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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 30.09.1975
Aktenzeichen: 32-75
Rechtsgebiete: EG, EWG, VO 1612/68


Vorschriften:

EG Art. 234
EWG Art. 177
VO 1612/68 Art. 7 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

ARTIKEL 7 ABSATZ 2 DER VERORDNUNG NR. 1612/68 DES RATES ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER INNERHALB DER GEMEINSCHAFT IST IN DEM SINNE AUSZULEGEN, DASS ER ALLE SOZIALEN UND STEUERLICHEN VERGÜNSTIGUNGEN UMFASST, OB DIESE NUN AN DEN ARBEITSVERTRAG ANKNÜPFEN ODER NICHT. ZU DIESEN VERGÜNSTIGUNGEN GEHÖREN ALSO AUCH DIE VON INNERSTAATLICHEN EISENBAHNEN AN KINDERREICHE FAMILIEN AUSGEGEBENEN FAHRPREISERMÄSSIGUNGSKARTEN, UND ZWAR SELBST DANN, WENN DIESE VERGÜNSTIGUNG ERST NACH DEM TOD DES ARBEITNEHMERS ZUGUNSTEN SEINER IM SELBEN MITGLIEDSTAAT VERBLIEBENEN FAMILIE IN ANSPRUCH GENOMMEN WIRD.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 30. SEPTEMBER 1975. - ANITA CRISTINI GEGEN SOCIETE NATIONALE DES CHEMINS DE FER FRANCAIS. - EISENBAHNTARIF FUER KINDERREICHE FAMILIEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VON DER COUR D'APPEL PARIS. - RECHTSSACHE 32-75.

Entscheidungsgründe:

1/3 MIT URTEIL VOM 14. MÄRZ 1975, BEIM GERICHTSHOF EINGEGANGEN AM 21. MÄRZ 1975, HAT DIE COUR D' APPEL PARIS DEN GERICHTSHOF GEMÄSS ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG ERSUCHT, ZU DER FRAGE STELLUNG ZU NEHMEN, OB DIE ERMÄSSIGUNGSKARTE, WELCHE DIE SOCIETE NATIONALE DES CHEMINS DE FER FRANCAIS ( SNCF ) AN KINDERREICHE FAMILIEN AUSGIBT, FÜR ARBEITNEHMER AUS DEN MITGLIEDSTAATEN EINE " SOZIALE VERGÜNSTIGUNG " IM SINNE DES ARTIKELS 7 DER VERORDNUNG ( EWG ) NR. 1612/68 DES RATES VOM 15. OKTOBER 1968 ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER INNERHALB DER GEMEINSCHAFT ( ABL. L 257 VOM 19. OKTOBER 1968 ) DARSTELLT. AUS DEM VORLAGEURTEIL GEHT HERVOR, DASS ES IM AUSGANGSVERFAHREN UM DIE WEIGERUNG DER SNCF GEHT, EINE SOLCHE ERMÄSSIGUNGSKARTE EINER IN FRANKREICH WOHNENDEN ITALIENISCHEN STAATSANGEHÖRIGEN ZU ERTEILEN, DEREN GLEICHFALLS ITALIENISCHER EHEMANN IN FRANKREICH GEARBEITET HAT, DORT INFOLGE EINES ARBEITSUNFALLS VERSTORBEN IST UND AUSSER SEINER WITWE VIER GEMEINSAME MINDERJÄHRIGE KINDER HINTERLASSEN HAT. GRUND FÜR DIE ABLEHNUNG DES ANTRAGS WAR DIE STAATSANGEHÖRIGKEIT DER KLAEGERIN, DA DIE ERMÄSSIGUNGSKARTE FÜR KINDERREICHE FAMILIEN NACH DEN FRANZÖSISCHEN RECHTSVORSCHRIFTEN GRUNDSÄTZLICH AUSSCHLIESSLICH FRANZÖSISCHEN STAATSANGEHÖRIGEN VORBEHALTEN IST UND AUSLÄNDERN NUR ERTEILT WIRD, WENN DEREN HEIMATSTAAT MIT FRANKREICH AUF DIESEM BESONDEREN GEBIET EINEN GEGENSEITIGKEITSVERTRAG ABGESCHLOSSEN HAT, WAS IM FALLE ITALIENS NICHT ZUTRIFFT.

4/5 DAS FRANZÖSISCHE GESETZ VOM 29. OKTOBER 1921, GEÄNDERT DURCH GESETZ VOM 24. DEZEMBER 1940 UND DEKRET VOM 3. NOVEMBER 1961, BESTIMMT, DASS IN FAMILIEN MIT MINDESTENS DREI KINDERN UNTER 18 JAHREN DER VATER, DIE MUTTER UND JEDES KIND AUF ANTRAG DES FAMILIENVORSTANDS EINE AUSWEISKARTE ERHALTEN, DIE IHNEN ANSPRUCH AUF BESTIMMTE ERMÄSSIGUNGEN AUF DIE TARIFE DER SNCF GIBT. NACH ARTIKEL 20 DES FRANZÖSISCHEN CODE DE LA FAMILLE ET DE L' AIDE SOCIALE ( DEKRET VOM 24. JANUAR 1956 ) WERDEN ZUR UNTERSTÜTZUNG DER FAMILIEN, DIE KINDER GROSSZIEHEN, BESTIMMTE NICHT ABSCHLIESSEND AUFGEZÄHLTE BEIHILFEN UND LEISTUNGEN GEWÄHRT, ZU DENEN AUSSER DEN IN DER SOZIALVERSICHERUNGSGESETZGEBUNG VORGESEHENEN FAMILIENZULAGEN SOWIE STEUERERMÄSSIGUNGEN UND -FREIBETRAEGEN AUCH DIE IN DEM HIER EINSCHLAEGIGEN GESETZ VORGESEHENEN ERMÄSSIGUNGEN AUF DIE BEFÖRDERUNGSTARIFE DER EISENBAHN ZÄHLEN.

6 IM VERFAHREN NACH ARTIKEL 177 IST DER GERICHTSHOF ZWAR NICHT BEFUGT, DIE NORMEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS AUF EINEN EINZELFALL ANZUWENDEN, UND SOMIT AUCH NICHT, EINE BESTIMMUNG INNERSTAATLICHEN RECHTS ZU BEURTEILEN; ER KANN ABER EINEM INNERSTAATLICHEN GERICHT DIE KRITERIEN FÜR DIE AUSLEGUNG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS AN DIE HAND GEBEN, DIE DIESEM BEI DER BEURTEILUNG DER WIRKUNGEN DIESER BESTIMMUNG DIENLICH SEIN KÖNNTEN.

7/9 NACH ARTIKEL 7 ABSATZ 1 DER VERORDNUNG NR. 1612/68 DES RATES VOM 15. OKTOBER 1968 DARF EIN ARBEITNEHMER, DER STAATSANGEHÖRIGER EINES MITGLIEDSTAATS IST, AUFGRUND SEINER STAATSANGEHÖRIGKEIT IM GEBIET DER ANDEREN MITGLIEDSTAATEN HINSICHTLICH DER BESCHÄFTIGUNGS - UND ARBEITSBEDINGUNGEN NICHT ANDERS BEHANDELT WERDEN ALS DIE INLÄNDISCHEN ARBEITNEHMER. NACH ABSATZ 2 GENIESST ER " DIE GLEICHEN SOZIALEN UND STEUERLICHEN VERGÜNSTIGUNGEN WIE DIE INLÄNDISCHEN ARBEITNEHMER ". NACH ABSATZ 3 KANN ER " MIT DEM GLEICHEN RECHT UND UNTER DEN GLEICHEN BEDINGUNGEN WIE DIE INLÄNDISCHEN ARBEITNEHMER BERUFSSCHULEN UND UMSCHULUNGSZENTREN IN ANSPRUCH NEHMEN ".

10/13 DIE BEKLAGTE DES AUSGANGSVERFAHRENS MACHT GELTEND, DIE IN DIESEN BESTIMMUNGEN VORGESEHENEN VERGÜNSTIGUNGEN SEIEN AUSSCHLIESSLICH SOLCHE, DIE SICH AUS DER ARBEITNEHMEREIGENSCHAFT ERGÄBEN, WEIL SIE IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ARBEITSVERTRAG SELBST STÄNDEN. WENN AUCH EINIGE BESTIMMUNGEN DIESES ARTIKELS AN BEZIEHUNGEN ANKNÜPFEN, DIE IHREN GRUND IM ARBEITSVERTRAG HABEN, SO ENTHÄLT DIESER ARTIKEL DOCH AUCH ANDERE BESTIMMUNGEN, DIE MIT SOLCHEN BEZIEHUNGEN NICHTS ZU TUN HABEN, JA DIE SOGAR DIE BEENDIGUNG EINES FRÜHEREN BESCHÄFTIGUNGSVERHÄLTNISSES VORAUSSETZEN, WIE ETWA DIE BESTIMMUNGEN ÜBER DIE BERUFLICHE WIEDEREINGLIEDERUNG ODER DIE WIEDEREINSTELLUNG IM FALLE DER ARBEITSLOSIGKEIT. SONACH KANN DIE VERWEISUNG AUF DIE " SOZIALEN VERGÜNSTIGUNGEN " IN ARTIKEL 7 ABSATZ 2 NICHT EINSCHRÄNKEND AUSGELEGT WERDEN. DARAUS FOLGT IM SINNE DER VON DIESER BESTIMMUNG ANGESTREBTEN GLEICHBEHANDLUNG, DASS DEREN SACHLICHER ANWENDUNGSBEREICH IN DER WEISE ABZUGRENZEN IST, DASS ER ALLE SOZIALEN UND STEUERLICHEN VERGÜNSTIGUNGEN UMFASST - OB DIESE NUN AN DEN ARBEITSVERTRAG ANKNÜPFEN ODER NICHT -, SO ZUM BEISPIEL AUCH FAHRPREISERMÄSSIGUNGEN FÜR KINDERREICHE FAMILIEN.

14/18 WEITER IST ZU PRÜFEN, OB EINE SOLCHE VERGÜNSTIGUNG NACH DEM TODE DES WANDERARBEITNEHMERS DER WITWE UND DEN KINDERN ZU GEWÄHREN IST, WENN EIN ANSPRUCH AUF ERMÄSSIGUNG GEBENDE AUSWEISKARTE NACH DEN INNERSTAATLICHEN RECHTSVORSCHRIFTEN AUF ANTRAG DES FAMILIENVORSTANDS JEDEM EINZELNEN FAMILIENMITGLIED ERTEILT WIRD. HABEN DIE WITWE UND DIE MINDERJÄHRIGEN KINDER EINES INLÄNDERS ANSPRUCH AUF DIESE KARTE, FALLS DER VATER DEREN ERTEILUNG VOR SEINEM TODE BEANTRAGT HATTE, DANN DARF ES KEINEN UNTERSCHIED MACHEN, DASS DER VERSTORBENE VATER EIN WANDERARBEITNEHMER AUS EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT WAR. GEIST UND ZWECK DER GEMEINSCHAFTLICHEN RECHTSVORSCHRIFTEN ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER WÜRDE ES ZUWIDERLAUFEN, WOLLTE MAN DEN HINTERBLIEBENEN EINE SOLCHE VERGÜNSTIGUNG NACH DEM TODE DES ARBEITNEHMERS ENTZIEHEN, OBGLEICH SIE DEN HINTERBLIEBENEN EINES INLÄNDERS GEWÄHRT WIRD. IN DIESEM ZUSAMMENHANG IST HINZUWEISEN AUF DIE BESTIMMUNGEN DER VERORDNUNG NR. 1251/70 DER KOMMISSION ÜBER DAS RECHT DER ARBEITNEHMER, NACH BEENDIGUNG EINER BESCHÄFTIGUNG IM HOHEITSGEBIET EINES MITGLIEDSTAATS ZU VERBLEIBEN. NACH ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DIESER VERORDNUNG SIND NÄMLICH, FALLS EIN ARBEITNEHMER IN EINEM MITGLIEDSTAAT DAS VERBLEIBERECHT ERWORBEN HAT, DIE BEI IHM WOHNENDEN FAMILIENANGEHÖRIGEN AUCH NACH SEINEM TODE BERECHTIGT, DORT STÄNDIG ZU VERBLEIBEN, UND NACH ARTIKEL 7 " ( GILT ) DAS IN DER VERORDNUNG ( EWG ) NR. 1612/68 DES RATES FESTGELEGTE RECHT AUF GLEICHBEHANDLUNG... AUCH FÜR DIE BEGÜNSTIGTEN DER VORLIEGENDEN VERORDNUNG ".

19 AUF DIE VORGELEGTE FRAGE IST ALSO ZU ANTWORTEN, DASS ARTIKEL 7 ABSATZ 2 DER VERORDNUNG NR. 1612/68 DES RATES IN DEM SINNE AUSZULEGEN IST, DASS DIE DORT BEZEICHNETEN SOZIALEN VERGÜNSTIGUNGEN AUCH DIE VON INNERSTAATLICHEN EISENBAHNEN AN KINDERREICHE FAMILIEN AUSGEGEBENEN FAHRPREISERMÄSSIGUNGSKARTEN UMFASSEN, UND ZWAR SELBST DANN, WENN DIESE VERGÜNSTIGUNG ERST NACH DEM TODE DES ARBEITNEHMERS ZUGUNSTEN SEINER IM SELBEN MITGLIEDSTAAT VERBLIEBENEN FAMILIE IN ANSPRUCH GENOMMEN WIRD.

Kostenentscheidung:

20/21 DIE AUSLAGEN DER FRANZÖSISCHEN UND DER ITALIENISCHEN REGIERUNG SOWIE DER KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN, DIE VOR DEM GERICHTSHOF ERKLÄRUNGEN ABGEGEBEN HABEN, SIND NICHT ERSTATTUNGSFÄHIG. FÜR DIE PARTEIEN DES AUSGANGSVERFAHRENS IST DAS VERFAHREN VOR DEM GERICHTSHOF EIN ZWISCHENSTREIT IN DEM VOR DEM NATIONALEN GERICHT ANHÄNGIGEN RECHTSSTREIT; DIE KOSTENENTSCHEIDUNG OBLIEGT DAHER DIESEM GERICHT.

Tenor:

AUS DIESEN GRÜNDEN

HAT

DER GERICHTSHOF

AUF DIE IHM VON DER COUR D' APPEL PARIS MIT URTEIL VOM 14. MÄRZ 1975 VORGELEGTE FRAGE FÜR RECHT ERKANNT :

ARTIKEL 7 ABSATZ 2 DER VERORDNUNG NR. 1612/68 DES RATES ÜBER DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER INNERHALB DER GEMEINSCHAFT IST IN DEM SINNE AUSZULEGEN, DASS DIE DORT BEZEICHNETEN SOZIALEN VERGÜNSTIGUNGEN AUCH DIE VON INNERSTAATLICHEN EISENBAHNEN AN KINDERREICHE FAMILIEN AUSGEGEBENEN FAHRPREISERMÄSSIGUNGSKARTEN UMFASSEN, UND ZWAR SELBST DANN, WENN DIESE VERGÜNSTIGUNG ERST NACH DEM TODE DES ARBEITNEHMERS ZUGUNSTEN SEINER IM SELBEN MITGLIEDSTAAT VERBLIEBENEN FAMILIE IN ANSPRUCH GENOMMEN WIRD.

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