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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 12.10.1988
Aktenzeichen: 34/88
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die an die Mitgliedstaaten gerichtete Entscheidung 87/561 mit Übergangsmaßnahmen bezueglich des Verbots der Verabfolgung bestimmter Stoffe mit hormonaler Wirkung an Nutztiere betrifft Rindfleischerzeuger nicht individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag. Deren Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung ist daher unzulässig.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 12. OKTOBER 1988. - COOPERATIVE AGRICOLE DE L'ANJOU ET DU POITOU (CEVAP) GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE 34/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Coopérative agricole de l' Anjou et du Poitou ( CEVAP ) und andere haben mit Klageschrift, die am 29. Januar 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung 87/561 des Rates vom 18. November 1987 mit Übergangsmaßnahmen bezueglich des Verbots der Verabfolgung bestimmter Stoffe mit hormonaler Wirkung an Nutztiere ( ABl. L 339, S. 70 ).

2 Durch Beschluß vom 27. April 1988 ist die Kommission gemäß Artikel 37 Absatz 1 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des beklagten Rates zugelassen worden.

3 Mit Schriftsatz, der am 4. März 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat der Rat eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung erhoben und beantragt, über diese Einrede vorab zu entscheiden.

4 Die Richtlinie 85/649 des Rates vom 31. Dezember 1985 zum Verbot des Gebrauchs von bestimmten Stoffen mit hormonaler Wirkung im Tierbereich ( ABl. L 382, S. 228 ), mit der der Grundsatz eines absoluten Verbots der Verabfolgung von Stoffen mit hormonaler Wirkung festgelegt wurde, sollte von den Mitgliedstaaten bis zum 1. Januar 1988 spätestens in nationales Recht umgesetzt werden. Da die Möglichkeit, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschlachteten Tiere, denen rechtmässig Hormone verabfolgt wurden, und das zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig abgesetzte Fleisch dieser Tiere auf dem Binnenmarkt abzusetzen, nicht abrupt entfallen sollte, erließ der Rat auf Vorschlag der Kommission am 18. November 1987 die streitige Entscheidung.

5 Artikel 1 Absatz 3 dieser Entscheidung bestätigt, daß das durch die vorgenannte Richtlinie 85/649 des Rates eingeführte absolute Verbot in bezug auf die neue Erzeugung vom 1. Januar 1988 an gilt. Was die Vermarktung der vorhandenen Erzeugung anbelangt, so behalten die Mitgliedstaaten gemäß Absatz 1 dieser Bestimmung bis zum 31. Dezember 1988 die Regelung bei, die sich aus den geltenden einzelstaatlichen Bestimmungen über das Inverkehrbringen und über den Zugang zum innergemeinschaftlichen Handel ergibt; diese Übergangsmaßnahme gilt auch für die Einfuhr dieses Fleisches aus Drittländern.

6 Der Gerichtshof hat auf die vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag erhobene Klage mit Urteil vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 68/86 ( Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 855 ) die Richtlinie 85/649 für nichtig erklärt, weil der Rat dadurch, daß er das in Artikel 6 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Rates vorgesehene Verfahren nicht eingehalten hatte, eine wesentliche Formvorschrift verletzt hatte.

7 Der Rat erließ am 7. März 1988 die Richtlinie 88/146, deren Inhalt mit dem der Richtlinie 85/649 identisch ist. Er hat vorgetragen, daß die aufgrund der für nichtig erklärten Richtlinie erlassenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften so anzusehen seien, als seien sie aufgrund der neuen Richtlinie erlassen worden.

8 Zur Begründung seiner Einrede macht der Rat in erster Linie geltend, die Kläger könnten nicht als von der fraglichen Entscheidung betroffen angesehen werden, die das Verbot der Verabfolgung der Hormone - der einzige Aspekt, der die Viehzuechter betreffen könne - nur deklaratorisch bestätige.

9 Hilfsweise trägt der Rat vor, daß die Kläger nicht unmittelbar und individuell betroffen sein könnten. Die Entscheidung sei ihrer Art nach eine allgemeine Maßnahme, die die Mitgliedstaaten ermächtige, bestimmte nationale Vorschriften beizubehalten, und die generell und abstrakt gelte.

10 Auch die Kommission ist der Auffassung, daß die streitige Entscheidung, die weder einen Wirtschaftsteilnehmer noch eine bestimmte Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern bezeichne, die Kläger nicht individuell betreffe.

11 Die Kläger haben zur Einrede der Unzulässigkeit keine Erklärungen abgegeben. In ihrer Klage machen sie geltend, sie seien individuell und unmittelbar betroffen. Die angefochtene Entscheidung sei ergangen, nachdem die Zahl der in der Gemeinschaft betroffenen Tiere errechnet worden sei und notwendigerweise die Erzeuger ermittelt und identifiziert worden seien. Auf diese Weise seien die Erzeuger zahlenmässig und individuell nachprüfbar festgestellt worden. Ausserdem gelte die Entscheidung unmittelbar, weil sie den Mitgliedstaaten kein Ermessen lasse.

12 Gemäß Artikel 91 § 3 der Verfahrensordnung wird über die Einrede mündlich verhandelt, sofern der Gerichtshof nichts anderes bestimmt. Der Gerichtshof hält sich im vorliegenden Fall für hinreichend informiert, so daß es einer Eröffnung der mündlichen Verhandlung nicht bedarf.

13 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag jede natürliche oder juristische Person gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben kann, die, obwohl sie an eine andere Person gerichtet sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

14 Die Kläger sind - als Einzelpersonen, Genossenschaften oder sonstige Gesellschaften - sämtlich Rindfleischerzeuger. Ohne daß geprüft zu werden braucht, ob sie von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen werden, ist jedenfalls festzustellen, daß diese sie offensichtlich nicht individuell betrifft.

15 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes kann eine Person nämlich nur dann als individuell betroffen angesehen werden, wenn sie in ihrer Rechtsstellung aufgrund eines Sachverhalts betroffen ist, der sie in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten. Die streitige Entscheidung betrifft die Kläger jedoch nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Erzeuger von Rindfleisch und damit in gleicher Weise wie jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer gleichen Lage befindet.

16 Unter diesen Umständen ist die Klage für unzulässig zu erklären.

Kostenentscheidung:

Kosten

17 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen die Kosten, einschließlich der Kosten der Kommission, als Gesamtschuldnern aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen :

1)Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2 ) Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten der Kommission, als Gesamtschuldner.

Luxemburg, den 12. Oktober 1988.

Ende der Entscheidung

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