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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.07.1989
Aktenzeichen: 395/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 30
EWG-Vertrag Art. 59
EWG-Vertrag Art. 85
EWG-Vertrag Art. 86
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine im Namen des Inhabers eines Urheberrechts oder von dessen Lizenznehmer handelnde Gesellschaft kann sich zur Wahrnehmung von Urheberrechten nicht auf das durch das Urheberrecht verliehene ausschließliche Verwertungsrecht berufen, um die Einfuhr von Tonträgern zu verhindern oder zu beschränken, die auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaats von dem Rechtsinhaber selbst oder mit dessen Zustimmung rechtmässig in den Verkehr gebracht worden sind. Eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts darf nämlich einer Gesellschaft, die mit der Wahrnehmung von Urheberrechten betraut ist und hierfür ein tatsächliches Monopol im Gebiet eines Mitgliedstaats besitzt, nicht erlauben, eine Abgabe auf Erzeugnisse aus einem anderen Mitgliedstaat zu erheben, wo sie von dem Inhaber des Urheberrechts oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind, und auf diese Weise bei der Einfuhr von Tonträgern, die sich im Gemeinsamen Markt bereits im freien Verkehr befinden, eine Belastung wegen ihres Grenzuebertritts einführen.

2. Die Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen es eine Verletzung des Urheberrechts darstellt, wenn ein geschütztes Musikwerk mittels Tonträger öffentlich aufgeführt wird, ohne daß hierfür eine Gebühr entrichtet wurde, dem Autor jedoch für die Vervielfältigung des Werkes bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Vergütung gezahlt wurde.

3. Verträge über die gegenseitige Vertretung zwischen zwei nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von musikalischen Urheberrechten, durch die diese Gesellschaften einander das Recht gewähren, in dem räumlichen Gebiet, in dem sie jeweils tätig sind, die Genehmigungen zu erteilen, die für die öffentliche Aufführung von Musikwerken erforderlich sind, an denen Mitgliedern der anderen Gesellschaften Urheberrechte zustehen, und diese Genehmigungen bestimmten Bedingungen gemäß den in dem betroffenen Gebiet geltenden gesetzlichen Vorschriften zu unterwerfen, beschränken den Wettbewerb nicht in einer Weise, die sie unter das Verbot von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fallen ließe. Sie streben nämlich ein doppeltes Ziel an : Zum einen bezwecken sie, in Einklang mit dem in den internationalen Urheberrechtsübereinkommen niedergelegten Diskriminierungsverbot die Gesamtheit der geschützten Musikwerke ohne Rücksicht auf deren Herkunft einheitlichen Bedingungen für die in ein und demselben Staat ansässigen Benutzer zu unterwerfen; zum anderen sollen sie es den Verwertungsgesellschaften ermöglichen, sich für den Schutz ihrer Bestände in einem anderen Staat auf die von der dort tätigen Verwertungsgesellschaft aufgebaute Organisation zu stützen, ohne genötigt zu sein, diese Organisation durch ein eigenes Netzwerk von Verträgen mit den Benutzern und eigene an Ort und Stelle vorgenommene Kontrollen zu ergänzen.

Anders könnten die Dinge liegen, wenn diese Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen eine Ausschließlichkeitsregelung in dem Sinne schüfen, daß die Verwertungsgesellschaften verpflichtet wären, den im Ausland ansässigen Benutzern von aufgezeichneter Musik den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen zu verwehren.

4. Artikel 85 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er jegliche zwischen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten abgestimmte Verhaltensweise untersagt, die bezweckt oder bewirkt, daß jede Gesellschaft den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Benutzern den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen verweigert. Im Rahmen der durch Artikel 177 EWG-Vertrag vorgesehenen Verteilung der Zuständigkeiten ist es Sache der innerstaatlichen Gerichte, festzustellen, ob eine derartige Abstimmung zwischen den Verwertungsgesellschaften tatsächlich stattgefunden hat.

Hierzu müssen diese Gerichte sowohl berücksichtigen, daß ein blosses Parallelverhalten unter gewissen Umständen ein wichtiges Indiz für eine abgestimmte Verhaltensweise darstellen kann, wenn es zu Wettbewerbsbedingungen führt, die nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen, als auch, daß eine derartige Abstimmung nicht zu vermuten ist, wenn sich das Parallelverhalten durch andere Gründe als das Vorliegen einer Abstimmung erklären lässt. Was die Verhaltensweisen der Verwertungsgesellschaften angeht, könnte ein solcher Grund gegeben sein, wenn diese Gesellschaften im Fall eines unmittelbaren Zugangs zu ihren Beständen in einem anderen Mitgliedstaat genötigt wären, im Ausland ein eigenes Verwertungs - und Kontrollsystem aufzubauen.

5. Eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten auf dem Gebiet der Musik, die sich weigert, den Benutzern von Tonaufnahmen einen Zugang lediglich zu den von ihr im Wege der Vertretung verwalteten ausländischen Beständen zu gewähren, bezweckt oder bewirkt hiermit nur dann eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt, wenn auch im Falle eines unmittelbaren Zugangs zu einem Teil der geschützten Bestände die Interessen der Musikautoren, Komponisten und Musikverleger voll gewahrt werden könnten, ohne daß sich deswegen die Kosten der Verwaltung der Verträge und der Überwachung der Nutzung der geschützten Musikwerke erhöhten.

6. Eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, erzwingt unangemessene Geschäftsbedingungen, wenn die Gebühren, die sie von Diskotheken fordert, erheblich höher sind als die in den anderen Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren, sofern die verschiedenen Tarife, was ihre Höhe betrifft, miteinander auf einheitlicher Grundlage verglichen wurden. Anders wäre es, wenn die in Rede stehende Verwertungsgesellschaft diese Differenz unter Hinweis auf objektive und relevante Unterschiede bei der Wahrnehmung der Urheberrechte in dem betroffenen Mitgliedstaat und in den übrigen Mitgliedstaaten rechtfertigen könnte.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 13. JULI 1989. - MINISTERE PUBLIC GEGEN JEAN-LOUIS TOURNIER. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR D'APPEL D'AIX-EN-PROVENCE - FRANKREICH. - WETTBEWERB - URHEBERRECHT - HOEHE DER VERGUETUNGEN - VERTRAEGE UEBER DIE GEGENSEITIGE VERTRETUNG. - RECHTSSACHE 395/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Cour d' Appel Aix-en-Provence hat mit Urteil vom 2. Dezember 1987, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Dezember 1987, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Artikel 30, 59, 85 und 86 EWG-Vertrag vorgelegt, um beurteilen zu können, ob bestimmte Geschäftsbedingungen, die eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung der Urheberrechte der Musikautoren, Komponisten und Musikverleger den Benutzern auferlegt, mit den genannten Bestimmungen vereinbar sind.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Strafverfahren gegen Jean-Louis Tournier, Direktor der Société des auteurs, compositeurs et éditeurs de musique ( SACEM ), der französischen Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten auf musikalischem Gebiet; das Verfahren war auf die Privatklage des Betreibers einer Diskothek in Juan-les-Pins eingeleitet worden, der der SACEM vorwirft, ihn zu überhöhten, unangemessenen oder nicht geschuldeten Geldleistungen für die Aufführung geschützter Musikwerke in seinem Betrieb zu zwingen und sich hierdurch bestimmter nach französischem Recht strafbarer Handlungen schuldig zu machen.

3 Der mit der Klage befasste Untersuchungsrichter in Grasse hatte das Verfahren durch Beschluß eingestellt, den die Anklagekammer der Cour d' Appel Aix-en-Provence jedoch aufhob. Sie ordnete die Einleitung weiterer Ermittlungen insbesondere im Hinblick auf die Erhebung einer Anklage gegen den Direktor der SACEM an. Im Verlauf der anschließenden streitigen Verhandlung forderte der Privatkläger die Anklagekammer auf, dem Gerichtshof bestimmte Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen; er begründete diese Aufforderung damit, daß Anlaß bestehe, den von der SACEM geforderten Gebührensatz im Hinblick auf die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des EWG-Vertrags zu prüfen.

4 Die Vorwürfe, die der Privatkläger erhebt, betreffen das allgemeine Verhalten der SACEM gegenüber den französischen Diskotheken. Der Privatkläger macht in diesem Zusammenhang zunächst geltend, der Satz der von der SACEM geforderten Gebühren sei willkürlich und unangemessen und stelle deshalb einen Mißbrauch der beherrschenden Stellung dar, die die Gesellschaft innehabe. Diese Gebühren seien nämlich erheblich höher als die in anderen Mitgliedstaaten erhobenen; überdies stuenden die Tarife für Diskotheken in keinem Verhältnis zu den Tarifen für andere grosse Benutzer von aufgezeichneten Musikwerken wie Fernsehen und Rundfunk.

5 Weiterhin tragen sie vor, die Diskotheken verwendeten in sehr weitem Umfang Musik anglo-amerikanischer Herkunft, was die von der SACEM für die Berechnung der Gebühren gewählte Methode nicht berücksichtige, die auf der Anwendung eines Satzes von 8,25 % des Umsatzes der betroffenen Diskothek einschließlich Mehrwertsteuer beruhe. Die Diskothekenbetreiber müssten nämlich diese sehr hohen Gebühren entrichten, um Zugang zu den gesamten Beständen der SACEM zu haben, obwohl sie nur an einem Teil hiervon interessiert seien. Die SACEM habe sich stets geweigert, ihnen den Zugang lediglich zu einem Teil der Bestände zu gewähren; andererseits hätten die Betreiber aber auch nicht die Möglichkeit, sich unmittelbar an die Verwertungsgesellschaften anderer Länder zu wenden, da diese mit der SACEM durch "Verträge über die gegenseitige Vertretung" verbunden seien und es daher ablehnten, unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen zu gewähren.

6 Nach den Feststellungen der Cour d' Appel erstreckt sich die Tätigkeit der SACEM auf das gesamte französische Hoheitsgebiet, das einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes bilde; das dieser Gesellschaft vorgeworfene Verhalten könne den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die SACEM habe eine beherrschende Stellung im französischen Hoheitsgebiet inne, da sie tatsächlich, wenn nicht rechtlich, ein absolutes Monopol für die Verwertung der Rechte ihrer Mitglieder besitze und von den entsprechenden ausländischen Gesellschaften ermächtigt worden sei, deren Bestände an Musikwerken in Frankreich in gleicher Weise zu verwerten wie ihre eigenen Bestände. Zwar liege keine ausschließliche Ermächtigung vor, doch stehe fest, daß keine Diskothek und kein Unternehmen in Frankreich in der Lage sei, unmittelbare vertragliche Beziehungen zu einer ausländischen Verwertungsgesellschaft anzuknüpfen.

7 Aufgrund dieser Erwägungen hat die Cour d' Appel folgende fünf Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt :

"1 ) Ist die Höhe der Gebühr oder der nebeneinander erhobenen Gebühren, die von der SACEM festgesetzt wird - einer Gesellschaft, die eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes einnimmt und damit in Frankreich über ein tatsächliches Monopol für die Wahrnehmung von Urheberrechten und die Erhebung der entsprechenden Gebühren verfügt -, mit Artikel 86 EWG-Vertrag vereinbar, oder ist sie im Gegenteil Ausdruck einer mißbräuchlichen und wettbewerbswidrigen Praxis, mit der unangemessene Geschäfsbedingungen, über die nicht verhandelt werden kann, erzwungen werden?

2 ) Stellt es eine gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossende und damit den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag erleichternde abgestimmte Verhaltensweise dar, wenn eine Gesellschaft zur Kontrolle und Erhebung von Urheberrechtsgebühren, die ihre Tätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt, in den meisten Ländern der Gemeinschaft durch ein Netz sogenannter Verträge über die gegenseitige Vertretung eine faktische Ausschließlichkeit herstellt, die es ihr ermöglicht, in willkürlicher und diskriminierender Weise die Höhe der Gebühren festzusetzen, so daß die Benutzer nicht aus dem Repertoire ausländischer Urheber auswählen können, ohne eine Gebühr für das Repertoire der Verwertungsgesellschaft des betroffenen Mitgliedstaats zahlen zu müssen?

3 ) Ist Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dahin auszulegen, daß es 'eine unangemessene Geschäftsbedingung' darstellt, wenn eine Gesellschaft zur Kontrolle und Erhebung von Urheberrechtsgebühren, die eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehat und mit vergleichbaren Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten der EWG durch Verträge über die gegenseitige Vertretung verbunden ist, für die Gebühr eine Bemessungsgrundlage und einen Satz festsetzt, der um ein Mehrfaches höher als derjenige ist, der von allen anderen Urheberrechtsgesellschaften der Mitgliedstaaten der EWG praktiziert wird, ohne daß ein objektiv zu rechtfertigender Grund und ein Bezug zu den an die Urheber ausgekehrten Beträgen vorliegt, so daß die Gebühr in einem Mißverhältnis zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung steht?

4 ) Ist es als ein Verhalten anzusehen, daß eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Sinne des Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag bezweckt oder zumindest bewirkt, wenn eine aus Urhebern und Verlegern zusammengesetzte Gesellschaft, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ein tatsächliches Monopol innehat, Benutzern von Tonaufnahmen durch eine Abschottung des Marktes keinen Zugang nur zu dem ausländischen Repertoire, daß von ihr vertreten wird, gestattet?

5 ) Ist unter Berücksichtigung des Umstands, daß der Gerichtshof bereits entschieden hat, daß im Falle der Schallplatte wie des Buches das Werk dadurch der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird, daß es in körperlicher Form in den Verkehr gebracht wird, wodurch sich der Vergütungsanspruch erschöpft, und obwohl der Preis für die Schallplatte, der die Urheberrechtsgebühr für die Gestattung der Benutzung des Werks einschließt, vom Käufer an den Verleger gezahlt worden ist, die Anwendung einer innerstaatlichen Regelung, wonach es eine Verletzung der Rechte an einer Tonaufnahme darstellt, wenn die von dem innerstaatlichen Unternehmen zur Kontrolle, Verwaltung und Erhebung von Urheberrechtsgebühren, das ein faktisches Monopol innehat, für die öffentliche Wiedergabe festgesetzte Gebühr nicht gezahlt wird, mit den Artikeln 30 und 59 EWG-Vertrag vereinbar, wenn diese Gebühren mißbräuchlich und diskriminierend sind und ihr Satz nicht von den Urhebern selbst festgesetzt wird und/oder nicht demjenigen entspricht, der mit den die ausländischen Urheberrechtsgesellschaften, die sie vertreten, unmittelbar vereinbart werden könnte?"

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrens, der französischen urheberrechtlichen Vorschriften und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Zunächst ist die fünfte Frage, die sich auf die Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag bezieht, zu prüfen; sodann sind die zweite und die vierte Frage, die Artikel 85 betreffen, und schließlich die erste und die dritte Frage, deren Gegenstand die Auslegung von Artikel 86 ist, zu prüfen.

Zur fünften Frage ( Artikel 30 und 59 )

10 Die fünfte Frage wirft zwei verschiedene Probleme auf : Erstens geht es darum, ob die Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften entgegenstehen, denen zufolge es eine Verletzung des Urheberrechts darstellt, wenn ein geschütztes Musikwerk mittels Tonträger öffentlich aufgeführt wird, ohne daß hierfür eine Gebühr entrichtet wurde, dem Autor jedoch für die Vervielfältigung des Werkes bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Vergütung gezahlt wurde. Zweitens ist zu prüfen, inwieweit die Antwort hierauf von der Höhe des Gebührensatzes abhängt, um den es geht.

11 Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 20. Januar 1981 in den verbundenen Rechtssachen 55 und 57/80 ( Musik-Vertrieb Membran, Slg. 1981, 147 ) kann sich eine im Namen des Inhabers eines Urheberrechts oder von dessen Lizenznehmer handelnde Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten nicht auf das durch das Urheberrecht verliehene ausschließliche Verwertungsrecht berufen, um die Einfuhr von Tonträgern zu verhindern oder zu beschränken, die auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaats von dem Rechtsinhaber selbst oder mit dessen Zustimmung rechtmässig in den Verkehr gebracht worden sind. Eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts darf nämlich einer Gesellschaft, die mit der Wahrnehmung von Urheberrechten betraut ist und hierfür ein tatsächliches Monopol im Gebiet eines Mitgliedstaats besitzt, nicht erlauben, eine Abgabe auf Erzeugnisse aus einem anderen Mitgliedstaat zu erheben, wo sie von dem Inhaber des Urheberrechts oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind, und auf diese Weise bei der Einfuhr von Tonträgern, die sich im Gemeinsamen Markt bereits im freien Verkehr befinden, eine Belastung wegen ihres Grenzuebertritts einführen.

12 Bei musikalischen Werken, die der Allgemeinheit durch Aufführung zugänglich gemacht werden, stellen sich die Probleme des Verhältnisses zwischen der Beachtung des Urheberrechts und den Erfordernissen des Vertrages anders als in den Fällen, in denen dieses Zugänglichmachen voll und ganz mit dem Inverkehrbringen des körperlichen Trägers des Werks zusammenfällt. Im erstgenannten Fall haben der Inhaber des Urheberrechts und seine Rechtsnachfolger ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen für die Zustimmung zur Aufführung des Werks zustehende Vergütung anhand der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Zahl der Aufführungen zu berechnen, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 18. März 1980 in der Rechtssache 62/79 ( Coditel, Slg. 1980, 881 ) festgestellt hat.

13 Die vorliegende Rechtssache wirft freilich eine besondere Frage auf, was die Unterscheidung zwischen diesen beiden Fallgestaltungen betrifft, da Tonträger einerseits Erzeugnisse sind, für die die Bestimmungen der Artikel 30 ff. EWG-Vertrag über den freien Warenverkehr gelten, andererseits jedoch für die öffentliche Aufführung des aufgenommenen Musikwerks verwendet werden können. Bei einem solchen Sachverhalt müssen die Erfordernisse des freien Waren - und Dienstleistungsverkehrs mit den Erfordernissen, die sich aus der Verpflichtung zur Beachtung der Urheberrechte ergeben, dergestalt in Einklang gebracht werden, daß die Inhaber von Urheberrechten oder die von ihnen bevollmächtigten Gesellschaften sich auf ihre ausschließlichen Rechte berufen können, um im Fall der öffentlichen Wiedergabe von auf einem Tonträger aufgezeichneten Musikwerken die Zahlung von Gebühren zu verlangen, auch wenn das Inverkehrbringen dieses Tonträgers im Land der öffentlichen Wiedergabe nicht zu einer Gebührenerhebung Anlaß geben kann.

14 Für die Frage, ob der Gebührensatz mißbräuchlich oder diskriminierend ist, muß dieser - von der SACEM autonom festgesetzte - Satz anhand der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der Artikel 85 und 86 beurteilt werden. Für die Prüfung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den Artikeln 30 und 59 EWG-Vertrag ist die Höhe des Gebührensatzes unerheblich.

15 Auf die fünfte Frage ist daher zu antworten, daß die Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, daß sie der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen es eine Verletzung des Urheberrechts darstellt, wenn ein geschütztes Musikwerk mittels Tonträger öffentlich aufgeführt wird, ohne daß hierfür eine Gebühr entrichtet wurde, dem Autor jedoch für die Vervielfältigung des Werkes bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Vergütung gezahlt wurde.

Zur zweiten und zur vierten Frage ( Artikel 85 )

16 Die zweite Frage zielt auf die Praxis der Beziehungen zwischen den nationalen Verwertungsgesellschaften der einzelnen Mitgliedstaaten. Sie betrifft zum einen das von diesen Gesellschaften aufgebaute Netz von Verträgen über die gegenseitige Vertretung, zum anderen die Praxis dieser Gesellschaften, gemeinsam den in den jeweils anderen Mitgliedstaaten ansässigen Benutzern jeglichen Zugang zu ihren Beständen zu verweigern.

17 Zum ersten Punkt ist klarzustellen, daß, wie aus den Akten hervorgeht, unter "Vertrag über die gegenseitige Vertretung" im Sinne der Frage des vorlegenden Gerichts ein Vertrag zwischen zwei nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von musikalischen Urheberrechten zu verstehen ist, durch den diese Gesellschaften einander das Recht gewähren, in dem räumlichen Gebiet, in dem sie jeweils tätig sind, die Genehmigungen zu erteilen, die für die öffentliche Aufführung von Musikwerken erforderlich sind, an denen Mitgliedern der anderen Gesellschaften Urheberrechte zustehen, und diese Genehmigungen bestimmten Bedingungen gemäß den in dem betroffenen Gebiet geltenden gesetzlichen Vorschriften zu unterwerfen. Diese Bedingungen umfassen insbesondere die Zahlung von Gebühren, die von der beauftragten Gesellschaft für Rechnung der anderen Gesellschaft erhoben werden. In dem Vertrag wird vereinbart, daß jede Gesellschaft bezueglich der zum Bestand der anderen Gesellschaft gehörenden Werke bei der Erhebung und Verteilung der Gebühren die gleichen Tarife, Methoden und Mittel anwendet wie bei den Werken aus ihrem eigenen Bestand.

18 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß nach den bestehenden internationalen Übereinkommen auf dem Gebiet des Urheberrechts die Inhaber von Urheberrechten, die durch die Rechtsordnung eines vertragschließenden Staates anerkannt werden, im Hoheitsgebiet der anderen vertragschließenden Staaten den gleichen Schutz gegen Verletzungen dieser Rechte genießen und über die gleichen Rechtsbehelfe verfügen wie die Angehörigen des zuletzt genannten Staates.

19 Somit streben die von den Verwertungsgesellschaften miteinander geschlossenen Verträge über die gegenseitige Vertretung ein doppeltes Ziel an : Zum einen bezwecken sie, in Einklang mit dem in den internationalen Übereinkommen niedergelegten Grundsatz die Gesamtheit der geschützten Musikwerke ohne Rücksicht auf deren Herkunft einheitlichen Bedingungen für die in ein und demselben Staat ansässigen Benutzer zu unterwerfen; zum anderen ermöglichen sie es den Verwertungsgesellschaften, sich für den Schutz ihrer Bestände in einem anderen Staat auf die von der dort tätigen Verwertungsgesellschaft aufgebaute Organisation zu stützen, ohne genötigt zu sein, diese Organisation durch ein eigenes Netzwerk von Verträgen mit den Benutzern und eigene an Ort und Stelle vorgenommene Kontrollen zu ergänzen.

20 Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß die in Rede stehenden Verträge über die gegenseitige Vertretung Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen sind, die für sich allein den Wettbewerb nicht in einer Weise beschränken, die sie unter das Verbot von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fallen ließen. Anders könnten die Dinge liegen, wenn diese Verträge eine Ausschließlichkeitsregelung in dem Sinne schüfen, daß die Verwertungsgesellschaften verpflichtet wären, den im Ausland ansässigen Benutzern von aufgezeichneter Musik den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen zu verwehren; aus den Akten ergibt sich jedoch, daß die Ausschließlichkeitsklauseln dieses Typs, die früher Bestandteil der Verträge über die gegenseitige Vertretung gewesen waren, auf Verlangen der Kommission abgeschafft wurden.

21 Die Kommission macht allerdings darauf aufmerksam, daß die Abschaffung dieser Ausschließlichkeitsklausel in den Verträgen nicht dazu geführt hat, daß sich das Verhalten der Verwertungsgesellschaften geändert hätte; diese weigern sich vielmehr nach wie vor, im Ausland anderen Gesellschaften als derjenigen, die sich in dem betreffenden Gebiet etabliert hat, Lizenzen zu erteilen oder die eigenen Bestände anzuvertrauen. Diese Feststellung führt zur Prüfung des zweiten mit der Vorlagefrage aufgeworfenen Problems, nämlich, ob die Verwertungsgesellschaften ihre Ausschließlichkeitsrechte nicht faktisch durch eine abgestimmte Verhaltensweise aufrechterhalten haben.

22 Hierzu machen die Kommission und die SACEM geltend, die Verwertungsgesellschaften hätten keinerlei Interesse daran, einen anderen Weg als den der Bevollmächtigung der im betreffenden Gebiet etablierten Gesellschaft zu gehen, so daß es wirklichkeitsfremd wäre, in der Weigerung der Verwertungsgesellschaften, ausländischen Benutzern den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen zu eröffnen, eine abgestimmte Verhaltensweise zu sehen. Die Diskothekenbesitzer räumen zwar ein, daß die ausländischen Gesellschaften die Verwertung ihrer Bestände deshalb der SACEM anvertrauen, weil es für sie zu kostspielig wäre, in Frankreich ein System unmittelbarer Gebührenerhebung einzurichten, sind jedoch der Meinung, die Gesellschaften hätten sich zu diesem Zweck untereinander abgestimmt. Sie stützen dieses Vorbringen auf im wesentlichen gleichlautende Schreiben verschiedener ausländischer Verwertungsgesellschaften an französische Benutzer, in denen die Gesellschaften sich geweigert haben, unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen zu gewähren.

23 Eine Abstimmung zwischen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten, die bewirken würde, daß ausländischen Benutzern systematisch der Zugang zu den eigenen Beständen dieser Gesellschaften verweigert würde, wäre als Ursache einer den Wettbewerb einschränkenden abgestimmten Verhaltensweise anzusehen, die geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

24 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69 ( Imperial Chemical Industries, Slg. 1972, 619 ) festgestellt hat, kann ein blosses Parallelverhalten unter gewissen Umständen ein wichtiges Indiz für eine abgestimmte Verhaltensweise darstellen, wenn es zu Wettbewerbsbedingungen führt, die nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen. Eine derartige Abstimmung ist jedoch nicht zu vermuten, wenn sich das Parallelverhalten durch andere Gründe als das Vorliegen einer Abstimmung erklären lässt. Das könnte der Fall sein, wenn die Verwertungsgesellschaften der anderen Mitgliedstaaten im Fall eines unmittelbaren Zugangs zu ihren Beständen genötigt wären, in einem anderen Land ein eigenes Verwertungs - und Kontrollsystem aufzubauen.

25 Die Antwort auf die Frage, ob tatsächlich eine vom Vertrag verbotene Abstimmung stattgefunden hat, hängt infolgedessen von der Beurteilung bestimmter Vermutungen und der Bewertung bestimmter Unterlagen und anderer Beweismittel ab. Gemäß der von Artikel 177 EWG-Vertrag vorgenommenen Verteilung der Zuständigkeiten obliegt diese Aufgabe den innerstaatlichen Gerichten.

26 Auf die zweite Vorlagefrage ist daher zu antworten, daß Artikel 85 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, daß er jegliche zwischen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten abgestimmte Verhaltensweise untersagt, die bezweckt oder bewirkt, daß jede Gesellschaft den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Benutzern den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen verweigert. Es ist Sache der innerstaatlichen Gerichte, festzustellen, ob eine derartige Abstimmung zwischen den Verwertungsgesellschaften tatsächlich stattgefunden hat.

27 Die vierte Frage betrifft ein anderes Problem, nämlich die Weigerung einer Verwertungsgesellschaft, den in dem Gebiet, in dem sie tätig ist, ansässigen Benutzern eine Genehmigung zur öffentlichen Aufführung nur von Musikwerken aus ausländischen Beständen zu erteilen, die die Gesellschaft in jenem Gebiet im Wege der Vertretung verwaltet.

28 Aus den Akten geht hervor, daß sich die französischen Diskotheken in der Vergangenheit um Zugang zu bestimmten von der SACEM verwalteten ausländischen, insbesondere amerikanischen und britischen Beständen, oder wenigstens zu bestimmten Gruppen von Musikwerken bemüht haben, die zur Wiedergabe in den Diskotheken besonders geeignet waren und im wesentlichen aus dem Ausland stammten. Die SACEM habe sich stets geweigert, Genehmigungen für eine nur teilweise Nutzung ihrer Bestände zu erteilen, so daß die Diskotheken gezwungen gewesen seien, hohe Gebühren zu entrichten, die einer Nutzung der Gesamtheit dieser Bestände entsprochen hätten, obwohl sie nur einen Teil hiervon aufgeführt hätten.

29 Die französische Regierung und die Kommission machen auf die praktischen Schwierigkeiten aufmerksam, die sich aus einer Aufteilung der Gesamtbestände in verschiedene kommerzialisierbare Untergruppen ergeben würden. Einmal würden die Diskotheken den Vorteil verlieren, die Musikwerke, die sie aufführen wollten, völlig frei auszuwählen; zum anderen könnte die Differenzierung zwischen geschützten Musikwerken je nachdem, ob deren Verbreitung genehmigt worden sei oder nicht, zu einer stärkeren Überwachung führen und damit für die Benutzer von Musik höhere Kosten mit sich bringen.

30 Bereits im Urteil vom 21. März 1974 in der Rechtssache 127/73 ( BRT II, Slg. 1974, 313 ) hat sich der Gerichtshof zur globalen Natur der von einer nationalen Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten mit ihren einzelnen Mitgliedern geschlossenen Verträge sowie zur Frage der Vereinbarkeit der einschlägigen Praktiken mit Artikel 86 geäussert. Vorliegend geht es jedoch um die globale Natur der von der Gesellschaft mit einer bestimmten Gruppe von Benutzern von aufgezeichneter Musik geschlossenen Verträge und um deren Vereinbarkeit mit Artikel 85.

31 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die Verwertungsgesellschaften ein rechtmässiges Ziel verfolgen, wenn sie sich bemühen, die Rechte und Interessen ihrer Mitglieder gegenüber den Benutzern von aufgezeichneter Musik zu wahren. Die zu diesem Zweck mit den Benutzern geschlossenen Verträge könnten nur dann als wettbewerbsbeschränkend im Sinne von Artikel 85 angesehen werden, wenn die umstrittenen Praktiken die Grenzen des zur Erreichung des genannten Zwecks Unerläßlichen überschritten. Das könnte der Fall sein, wenn auch im Falle eines unmittelbaren Zugangs lediglich zu einem Teilbestand, wie ihn die Diskothekenbetreiber fordern, die Interessen der Musikautoren, Komponisten und Musikverleger voll gewahrt werden könnten, ohne daß sich deswegen die für die Verwaltung der Verträge und die Überwachung der Nutzung der geschützten Musikwerke entstehenden Kosten erhöhten.

32 Die Beurteilung dieser Frage kann von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden ausfallen. Es ist Sache der innerstaatlichen Gerichte, in jedem Einzelfall die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen.

33 Auf die vierte Frage ist daher zu antworten, daß eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten auf dem Gebiet der Musik, die sich weigert, den Benutzern von Tonaufnahmen einen Zugang nur zu den von ihr im Wege der Vertretung verwalteten ausländischen Beständen zu gewähren, hiermit nur dann eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt bezweckt oder bewirkt, wenn auch im Falle eines unmittelbaren Zugangs zu einem Teil der geschützten Bestände die Interessen der Musikautoren, Komponisten und Musikverleger voll gewahrt werden könnten, ohne daß sich deswegen die Kosten der Verwaltung der Verträge und der Überwachung der Nutzung der geschützten Musikwerke erhöhten.

Zur ersten und zur dritten Frage ( Artikel 86 )

34 Eingangs ist festzustellen, daß schon nach dem Wortlaut von Artikel 86 jede Erzwingung von unangemessenen Geschäftsbedingungen durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung ein Mißbrauch dieser Stellung ist.

35 Die erste Frage geht dahin, nach welchen Kriterien sich bestimmt, ob eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten, die auf dem Gemeinsamen Markt eine beherrschende Stellung innehat, unangemessene Geschäftsbedingungen erzwingt; die Frage betont die Unangemessenheit der erzwungenen Bedingungen und den Umstand, daß über sie nicht verhandelt werden kann. Die dritte Frage geht insbesondere dahin, ob die Beantwortung der ersten Frage sich auf das Kriterium stützen kann, das die Diskothekenbesitzer hervorgehoben haben und das in die Formulierung der Frage übernommen wurde, nämlich das Verhältnis zwischen dem angewandten Gebührensatz und den von den Verwertungsgesellschaften anderer Mitgliedstaaten praktizierten Sätzen.

36 Hierzu macht die SACEM geltend, die in den verschiedenen Mitgliedstaaten zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage des Gebührensatzes angewandten Methoden seien unterschiedlich, da Gebühren, die - wie in Frankreich - auf der Grundlage des Umsatzes der Diskothek berechnet würden, nicht mit solchen vergleichbar seien, die - wie in anderen Mitgliedstaaten - nach Maßgabe der Bodenfläche des betroffenen Betriebs festgesetzt würden. Wäre man in der Lage, diese methodischen Unterschiede durch eine auf die gleichen Kriterien gestützte Untersuchung zu neutralisieren, so würde man zu dem Ergebnis gelangen, daß die Unterschiede hinsichtlich der jeweiligen Höhe der Gebühren zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten unbedeutend seien.

37 Diese Behauptungen werden nicht nur von den Diskothekenbetreibern bestritten, sondern auch von der Kommission. Diese führt aus, sie habe im Zuge einer Untersuchung, die sie bei französischen Diskotheken über die von der SACEM erhobenen Gebühren durchführe, alle innerhalb der Gemeinschaft bestehenden nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung musikalischer Urheberrechte aufgefordert, ihr die Gebühren mitzuteilen, die sie bei einer Standarddiskothek erhebt, die bestimmte Merkmale hinsichtlich der Zahl der Plätze, der Fläche, der Öffnungszeiten, der Art des Lokals, des Eintrittspreises, des Preises der häufigsten Bestellung und des Betrags der jährlichen Einnahmen einschließlich Steuern aufweist. Die Kommission räumt ein, daß diese Vergleichsmethode die erheblichen Unterschiede nicht berücksichtigt, die von einem Mitgliedstaat zum anderen bezueglich des Besuchs von Diskotheken bestehen können und von verschiedenen Faktoren wie Klima, gesellschaftlichen Gepflogenheiten und historischen Traditionen abhängen. Werde jedoch eine Gebühr in Höhe eines Vielfachen der in anderen Mitgliedstaaten geforderten Gebühren erhoben, so sei dieser Umstand geeignet, ihre Unangemessenheit darzutun; die von der Kommission durchgeführte Untersuchung führe aber zu einer solchen Feststellung.

38 Erzwingt ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, für die von ihm erbrachten Dienstleistungen Tarife, die nach einem auf einheitlicher Grundlage vorgenommenen Vergleich erheblich höher sind als die in den übrigen Mitgliedstaaten angewendeten Tarife, so ist diese Differenz als Indiz für einen Mißbrauch der beherrschenden Stellung anzusehen. Es obliegt in diesem Falle dem betroffenen Unternehmen, die Differenz unter Hinweis auf etwaige objektive Unterschiede zwischen den Verhältnissen in dem in Rede stehenden Mitgliedstaat und denen in allen übrigen Mitgliedstaaten zu rechtfertigen.

39 In dieser Hinsicht hat sich die SACEM auf eine Reihe von Umständen berufen, um die bestehende Differenz zu rechtfertigen. So hat sie sich auf die hohen Preise der französischen Diskotheken, das traditionell hohe Niveau des in diesem Lande gewährten urheberrechtlichen Schutzes sowie die Besonderheiten des französischen Rechts bezogen, nach dem die Verbreitung von aufgezeichneten Musikwerken nicht nur einer Aufführungsgebühr, sondern auch einer ergänzenden Gebühr für die mechanische Vervielfältigung unterliegt.

40 Umstände dieser Art können jedoch die sehr erheblichen Unterschiede zwischen den Sätzen der in den einzelnen Mitgliedstaaten jeweils erhobenen Gebühren nicht erklären. Das hohe Niveau der von den Diskotheken in einem bestimmten Mitgliedstaat geforderten Preise kann - vorausgesetzt, es ist nachgewiesen - das Ergebnis verschiedener tatsächlicher Faktoren sein, zu denen gerade auch der Gebührensatz gehören kann, der für die Aufführung von aufgezeichneten Musikwerken erhoben wird. Zum Niveau des durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften gewährten Schutzes ist zu bemerken, daß das Urheberrecht an Musikwerken im allgemeinen das Aufführungs - und das Vervielfältigungsrecht umfasst, und daß die in einigen Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, für den Fall der öffentlichen Aufführung vorgesehene Erhebung einer "zusätzlichen Gebühr für die Vervielfältigung" nicht notwendigerweise bedeutet, daß der Grad des Schutzes unterschiedlich wäre. Wie der Gerichtshof nämlich im Urteil vom 9. April 1987 in der Rechtssache 402/85 ( Basset, Slg. 1987, 1747 ) entschieden hat, handelt es sich bei der zusätzlichen Gebühr für die mechanische Vervielfältigung, unabhängig von der Ausgestaltung durch die französischen Rechtsvorschriften und die französische Praxis, um einen Teil der Abgeltung der Urheberrechte für die öffentliche Vorführung eines aufgezeichneten musikalischen Werks; sie erfuellt somit eine Funktion, die derjenigen der aus gleichem Anlaß in anderen Mitgliedstaaten erhobenen Vorführungsgebühr gleichkommt.

41 Die SACEM behauptet ferner, die Gepflogenheiten bei der Gebührenerhebung seien insofern unterschiedlich, als einige Verwertungsgesellschaften der Mitgliedstaaten dazu neigten, nicht auf der Einziehung von Gebühren bei kleinen, über das Land verstreuten Benutzern wie Betreibern von Diskotheken, Veranstaltern von Bällen und Gastwirten zu bestehen. In Frankreich habe sich eine entgegengesetzte Tradition herausgebildet, da die Urheber die volle Beachtung ihrer Rechte wünschten.

42 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Aus den Akten geht nämlich hervor, daß einer der auffälligsten Unterschiede zwischen den Verwertungsgesellschaften der verschiedenen Mitgliedstaaten in der Höhe der Verwaltungskosten liegt. Hat eine solche Verwertungsgesellschaft, wie dies gewisse Hinweise in den Akten der Ausgangsverfahren vermuten lassen, erheblich mehr Personal als entsprechende Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten, und ist dort der Teil des Gebührenaufkommens, der für die Kosten der Einziehung, Verwaltung und Verteilung der Gebühren aufgewendet und somit nicht an die Autoren ausgekehrt wird, erheblich höher, so lässt sich nicht ausschließen, daß sich die Schwerfälligkeit des Verwaltungsapparats und damit der hohe Gebührensatz gerade durch den Mangel an Wettbewerb auf dem Markt erklären lassen.

43 Es ist daher festzuhalten, daß ein Vergleich mit der Lage in den anderen Mitgliedstaaten nützliche Hinweise auf einen eventuellen Mißbrauch der beherrschenden Stellung einer nationalen Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten liefern kann. Die dritte Vorlagefrage ist daher zu bejahen.

44 In der Verhandlung, die vor dem Gerichtshof zwischen den Diskothekenbetreibern und der SACEM stattgefunden hat, war auch von anderen, in den Vorlagefragen nicht erwähnten Kriterien die Rede, die geeignet sein könnten, die Unangemessenheit des umstrittenen Gebührensatzes darzutun. So haben die Betreiber den Unterschied zwischen dem von den Diskotheken geforderten und dem für andere grosse Benutzer von aufgezeichneter Musik wie Rundfunk und Fernsehen geltenden Satz ins Feld geführt. Sie haben jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, wie eine Methode beschaffen sein müsste, die es gestatten würde, einen zuverlässigen Vergleich auf einheitlicher Grundlage vorzunehmen; die Kommission und die beteiligten Regierungen haben sich zu diesem Punkt nicht geäussert. Der Gerichtshof ist deshalb nicht in der Lage, das genannte Kriterium im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens zu untersuchen.

45 Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob nicht die umfassende oder pauschale Natur des Gebührensatzes für die Feststellung zu berücksichtigen sei, ob die Höhe der Gebühr im Sinne von Artikel 86 unangemessen sei. Hierzu genügt es, auf die Ausführungen zur vierten Frage zu verweisen. Die umfassende Natur der Gebühr könnte in der Tat nur insoweit unter dem Gesichtspunkt des in Artikel 86 ausgesprochenen Verbots beanstandet werden, als auch andere Methoden geeignet wären, das legitime Ziel des Schutzes der Interessen der Musikautoren, Komponisten und Musikverleger zu verwirklichen, ohne daß sie zugleich zu einer Erhöhung der Kosten der Verwaltung der Vertragsbestände und der Überwachung der Nutzung der geschützten Musikwerke führen würden.

46 Nach alledem ist auf die erste und dritte Frage zu antworten, daß Artikel 86 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, daß eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, unangemessene Geschäftsbedingungen erzwingt, wenn die Gebühren, die sie von Diskotheken fordert, erheblich höher sind als die in den anderen Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren, sofern die verschiedenen Tarife, was ihre Höhe betrifft, miteinander auf einheitlicher Grundlage verglichen wurden. Anders wäre es, wenn die in Rede stehende Verwertungsgesellschaft diese Differenz unter Hinweis auf objektive und relevante Unterschiede bei der Wahrnehmung der Urheberrechte in dem betroffenen Mitgliedstaat und in den übrigen Mitgliedstaaten rechtfertigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

47 Die Auslagen der französischen, der italienischen und der griechischen Regierung sowie der Kommission, die beim Gerichtshof Erklärungen eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenen Gericht anhängigen Rechtsstreits; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm von der d' Appel Aix-en-Provence mit Urteil vom 2. Dezember 1987 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Die Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen es eine Verletzung des Urheberrechts darstellt, wenn ein geschütztes Musikwerk mittels Tonträger öffentlich aufgeführt wird, ohne daß hierfür eine Gebühr entrichtet wurde, dem Autor jedoch für die Vervielfältigung des Werkes bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Vergütung gezahlt wurde.

2 ) Artikel 85 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er jegliche zwischen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten abgestimmte Verhaltensweise untersagt, die bezweckt oder bewirkt, daß jede Gesellschaft den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Benutzern den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen verweigert. Es ist Sache der innerstaatlichen Gerichte, festzustellen, ob eine derartige Abstimmung zwischen den Verwertungsgesellschaften tatsächlich stattgefunden hat.

3 ) Eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten auf dem Gebiet der Musik, die sich weigert, den Benutzern von Tonaufnahmen einen Zugang lediglich zu den von ihr im Wege der Vertretung verwalteten ausländischen Beständen zu gewähren, bezweckt oder bewirkt hiermit nur dann eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt, wenn auch im Falle eines unmittelbaren Zugangs zu einem Teil der geschützten Bestände die Interessen der Musikautoren, Komponisten und Musikverleger voll gewahrt werden könnten, ohne daß sich deswegen die Kosten der Verwaltung der Verträge und der Überwachung der Nutzung der geschützten Musikwerke erhöhten.

4 ) Artikel 86 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, unangemessene Geschäftsbedingungen erzwingt, wenn die Gebühren, die sie von Diskotheken fordert, erheblich höher sind als die in den anderen Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren, sofern die verschiedenen Tarife, was ihre Höhe betrifft, miteinander auf einheitlicher Grundlage verglichen wurden. Anders wäre es, wenn die in Rede stehende Verwertungsgesellschaft diese Differenz unter Hinweis auf objektive und relevante Unterschiede bei der Wahrnehmung der Urheberrechte in dem betroffenen Mitgliedstaat und in den übrigen Mitgliedstaaten rechtfertigen könnte.

Ende der Entscheidung

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