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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.12.1972
Aktenzeichen: 7-72
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

DIE KOMMISSION IST VERPFLICHTET, BEI DER ZUMESSUNG EINER GELDBUSSE DIE EINEM UNTERNEHMEN FÜR DIESELBE TAT BEREITS AUFERLEGTEN SANKTIONEN ZU BERÜCKSICHTIGEN, WENN ES SICH UM SANKTIONEN WEGEN ZUWIDERHANDLUNGEN GEGEN DAS KARTELLRECHT EINES MITGLIEDSTAATES - ALSO IM GEBIET DER GEMEINSCHAFT BEGANGENE RECHTSVERLETZUNGEN - HANDELT. EINE VON DEN BEHÖRDEN EINES DRITTSTAATES VERHÄNGTE SANKTION BRAUCHT DIE KOMMISSION NUR ZU BERÜCKSICHTIGEN, WENN DIE GEGEN DAS BESCHULDIGTE UNTERNEHMEN VON DER KOMMISSION EINERSEITS UND VON DEN BEHÖRDEN DES FRAGLICHEN DRITTSTAATES ANDERERSEITS IN BETRACHT GEZOGENEN HANDLUNGEN IDENTISCH SIND.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 14. DEZEMBER 1972. - BOEHRINGER MANNHEIM GMBH GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHTSSACHE 7-72.

Entscheidungsgründe:

1 DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN HAT GEGEN DIE KLAEGERIN DURCH ENTSCHEIDUNG VOM 16. JULI 1969 EINE GELDBUSSE VON 190000 RECHNUNGSEINHEITEN WEGEN VERSTOSSES GEGEN ARTIKEL 85 EWG-VERTRAG FESTGESETZT. DIESER BETRAG IST DURCH URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 15. JULI 1970 IN DER RECHTSSACHE 45/69 AUF 180000 RECHNUNGSEINHEITEN HERABGESETZT WORDEN. BEREITS AM 3. JULI 1969 HATTE EINE NEW YORKER DISTRICT COURT DIE KLAEGERIN ZU EINER GELDSTRAFE VON 80000 DOLLAR VERURTEILT, WEIL SIE GEGEN DIE WETTBEWERBSVORSCHRIFTEN DES BUNDESRECHTS DER VEREINIGTEN STAATEN VERSTOSSEN HABE; DIE KLAEGERIN HAT DIESE GELDSTRAFE AM 11. JULI 1969 GEZAHLT. MIT SCHREIBEN VOM 3. SEPTEMBER 1969 HAT SIE BEI DER KOMMISSION BEANTRAGT, DIESE IN DEN VEREINIGTEN STAATEN GEZAHLTE GELDSTRAFE AUF DIE MIT DER ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION VOM 16. JULI 1969 VERHÄNGTE GELDBUSSE ANZURECHNEN. DIE KOMMISSION HAT DIESEN ANTRAG DURCH ENTSCHEIDUNG VOM 25. NOVEMBER 1971 ZURÜCKGEWIESEN.

2 DIE KLAEGERIN RÜGT, DIE KOMMISSION HABE DAMIT EINEN ALLGEMEINEN RECHTSGRUNDSATZ VERLETZT, DER EINE DOPPELBESTRAFUNG FÜR EIN UND DIESELBE TAT VERBIETE.

3 DIE KOMMISSION IST VERPFLICHTET, BEI DER ZUMESSUNG EINER GELDBUSSE DIE EINEM UNTERNEHMEN FÜR DIESELBE TAT BEREITS AUFERLEGTEN SANKTIONEN ZUR BERÜCKSICHTIGEN, WENN ES SICH UM SANKTIONEN WEGEN ZUWIDERHANDLUNGEN GEGEN DAS KARTELLRECHT EINES MITGLIEDSTAATES - ALSO IM GEBIET DER GEMEINSCHAFT BEGANGENE RECHTSVERLETZUNGEN - HANDELT. DIE FRAGE, OB DIE KOMMISSION AUCH ZUR ANRECHNUNG EINER VON BEHÖRDEN EINES DRITTSTAATES VERHÄNGTEN SANKTION VERPFLICHTET SEIN KANN, BRAUCHT NUR ENTSCHIEDEN ZU WERDEN, WENN DIE DER KLAEGERIN IM VORLIEGENDEN FALL VON DER KOMMISSION EINERSEITS UND DEN AMERIKANISCHEN BEHÖRDEN ANDERERSEITS VORGEWORFENEN HANDLUNGEN IDENTISCH SIND.

4 WENN AUCH DIE MIT DEN BEIDEN SANKTIONEN BELEGTEN HANDLUNGEN AUF DENSELBEN KOMPLEX VON VEREINBARUNGEN ZURÜCKGEHEN, SO WEISEN SIE DOCH IN IHREM KERN SOWOHL NACH IHREM ZWECK ALS AUCH NACH IHREM GEOGRAPHISCHEN SCHWERPUNKT UNTERSCHIEDE AUF.

5 DIE DURCH DIE GEMEINSCHAFT VERHÄNGTE GELDBUSSE ZIELTE VOR ALLEM AUF DAS GENTLEMEN'S AGREEMENT ÜBER DIE AUFTEILUNG DER HEIMATMÄRKTE IM GEMEINSAMEN MARKT UND GROSSBRITANNIEN SOWIE AUF DIE ZUGUNSTEN DER FIRMEN NEDCHEM, BÖHRINGER UND BUCHLER VEREINBARTE BESCHRÄNKUNG DER HERSTELLUNG SYNTHETISCHEN CHINIDINS AB. DIE VERURTEILUNG IN DEN VEREINIGTEN STAATEN BERUHTE ZWAR MÖGLICHERWEISE ZUM TEIL AUCH AUF DIESEN ABSPRACHEN, BETRAF ABER EINEN GRÖSSEREN TATKOMPLEX, IN DESSEN MITTELPUNKT VOR ALLEM DAS CHINARINDENABKOMMEN, DER ERWERB UND DIE AUFTEILUNG DER AMERIKANISCHEN STOCKPILE-BESTÄNDE DURCH DAS KARTELL SOWIE DIE IM ANSCHLUSS DARAN BIS MITTE 1966 ERFOLGTE ANWENDUNG BESONDERS HOHER VERKAUFSPREISE IN DEN VEREINIGTEN STAATEN STEHEN. ZWISCHEN DEN PARTEIEN HERRSCHT STREIT DARÜBER, WELCHE HANDLUNGEN DURCH DIE AMERIKANISCHE VERURTEILUNG MATERIELL ERFASST WORDEN SIND, DENN DAS URTEIL GEGEN DIE KLAEGERIN IST IM UNTERWERFUNGSVERFAHREN ( PLEA OF NOLO CONTENDERE ) ERGANGEN, SO DASS NUR DIE ANKLAGESCHRIFT, NICHT ABER DIE PLÄDOYERS ZU DEN ANKLAGEPUNKTEN ODER EIN MIT GRÜNDEN VERSEHENES URTEIL VORLIEGEN, WODURCH ZWEIFEL HINSICHTLICH DER TRAGWEITE DER VERURTEILUNG AUSGERÄUMT WERDEN KÖNNTEN. DIE KLAEGERIN HAT JEDOCH DIE IDENTITÄT DER HANDLUNGEN DARZUTUN, WAS IHR BEI DIESER SACHLAGE NICHT MÖGLICH WAR.

6 JEDENFALLS IST DIE THESE ABZULEHNEN, DASS DIE GEAHNDETE HANDLUNG IN DER KARTELLABSPRACHE SELBST UND NICHT IN DEREN DURCHFÜHRUNG ZU SEHEN SEI. INSOWEIT BEDARF ES NUR EINES HINWEISES AUF DAS AM 15. JULI 1970 ZWISCHEN DENSELBEN PARTEIEN ERGANGENE URTEIL, WORIN DER GERICHTSHOF EINEN GEGENTEILIGEN STANDPUNKT EINGENOMMEN HAT, DENN AUFGRUND DER FESTSTELLUNG, DASS DAS KARTELL IN MEHRFACHER HINSICHT UND ZU VERSCHIEDENEN ZEITPUNKTEN FÜR " RUHEND " ERKLÄRT WURDE, IST ER ZU DEM ERGEBNIS GELANGT, DASS DIE ZUWIDERHANDLUNGEN GEGEN DEN VERTRAG NICHT SO WEIT GINGEN, WIE DIE KOMMISSION ANGENOMMEN HATTE, UND HAT DARAUS DIE GEBOTENEN KONSEQUENZEN FÜR DIE BUSSGELDBEMESSUNG GEZOGEN. IM EINKLANG MIT ARTIKEL 85 DES VERTRAGES SIND IN DIESEM URTEIL NUR DIE DURCHFÜHRUNGSHANDLUNGEN DER KARTELLABSPRACHE BERÜCKSICHTIGT WORDEN, DIE GEEIGNET WAREN, DEN HANDEL ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN ZU BEEINTRÄCHTIGEN UND DEN WETTBEWERB INNERHALB DES GEMEINSAMEN MARKTES ZU VERFÄLSCHEN. DIE KLAEGERIN HAT IM ÜBRIGEN NICHTS VORGETRAGEN, WAS DIE AUFFASSUNG STÜTZEN KÖNNTE, DASS DIE VERURTEILUNG IN DEN VEREINIGTEN STAATEN SICH AUF DURCHFÜHRUNGSHANDLUNGEN UND AUSWIRKUNGEN DER KARTELLABSPRACHE AUSSERHALB DIESES LANDES ERSTRECKT HÄTTE. AUCH INSOWEIT IST ALSO NICHT DARGETAN, DASS DIE VORGEWORFENEN HANDLUNGEN IDENTISCH WAREN.

7 ES BESTEHT ALSO KEINE VERANLASSUNG, DEN BETRAG DER IN DEN VEREINIGTEN STAATEN GEGEN DIE KLAEGERIN VERHÄNGTEN GELDSTRAFE - SEI ES AUCH NUR TEILWEISE - AUF DIE GELDBUSSE VON 180000 RECHNUNGSEINHEITEN ANZURECHNEN, DIE DER KLAEGERIN WEGEN ZUWIDERHANDLUNG GEGEN ARTIKEL 85 DES VERTRAGES AUFERLEGT WORDEN IST.

8 DIE KLAGE IST SOMIT ABZUWEISEN.

Kostenentscheidung:

9 NACH ARTIKEL 69 ABSATZ 2 DER VERFAHRENSORDNUNG IST DIE UNTERLIEGENDE PARTEI ZUR TRAGUNG DER KOSTEN ZU VERURTEILEN. DIE KLAEGERIN IST MIT IHREM VORBRINGEN UNTERLEGEN.

Tenor:

HAT

DER GERICHTSHOF

UNTER ABWEISUNG ALLER WEITERGEHENDEN ODER GEGENTEILIGEN ANTRAEGE FÜR RECHT ERKANNT UND ENTSCHIEDEN :

1. DIE KLAGE WIRD ALS UNBEGRÜNDET ABGEWIESEN.

2. DIE KLAEGERIN WIRD VERURTEILT, DIE KOSTEN DES RECHTSSTREITS ZU TRAGEN.

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