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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.11.1989
Aktenzeichen: 353/88
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 178
EWG-Vertrag Art. 215 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Vor dem Gerichtshof wird die Gemeinschaft, wenn ihre Haftung durch ein Verhalten eines ihrer Organe ausgelöst wird, durch das oder die Organe vertreten, denen das die Haftung auslösende Verhalten zur Last fällt. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, daß der Umstand, daß eine Klage unmittelbar gegen das Organ gerichtet worden ist, dem das angeführte Verhalten zur Last gelegt wird, zur Unzulässigkeit der Klage führen kann; denn eine solche Klage ist als gegen die Gemeinschaft, vertreten durch dieses Organ, gerichtet anzusehen.

2. Die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft und die Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz des erlittenen Schadens sind vom Vorliegen einer rechtswidrigen Handlung der Gemeinschaftsorgane, eines tatsächlichen Schadens und eines Kausalzusammenhangs zwischen beiden abhängig.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 9. NOVEMBER 1989. - SAS BRIANTEX UND A. DI DOMENICO GEGEN EUROPAEISCHE WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT UND KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - AUSSERVERTRAGLICHE HAFTUNG AUFGRUND FALSCHER INFORMATIONEN. - RECHTSSACHE 353/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Firma Briantex SAS, ein auf den Handel mit und die Herstellung von Haushaltswäsche und ähnlichen Waren spezialisiertes Unternehmen mit Sitz in Seregno ( Italien ), und ihr Generaldirektor Antonio Di Domenico haben mit Klageschrift, die am 9. Dezember 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 EWG-Vertrag gegen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften Klage auf Ersatz des Schadens erhoben, den die Kläger im Rahmen der Organisation einer "Handelswoche EWG/China" durch die Kommission in Brüssel erlitten haben.

2 Die Kläger tragen vor, die Kommission habe die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft ihnen gegenüber dadurch ausgelöst, daß sie falsche und unvollständige Informationen verbreitet habe oder habe verbreiten lassen, die die Kläger irregeführt und ihnen einen Schaden verursacht hätten.

3 Im Vertrauen auf diese Informationen sei Herr Di Domenico nämlich mit der Aussicht nach Brüssel gereist, dort bei anwesenden chinesischen Repräsentanten eine Bestellung aufzugeben. Diese hätten dann jedoch ihm gegenüber angegeben, daß die Quote, die Italien im Bereich der Einfuhr von Textilien aus China vorbehalten sei, bereits vollständig ausgeschöpft sei. Die Kläger sind der Ansicht, sie hätten einen Schaden erlitten in Höhe der vergeblich aufgewendeten Reise - und Aufenthaltskosten, des Betrags, der vier Arbeitstagen entspreche, die infolge der vergeblichen Reise des Herrn Di Domenico ausgefallen seien, und der Einbusse, die sich daraus ergebe, daß sie nicht die Geschäfte hätten tätigen können, die sie geglaubt hätten, abschließen zu können.

4 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens des Rechtsstreits, des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit

5 Die Beklagten tragen vor, die Klage sei teilweise unzulässig, zum einen, soweit sie im Namen des Herrn Di Domenico erhoben wurde, da diesem die Klagebefugnis fehle, und zum anderen, soweit sie gegen die Kommission gerichtet sei, da diese keine Rechtspersönlichkeit besitze.

6 Hinsichtlich der Klagebefugnis des Herrn Di Domenico ist zu berücksichtigen, daß er in seiner Eigenschaft als Generaldirektor nach Brüssel gereist ist, d. h. als Organ oder Bevollmächtigter der Firma Briantex. Den angeblich aus seiner Reise und seiner Teilnahme an der Handelswoche resultierenden Schaden hat folglich die Firma Briantex erlitten. Daher ist die Klage, da Herr Di Domenico kein persönliches Interesse an dem Rechtsstreit hat, insoweit als unzulässig abzuweisen, als sie in seinem Namen erhoben worden ist.

7 Was die Unzulässigkeit der Klage angeht, soweit sie gegen die Kommission gerichtet ist, so ist daran zu erinnern, daß die Gemeinschaft, wenn ihre Haftung durch ein Verhalten eines ihrer Organe ausgelöst wird, vor dem Gerichtshof durch das oder die Organe vertreten wird, denen das die Haftung auslösende Verhalten zur Last fällt ( Urteil vom 13. November 1973 in den verbundenen Rechtssachen 63 bis 69/72, Werhahn, Slg. 1973, 1229 ). Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, daß der Umstand, daß eine Klage unmittelbar gegen das Organ gerichtet worden ist, dem das angeführte Verhalten zur Last gelegt wird, zur Unzulässigkeit der Klage führen kann; denn eine solche Klage ist als gegen die Gemeinschaft, vertreten durch dieses Organ, gerichtet anzusehen. Die insoweit von den Beklagten erhobene Einrede ist daher zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

8 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes sind die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft und die Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz des erlittenen Schadens vom Vorliegen einer rechtswidrigen Handlung der Gemeinschaftsorgane, eines tatsächlichen Schadens und eines Kausalzusammenhangs zwischen beiden abhängig.

9 Im vorliegenden Fall soll die rechtswidrige Handlung der Kommission in der Verbreitung von Informationen über die Handelswoche EWG/China bestanden haben, die die Kläger zu Unrecht hätten glauben lassen, sie könnten Verträge mit den chinesischen Verhandlungspartnern schließen. Die Kläger werfen der Kommission insbesondere vor, sie nicht darüber informiert zu haben, daß die italienische Quote ausgeschöpft gewesen sei.

10 Aus den Akten sowie aus den in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen des Gerichtshofes gegebenen Antworten geht hervor, daß die einzige Information, auf die die Kläger ihre Überzeugung gestützt haben, Verträge schließen zu können, eine Passage in einem Rundschreiben des italienischen Aussenhandelsinstituts ist, wonach während der Handelswoche zehn chinesische Import-Exportgesellschaften mit Repräsentanten chinesischer Regionen und Provinzen, die über Entscheidungsbefugnisse verfügten, anwesend sein würden.

11 Dazu ist zu bemerken, daß die Schlußfolgerungen, die die Kläger geglaubt haben aus diesem Text ziehen zu können, nicht gerechtfertigt sind. Er stellt nämlich nur eine Mitteilung allgemeiner Art dar, die in keiner Weise nahelegt, daß die chinesischen Repräsentanten Verträge für bestimmte Waren schließen würden. Ausserdem ist eine Handelswoche, wie die Kommission zu Recht bemerkt hat, vor allem ein Anlaß zur Begegnung zwischen Geschäftsleuten, ohne Garantie, tatsächlich Verträge schließen zu können. Unter diesen Umständen bestand für die Kommission keine Verpflichtung, die Teilnehmer an einem solchen Ereignis zuvor von der Ausschöpfung bestimmter Quoten im Textilwarenbereich in Kenntnis zu setzen.

12 Somit kann der Vorwurf nicht aufrechterhalten werden, die Kommission habe dadurch, daß sie die betreffende Information in der geschilderten Weise verbreitet hat, rechtswidrig gehandelt. Die Klage ist daher abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen, soweit sie im Namen des Herrn Di Domenico erhoben worden ist.

2 ) Im übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.

3 ) Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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