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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.03.1988
Aktenzeichen: 339/85
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Durch die Bestimmung des Artikels 72 Absatz 1 des Statuts, daß dem Beamten, seinem Ehegatten, seinen Kindern und den sonstigen unterhaltsberechtigten Personen in Krankheitsfällen nach einer für die Organe gemeinsamen Regelung Ersatz der Aufwendungen bis zu einem bestimmten Prozentsatz gewährleistet wird, bleibt es den Verfassern dieser Regelung überlassen, unter Beachtung der Vorschriften des Statuts und der von diesem verfolgten Ziele den Geltungsbereich dieser Krankheitsfürsorge näher zu regeln.

Indem Artikel 3 Absatz 3 der Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften die gemäß Anhang VII Artikel 2 Absatz 4 des Statuts den unterhaltsberechtigten Kindern des Beamten gleichgestellten Personen von den Leistungen der Gemeinschaft ausnimmt, soweit sie durch eine andere öffentliche Krankheitsfürsorge gesichert sind, überschreitet er nicht die in Artikel 72 dieses Statuts gezogenen Grenzen, da es der Absicht der Verfasser des Statuts entspricht, den Bereich der Krankenversicherung der Beamten und ihrer Familienangehörigen zu begrenzen, um eine doppelte Krankenversicherung soweit wie möglich auszuschließen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 8. MAERZ 1988. - E. BRUNOTTI GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - KRANKENVERSICHERUNG FUER PERSONEN, DIE DEN UNTERHALTSBERECHTIGTEN KINDERN DES BEAMTEN GLEICHGESTELLT SIND. - RECHTSSACHE 339/85.

Entscheidungsgründe:

1 Die Klägerin, Beamtin der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, hat mit Klageschrift, die am 14. November 1985 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage mit dem Antrag erhoben, die Entscheidung vom 29. März 1985, die Krankheitskosten bezueglich der Mutter der Klägerin nicht mehr zu übernehmen, und die Zurückweisung der dagegen gerichteten Beschwerde aufzuheben und die Kommission zur Übernahme dergenannten Kosten ab dem Zeitpunkt, ab dem diese von ihr nicht mehr übernommen wurden, sowie zur Zahlung von Verzugszinsen von 10 % ab Fälligkeit der Erstattungen zu verurteilen.

2 Die Kommission teilte der Klägerin die angefochtene Entscheidung mit, nachdem sie erfahren hatte, daß die Mutter der Klägerin im Rahmen des italienischen staatlichen Systems "Servizio sanitario nazionale" versichert war.

3 Die streitige Entscheidung beruht auf Artikel 3 der "Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften" ( im folgenden : Regelung ), der folgendermassen lautet :

" Durch die angeschlossene Person mitangeschlossen sind :

1 )...

2 )...

3 ) die den unterhaltsberechtigten Kindern der angeschlossenen Person gleichgestellten Personen gemäß Anhang VII Artikel 2 Absatz 4 des Statuts, sofern sie nicht durch eine andere öffentliche Krankheitsfürsorge gesichert werden können."

4 Nach diesem Artikel 2 Absatz 4 des Anhangs VII kann dem unterhaltsberechtigten Kind ausnahmsweise durch besondere, mit Gründen versehene und auf beweiskräftige Unterlagen gestützte Verfügung der Anstellungsbehörde jede Person gleichgestellt werden, der gegenüber der Beamte gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist und deren Unterhalt ihn mit erheblichen Ausgaben belastet.

5 Die genannte Regelung wurde auf der Grundlage der Ermächtigung in Artikel 72 Absatz 1 des Beamtenstatuts erlassen, wonach

" in Krankheitsfällen... dem Beamten..., seinen Kindern und den sonstigen unterhaltsberechtigten Personen im Sinne von Anhang VII Artikel 2 nach einer von den Organen der Gemeinschaften im gegenseitigen Einvernehmen nach Stellungnahme des Statutsbeirats beschlossenen Regelung Ersatz der Aufwendungen"

bis zu einem bestimmten Prozentsatz gewährleistet wird.

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7 Die Klägerin trägt vor, die angefochtene Entscheidung beruhe auf einer rechtswidrigen Rechtsgrundlage. Indem Artikel 3 Absatz 3 der Regelung die Voraussetzung aufstelle, daß die den unterhaltsberechtigten Kindern der angeschlossenen Person gleichgestellten Personen nicht durch andere öffentliche Krankheitsfürsorge gesichert seien, verstosse er gegen Artikel 72 Absatz 1 des Statuts, in dem die Gruppen der Leistungsempfänger und die Voraussetzungen der Krankenversicherung festgelegt seien. Die Regelung könne keine derartige zusätzliche Voraussetzung aufstellen, sondern nur Einzelheiten und untergeordnete Punkte hinsichtlich der Anwendung des Artikels 72 des Statuts regeln.

8 Ausserdem stehe eine dem Verfasser der Regelung, hier der Kommission, vom Rat erteilte Ermächtigung zur Aufstellung zusätzlicher Voraussetzungen im Widerspruch zu dem Grundsatz, daß die Ermächtigung sich nicht auf den Kernbereich der Zuständigkeit des ermächtigenden Organs beziehen könne. Nach Artikel 24 des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften gehöre der Erlaß des Beamtenstatuts zu den Aufgaben des Rates.

9 Die Kommission trägt vor, aus Artikel 72 Absatz 1 des Statuts ergebe sich, daß die in dieser Vorschrift aufgezählten Voraussetzungen der Krankenversicherung nicht abschließend festgelegt seien. Der Ausdruck "nach einer... Regelung" bedeute, daß das Statut den Organen die Befugnis zur Regelung dieses Bereichs verliehen habe, somit auch die Befugnis, objektiv gerechtfertigte Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Krankenversicherung hinzuzufügen.

10 Durch die Bestimmung des Artikels 72 Absatz 1 des Statuts, daß dem Beamten, seinem Ehegatten, seinen Kindern und den sonstigen unterhaltsberechtigten Personen in Krankheitsfällen nach einer für die Organe gemeinsamen Regelung Ersatz der Aufwendungen bis zu einem bestimmten Prozentsatz gewährleistet wird, bleibt es den Verfassern dieser Regelung überlassen, unter Beachtung der Vorschriften des Statuts und der von diesem verfolgten Ziele den Geltungsbereich dieser Krankheitsfürsorge näher zu regeln.

11 Sodann stellt der genannte Artikel in einigen Fällen unmittelbar die weitere Voraussetzung auf, daß kein anderer Krankenversicherungsschutz bestehen darf : z. B. bestimmt Artikel 72 Absatz 1, daß der Ehegatte des Beamten durch das gemeinschaftliche Krankheitsfürsorgesystem gesichert ist, sofern er "nicht nach anderen Rechts - und Verwaltungsvorschriften Leistungen derselben Art und in derselben Höhe erhalten kann"; ebenso heisst es in Absatz 1 a am Anfang : "Weist ein endgültig aus dem Dienst ausscheidender Beamter nach, daß er von keiner anderen öffentlichen Krankheitsfürsorge gesichert werden kann..."; nach Absatz 1 b sind auch versichert "der geschiedene Ehegatte eines Beamten, das nicht mehr unterhaltsberechtigte Kind des Beamten sowie die Person, die nicht mehr im Sinne von Anhang VII Artikel 2 unterhaltsberechtigt ist,... sofern sie nachweisen, daß sie von einer anderen öffentlichen Krankenversicherung keine Erstattungen erhalten können ".

12 Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß die Verfasser des Statuts von der Vorstellung ausgegangen sind, daß der Bereich der Krankenversicherung der Beamten und ihrer Familienangehörigen begrenzt werden muß, um eine doppelte Krankenversicherung soweit wie möglich auszuschließen. In diesem Sinne bestimmt die Regelung bei der Festlegung des Kreises der den unterhaltsberechtigten Kindern des Beamten gleichgestellten Personen gemäß Anhang VII Artikel 2 Absatz 4 des Statuts, daß dazu nicht die bereits durch eine andere öffentliche Krankheitsfürsorge gesicherten Personen gehören.

13 Daher überschreitet die streitige Bestimmung der Regelung nicht die vom Rat in Artikel 72 des Statuts gezogenen Grenzen.

14 Zu dem Argument, der Rat habe die Verfasser der Regelung nicht zu einer Regelung dieses Bereichs ermächtigen dürfen, genügt die Feststellung, daß die Regelung durch die streitige Bestimmung nur diejenigen Kriterien auf einen nicht eigens im Statut geregelten Fall anwendet, die dort bereits anerkannt sind. Im übrigen muß die Regelung im gegenseitigen Einvernehmen der Organe nach Stellungnahme des Statutsbeirats, in dem nach Artikel 10 des Statuts das Personal der Organe vertreten ist, erlassen werden.

15 Daher sind die Klagegründe, die auf das angebliche Fehlen einer Rechtsgrundlage der streitigen Bestimmungen gestützt worden sind, zurückzuweisen.

16 Hilfsweise trägt die Klägerin vor, selbst unterstellt, die auf diese Weise erteilte Ermächtigung umfasse die Befugnis, weitere zwar nicht in Artikel 72 des Statuts vorgesehene, aber objektiv gerechtfertigte Voraussetzungen hinzuzufügen, so sei im vorliegenden Fall die weitere für die den unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellten Personen aufgestellte Voraussetzung, die somit zwischen diesen und den unterhaltsberechtigten Kindern unterscheide, objektiv nicht gerechtfertigt. Diese Bestimmung gehe nämlich über das Erforderliche hinaus, da die Regelung genügt hätte, daß die gemeinschaftliche Sozialversicherung für die den unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellten Personen die andere Krankheitsfürsorge nur ergänze, nicht aber völlig ausschließe.

17 Dieses Argument ist zurückzuweisen. Die den unterhaltsberechtigten Kindern gleichgestellten Personen sind eine andere Gruppe; gewöhnlich handelt es sich um ältere Personen, von denen man folglich erwarten kann, daß sie bereits eine Erwerbstätigkeit ausgeuebt haben und infolgedessen krankenversichert sind, während bei Kindern normalerweise von dieser Möglichkeit nicht ausgegangen werden kann.

18 Aufgrund dessen ist festzustellen, daß Artikel 3 Nummer 3 der Regelung nicht gegen Artikel 72 Absatz 1 des Beamtenstatuts verstösst und die Kommission daher die angefochtene Entscheidung gegenüber der Klägerin rechtmässig erlassen hat.

19 Die Klage ist somit abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung sind der unterliegenden Partei die Kosten aufzuerlegen. Jedoch tragen gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung die Organe bei Klagen von Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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