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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.04.1988
Aktenzeichen: 97/86
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 381/86


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
EWG-Vertrag Art. 176
Verordnung Nr. 381/86
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Verordnung über die Modalitäten, gemäß denen eine im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation eingeführte Gemeinschaftsbeihilfe in einem Mitgliedstaat gewährt wird, ist eine Maßnahme von allgemeiner Geltung, die objektiv bestimmte Sachverhalte erfasst und Rechtswirkungen gegenüber einer Gruppe von Personen erzeugt, die allgemein und abstrakt umschrieben ist. Daher kann sie einen Wirtschaftsteilnehmer, der im besagten Mitgliedstaat niedergelassen ist und für die fragliche Beihilfe in Betracht kommt, nicht im Sinne des Artikels 173 Absatz 2 EWG-Vertrag individuell betreffen.

2. Ein Streit darüber, ob das Verhalten eines Organs den ihm in Artikel 176 EWG-Vertrag auferlegten Verpflichtungen in dem Falle entspricht, daß eine seiner Handlungen für nichtig erklärt worden ist, stellt eine Untätigkeitsklage dar, wenn Streitgegenstand nicht die mögliche Rechtswidrigkeit der die für nichtig erklärte Handlung ersetzenden Handlung ist, sondern die Frage, ob das Organ über diese Ersetzung hinaus andere Maßnahmen im Hinblick auf andere Handlungen zu treffen hat, die nicht mit Nichtigkeitsklage angefochten worden waren.

3. Das Organ, dessen Handlung vom Gerichtshof für nichtig erklärt worden ist, kommt dem Urteil nur dann nach und führt es nur dann voll durch, wenn es nicht nur den Tenor des Urteils beachtet, sondern auch die Gründe, die zu diesem geführt haben und die ihn in dem Sinne tragen, daß sie zur Bestimmung der genauen Bedeutung des Tenors unerläßlich sind. Diese Gründe benennen zum einen exakt die Bestimmung, die als rechtswidrig angesehen wird, und lassen zum anderen die spezifischen Gründe der im Tenor festgestellten Rechtswidrigkeit erkennen, die das betroffene Organ bei der Ersetzung des für nichtig erklärten Aktes zu beachten hat.

Wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit in den Gründen des Nichtigkeitsurteils das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, auch in erster Linie verpflichtet, diese Rechtswidrigkeit in dem Akt zu beseitigen, der an die Stelle des für nichtig erklärten Aktes treten soll, so kann sie doch für dieses Organ auch weitere Folgen nach sich ziehen, soweit sie eine Bestimmung feststehenden Inhalts auf einem gegebenen Sachgebiet zum Gegenstand hat.

Geht es um die Nichtigerklärung einer Verordnung, deren Wirkung zeitlich genau festgelegt ist, so ist das erlassende Organ zunächst verpflichtet, in die neuen, nach dem Nichtigkeitsurteil zu erlassenden Verordnungen für spätere Wirtschaftsjahre keine Bestimmung aufzunehmen, die mit der für rechtswidrig erklärten Bestimmung inhaltsgleich ist. Kraft der Rückwirkung von Nichtigkeitsurteilen wirkt die Feststellung der Rechtswidrigkeit aber ab dem Inkrafttreten der für nichtig erklärten Verordnung. Das betroffene Organ ist daher auch verpflichtet, aus den im Zeitpunkt des Nichtigkeitsurteils bereits erlassenen Verordnungen für Wirtschaftsjahre, die nach dem von der für nichtig erklärten Verordnung erfassten liegen, die Bestimmungen zu streichen, die mit der für rechtswidrig erklärten Bestimmung inhaltsgleich sind.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 26. APRIL 1988. - ASTERIS A. E. UND ANDERE UND REPUBLIK GRIECHENLAND GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - PRODUKTIONSBEIHILFEN FUER TOMATENKONZENTRATE - FUER DIE REPUBLIK GRIECHENLAND GELTENDE REGELUNG - FOLGEN EINER VOM GERICHTSHOF FESTGESTELLTEN RECHTSVERLETZUNG. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN 97, 193, 99 UND 215/86.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Schriftsatz, der am 14. April 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist ( Rechtssache 97/86 ), haben die Klägerinnnen zu 1 bis 15 gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 381/86 der Kommission vom 20. Februar 1986 über die zusätzliche Zahlung einer Produktionsbeihilfe für bestimmte Grössen von Verpackungen, die aus griechischen Tomaten im Wirtschaftsjahr 1983/84 gewonnene Tomatenkonzentrate enthalten ( ABl. L 44, S. 16 ).

2 Mit Schriftsatz, der am 29. Juli 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist ( Rechtssache 193/86 ), haben die Klägerinnnen zu 1 bis 15 gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der in einem an sie gerichteten Schreiben vom 11. Juli 1986 enthaltenen Weigerung der Kommission, den Urteilen vom 19. September 1985 in den Rechtssachen 192/83 ( Griechenland/Kommission, Slg. 1985, 2791 ) und 194 bis 206/83 ( Asteris und andere, Slg. 1985, 2815 ) nachzukommen.

3 Mit Schriftsatz, der am 21. April 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist ( Rechtssache 99/86 ), hat die Griechische Republik gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 381/86 erhoben.

4 Mit Schriftsatz, der am 6. August 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist ( Rechtssache 215/86 ), hat die Griechische Republik gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage auf Aufhebung der in einem an sie gerichteten Schreiben vom 19. Juni 1986 enthaltenen Weigerung der Kommission erhoben, den Urteilen vom 19. September 1985 ( a. a. O.) nachzukommen.

5 Mit Beschluß vom 17. Juni 1987 hat der Gerichtshof die Rechtssachen 97, 193, 99 und 215 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.

6 Mit Urteil vom 19. September 1985 in der Rechtssache 192/83 ( a. a. O.) hat der Gerichtshof auf Klage der Griechischen Republik die Verordnung Nr. 1615/83 der Kommission vom 15. Juni 1983 zur Festlegung der Koeffizienten, die im Wirtschaftsjahr 1983/84 auf den Produktionsbeihilfebetrag für Tomatenmark anzuwenden sind ( ABl. L 159, S. 48 ), für nichtig erklärt, soweit die mit dieser Verordnung festgesetzten Koeffizienten in bezug auf den Ausgleich der Mehrkosten, die durch die Verwendung kleinerer Umschließungen als der Standardverpackungen der Verordnung Nr. 1618/83 zur Festsetzung des den Erzeugern zu zahlenden Mindestpreises sowie des Betrags der Produktionsbeihilfe für bestimmte Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse für das Wirtschaftsjahr 1983/84 ( ABl. L 159, S. 52 ) verursacht werden, zu einer Ungleichbehandlung der Erzeuger der Griechischen Republik gegenüber denen der anderen Mitgliedstaaten führen. Im selben Urteil hat der Gerichtshof weiter ausgeführt, nach Artikel 176 EWG-Vertrag sei es Sache der Kommission, für Griechenland neue Koeffizienten festzusetzen oder irgendeine andere Ausgleichsregelung zu schaffen, die der Unterschiedlichkeit der Beihilferegelung für Griechenland einerseits und für die anderen Mitgliedstaaten andererseits Rechnung trage.

7 Zur Durchführung des Urteils vom 19. September 1985 in der Rechtssache 192/83 hat die Kommission die streitgegenständliche Verordnung Nr. 381/86 erlassen. Für die Wirtschaftsjahre vor und nach 1983/84 ist keine Verordnung über eine zusätzliche Beihilfe ergangen.

8 Die klagenden Gesellschaften und die Griechische Republik forderten die Kommission auf, im Anschluß an die Urteile vom 19. September 1985 eine zusätzliche Beihilfe zugunsten der griechischen Industrie auch für die Wirtschaftsjahre 1981/82, 1982/83, 1984/85 und 1986/87 festzulegen. Die Kommission stellte sich jedoch in Antwortschreiben vom 11. Juni 1986 an die klagenden Gesellschaften und vom 19. Juni 1986 an die Griechische Republik auf den Standpunkt, das Urteil in der Rechtssache 192/83, mit dem die Verordnung Nr. 1615/83 für nichtig erklärt worden sei, verpflichte sie nur dazu, für das Wirtschaftsjahr 1983/84 eine neue Verordnung zu erlassen.

9 Weitere Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrens und des Parteivorbringens finden sich im Sitzungsbericht, auf den verwiesen wird. Der Inhalt der Akten ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Die Klagen in den verbundenen Rechtssachen 97 und 193/86

10 Mit ihren Klagen in den verbundenen Rechtssachen 97 und 193/86 begehren die Klägerinnen, die Verordnung Nr. 381/86 insoweit für nichtig zu erklären, als sie eine zusätzliche Beihilfe nur für das Wirtschaftsjahr 1983/84 vorsieht, und die Weigerung der Kommission aufzuheben, der klägerischen Aufforderung zu entsprechen, in Durchführung des Urteils vom 19. September 1985 eine zusätzliche Beihilfe auch für die Wirtschaftsjahre vor und nach 1983/84 zu gewähren.

11 Zur Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 381/86 ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ( zuletzt Urteil vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 26/86, Deutz & Geldermann, Slg. 1987, 941 ) darauf hinzuweisen, daß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag die Zulässigkeit einer von einem einzelnen erhobenen Nichtigkeitsklage davon abhängig macht, daß die angefochtene Maßnahme, obwohl sie als Verordnung ergangen ist, in Wirklichkeit eine Entscheidung darstellt, die den Kläger unmittelbar und individuell betrifft. Wie der Gerichtshof entschieden hat, besteht der Zweck dieser Vorschrift insbesondere darin zu verhindern, daß die Gemeinschaftsorgane, indem sie einfach die Form einer Verordnung wählen, die Klage eines einzelnen gegen eine Entscheidung, die ihn unmittelbar und individuell betrifft, ausschließen können, und damit klarzustellen, daß die Wahl der Form die Rechtsnatur einer Maßnahme nicht ändern kann.

12 Gemäß Artikel 189 Absatz 2 EWG-Vertrag ist das Merkmal zur Unterscheidung zwischen Verordnung und Entscheidung darin zu sehen, ob die fragliche Maßnahme allgemeine Geltung hat. Daher sind die Rechtsnatur der angefochtenen Maßnahme und insbesondere ihre Rechtswirkungen zu untersuchen.

13 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 30. September 1982 in der Rechtssache 242/81 ( Roquette Frères/Rat, Slg. 1982, 3213, Randnr. 7 ) entschieden hat, verliert ein Rechtsakt seine allgemeine Geltung und damit seinen Verordnungscharakter nicht schon dadurch, daß sich die Rechtssubjekte, für die er in einem bestimmten Zeitpunkt gilt, nach Zahl oder sogar Identität bestimmen lassen, solange feststeht, daß diese Geltung sich aus einer in dem Rechtsakt umschriebenen objektiven Rechts - oder Sachlage in Verbindung mit der Zielsetzung dieses Aktes ergibt.

14 Rechtssubjekte sind nur dann von einem Akt individuell betroffen, wenn ihre Rechtsposition wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und wenn sie daher in ähnlicher Weise individualisiert werden wie ein Adressat ( siehe insbesondere Urteil vom 18. November 1975 in der Rechtssache 100/74, CAM, Slg. 1975, 1393 ).

15 Im vorliegenden Fall betrifft die Verordnung Nr. 381/86 die Klägerinnen ebenso wie jeden anderen Tomatenkonzentrathersteller in derselben Lage ausschließlich aufgrund ihrer objektiven Eigenschaft als in Griechenland niedergelassener Tomatenkonzentrathersteller. Damit stellt die Verordnung ihnen gegenüber eine Maßnahme von allgemeiner Geltung dar, die objektiv bestimmte Sachverhalte erfasst und Rechtswirkungen gegenüber einer Gruppe von Personen erzeugt, die allgemein und abstrakt umschrieben ist.

16 Die Klage in der Rechtssache 97/86 auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 381/86 ist deshalb als unzulässig abzuweisen.

17 Was die Klage auf Aufhebung der angeblichen Weigerung der Kommission anbetrifft, das Urteil vom 19. September 1985 voll durchzuführen, ist festzustellen, daß Bürger, die die Rechtmässigkeit einer Verordnung nicht zulässigerweise anfechten können, auch keine zulässige Klage auf Aufhebung oder wegen Untätigkeit erheben können, nachdem sie ein Gemeinschaftsorgan zum Erlaß einer Verordnung aufgefordert haben.

18 Die Klage in der Rechtssache 193/86 auf Aufhebung der angeblichen Weigerung der Kommission, das Urteil vom 19. September 1985 durchzuführen, ist deshalb als unzulässig abzuweisen.

Zu den Klagen der Griechischen Republik

19 Mit ihren Klagen in den verbundenen Rechtssachen 99 und 215/86 beantragt die Griechische Republik, die Verordnung Nr. 381/86 insoweit für nichtig zu erklären, als sie eine zusätzliche Beihilfe nur für das Wirtschaftsjahr 1983/84 gewährt, und die Weigerung der Kommission aufzuheben, der Aufforderung der Griechischen Republik zu entsprechen, das Urteil vom 19. September 1985 voll durchzuführen, also den dort gerügten Fehler auch für die anderen Wirtschaftsjahre zu berichtigen.

20 Die Griechische Republik stützt ihre Klagen darauf, daß die Kommission ihre Verpflichtungen aus Artikel 176 EWG-Vertrag verletzt habe, wonach das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt oder dessen Untätigkeit als vertragswidrig erklärt worden ist, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergebenden Maßnahmen zu ergreifen hat.

21 Zur Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 381/86 ist zu wiederholen, daß diese Verordnung eine zusätzliche Beihilfe für das Wirtschaftsjahr 1983/84 vorsieht, das Gegenstand der mit dem Urteil vom 19. September 1985 in der Rechtssache 192/83 ( a. a. O.) für nichtig erklärten Verordnung Nr. 1615/83 war.

22 Die Griechische Republik bestreitet nicht, daß die Kommission mit dem Erlaß der Verordnung Nr. 381/86 das Urteil vom 19. September 1985 für das Wirtschaftsjahr 1983/84 ordnungsgemäß durchgeführt hat, auf das allein sich die für nichtig erklärte Verordnung Nr. 1615/83 bezog. Sie wirft der Kommission jedoch vor, aus dem Urteil keine Folgerungen für die früheren und späteren Wirtschaftsjahre gezogen zu haben, für die der für nichtig erklärten Verordnung entsprechende Verordnungen galten, die freilich nicht fristgerecht angefochten wurden.

23 Die Griechische Republik führt also keine Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 381/86 ins Feld; sie macht vielmehr geltend, aus dem Nichtigkeitsurteil habe sich für die Kommission die Verpflichtung ergeben, über die Ersetzung der für nichtig erklärten Verordnung hinaus andere Maßnahmen zu ergreifen, nämlich Verordnungen anzupassen, deren Nichtigerklärung nicht verlangt worden sei.

24 Von den Verordnungen, die zu ändern die Kommission nach Auffassung der Griechischen Republik verpflichtet war, liegen die Verordnungen Nrn. 1962/81 und 1602/82 der Kommission zur Festlegung der Koeffizienten, die auf den Produktionsbeihilfebetrag für Tomatenmark für die Wirtschaftsjahre 1981/82 und 1982/83 anzuwenden waren, vor der für nichtig erklärten Verordnung, die Verordnung Nr. 1709/84 der Kommission zur Festlegung dieser Koeffizienten für die Wirtschaftsjahre 1984/85 bis 1986/87 nach dieser Verordnung. Damit betreffen diese Verordnungen andere Sachverhalte als die für nichtig erklärte Verordnung; indem sie der Kommission vorwirft, diese Verordnungen nicht geändert oder ergänzt zu haben, macht die Griechische Republik eine Verpflichtung der Kommission geltend, den für nichtig erklärten Akt neu zu erlassen und den von ihm erfassten Sachverhalt entsprechend dem Tenor des Nichtigkeitsurteils zu regeln. Nach dem EWG-Vertrag kann eine solche Handlungsverpflichtung der Kommission nur nach Artikel 175 festgestellt werden; diesen Weg hat die Griechische Republik im übrigen hilfsweise auch eingeschlagen.

25 Die Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 381/86 ist somit als unzulässig abzuweisen.

26 Vor der Entscheidung über die Klage auf Aufhebung der Weigerung der Kommission, tätig zu werden, die das Untätigkeitsverfahren gegen diese abschließt, ist zu bestimmen, welche Maßnahmen das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, gemäß Artikel 176 aufgrund des Nichtigkeitsurteils des Gerichtshofes zu treffen verpflichtet ist.

27 Das Organ kommt dem Urteil nur dann nach und führt es nur dann voll durch, wenn es nicht nur den Tenor des Urteils beachtet, sondern auch die Gründe, die zu diesem geführt haben und die ihn in dem Sinne tragen, daß sie zur Bestimmung der genauen Bedeutung des Tenors unerläßlich sind. Diese Gründe benennen zum einen exakt die Bestimmung, die als rechtswidrig angesehen wird, und lassen zum anderen die spezifischen Gründe der im Tenor festgestellten Rechtswidrigkeit erkennen, die das betroffene Organ bei der Ersetzung des für nichtig erklärten Aktes zu beachten hat.

28 Wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit in den Gründen des Nichtigkeitsurteils das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, auch in erster Linie verpflichtet, diese Rechtswidrigkeit in dem Akt zu beseitigen, der an die Stelle des für nichtig erklärten Aktes treten soll, so kann sie doch für dieses Organ auch weitere Folgen nach sich ziehen, soweit sie eine Bestimmung feststehenden Inhalts auf einem gegebenen Sachgebiet zum Gegenstand hat.

29 Geht es wie im vorliegenden Fall um die Nichtigerklärung einer Verordnung, deren Wirkung zeitlich genau festgelegt ist ( nämlich auf das Wirtschaftsjahr 1983/84 ), so ist das erlassende Organ zunächst verpflichtet, in die neuen, nach dem Nichtigkeitsurteil zu erlassenden Verordnungen für spätere Wirtschaftsjahre keine Bestimmung aufzunehmen, die mit der für rechtswidrig erklärten Bestimmung inhaltsgleich ist.

30 Kraft der Rückwirkung von Nichtigkeitsurteilen wirkt die Feststellung der Rechtswidrigkeit aber ab dem Inkrafttreten der für nichtig erklärten Verordnung. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß das betroffene Organ auch verpflichtet war, aus den im Zeitpunkt des Nichtigkeitsurteils bereits erlassenen Verordnungen für die Wirtschaftsjahre nach 1983/84 die Bestimmungen zu streichen, die mit der für rechtswidrig erklärten Bestimmung inhaltsgleich waren.

31 Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festlegung der Koeffizienten, die auf den Beihilfebetrag für die griechischen Erzeuger anzuwenden sind, erfasst somit nicht nur das Wirtschaftsjahr 1983/84, das Gegenstand der für nichtig erklärten Verordnung war, sondern auch alle späteren Wirtschaftsjahre. Sie betrifft hingegen nicht die Wirtschaftsjahre, für die Verordnungen vor dem Wirtschaftsjahr 1983/84 gelten.

32 Die Kommission hat also dadurch, daß sie sich weigerte, mit Wirkung vom Zeitpunkt des Erlasses der für nichtig erklärten Verordnung die Bestimmung zu ersetzen, die sich inhaltsgleich mit der im Nichtigkeitsurteil für rechtswidrig erklärten in Verordnungen findet, die nach diesem Datum wirksam werden, ihre Verpflichtungen aus Artikel 176 verkannt; das kann im Verfahren des Artikels 175 gerügt werden.

33 Nach alledem ist die Weigerung der Kommission vom 19. Juni 1986 aufzuheben, dem Antrag der Griechischen Republik nach Artikel 175 zu entsprechen, in voller Durchführung des Urteils vom 19. September 1985 in der Rechtssache 192/83 eine zusätzliche Zahlung einer Produktionsbeihilfe für bestimmte Grössen von Verpackungen, die aus griechischen Tomaten in den Wirtschaftsjahren 1984/85, 1985/86 und 1986/87 gewonnene Tomatenkonzentrate enthalten, vorzusehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Nach Artikel 69 § 2 Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei in die Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 kann der Gerichtshof jedoch die Kosten ganz oder teilweise gegeneinander aufheben, wenn die Parteien jeweils mit einer oder mit mehreren Rügen unterliegen. Die Klägerinnen in den verbundenen Rechtssachen 97 und 193/86 sind mit ihrem Vorbringen unterlegen. Sie sind daher in die Kosten dieser Rechtssachen zu verurteilen. Die Griechische Republik ist mit ihrem Vorbringen in der Rechtssache 99/86 unterlegen. Sie hat daher die Kosten dieser Rechtssache zu tragen. Da die Griechische Republik und die Kommission je mit einigen Rügen in der Rechtssache 215/86 unterlegen sind, sind hier die Kosten gegeneinander aufzuheben.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klagen in den verbundenen Rechtssachen 97 und 193/86 werden als unzulässig abgewiesen.

2 ) Die Klägerinnen in den verbundenen Rechtssachen 97 und 193/86 tragen die Kosten.

3 ) Die Klage in der Rechtssache 99/86 wird als unzulässig abgewiesen.

4 ) Die Griechische Republik trägt die Kosten in der Rechtssache 99/86.

5 ) Die Weigerung der Kommission vom 19. Juni 1986, dem Antrag der Griechischen Republik nach Artikel 175 zu entsprechen, in voller Durchführung des Urteils vom 19. September 1985 in der Rechtssache 192/83 die zusätzliche Zahlung einer Produktionsbeihilfe für bestimmte Grössen von Verpackungen, die aus griechischen Tomaten in den Wirtschaftsjahren 1984/85, 1985/86 und 1986/87 gewonnene Tomatenkonzentrate enthalten, vorzusehen, wird aufgehoben.

6 ) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

7 ) Die Griechische Republik und die Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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