Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.05.1990
Aktenzeichen: 358/88
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 2192/82/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 177
VO Nr. 2192/82/EWG Art. 22
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Kommission darf in Ausübung der Befugnisse, die ihr vom Rat zur Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation im Bereich der Landwirtschaft verliehen wurden, alle Durchführungsbestimmungen erlassen, die für das reibungslose Funktionieren der in dieser Organisation enthaltenen Beihilferegelung erforderlich sind, sofern diese Bestimmungen nicht gegen die Grund - oder die Durchführungsregelung des Rates verstossen. Die der Kommission damit übertragene Aufgabe der Verwaltung und Kontrolle schließt die Befugnis ein, Fristen festzusetzen und für deren Überschreitung angemessene Sanktionen vorzusehen, die bis zum völligen Verlust des Beihilfeanspruchs gehen können, wenn die Einhaltung dieser Fristen für das reibungslose Funktionieren der Beihilferegelung erforderlich ist.

2. Die Gewährung der in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1431/82 über besondere Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen vorgesehenen Beihilfe hängt davon ab, daß die in Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 gesetzte Frist für die Einreichung des Beihilfeantrags eingehalten worden ist. Auch wenn nämlich Artikel 22 Absatz 1 in der geänderten Fassung nichts darüber sagt, ob und gegebenenfalls welche Sanktionen wegen einer Überschreitung dieser Frist verhängt werden können, ist ihre Einhaltung doch für das reibungslose Funktionieren der Beihilferegelung unerläßlich und kann daher - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit - durch eine Sanktion wie den Verlust des Beihilfeanspruchs gewährleistet werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 2. MAI 1990. - OBERHAUSENER KRAFTFUTTERWERK WILHELM HOPERMANN GMBH GEGEN BUNDESANSTALT FUER LANDWIRTSCHAFTLICHE MARKTORDNUNG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: VERWALTUNGSGERICHT FRANKFURT AM MAIN - DEUTSCHLAND. - LANDWIRTSCHAFT - BESONDERE MASSNAHMEN FUER ERBSEN, PUFFBOHNEN UND ACKERBOHNEN - FRIST FUER DIE EINREICHUNG DES BEIHILFEANTRAGS. - RECHTSSACHE 358/88.

Entscheidungsgründe:

1 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1988 ergangenem Beschluß, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Dezember 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 der Kommission vom 6. August 1982 mit Durchführungsbestimmungen für die besonderen Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen ( ABl. L 233, S. 5 ) in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 der Kommission vom 10. Dezember 1982 ( ABl. L 351, S. 27 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit um die Weigerung der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung ( nachstehend : BALM ), der Oberhausener Kraftfutterwerk Wilhelm Hopermann GmbH ( nachstehend : Hopermann GmbH ) die in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1431/82 des Rates vom 18. Mai 1982 über besondere Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen ( ABl. L 162, S. 28 ) vorgesehene Beihilfe für bestimmte Mengen von Erbsen zu gewähren.

3 Die BALM begründet ihre Weigerung damit, daß die Hopermann GmbH die in Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 vorgesehene Verpflichtung nicht eingehalten habe, den Beihilfeantrag spätestens am ersten Arbeitstag nach dem Tag einzureichen, an dem der Antrag auf Verbringung unter Kontrolle eingereicht worden sei; der Beihilfeantrag sei erst mehrere Monate später eingereicht worden.

4 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, bei dem die Hopermann GmbH Klage gegen diese Entscheidung erhoben hat, hat das Verfahren bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofes über folgende Frage ausgesetzt :

"Ist die Frist zur Stellung eines Antrags auf Beihilfe nach Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2192/82 der Kommission vom 6. August 1982 ( ABl. L 233, S. 5 ) beziehungsweise Artikel 22 in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 3322/82 der Kommission vom 10. Dezember 1982 ( ABl. L 351, S. 27 ) eine Ausschlußfrist?"

5 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

6 Mit der Vorlagefrage begehrt das nationale Gericht Auskunft darüber, ob die Gewährung der in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1431/82 des Rates vorgesehenen Beihilfe davon abhängt, daß die in Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 der Kommission in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 gesetzte Frist eingehalten worden ist.

7 Die Hopermann GmbH macht erstens geltend, daß die Verordnung Nr. 2036/82 des Rates vom 19. Juli 1982 zur Festsetzung der Grundregeln für die besonderen Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen ( ABl. L 219, S. 1 ) und insbesondere ihr Artikel 5 die Gewährung der fraglichen Beihilfe nicht davon abhängig mache, daß die Pflicht beachtet werde, den Beihilfeantrag spätestens am ersten Arbeitstag nach dem Tag einzureichen, an dem der Antrag auf Verbringung unter Kontrolle eingereicht worden sei. Diese Verpflichtung sei auch nicht in der Verordnung Nr. 2192/82 der Kommission vorgesehen, deren Artikel 29 Absatz 2 die erschöpfende Aufzählung der Bedingungen enthalte, unter denen die Beihilfe gewährt werde. Folglich dürfe die verspätete Einreichung des Beihilfeantrags nur zu einer späteren Auszahlung der Beihilfe führen.

8 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes darf die Kommission in Ausübung der Befugnisse, die ihr vom Rat zur Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation im Bereich der Landwirtschaft verliehen wurden, alle Durchführungsbestimmungen erlassen, die für das reibungslose Funktionieren der vorgesehenen Beihilferegelung erforderlich sind, sofern diese Bestimmungen nicht gegen die Grund - oder die Durchführungsregelung des Rates verstossen ( siehe zuletzt das Urteil vom 18. Januar 1990 in der Rechtssache C-345/88, Butterabsatz, Slg. 1990, I-159 ). Die der Kommission damit übertragene Aufgabe der Verwaltung und Kontrolle schließt die Befugnis ein, Fristen festzusetzen und für deren Überschreitung angemessene Sanktionen vorzusehen, die bis zum völligen Verlust des Beihilfeanspruchs gehen können, wenn die Einhaltung dieser Fristen für das reibungslose Funktionieren der Beihilferegelung erforderlich ist.

9 Die Beachtung der streitigen, in Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 vorgesehenen Verpflichtung, den Beihilfeantrag spätestens am ersten Arbeitstag nach dem Tag einzureichen, an dem der Antrag auf Verbringung unter Kontrolle eingereicht worden ist, ist unerläßlich, um das reibungslose Funktionieren der fraglichen Beihilferegelung zu gewährleisten.

10 Der Umstand, daß sich die Höhe der zu gewährenden Beihilfe gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2036/82 nach dem Tag der Einreichung des Beihilfeantrags richtet, könnte nämlich - wenn die für die Einreichung dieses Antrags festgesetzte Frist keinen zwingenden Charakter hätte - manche Verwender veranlassen, einen günstigeren Zeitpunkt für die Einreichung abzuwarten und sich so einen ungerechtfertigten Gewinn zu verschaffen.

11 Auch wenn also Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 nichts darüber sagt, ob und gegebenenfalls welche Sanktionen wegen einer Überschreitung dieser Frist verhängt werden können, ergibt sich doch aus dem Zweck dieser Verpflichtung, daß die Folge der Nichteinhaltung dieser Frist nur der Verlust des Beihilfeanspruchs sein kann.

12 Die Hopermann GmbH macht zweitens geltend, daß die Nichtbeachtung der streitigen Verpflichtung den Zweck der Beihilfe, nämlich den Erzeugern einen ausreichenden Preis zu gewähren und den Absatz der teuren Leguminosen auf dem Inlandsmarkt zu gewährleisten, nicht in Frage stellen könne. Es handle sich daher um eine Nebenpflicht, deren Nichtbeachtung nicht automatisch zum Verlust des Beihilfeanspruchs führen könne, da sonst der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt werde.

13 Um festzustellen, ob eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit übereinstimmt, muß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes in erster Linie geprüft werden, ob die zur Erreichung des angestrebten Zwecks eingesetzten Mittel mit der Bedeutung dieses Zwecks zu vereinbaren sind, und in zweiter Linie, ob sie zu dessen Erreichung erforderlich sind ( siehe insbesondere das Urteil vom 22. Januar 1986 in der Rechtssache 266/84, Denkavit France, Slg. 1986, 149, Randnr. 17 ).

14 Wie oben ausgeführt, ist die in Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 aufgestellte Verpflichtung, den Beihilfeantrag spätestens am ersten Arbeitstag nach dem Tag einzureichen, an dem der Antrag auf Verbringung unter Kontrolle eingereicht worden ist, unerläßlich, um das reibungslose Funktionieren des errichteten Beihilfesystems zu gewährleisten.

15 Unter diesen Umständen steht der mit der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung verbundene Verlust des Beihilfeanspruchs nicht ausser Verhältnis zu dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber angestrebten Ziel.

16 Somit ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß die Gewährung der in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1431/82 des Rates vom 18. Mai 1982 über besondere Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen vorgesehenen Beihilfe davon abhängt, daß die in Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen für die besonderen Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 gesetzte Frist eingehalten worden ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

17 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Dritte Kammer )

auf die ihm vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1988 ergangenem Beschluß vorgelegte Frage für Recht erkannt :

Die Gewährung der in Artikel 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1431/82 des Rates vom 18. Mai 1982 über besondere Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen vorgesehenen Beihilfe hängt davon ab, daß die in Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2192/82 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen für die besonderen Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 3322/82 gesetzte Frist eingehalten worden ist.

Ende der Entscheidung

Zurück