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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 16.06.1988
Aktenzeichen: 371/87
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 91
Beamtenstatut Art. 90 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Jede blosse ablehnende Entscheidung, ob sie nun stillschweigend oder ausdrücklich ergeht, bedeutet nur eine Bestätigung der vom Beschwerdeführer beanstandeten Maßnahme oder Unterlassung und ist als solche keine anfechtbare Maßnahme.

2. Wurde ein von einem Beamten bei der Anstellungsbehörde eingereichter Antrag stillschweigend abgelehnt, so stellt eine spätere Entscheidung dieser Behörde, mit der dem Antrag im wesentlichen stattgegeben wird, keine Maßnahme dar, die eine gegenüber der stillschweigenden Zurückweisung selbständige Beschwer enthält.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 16. JUNI 1988. - NICOLAS PROGOULIS GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE 371/87.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 15. Dezember 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat Nicolas Progoulis, Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, eine Klage gemäß Artikel 91 des Beamtenstatuts erhoben, mit der er im wesentlichen die Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 12. März 1987, mit der sein Antrag vom 18. August 1986 teilweise abgelehnt wurde, sowie die Aufhebung der Antwort auf seine Beschwerde vom 19. Mai 1987 begehrt.

2 Der Kläger, der die griechische Staatsangehörigkeit besitzt, ist Beamter der Besoldungsgruppe B 3 der Kommission. Bis zum 1. Dezember 1985 übte er die Tätigkeit eines Berichterstatters beim EAGFL aus. Im Rahmen dieser Aufgaben war er damit betraut, an Ort und Stelle Prüfungen hinsichtlich der Durchführung bestimmter Investitionsvorhaben vorzunehmen. Diese Prüfungen werden stets durch zwei Beamte unter der Aufsicht des Leiters der Abteilung "EAGFL : Ausrichtung" durchgeführt.

Bei Prüfungen an Ort und Stelle betreffend drei Vorhaben in Frankreich ( F/74/80 sowie F/43/82 und F/32/82 ) kam es zwischen dem Kläger und dem zweiten Beamten, der Verwaltungsrat in der gleichen Abteilung und Dienstreisechef des Klägers war, zu Meinungsverschiedenheiten insbesondere über die zu erstellenden Berichte.

3 Was das Vorhaben F/74/80 angeht, so führte der Kläger die Prüfung an Ort und Stelle am 10. Juli 1984 durch. Der Bericht über diese Dienstreise wurde vom Dienstreisechef erst am 10. Dezember 1985 erstellt, weil dieser - nach seinen eigenen Worten - wegen "des Streites mit" dem Kläger nicht in der Lage war, ihn früher vorzulegen. Dieser Bericht war nur vom Dienstreisechef unterzeichnet, da der Kläger den EAGFL am 1. Dezember 1985 verlassen hatte, um in einer anderen Dienststelle der Kommission zu arbeiten.

4 Was die Vorhaben F/43/82 und F/32/82 angeht, so führte der Kläger die Prüfungen an Ort und Stelle am 11. Juli 1984 durch. In seinen Berichtsentwürfen lehnte er es ab, zu diesen Vorhaben Stellung zu nehmen, weil hierfür seine Vorgesetzten zuständig seien. Da eine Unterredung zwischen dem Kläger und seinem unmittelbaren Vorgesetzten nicht zu einer Meinungsänderung des Klägers geführt hatte, unterzeichnete der Vorgesetzte, nachdem der Kläger die Abteilung verlassen hatte, die Berichte "im Auftrag" des Klägers mit dem Zusatz, daß dieser den EAGFL verlassen habe.

5 In einem Vermerk vom 21. April 1986 beklagte sich der Kläger bei seinem früheren Abteilungsleiter darüber, daß sein Name ohne seine Einwilligung zur Billigung bestimmter Berichte verwendet worden sei. Er bat darin,

"1 ) den vorliegenden Vermerk sämtlichen dem EAGFL übermittelten Berichten über die Vorhaben beizufügen, derentwegen ich auf Dienstreise geschickt wurde, einschließlich der Berichte, die anderen Direktionen und Einrichtungen ( Rechnungshof und Finanzkontrolle ) übersandt wurden, und mir den Beweis darüber zu erbringen.

Nach meiner Auffassung kann ich nämlich nicht für Berichte verantwortlich gemacht werden, die niemals meine Zustimmung erhalten haben;

2 ) den Betreffenden klarzumachen, daß weder der Name noch die Unterschrift eines anderen ohne dessen Einwilligung benutzt werden darf, was natürlich strafrechtliche Folgen haben kann;

3 ) mir schriftlich mitzuteilen, welche Korrekturen Sie an dem diesem Vermerk beiliegenden handschriftlichen Bericht haben möchten ".

Der Kläger hob in diesem Vermerk hervor, daß es Zweck des Vermerks sei, vor unzulässigen Verfahrensweisen zu warnen, und er schloß, daß es nicht hinnehmbar sei, daß er als am Entscheidungsprozeß Beteiligter genannt werde, ohne hierüber in Kenntnis gesetzt worden zu sein.

6 Im Anschluß an diesen Vermerk ließ der Leiter der zuständigen Abteilung des EAGFL die Schlußfolgerungen des Berichts F/74/80 abändern; er erklärte sich bereit, die Berichte über die Vorhaben F/32/82 und F/43/82 zurückzunehmen, und forderte den Kläger auf, die neuen Berichte zu unterzeichnen, die die früheren Berichte aufheben und ersetzen sollten. Der Kläger zeigte sich jedoch durch dieses Entgegenkommen nicht befriedigt und stellte am 18. August 1986 gemäß Artikel 90 des Statuts den Antrag,

"1 ) die erforderlichen Maßnahmen zu treffen :

- Untersuchungen, um die Bedeutung der Tatsachen festzustellen;

- Disziplinarmaßnahmen gegenüber den für diese Tatsachen Verantwortlichen;

- Überantwortung dieser Verantwortlichen an die zuständigen Strafgerichte;

mir den Beweis zu erbringen, daß diese Maßnahmen getroffen wurden;

2 ) den Wortlaut des vorliegenden Antrags und die Anlagen allen Berichten beizufügen, derentwegen ich auf Dienstreise geschickt wurde, einschließlich der anderen Direktionen ( Rechnungshof und Finanzkontrolle ) übersandten Berichte, und mir den Beweis darüber zu erbringen.

Nach meiner Auffassung kann ich nämlich nicht nach Artikel 21 Absatz 3 des Statuts für Berichte verantwortlich gemacht werden, die niemals meine Zustimmung erhalten haben;

3 ) den vorliegenden Antrag zu meiner Personalakte zu nehmen, damit er auf jeden Fall berücksichtigt werden kann;

4 ) mir wegen mißbräuchlicher Benutzung meines Namens und meiner Unterschrift zu unfeinen Zwecken einen Franc als Ersatz immateriellen Scchadens zu zahlen ".

7 Da der Kläger innerhalb der im Statut vorgesehenen Frist von vier Monaten keine Antwort von der Kommission erhalten hatte, legte er am 23. Februar 1987 gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts eine Beschwerde gegen die stillschweigende Ablehnung seines Antrags ein. Am 12. März 1987 beantwortete die Kommission den Antrag vom 18. August 1986 wie folgt :

" Ich freue mich, Ihnen versichern zu können, daß Ihre Verantwortlichkeit nach Artikel 21 des Statuts nicht aufgrund des Inhalts eines von Ihnen nicht unterzeichneten Berichts ausgelöst werden kann, ohne daß es der von Ihnen geforderten Verbreitung bedarf.

Was im übrigen Ihre Erwägungen zu aus der Prüfung des Vorhabens F/74/80 zu ziehenden Schlußfolgerungen angeht, so ist festzustellen, daß der Kern Ihres abweichenden Standpunkts klar und fair in dem überarbeiteten Bericht dargelegt wurde, der Ihnen am 17. Juni 1986 von Herrn Daleiden zur Unterzeichnung übermittelt wurde.

Zu Ihrem Wunsch, daß Ihr Antrag zu Ihrer Personalakte genommen wird, kann ich Ihnen mitteilen, daß dahin gehende Anweisungen erteilt wurden. Wenn Sie es wünschen, kann im übrigen auch die vorliegende Antwort zu Ihrer Personalakte genommen werden."

Da der Kläger diese Antwort nicht für befriedigend hielt, legte er am 19. Mai 1987 erneut - gegen diese Entscheidung der Kommission - eine Beschwerde ein. Am 5. Juni 1987 teilte die Kommission dem Kläger die von ihr am 21. Mai 1987 auf seine Beschwerde vom 23. Februar 1987 erlassene Entscheidung mit. Diese Entscheidung bestätigt lediglich das Schreiben vom 12. März 1987. Mit Vermerk vom 16. September 1987 verwies der Generaldirektor für Personal und Verwaltung den Kläger wegen seiner zweiten Beschwerde auf die von der Kommission auf dieselben Vorwürfe bereits erteilten Antworten vom 12. März und 5. Juni 1987.

8 Die vorliegende Klage ist am 15. Dezember 1987 eingereicht worden. Mit ihr beantragt der Kläger,

"1 ) die Entscheidung der Kommission vom 12. März 1987, mit der der Antrag des Klägers vom 18. August 1986 teilweise abgelehnt wurde, aufzuheben;

2 ) die dem Kläger am 18. September 1987 mitgeteilte Entscheidung der Kommission vom 16. September 1987, mit der seine Beschwerde vom 19. Mai 1987 zurückgewiesen wurde, aufzuheben;

3 ) die Kommission zu verurteilen, an den Kläger vorläufig 1 BFR als Ersatz des ihm entstandenen immateriellen Schadens zu zahlen;

4 ) die Kommission ferner zu verurteilen, eine Durchschrift der vorliegenden Klageschrift sämtlichen dem Rechnungshof vorliegenden Berichten über Dienstreisen beizufügen, an denen der Kläger teilgenommen hat;

5 ) der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen...".

9 Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 12. Februar 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit insbesondere mit der Begründung erhoben, die Klagefrist sei nicht eingehalten worden, jedenfalls liege aber keine den Kläger beschwerende Maßnahme vor.

10 Nach Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof jederzeit von Amts wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen, insbesondere die Zulässigkeit der Klage, fehlen, und hierüber gemäß Artikel 91 §§ 3 und 4 ohne Eröffnung der mündlichen Verhandlung entscheiden.

11 Nach Artikel 91 Absatz 3 des Statuts muß die Klage eines Beamten innerhalb einer Frist von drei Monaten erhoben werden, die entweder am Tag der Mitteilung der auf die Beschwerde hin ergangenen Entscheidung oder, falls eine derartige Entscheidung nicht vorliegt, an dem Tag beginnt, an dem die Beantwortungsfrist abläuft.

12 Der Kläger trägt vor, daß vorliegend die Dreimonatsfrist erst am Tag der Mitteilung der Antwort der Kommission auf seine zweite Beschwerde, das heisst am 18. September 1987, begonnen habe. Er beruft sich insbesondere auf die Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juni 1976 in der Rechtssache 5/76 ( Jänsch, Slg. 1976, 1027 ) und vom 28. Mai 1980 in den Rechtssachen 33/79 und 75/79 ( Kuhner, Slg. 1980, 1680 ), um geltend zu machen, daß es die ausdrückliche Antwort vom 12. März 1987 sei, die die Klagefrist in Lauf gesetzt habe.

13 Nach Ansicht der Kommission kann diesem Vorbringen nicht gefolgt werden. Die Antwort vom 5. Juni 1987 habe ausdrücklich auf die Antwort der Anstellungsbehörde vom 12. März 1987 Bezug genommen und dem Kläger eindeutig den endgültigen Standpunkt der Kommission in dieser Frage mitgeteilt.

14 Festzustellen ist zunächst, daß eine Klage gegen die auf die Beschwerde vom 23. Februar 1987 hin ergangene und am 5. Juni 1987 mitgeteilte Entscheidung verspätet ist, da die Dreimonatsfrist nach Artikel 91 Absatz 3 des Statuts nicht eingehalten wurde.

15 Überdies steht fest, daß das Schreiben des Generaldirektors für Personal und Verwaltung der Kommission vom 16. September 1987 nicht als eine auf die Beschwerde vom 19. Mai 1987 hin ergangene Entscheidung gilt.

16 Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, ob die Beschwerde vom 19. Mai 1987 für die Berechnung der Klagefrist Ausgangspunkt sein konnte.

17 In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung jede blosse ablehnende Entscheidung, ob sie nun stillschweigend oder ausdrücklich ergeht, nur eine Bestätigung der vom Beschwerdeführer beanstandeten Maßnahme oder Unterlassung bedeutet und als solche keine anfechtbare Maßnahme ist ( Urteil vom 28. Mai 1980, a. a. O.).

18 Es ist festzustellen, daß die Beschwerde vom 19. Mai 1987 gegen die Entscheidung der Kommission vom 12. März 1987 gerichtet war, die auf den Antrag des Klägers vom 18. August 1986 hin ergangen war, der bereits Gegenstand einer stillschweigenden Ablehnung gewesen war.

19 Sodann ist darauf hinzuweisen, daß die Antwort der Kommission vom 12. März 1987 keine Maßnahme ist, die eine selbständige Beschwer gegenüber der angeblichen Beschwer in der stillschweigenden ablehnenden Entscheidung über den Antrag vom 18. August 1986 enthält. Mit ihrer Entscheidung vom 12. März 1987 hat die Kommission nämlich dem ursprünglichen Antrag des Klägers im wesentlichen stattgegeben.

20 Hinzuzufügen ist ferner, daß der Kläger, nachdem er das Schreiben der Kommission vom 5. Juni 1987 erhalten hatte, nicht im ungewissen über den Beginn der dreimonatigen Klagefrist sein konnte.

21 Aus diesen Erwägungen folgt, daß die Klage verspätet ist und daher als unzulässig abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

22 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )

beschlossen :

1 ) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 16. Juni 1988.

Ende der Entscheidung

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