Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.01.1990
Aktenzeichen: 345/88
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 2793/77/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 177
VO Nr. 2793/77/EWG Art. 5
VO Nr. 2793/77/EWG Art. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Erklärungen, die die Molkereien nach Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2793/77 der Kommission über die Durchführungsbestimmungen für eine Sonderbeihilfe für Magermilch zur Fütterung von Tieren mit Ausnahme von jungen Kälbern abgeben müssen, sind Teil des Kontroll - und Beweissystems, dessen Einführung notwendig war, um das reibungslose Funktionieren der Beihilferegelung zu gewährleisten. Da diese Erfordernisse zu den Durchführungsbestimmungen zu der Beihilferegelung für Magermilch und Magermilchpulver, die in der Gemeinschaft hergestellt worden sind und die für Futterzwecke verwendet werden, gehören, durfte die Kommission sie nach Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse festlegen.

2. Die Änderung des Artikels 4 der Verordnung Nr. 2793/77 durch die Verordnung Nr. 188/83, die die Sanktion für die Nichteinhaltung der Frist für die Abgabe der Erklärungen über den Tierbestand - eine Voraussetzung für den Anspruch auf die Beihilfe für Magermilch zur Fütterung von Tieren mit Ausnahme von jungen Kälbern - durch die Tierhalter mildert, sofern die Verspätung zehn Tage nicht überschreitet, gilt rückwirkend nicht nur für Beihilfeanträge, über die noch nicht entschieden worden ist, sondern auch für noch offene Rückforderungen von Beihilfen, da das Problem der Unverhältnismässigkeit, das diese Änderung beseitigen soll, sich in beiden Fällen in gleicher Weise stellt.

3. Der völlige Verlust der Sonderbeihilfe für Magermilch zur Fütterung von Tieren mit Ausnahme von jungen Kälbern bei einer Überschreitung der in Artikel 4 der Verordnung Nr. 2793/77 vorgesehenen Frist für die Abgabe der Erklärung über den Tierbestand um mehr als zehn Tage verstösst nicht gegen die Erfordernisse zur Einhaltung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes.

4. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2793/77 und Artikel 1 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1438/79 zur vierten Änderung der Verordnung Nr. 2793/77 sind dahin auszulegen, daß die Verpflichtungserklärung, die der Inhaber eines spezialisierten Tierhaltungsbetriebs abgeben muß, um in den Genuß der Beihilfe für Magermilch zur Fütterung von Tieren mit Ausnahme von jungen Kälbern zu kommen, die Verpflichtung umfasst, der Molkerei vierteljährlich seinen Tierbestand mitzuteilen, bis der betreffende Mitgliedstaat von dem ihm mit Wirkung vom 1. Januar 1980 eingeräumten Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, entweder eine solche vierteljährliche Mitteilung oder eine jährliche Erklärung über den durchschnittlichen Tierbestand zu verlangen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 18. JANUAR 1990. - BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND GEGEN FIRMA BUTTER-ABSATZ OSNABRUECK-EMSLAND EG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESVERWALTUNGSGERICHT - DEUTSCHLAND. - LANDWIRTSCHAFT - BEIHILFE FUER MAGERMILCH ZUR FUETTERUNG VON TIEREN MIT AUSNAHME VON JUNGEN KAELBERN - FRIST FUER DIE ABGABE DER ERKLAERUNGEN. - RECHTSSACHE 345/88.

Entscheidungsgründe:

1 Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 1. September 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 28. November 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Gültigkeit und der Auslegung bestimmter Vorschriften der Verordnung Nr. 2793/77 der Kommission vom 15. Dezember 1977 über die Durchführungsbestimmungen für eine Sonderbeihilfe für Magermilch zur Fütterung von Tieren mit Ausnahme von jungen Kälbern ( ABl. L 321, S. 30 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Mit der Verordnung Nr. 2793/77 wollte die Kommission ein System für die Kontrolle der Verwendung solcher Milch errichten. Sie hielt ein derartiges System für erforderlich, da die Beihilfe, die für die Verfütterung von Magermilch gewährt wird, unterschiedlich hoch ist, je nachdem, ob die Magermilch an junge Kälber oder an andere Tiere, insbesondere an Schweine, verfüttert werden soll. Zur Durchführung dieser Kontrolle sieht die Verordnung unter anderem Verpflichtungen bezueglich der "spezialisierten" Betriebe, die keine jungen Kälber halten, und bezueglich der "Misch"-Betriebe, die gleichzeitig junge Kälber und andere Tiere halten, vor. Eine Molkerei kann die für andere Tiere als junge Kälber bestimmte Sonderbeihilfe nur erhalten, wenn sie die schriftliche Verpflichtungserklärung des Tierhalters vorlegt, durch die sich dieser verpflichtet, die Magermilch nur zur Fütterung seiner Tiere zu verwenden, deren genauen Bestand er der betreffenden Molkerei regelmässig mitteilen muß.

3 Die Vorabentscheidungsfragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen einer deutschen Molkerei, der Butter-Absatz Osnabrück-Emsland e.G. ( nachstehend : Butter-Absatz e.G.), und der deutschen Interventionsstelle für Milcherzeugnisse, dem Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft. Das Bundesamt hatte die der Molkerei gewährte Sonderbeihilfe mit der Begründung zurückgefordert, daß die Molkerei nicht rechtzeitig über die Tierbestandsübersichten von fünf spezialisierten Tierhaltungsbetrieben verfügt habe.

4 Vor den nationalen Gerichten, die nacheinander mit dem Rechtsstreit befasst waren, berief sich das Bundesamt auf Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2793/77, nach dem jeder von der Molkerei an die zuständige Stelle gerichtete Antrag auf Zahlung der Sonderbeihilfe zusammen mit einer Erklärung eingereicht werden muß, wonach die Molkerei "auf die Sonderbeihilfe verzichtet bzw. sie... zurückzahlen wird", falls festgestellt wird, daß der Tierhalter eine der Verpflichtungen gemäß Artikel 4 der Verordnung nicht eingehalten hat. Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich verpflichtet sich im Falle eines spezialisierten Betriebs der Tierhalter gegenüber der Molkerei und der zuständigen Stelle, "der betreffenden Molkerei vor Beginn jedes Kalendervierteljahres eine Übersicht über seinen Tierbestand mitzuteilen ".

5 Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, daß der Rechtsstreit Fragen nach der Gültigkeit und Auslegung dieser beiden Bestimmungen aufwerfe. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt, um dem Gerichtshof folgende vier Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen :

"1 ) Ist die Regelung in Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung ( EWG ) Nr. 2793/77 der Kommission vom 15. Dezember 1977, soweit sie bestimmt, Voraussetzung für die Gewährung einer Sonderbeihilfe sei, daß die eine Sonderbeihilfe beantragende Molkerei eine Erklärung einreicht, wonach sie die Sonderbeihilfe zurückzahlen wird, falls ein Tierhalter eine der Verpflichtungen gemäß Artikel 4 nicht eingehalten hat, um deswillen ungültig, weil die Kommission durch Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 nicht ermächtigt worden ist, eine solche materiell-rechtliche Regelung zu treffen?

2 ) Ist die Regelung in Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der vorgenannten Verordnung ( EWG ) Nr. 2793/77, soweit sie bestimmt, daß die eine Sonderbeihilfe beantragende Molkerei eine Erklärung einreichen muß, wonach sie die Sonderbeihilfe zurückzahlen wird, falls ein Tierhalter - unter anderem - die Verpflichtung gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich, vor Beginn jedes Kalendervierteljahres eine Tierbestandsübersicht mitzuteilen, nicht eingehalten hat, wegen Verstosses gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit ungültig, weil sich die Molkerei auch für den Fall zur Rückzahlung der gesamten Sonderbeihilfe für den betreffenden Tierhalter und das betreffende Kalendervierteljahr verpflichten muß, daß dieser Tierhalter die Mitteilungsfrist nur geringfügig - um wenige Tage - überschritten hat und feststeht, daß er die subventionierte Magermilch bestimmungsgemäß verfüttert hat?

3 ) Ist die Regelung in Artikel 1 Nr. 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1438/79 der Kommission vom 11. Juli 1979

a ) entweder dahin auszulegen, daß die bis zum 31. Dezember 1979 bestimmten Verpflichtungen der Tierhalter gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich der Verordnung ( EWG ) Nr. 2793/77 zu vierteljährlichen Tierbestandsmitteilungen mit dem 1. Januar 1980 entfallen,

b ) oder dahin, daß diese Verpflichtungen der Tierhalter über den 31. Dezember 1979 hinaus so lange fortbestehen, bis der betreffende Mitgliedstaat die ihm eingeräumte Wahl zwischen vierteljährlichen oder jährlichen Tierbestandsmitteilungen getroffen hat?

4 ) Ist die Regelung in Artikel 5 Absatz 4 Satz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2793/77

a ) entweder dahin auszulegen, daß unter dem Begriff der 'Verpflichtungen gemäß Artikel 4' die in der Vorschrift des Artikels 4 in seiner jeweiligen Fassung bestimmten Verpflichtungen der Tierhalter zu verstehen sind,

b ) oder dahin, daß die in den Verpflichtungserklärungen der Tierhalter - vor dem 1. Januar 1980 - erklärten Verpflichtungen, insbesondere diejenigen zu vierteljährlichen Tierbestandsmitteilungen, ihre Gültigkeit auch für den Fall behalten sollen, daß die zugrundeliegenden in Artikel 4 bestimmten Verpflichtungen der Tierhalter infolge späterer Änderungen des Artikels 4 - hier durch Artikel 1 Nr. 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1438/79 - geändert werden oder entfallen?"

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten und zweiten Frage ( Gültigkeit des Artikels 5 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2793/77 )

7 Die ersten beiden Fragen betreffen die Gültigkeit des Artikels 5 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2793/77, der eine Erklärung der Molkerei in bezug auf die von den Tierhaltern abgegebenen Verpflichtungserklärungen vorschreibt. Die erste Frage wirft das Problem auf, ob die Kommission zum Erlaß einer solchen Bestimmung befugt war, während es bei der zweiten Frage darum geht, ob die vorgesehene Sanktion, nämlich die Rückzahlung der Beihilfe, nicht unverhältnismässig ist, wenn die erforderlichen Tierbestandsübersichten mit einer geringfügigen Verspätung übermittelt worden sind.

8 Die erste Frage beruht auf der Annahme, daß die streitige Bestimmung den Voraussetzungen, die in den Ratsverordnungen für die Gewährung der Sonderbeihilfe vorgesehen sind, eine weitere Sachvoraussetzung hinzufügt.

9 Dies trifft jedoch nicht zu. Die Erfordernisse des Artikels 5 Absatz 3 sind Teil des Kontroll - und Beweissystems, dessen Einführung notwendig war, um das reibungslose Funktionieren der Beihilferegelung zu gewährleisten. Da diese Erfordernisse zu den Durchführungsbestimmungen zu der Beihilferegelung für Magermilch und Magermilchpulver, die in der Gemeinschaft hergestellt worden sind und die für Futterzwecke verwendet werden, gehören, durfte die Kommission sie nach Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 148, S. 13 ), der Grundverordnung in diesem Sektor, festlegen.

10 Da die Akten keinen Anhaltspunkt dafür enthalten, daß die Kommission mit der Einführung dieses Kontrollsystems über das hinausgegangen ist, was notwendig ist, um das reibungslose Funktionieren der Beihilferegelung zu gewährleisten, ist festzustellen, daß die Kommission die ihr verliehenen Befugnisse nicht überschritten hat.

11 Somit war die Kommission zum Erlaß der streitigen Bestimmung befugt.

12 Die Butter-Absatz e.G. macht jedoch geltend, die Anerkennung der Befugnis der Kommission durch den Gerichtshof bedeute, daß die durch die streitige Bestimmung geschaffene Verpflichtung eine Nebenpflicht administrativer Natur sei. Die Nichtbeachtung einer solchen Pflicht könne aber nicht mit einer ebenso strengen Sanktion belegt werden wie die Nichtbeachtung der Hauptpflicht.

13 Das nationale Gericht wendet sich in seiner zweiten Frage demselben Problem unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zu, weil die Molkerei sich nach der streitigen Bestimmung zur Rückzahlung der gesamten Sonderbeihilfe verpflichten müsse, auch wenn die betreffenden Tierhalter die Frist für die Mitteilung ihres Tierbestands an die Molkerei nur geringfügig, etwa um wenige Tage, überschritten hätten.

14 Aus den Akten ergibt sich nicht, daß im Ausgangsfall die Frist nur um wenige Tage überschritten worden wäre. Es ist jedoch Aufgabe des nationalen Gerichts und nicht des Gerichtshofes, die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen und daraus die eventuellen Konsequenzen zu ziehen. Jedenfalls ist die Frage, so wie sie gestellt worden ist, dahin zu verstehen, daß sie sich insbesondere auf eine Fristüberschreitung von nur wenigen Tagen bezieht.

15 Dazu ist festzustellen, daß die Verordnung Nr. 188/83 der Kommission vom 26. Januar 1983 zur zwölften Änderung der Verordnung Nr. 2793/77 ( ABl. L 25, S. 14 ) dem Artikel 4 der letztgenannten Verordnung folgenden neuen Absatz angefügt hat : "Werden die Erklärungen an die Molkerei betreffend die Übersicht über den Tierbestand... mit Verspätung übermittelt, übersteigt die Verspätung jedoch nicht 10 Tage, so wird der Betrag der Beihilfe für den betreffenden Zeitraum um 10 % verringert."

16 Zwar wurde die Verordnung Nr. 188/83 erst nach den dem Ausgangsrechtsstreit zugrundeliegenden Ereignissen erlassen, doch gilt nach ihrem Artikel 2 der neue Absatz des Artikels 4 der Verordnung Nr. 2793/77 auf Antrag des Beteiligten auf die bereits gemäß der Verordnung Nr. 2793/77 eingereichten Beihilfeanträge.

17 Aus dem Zweck der Verordnung Nr. 188/83, mit der vermieden werden soll, daß die strenge Anwendung der Fristen auch im Fall einer geringen Fristüberschreitung zum Verlust der gesamten Beihilfe führt, sowie aus dem Kontext der Verordnung Nr. 2793/77, in den sich der neue Absatz des Artikels 4 einfügt, ergibt sich, daß die in Artikel 2 der Verordnung Nr. 188/83 vorgesehene Rückwirkung nicht nur für Beihilfeanträge gilt, über die noch nicht entschieden worden ist, sondern auch für noch offene Rückforderungen von Beihilfen. Das Problem der Unverhältnismässigkeit des Verlusts der gesamten Beihilfe im Fall einer geringen Fristüberschreitung stellt sich nämlich in beiden Fällen in gleicher Weise.

18 Deshalb kann sich eine Molkerei auf die Änderung, die die Verordnung Nr. 188/83 für den Fall einer geringen Überschreitung der für die Mitteilung des Tierbestands vorgesehenen Frist getroffen hat, sowohl zur Begründung eines Antrags auf Beihilfe als auch gegenüber einer Rückforderung von Beihilfe berufen, wenn der Beihilfeantrag vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung gestellt worden war.

19 Bei dieser Rechtslage könnte sich noch die Frage stellen, ob der Verhältnismässigkeitsgrundsatz nicht dadurch verletzt ist, daß der Anspruch auf Sonderbeihilfe ingesamt untergeht, wenn die Fristüberschreitung mehr als zehn Tage beträgt. Der Gerichtshof hat jedoch in seinem Urteil vom 8. Oktober 1986 in der Rechtssache 9/85 ( Nordbutter, Slg. 1986, 2831 ) festgestellt, daß die Verordnung Nr. 188/83 dem erheblichen Schaden Rechnung trägt, der sich aus einem völligen Verlust der Beihilfe bei einer geringen Überschreitung der vorgeschriebenen Fristen ergeben würde, und daß es nicht Sache des Richters ist, zu entscheiden, ob die Rechtsetzungsorgane der Gemeinschaft als geringe Überschreitung einen etwas längeren Zeitraum als den von ihnen vorgesehenen hätten festsetzen sollen.

20 Nach alledem verstossen die Bestimmungen, die bei Überschreitung der Frist für die Abgabe der Erklärung über den Tierbestand anwendbar sind, nicht gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz.

21 Somit ist auf die erste und zweite Frage zu antworten, daß ihre Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit des Artikels 5 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2793/77 der Kommission beeinträchtigen könnte.

Zur dritten und vierten Frage ( Auslegung der Bestimmungen bezueglich der Erklärung über den Tierbestand )

22 Mit der Verordnung Nr. 1438/79 der Kommission vom 11. Juli 1979 zur vierten Änderung der Verordnung Nr. 2793/77 ( ABl. L 175, S. 23 ) wurde Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der letztgenannten Verordnung mit Wirkung vom 1. Januar 1980 dahin geändert, daß der Tierhalter sich verpflichten musste, der Molkerei "nach Wahl des betreffenden Mitgliedstaats" entweder - wie bis dahin - vor Beginn jedes Kalendervierteljahres eine Übersicht über seinen Tierbestand oder vor Beginn jedes Kalenderjahres eine Erklärung über den durchschnittlichen Tierbestand mitzuteilen.

23 Wie aus den Akten hervorgeht, erklärte das Bundesamt nach Erlaß dieser Verordnung mit Rundschreiben an die Molkereien vom 5. November 1979, daß weiterhin an dem bisher angewandten System der vierteljährlichen Tierbestandsmitteilungen festgehalten werde. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof vertrat als Berufungsinstanz in dem vorliegenden Rechtsstreit die Auffassung, daß dieses Rundschreiben keine wirksame Ausübung des Wahlrechts darstelle, das den Mitgliedstaaten durch die Verordnung Nr. 1438/79 eingeräumt worden sei. Infolgedessen bestehe ein rechtliches Vakuum.

24 Die dritte und die vierte Frage gehen davon aus, daß der betreffende Mitgliedstaat am 1. Januar 1980 keine Wahl gemäß der Verordnung Nr. 1438/79 getroffen hatte. Die dritte Frage geht dahin, ob in diesem Fall die Verpflichtung des Tierhalters zur vierteljährlichen Tierbestandsmitteilung an die Molkerei entfallen ist oder ob sie fortbesteht, bis der Mitgliedstaat seine Wahl getroffen hat. Mit der vierten Frage wird um Auskunft darüber ersucht, wie es sich auf die Verpflichtungen der Tierhalter auswirkt, daß keine Wahl getroffen worden ist.

25 Dazu ist festzustellen, daß weder der Zweck der Verordnung Nr. 2973/77, nämlich die Kontrolle des reibungslosen Funktionierens der betreffenden Beihilferegelung sicherzustellen, noch ihr Wortlaut den Schluß zulassen, daß dann, wenn ein Mitgliedstaat keine Entscheidung hinsichtlich des neuen Verfahrens der jährlichen Tierbestandsmitteilung gemäß der Verordnung Nr. 1438/79 trifft, das bisher angewandte und durch diese Verordnung als gültig anerkannte Verfahren der vierteljährlichen Tierbestandsmitteilung automatisch entfällt. Vielmehr kann das Beihilfesystem, wie es durch die verschiedenen Gemeinschaftsverordnungen errichtet worden ist, ohne die Verpflichtung der Tierhalter zur Mitteilung von Angaben über den Tierbestand nicht funktionieren.

26 Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, daß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2793/77 der Kommission und Artikel 1 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1438/79 der Kommission dahin auszulegen sind, daß die Verpflichtungserklärung des Inhabers eines spezialisierten Tierhaltungsbetriebs die Verpflichtung umfasst, der Molkerei vierteljährlich seinen Tierbestand mitzuteilen, bis der betreffende Mitgliedstaat von dem ihm mit Wirkung vom 1. Januar 1980 eingeräumten Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, entweder eine solche vierteljährliche Mitteilung oder eine jährliche Erklärung über den durchschnittlichen Tierbestand zu verlangen.

27 Angesichts dieser Antwort erübrigt sich die Beantwortung der vierten Frage.

Kostenentscheidung:

Kosten

28 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer )

auf die ihm vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 1. September 1988 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Die Prüfung der ersten und der zweiten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des Artikels 5 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung ( EWG ) Nr. 2793/77 der Kommission vom 15. Dezember 1977 über die Durchführungsbestimmungen für eine Sonderbeihilfe für Magermilch zur Fütterung von Tieren mit Ausnahme von jungen Kälbern beeinträchtigen könnte.

2 ) Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung ( EWG ) Nr. 2793/77 der Kommission und Artikel 1 Nr. 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1438/79 der Kommission vom 11. Juli 1979 zur vierten Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr. 2793/77 sind dahin auszulegen, daß die Verpflichtungserklärung des Inhabers eines spezialisierten Tierhaltungsbetriebs die Verpflichtung umfasst, der Molkerei vierteljährlich seinen Tierbestand mitzuteilen, bis der betreffende Mitgliedstaat von dem ihm mit Wirkung vom 1. Januar 1980 eingeräumten Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, entweder eine solche vierteljährliche Mitteilung oder eine jährliche Erklärung über den durchschnittlichen Tierbestand zu verlangen.

Ende der Entscheidung

Zurück