließlich die Tatsache, daß dieses Erzeugnis, weil es keine wesentliche Verarbeitung erfahren hat, nicht als Ursprungserzeugnis der Gemeinschaft anzusehen ist, dazu führen kann, daß eine nicht in Anhang II des Vertrages aufgeführte Ware für die spätere Anwendung der Vorschriften über die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und aussergemeinschaftlichen Währungsausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr der durch Verarbeitung dieser Ware gewonnenen Stoffe aus der Gemeinschaft als Grunderzeugnis im Sinne dieses Anhangs betrachtet wird.

Zur zweiten Frage

12 Die zweite Vorabentscheidungsfrage betrifft die Auslegung des Artikels 9 der Verordnung Nr. 2682/72 des Rates vom 12. Dezember 1972 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und der Kriterien zur Festsetzung des Erstattungsbetrags für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse, die in Form von nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Waren ausgeführt werden ( ABl. L 289, S. 13 ).

13 Diese Verordnung bezieht sich nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 nur auf die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Grunderzeugnissen, die in Anhang A aufgeführt sind, von Erzeugnissen aus ihrer Verarbeitung oder von Erzeugnissen, "die einer dieser beiden Gruppen nach Absatz 2 gleichgestellt sind, sofern sie in Form von nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Waren ausgeführt werden ". Die Ausfuhr von Grunderzeugnissen als solchen fällt somit nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung.

14 Artikel 9 bestimmt : "Die Erstattung nach Artikel 1 Absatz 1 wird nicht gewährt für Waren, die gemäß Artikel 10 Absatz 1 des Vertrages in den freien Verkehr gebracht worden sind und als solche oder nach Verarbeitung ausgeführt werden."

15 In Anbetracht des Anwendungsbereichs der Verordnung ist festzustellen, daß diese Vorschrift die Erstattung nur für die Ausfuhr von nicht unter Anhang II fallenden Waren ausschließt, die zuvor als solche aus Drittländern eingeführt und in der Gemeinschaft in den freien Verkehr gebracht wurden. Sie ist somit nicht anwendbar auf die Ausfuhr eines Grunderzeugnisses wie Butteroil, selbst wenn dieses durch Verarbeitung einer aus einem Drittland eingeführten, nicht unter Anhang II fallenden Ware gewonnen wurde.

16 Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, daß Artikel 9 der Verordnung Nr. 2682/72 des Rates vom 12. Dezember 1972 dahin auszulegen ist, daß er die Ausfuhrerstattungen nur für die als solche oder nach Verarbeitung ausgeführten, nicht unter Anhang II fallenden Waren ausschließt, die zuvor als solche aus Drittländern eingeführt und in der Gemeinschaft in den freien Verkehr gebracht wurden. Er gilt hingegen nicht für die Ausfuhr eines Grunderzeugnisses, das aus der Verarbeitung einer zuvor eingeführten, nicht unter Anhang II fallenden Ware hervorgegangen ist.

Zur dritten Frage

17 Die dritte Frage betrifft die Gemeinschaftsvorschriften, nach denen die Erstattungen bei der Ausfuhr eines Grunderzeugnisses wie Butteroil aus der Gemeinschaft sowie die dem Exporteur möglicherweise geschuldeten Währungsausgleichsbeträge festzusetzen sind.

18 Zum ersten Punkt ist darauf hinzuweisen, daß, wie der Gerichtshof im Urteil vom 1. Oktober 1974 in der Rechtssache 14/74 ( Norddeutsches Vieh - und Fleischkontor, Slg. 1974, 899 ) entschieden hat, nach dem das Gebiet der Ausfuhrerstattungen beherrschenden Grundsatz nur für Erzeugnisse mit Ursprung in der Gemeinschaft ein Erstattungsanspruch besteht, während die Erstattung für aus dritten Ländern eingeführte und in solche Länder wieder ausgeführte Erzeugnisse lediglich als eine "Rückgewähr" der erhobenen Abschöpfung anzusehen ist.

19 Denn mit der Organisation der Agrarmärkte sind Preismechanismen eingeführt worden, die den landwirtschaftlichen Erzeugern gewisse Einkommensgarantien geben sollen und bei Ausfuhren nach Drittländern aus Gemeinschaftsmitteln gewährte Erstattungen vorsehen; die Rechtsvorteile aus diesen Maßnahmen sind jedoch grundsätzlich den Erzeugnissen der Gemeinschaft vorbehalten.

20 In dem besonderen Sektor für Milch und Milcherzeugnisse, zu dem das Butteroil gehört, ist die Voraussetzung des Gemeinschaftsursprungs in Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 876/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Milch und Milcherzeugnissen und die Kriterien für die Festsetzung der Erstattung ( ABl. L 155, S. 1 ) enthalten.

21 Nach dieser Vorschrift wird "die Erstattung... gewährt, wenn nachgewiesen wird,

- daß die Erzeugnisse aus der Gemeinschaft ausgeführt worden sind und

- daß es sich um Erzeugnisse mit Ursprung in der Gemeinschaft handelt, mit Ausnahme der Fälle, in denen Artikel 7 Anwendung findet ".

22 Da das nationale Gericht festgestellt hat, daß das im vorliegenden Fall ausgeführte Butteroil nicht als Ursprungserzeugnis der Gemeinschaft angesehen werden kann, könnte die Ausfuhr dieses Erzeugnisses aus der Gemeinschaft nur aufgrund des Artikels 7 der Verordnung Nr. 876/68 in den Genuß von Erstattungen kommen. Danach ist der Erstattungsanspruch nur gegeben, wenn nachgewiesen wird, daß das auszuführende Erzeugnis mit dem vorher eingeführten Erzeugnis identisch ist und daß die Abschöpfung auf dieses Erzeugnis bei der Einfuhr erhoben worden ist.

23 Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, daß dieses Identitätserfordernis in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das ausgeführte Erzeugnis ein durch Verarbeitung aus einer nicht unter Anhang II fallenden Ware gewonnenes Grunderzeugnis ist, nicht erfuellt ist.

24 Es ist hinzuzufügen, daß - entgegen dem Vorbringen der Firma Corman - bei der Ausfuhr eines Erzeugnisses mit Ursprung ausserhalb der Gemeinschaft keine Erstattung aufgrund analoger Anwendung der Verordnungen, die die Zahlung von Erstattungen in anderen Fällen vorsehen, gewährt werden kann. Der Erstattungsanspruch kann nämlich nur nach Maßgabe der Gemeinschaftsregelung anerkannt werden. Ausserdem gilt auf diesem Gebiet, wie bereits dargelegt, der wesentliche Grundsatz, daß ein Erstattungsanspruch nur für Erzeugnisse mit Ursprung in der Gemeinschaft besteht.

25 Was den zweiten Punkt angeht, so ist die Frage des vorlegenden Gerichts anhand der Verordnung zu prüfen, die die Grundlage und den allgemeinen Rahmen des Instituts der Währungsausgleichsbeträge bildet, nämlich der Verordnung ( EWG ) Nr. 974/71 des Rates vom 12. Mai 1971 über bestimmte konjunkturpolitische Maßnahmen, die in der Landwirtschaft im Anschluß an die vorübergehende Erweiterung der Bandbreiten der Währungen einiger Mitgliedstaaten zu treffen sind ( ABl. L 106, S. 1 ).

26 Nach Artikel 1 Absatz 1 dieser Verordnung sind die Mitgliedstaaten ermächtigt, "... für die weiter unten genannten Erzeugnisse und nach den im folgenden festgesetzten Bedingungen... b ) bei der Ausfuhr nach den Mitgliedstaaten und dritten Ländern Ausgleichsbeträge zu gewähren ".

27 Nach Artikel 1 Absatz 2 gilt diese Bestimmung für "Erzeugnisse, für die im Rahmen der gemeinsamen Agrarmarktorganisation Interventionsmaßnahmen vorgesehen sind", sowie für "Erzeugnisse, deren Preis sich nach dem Preis der... Erzeugnisse, die unter die gemeinsame Marktorganisation fallen", richtet.

28 Diese Vorschriften verweisen somit für die Bestimmung der "Erzeugnisse", die den Währungsausgleichsbeträgen unterliegen, ganz allgemein auf die Vorschriften über die gemeinsame Agrarmarktorganisation ( Urteil vom 4. Juli 1978 in der Rechtssache 5/78, Milchfutter GmbH & Co. KG, Slg. 1978, 1597 ). Somit können bei der Ausfuhr eines Milcherzeugnisses wie Butteroil unter den in der Verordnung Nr. 974/71 festgesetzten Voraussetzungen Währungsausgleichsbeträge gewährt werden.

29 Hinsichtlich der nach Drittländern ausgeführten Erzeugnisse schreibt Artikel 6 der Verordnung Nr. 1380/75 der Kommission vom 29. Mai 1975 über Durchführungsvorschriften für die Währungsausgleichsbeträge ( ABl. L 139, S. 37 ) vor, daß auf diese die Bestimmungen für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen anwendbar sind.

30 Diese Verweisung hat jedoch, wie im Urteil vom 4. Juli 1978 ( Randnr. 11 ) entschieden worden ist, nur die Bedeutung, die Zahlung der Währungsausgleichsbeträge mit den anderen Vorgängen zu verknüpfen, die im Handel mit Drittländern an der Grenze kraft des Zolltarifs und der Agrarregelungen stattfinden.

31 Diese Verweisung bezieht sich somit auf die Anwendung der für die genannten Vorgänge geltenden Verwaltungs - und Finanzvorschriften; sie gestattet es jedoch nicht, die Gewährung der Ausgleichsbeträge an die sachlichen Voraussetzungen - insbesondere die des Gemeinschaftsursprungs - zu knüpfen, von denen die Zahlung der Erstattungen abhängt.

32 Anders als die Ausfuhrerstattungen können die Ausgleichsbeträge folglich sowohl für Erzeugnisse mit Gemeinschaftsursprung als auch für in den freien Verkehr gebrachte Erzeugnisse mit aussergemeinschaftlichem Ursprung gewährt werden. Da die Währungsausgleichsbeträge bezwecken, monetäre Handelshemmnisse zu verhindern, ist die entscheidende Voraussetzung für ihre Gewährung, wie sich aus Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 974/71 ergibt, eine Änderung des Wechselkurses der Währung des Ausfuhrmitgliedstaats über die durch die internationale Regelung genehmigte Bandbreite hinaus.

33 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 12 Absatz 1 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 1380/75 dann, wenn "ein Erzeugnis im Anschluß an den Versand von einem Mitgliedstaat nach einem anderen Mitgliedstaat in ein drittes Land oder in einen anderen Mitgliedstaat wieder ausgeführt (( wird )),... der Währungsausgleichsbetrag bei der Ausfuhr aus dem wiederausführenden Mitgliedstaat nur dann anwendbar (( ist )), wenn er bei der Einfuhr in diesen Mitgliedstaat angewandt worden ist oder wenn für diesen Mitgliedstaat von der Möglichkeit des Artikels 2 a der Verordnung ( EWG ) Nr. 974/71 Gebrauch gemacht worden ist ".

34 Im vorliegenden Fall hat das nationale Gericht festgestellt, daß das von der Firma Corman aus der Gemeinschaft ausgeführte Butteroil aus dem zuvor aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Nutrix hergestellt worden ist und daß bei dieser Einfuhr ein Währungsausgleichsbetrag angewandt wurde. Unter diesen Umständen ist die Voraussetzung des Artikels 12 Absatz 1 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 1380/75 erfuellt.

35 Auf die dritte Frage ist somit zu antworten, daß die Verordnung Nr. 876/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Milch und Milcherzeugnissen und die Kriterien für die Festsetzung der Erstattung einen Erstattungsanspruch für Ausfuhren eines Grunderzeugnisses aus der Gemeinschaft ausschließt, das durch Verarbeitung einer nicht unter Anhang II fallenden Ware gewonnen wurde und das nicht als Ursprungserzeugnis der Gemeinschaft angesehen werden kann. Bei der Ausfuhr dieses Erzeugnisses aus der Gemeinschaft können jedoch unter den Voraussetzungen der Verordnung Nr. 974/71 des Rates und des Artikels 12 Absatz 1 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 1380/75 der Kommission Währungsausgleichsbeträge gewährt werden.

Zur vierten Frage

36 Die vierte Frage betrifft die Grenzen, die für die Ausfuhrerstattungen und für die Währungsausgleichsbeträge gelten, die gegebenenfalls bei der Ausfuhr eines Grunderzeugnisses wie Butteroil geschuldet werden.

37 Aufgrund der Beantwortung der dritten Frage ist der erste Teil der vierten Frage, der sich auf die Ausfuhrerstattungen bezieht, gegenstandslos.

38 Zum zweiten Teil, der die Währungsausgleichsbeträge betrifft, braucht nur festgestellt zu werden, daß die einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften keine Beschränkung wie diejenige enthalten, die zum Beispiel hinsichtlich der Gewährung von Ausfuhrerstattungen für Milch und Milcherzeugnisse in Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 876/68 vorgesehen ist, wonach im Falle der Identität zwischen dem auszuführenden und dem zuvor eingeführten Erzeugnis die Erstattung auf den Betrag der bei der Einfuhr erhobenen Abschöpfung begrenzt ist.

39 In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Erzeugnis im Anschluß an eine Ausfuhr von einem Mitgliedstaat nach einem anderen Mitgliedstaat in ein drittes Land wieder ausgeführt wird, beschränkt sich Artikel 12 der Verordnung Nr. 1380/75 darauf, die Zahlung eines Ausgleichsbetrags davon abhängig zu machen, daß ein Währungsausgleichsbetrag bei der Einfuhr in den Mitgliedstaat der Wiederausfuhr angewandt wurde oder daß für diesen Staat von der Möglichkeit des Artikels 2 a der Verordnung Nr. 974/71 Gebrauch gemacht wurde. Ist diese Voraussetzung erfuellt, so enthält die genannte Vorschrift keine Beschränkung in bezug auf die Höhe der als Währungsausgleichsbeträge geschuldeten Summen.

40 Die vierte Frage ist deshalb dahin zu beantworten, daß die bei der Ausfuhr eines Grunderzeugnisses wie Butteroil gegebenenfalls geschuldeten Währungsausgleichsbeträge weder nach Maßgabe der bei der Einfuhr in die Gemeinschaft tatsächlich erhobenen Abgaben noch nach Maßgabe der Abgaben, die bei richtiger Tarifierung hätten erhoben werden müssen, beschränkt werden dürfen.

Kostenentscheidung:

Kosten

41 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Erste Kammer )

auf die ihm von der Cour d' appel Brüssel durch Zwischenurteil vom 29. September 1988 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Weder die unrichtige Tarifierung einer Ware bei ihrer Einfuhr in die Gemeinschaft noch der Irrtum über den Ursprung dieser Ware, der dem Erwerber in gutem Glauben unterlaufen ist, noch die Art des daraus durch Verarbeitung hervorgegangenen Erzeugnisses oder schließlich die Tatsache, daß dieses Erzeugnis, weil es keine wesentliche Verarbeitung erfahren hat, nicht als Ursprungserzeugnis der Gemeinschaft anzusehen ist, kann dazu führen, daß eine nicht in Anhang II des Vertrages aufgeführte Ware für die spätere Anwendung der Vorschriften über die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und aussergemeinschaftlichen Währungsausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr der durch Verarbeitung dieser Ware gewonnenen Stoffe aus der Gemeinschaft als Grunderzeugnis im Sinne dieses Anhangs betrachtet wird.

2 ) Artikel 9 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2682/72 des Rates vom 12. Dezember 1972 ist dahin auszulegen, daß er die Ausfuhrerstattungen nur für die als solche oder nach Verarbeitung ausgeführten, nicht unter Anhang II fallenden Waren ausschließt, die zuvor als solche aus Drittländern eingeführt und in der Gemeinschaft in den freien Verkehr gebracht wurden. Er gilt hingegen nicht für die Ausfuhr eines Grunderzeugnisses, das aus der Verarbeitung einer zuvor eingeführten, nicht unter Anhang II fallenden Ware hervorgegangen ist.

3 ) Die Verordnung ( EWG ) Nr. 876/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Milch und Milcherzeugnissen und die Kriterien für die Festsetzung der Erstattung schließt einen Erstattungsanspruch für Ausfuhren eines Grunderzeugnisses aus der Gemeinschaft aus, das durch Verarbeitung einer nicht unter Anhang II fallenden Ware gewonnen wurde und das nicht als Ursprungserzeugnis der Gemeinschaft angesehen werden kann. Bei der Ausfuhr dieses Erzeugnisses aus der Gemeinschaft können jedoch unter den Voraussetzungen der Verordnung ( EWG ) Nr. 974/71 des Rates und des Artikels 12 Absatz 1 letzter Unterabsatz der Verordnung ( EWG ) Nr. 1380/75 der Kommission Währungsausgleichsbeträge gewährt werden.

4 ) Die bei der Ausfuhr eines Grunderzeugnisses wie Butteroil gegebenenfalls geschuldeten Währungsausgleichsbeträge dürfen weder nach Maßgabe der bei der Einfuhr in die Gemeinschaft tatsächlich erhobenen Abgaben noch nach Maßgabe der Abgaben, die bei richtiger Tarifierung hätten erhoben werden müssen, beschränkt werden.

Ende der Entscheidung

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