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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.11.1990
Aktenzeichen: 39/88
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 3796/81 vom 29.12.1981, Verordnung Nr. 3598/83 vom 20.12.1983


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 169
Verordnung Nr. 3796/81 vom 29.12.1981 Art. 11 Abs. 1
Verordnung Nr. 3796/81 vom 29.12.1981 Art. 11 Abs. 3
Verordnung Nr. 3598/83 vom 20.12.1983 Art. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Tragweite und die Bindungswirkung einer Verordnung für den Zeitraum ihrer Gültigkeit werden durch den Erlaß einer späteren Verordnung, die denselben Zweck verfolgt und die den Staaten weniger einschneidende Verpflichtungen auferlegt, nicht berührt.

2. Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf interne Umstände wie Schwierigkeiten beim Vollzug eines Rechtsaktes der Gemeinschaft berufen, um die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen, die sich aus den Normen des Gemeinschaftsrechts ergeben.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 27. NOVEMBER 1990. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN IRLAND. - VERPFLICHTUNG ZUR ERTEILUNG VON AUSKUENFTEN AUF DEM FISCHEREISEKTOR. - RECHTSSACHE 39/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 3. Februar 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß Irland gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 11 Absätze 1 und 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 3796/81 des Rates vom 29. Dezember 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse ( ABl. L 379, S. 1 ) sowie aus den Artikeln 1 und 2 der Verordnung ( EWG ) Nr. 3598/83 der Kommission vom 20. Dezember 1983 über die Mitteilung der Notierungen und die Festlegung der Liste der repräsentativen Märkte und Häfen für Fischereierzeugnisse ( ABl. L 357, S. 17 ) verstossen hat, indem es bestimmte Preisnotierungen des Fischereimarktes nicht mitgeteilt hat.

2 Die Kommission hat gegen Irland zwei Vorwürfe erhoben.

3 Der erste Vorwurf betrifft Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3796/81 und Artikel 1 der Verordnung Nr. 3598/83. Im Hinblick auf die Festsetzung des Orientierungspreises der in Anhang I Abschnitte A und D aufgeführten Erzeugnisse schreibt Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3796/81 vor, daß die Mitgliedstaaten der Kommission die Notierungen mitteilen, die auf den repräsentativen Großhandelsmärkten oder in den repräsentativen Häfen für diese Erzeugnisse festgestellt werden. Artikel 1 der Verordnung Nr. 3598/83 bestimmt, daß diese Preismitteilungen für jedes der betreffenden Erzeugnisse und für jeden repräsentativen Markt und Hafen den Durchschnittspreis des Markttags, die angelandete und vermarktete Gesamtmenge sowie die aus dem Handel genommene Gesamtmenge umfassen. Diese Angaben sind der Kommission jeweils am zehnten und 25. Tag des Monats, und wenn sich die Gefahr einer Krisensituation oder Marktstörung ankündigt, an jedem Markttag fernschriftlich mitzuteilen.

4 Da die Durchführungsverordnung keinen repräsentativen irischen Hafen als Markt für Garnelen angab, von denen in Anhang I Abschnitt D der Verordnung Nr. 3796/81 die Rede ist, beschränkt sich die vorliegende Klage, soweit sie Artikel 11 Absatz 1 dieser Verordnung betrifft, auf die in Anhang I Abschnitt A genannten Erzeugnisse.

5 Der zweite Vorwurf der Kommission betrifft Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3796/81 und Artikel 2 der Verordnung Nr. 3598/83. Nach Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3796/81 haben die Mitgliedstaaten der Kommission vierteljährlich die Großhandelspreise für die in Anhang IV Abschnitt B aufgeführten, an Bord beziehungsweise an Land gefrorenen Erzeugnisse mitzuteilen. Die Kommission hat auf eine ihr vom Gerichtshof gestellte Frage erklärt, daß diese Preismitteilungen die Festsetzung des Referenzpreises ermöglichen sollten, der gemäß Artikel 21 der Verordnung Nr. 3796/81 seinerseits dazu diene, Störungen zu vermeiden, die von aus Drittländern eingeführten Erzeugnissen ausgehen könnten. Nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 3598/83 sind diese Angaben spätestens am Ende der sechsten Woche nach dem betreffenden Vierteljahr fernschriftlich zu übermitteln.

6 Die Kommission hat den Umfang dieses zweiten Vorwurfs im schriftlichen Verfahren zunächst auf die an Bord gefrorenen Erzeugnisse beschränkt. Sie hat nämlich den Eindruck gewonnen, daß das Sammeln der Informationen über an Land gefrorene Erzeugnisse in den meisten Mitgliedstaaten auf Schwierigkeiten stosse und für das reibungslose Funktionieren der betreffenden gemeinsamen Marktorganisation nicht absolut unerläßlich sei. Im Anschluß an die Erklärung der irischen Regierung, daß es in Irland keinen Großhandelsmarkt für an Bord gefrorene Erzeugnisse gebe, hat die Kommission sodann in der mündlichen Verhandlung auch den zweiten Teil ihres Vorwurfs bezueglich des Artikels 11 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3796/81 zurückgenommen, so daß nur noch über den ersten Vorwurf betreffend Artikel 11 Absatz 1 dieser Verordnung zu entscheiden ist.

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Irland räumt ein, daß es die Verpflichtung aus Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3796/81 nicht erfuellt hat, macht jedoch geltend, daß es die verlangten Angaben stets einmal im Jahr mitgeteilt habe; dies müsste ausreichen, um die Kommission in die Lage zu versetzen, einmal jährlich den Orientierungspreis gemäß Artikel 10 dieser Verordnung festzusetzen. Die irische Regierung weist insoweit darauf hin, daß die Verordnung ( EWG ) Nr. 1106/90 der Kommission vom 18. April 1990 über die Mitteilungen im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Fischereierzeugnisse ( ABl. L 111, S. 50 ), die die Verordnung Nr. 3598/83 vom 1. Januar 1991 an ersetzen solle, die den Mitgliedstaaten auferlegten Verpflichtungen erheblich erleichtere. Denn nach dieser neuen Verordnung hätten die Mitgliedstaaten nur den monatlichen Durchschnittspreis für die in Anhang I Abschnitt A erwähnten Erzeugnisse mitzuteilen.

9 In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Tragweite und die Bindungswirkung einer Verordnung für den Zeitraum ihrer Gültigkeit durch den Erlaß einer späteren Verordnung, die denselben Zweck verfolgt und die den Staaten weniger einschneidende Verpflichtungen auferlegt, nicht berührt werden.

10 Irland trägt ausserdem vor, wie es bei den Beratungen über die betreffenden Verordnungen wiederholt betont habe, könne es seine wenigen Fischereiinspektoren unmöglich in den repräsentativen Häfen konzentrieren, um die fraglichen Preisinformationen zweimal im Monat zu erheben und der Kommission mitzuteilen. Diese Inspektoren hätten nämlich ausser den repräsentativen Häfen etwa 900 Häfen und Anlandestellen zu überwachen.

11 Dieses Vorbringen kann nicht durchgreifen. Nach ständiger Rechtsprechung ( siehe zum Beispiel Urteil vom 3. Oktober 1984 in der Rechtssache 254/83, Kommission/Italien, Slg. 1984, 3395 ) kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf interne Umstände berufen, um die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen, die sich aus den Normen des Gemeinschaftsrechts ergeben. Ausserdem ist wiederholt entschieden worden ( siehe Urteile vom 7. Februar 1973 in der Rechtssache 39/72, Kommission/Italien, Slg. 1973, 101, und vom 7. Februar 1979 in der Rechtssache 128/78, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1979, 419 ), daß Schwierigkeiten beim Vollzug eines Rechtsaktes der Gemeinschaft einen Mitgliedstaat nicht dazu berechtigen, sich einseitig von der Beachtung seiner Verpflichtungen loszusagen.

12 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß Irland gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3796/81 und aus Artikel 1 der Verordnung Nr. 3598/83 verstossen hat, indem es bestimmte Preisnotierungen des Fischereimarktes nicht mitgeteilt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 kann der Gerichtshof die Kosten jedoch ganz oder teilweise gegeneinander aufheben, wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist. Da die Kommission einen ihrer beiden Vorwürfe während des Verfahrens fallengelassen hat, ist diese Vorschrift anzuwenden und zu entscheiden, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Irland hat gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 3796/81 des Rates vom 29. Dezember 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse und aus Artikel 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 3598/83 der Kommission vom 20. Dezember 1983 über die Mitteilung der Notierungen und die Festlegung der Liste der repräsentativen Märkte und Häfen für Fischereierzeugnisse verstossen, indem es bestimmte Preisnotierungen des Fischereimarktes nicht mitgeteilt hat.

2 ) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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