Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.10.1995
Aktenzeichen: C-104/94
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2537/89/EWG vom 08.08.1989, Verordnung Nr. 150/90/EWG vom 19.01.1990


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2537/89/EWG vom 08.08.1989 Art. 29 a
Verordnung Nr. 150/90/EWG vom 19.01.1990 Art. 6 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Zuverlässigkeit der Angaben hinsichtlich der eingesäten Fläche in den Anbauverträgen, die für das ordnungsgemässe Funktionieren der in der Verordnung Nr. 1491/85 vorgesehenen Beihilferegelung zur Erzeugung von Sojabohnen in der Gemeinschaft notwendig ist, kann nur dann gewährleistet werden, wenn die zuständigen nationalen Behörden von den Erzeugern über eingetretene Änderungen in der Verwendung der im Anbauvertrag angegebenen Flächen informiert werden, die gemäß Artikel 6 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2537/89 über Durchführungsbestimmungen zu den Sondermaßnahmen für Sojabohnen in der durch die Verordnung Nr. 150/90 geänderten Fassung dem Sojaanbau, ausser im Fall höherer Gewalt, vorbehalten bleiben müssen. Diese dem Erzeuger gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2537/89 auferlegte Verpflichtung, der zuständigen Stelle Änderungen mitzuteilen, stellt daher eine für das ordnungsgemässe Funktionieren der Beihilferegelung wesentliche Verpflichtung dar und ist also für diese Regelung von grundlegender Bedeutung.

Daher hat die Kommission, indem sie Strafmaßnahmen vorgesehen hat, die ° obwohl die Mitgliedstaaten sie gemäß Artikel 29a der Verordnung Nr. 2537/84 je nach der Schwere des dem Erzeuger zur Last gelegten Verstosses abstufen können ° bei einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoß des Sojabohnenerzeugers gegen eine für das ordnungsgemässe Funktionieren der Beihilferegelung so wichtige Verpflichtung wie die zur Mitteilung von Änderungen hinsichtlich der eingesäten Flächen bis zum Verlust des Beihilfeanspruchs für das laufende und das darauffolgende Wirtschaftsjahr reichen konnten, weder gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstossen noch die Grenzen der ihr durch Artikel 2 Absatz 8 der Verordnung Nr. 1491/85 übertragenen Durchführungsbefugnis überschritten, die die Befugnis zur Festsetzung angemessener Strafmaßnahmen umfasst.

2. Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2537/89 ist dahin auszulegen, daß ein Erzeuger von Soja, der einen Anbauvertrag geschlossen hat, durch den er in den Genuß der von der Gemeinschaftsregelung vorgesehenen Beihilfe kommen kann, verpflichtet ist, der zuständigen Stelle jede vor der Hinterlegung des Vertrages eingetretene Änderung hinsichtlich der im Anbauvertrag angegebenen Flächen, insbesondere jede Verringerung dieser Flächen, auch wenn sie mit Naturereignissen wie heftigen Regenfällen zusammenhängt, ebenso mitzuteilen wie alle nach dieser Hinterlegung eingetretenen Änderungen, die für sich allein oder zusammengenommen über 10 % der im Anbauvertrag angegebenen Flächen und mehr als einen Hektar ausmachen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 12. OKTOBER 1995. - CEREOL ITALIA SRL GEGEN AZIENDA AGRICOLA CASTELLO SAS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNALE CIVILE E PENALE DI RAVENNA - ITALIEN. - BEIHILFEREGELUNG FUER DIE SOJAERZEUGUNG - STRAFMASSNAHMEN BEI UNRICHTIGEN ANGABEN IM ANBAUVERTRAG. - RECHTSSACHE C-104/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale civile e penale Ravenna hat mit Beschluß vom 3. März 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 29. März 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag sieben Fragen nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1491/85 des Rates vom 23. Mai 1985 über Sondermaßnahmen für Sojabohnen (ABl. L 151, S. 15; nachstehend: Verordnung Nr. 1491/85), der Verordnung (EWG) Nr. 2194/85 des Rates vom 25. Juli 1985 zur Festlegung der Grundregeln der Sondermaßnahmen für Sojabohnen (ABl. L 204, S. 1; nachstehend: Verordnung Nr. 2194/85) und der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission vom 8. August 1989 über Durchführungsbestimmungen zu den Sondermaßnahmen für Sojabohnen (ABl. L 245, S. 8; nachstehend: Verordnung Nr. 2537/89) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 150/90 der Kommission vom 19. Januar 1990 geänderten Fassung (ABl. L 18, S. 10; nachstehend: Verordnung Nr. 150/90) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Cereol Italia Srl (nachstehend: Cereol), die Soja verarbeitet, und der Azienda agricola Castello Sas (nachstehend: Castello), die Sojabohnen erzeugt, bei dem es um die Zahlung eines Betrages von 112 509 187 LIT geht, der Cereol als Gemeinschaftsbeihilfe ausgezahlt und dann von der Azienda di Stato per gli interventi nel mercato agricolo (nachstehend: AIMA) zurückgefordert wurde.

3 Mit der Verordnung Nr. 1491/85 wurde eine Beihilferegelung für die Erzeugung von Sojabohnen in der Gemeinschaft geschaffen, die als "Erstkäufer"-Beihilferegelung bezeichnet wird. Im Rahmen dieser Regelung wird eine Beihilfe in Höhe des Unterschieds zwischen dem von der Gemeinschaft festgesetzten Zielpreis und dem Weltmarktpreis allen Personen gewährt, die einen sogenannten "Anbauvertrag" geschlossen haben, der die Zahlung eines Preises, der mindestens ebenso hoch ist wie der von der Gemeinschaft festgesetzte Mindestpreis, an den Erzeuger vorsieht (Artikel 2).

4 Die Angaben, die unbedingt im Anbauvertrag enthalten sein müssen, sind in Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2537/89 festgelegt. Nach dieser Vorschrift, die gemäß Artikel 2 Absatz 8 der Verordnung Nr. 1491/85 erlassen wurde, sind folgende Angaben vorgeschrieben:

"...

e) definitive Angabe der eingesäten Fläche in Hektar und Ar;

f) die zur Bestimmung der Anbaufläche erforderlichen Angaben;

...

g) Angabe der vom Erzeuger bei der vorhergegangenen Ernte erzielten Erträge;

..."

5 Artikel 6 Absatz 3 in der Fassung der Verordnung Nr. 150/90 bestimmt ferner:

"Im Nachgang zur Unterzeichnung des Vertrages können die Flächen, die nach Absatz 2 Buchstaben e) und f) vom Erzeuger angegeben worden sind, nicht für eine andere Nutzung als die Sojabohnenproduktion verwendet werden, ausgenommen im Falle höherer Gewalt.

Infolgedessen muß jede Änderung, die nach der Unterzeichnung des Vertrages, aber vor der Hinterlegung bei der zuständigen Stelle in der Verwendung der angegebenen Flächen eintritt, Gegenstand einer Ergänzung des Vertrages werden, in der diese Flächen unter Angabe des Grundes der Änderung berichtigt werden.

Im übrigen muß eine Änderung der gesamten oder eines Teils der Flächen, die in dem Zeitraum von drei Monaten vor dem Beginn der Ernte der Sojabohnen, die Gegenstand des Vertrages sind, eintritt, vom Erzeuger der zuständigen Stelle, der für die Kontrolle zuständigen Stelle und dem Erstkäufer mitgeteilt werden, jedesmal wenn die Änderung grösser als 10 % der angegebenen Fläche und grösser als ein Hektar ist. Diese Mitteilung muß innerhalb von acht Arbeitstagen nach Eintritt der Änderung erfolgen."

6 Der durch die Verordnung Nr. 150/90 in die Verordnung Nr. 2537/89 eingefügte Artikel 29a bestimmt:

"Wird eine Unregelmässigkeit bei einer Kontrolle oder Überprüfung festgestellt, so gelten unbeschadet der anderen gegebenenfalls anwendbaren Maßnahmen folgende Bestimmungen:

1. Ist eine Unregelmässigkeit auf eine vorsätzlich abgegebene falsche Erklärung oder eine grobe Fahrlässigkeit des Erzeugers beim Abschluß des Vertrages gemäß Artikel 6 oder seiner Durchführung zurückzuführen, insbesondere was die Richtigkeit der Angaben gemäß Artikel 6 Absatz 2 und die Einhaltung von Artikel 6 Absatz 3 anbelangt, so ist der Vertrag gemäß dieser Verordnung ungültig, kommen die im Rahmen des Vertrages erzeugten Sojabohnen nicht für eine Beihilfe in Betracht und wird der Erzeuger für das darauffolgende Wirtschaftsjahr von der Inanspruchnahme dieser Verordnung ausgeschlossen.

...

4. Die in dieser Verordnung vorgesehenen Strafmaßnahmen... werden nach Art und Schwere des Verstosses bestimmt sowie in dem Masse, wie dies für die ordnungsgemässe Anwendung des betreffenden Mechanismus erforderlich ist."

7 Am 27. Mai 1991 schlossen Cereol und Castello einen Anbauvertrag für das Wirtschaftsjahr 1991/92, nach dem auf einer Fläche von 93 Hektar und 22 Ar Sojabohnen gesät werden sollten.

8 Am 7. Oktober 1991 ergab eine Kontrolle des Aufsichtsamts für Landwirtschaft von Treviso, daß nur 77 Hektar bepflanzt worden waren.

9 Die AIMA sah in dieser Verringerung der eingesäten Fläche, da sie ihr nicht mitgeteilt worden war, einen Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 3 der geänderten Verordnung Nr. 2537/89. Aufgrund von Artikel 29a dieser Verordnung erklärte sie daraufhin den Anbauvertrag für ungültig, stellte fest, daß die im Rahmen dieses Vertrages erzeugten Sojabohnen nicht für eine Beihilfe in Betracht kämen, und schloß Castello für das darauffolgende Wirtschaftsjahr von der Inanspruchnahme der Beihilfe aus. Sie forderte Cereol daher auf, die ihr ausgezahlte Beihilfe zurückzuzahlen.

10 Um sich bei Castello schadlos zu halten, beantragte Cereol daraufhin beim Tribunale civile e penale Ravenna, Castello zur Zahlung eines Betrages in Höhe der von ihr zu erstattenden Beihilfe zu verurteilen.

11 Vor dem nationalen Gericht vertrat Castello die Ansicht, daß die gegen Cereol verhängte Strafmaßnahme rechtswidrig sei. Sie machte geltend, daß Artikel 29a der geänderten Verordnung Nr. 2537/89 ungültig, jedenfalls aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da sie entgegen der Auffassung der AIMA keinen Verstoß gegen die Gemeinschaftsregelung begangen habe.

12 Das nationale Gericht stellte sich daraufhin die Frage nach der Gültigkeit und Tragweite der anwendbaren Gemeinschaftsregelung und hat daher folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Bestand der Zweck der Verordnungen (EWG) Nr. 1491/85 und Nr. 2194/85 des Rates (insbesondere im Hinblick auf die achte Begründungserwägung, auf Artikel 2 und auf Artikel 5 Absatz 1) für den Zeitraum bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 1992/93 (oder vor Geltung der Verordnungen [EWG] des Rates Nr. 3766/91 und Nr. 1765/92) darin, daß eine Beihilfe nur für die Sojärzeugung im Gebiet der Gemeinschaft gewährt wurde. wobei die Beihilfe anhand der tatsächlich erzeugten Menge berechnet wurde und wobei die Hauptpflicht des an der Beihilfe interessierten Erzeugers im Anbau von Soja im Gebiet eines der Mitgliedstaaten bestand?

2) Stellt die Mitteilungspflicht gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission eines der Mittel zur Bestimmung der Gemeinschaftsherkunft des Erzeugnisses dar, und ist sie als solche im Lichte der bisherigen Gemeinschaftsrechtsprechung als eine Nebenpflicht gegenüber der in Frage 1 erwähnten Hauptpflicht anzusehen?

3) Hat die Kommission, falls die ersten beiden Fragen bejaht werden, beim Erlaß des durch die Verordnung (EWG) Nr. 150/90 eingeführten Artikels 29a der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 (mit den einschneidenden Sanktionen bei Fahrlässigkeit des Erzeugers bei der Durchführung des Vertrages, insbesondere was die Einhaltung von Artikel 6 Absatz 3 angeht) die Grenzen der ihr vom Rat durch Artikel 2 Absatz 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1491/85 übertragenen Befugnis überschritten, indem die Sanktion des Verlustes des aus der Erfuellung der Hauptpflicht entstandenen Anspruchs bei Nichterfuellung einer Nebenpflicht verhängt wird, und hat sie auf diese Weise ihre Befugnisse mißbraucht?

4) Stellt, falls die dritte Frage verneint wird, Artikel 29a der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission, eingeführt durch die Verordnung (EWG) Nr. 150/90 der Kommission, der in allen Fällen grober Fahrlässigkeit des Erzeugers bei der Durchführung des Vertrages (insbesondere was die Einhaltung von Artikel 6 Absatz 3 angeht) als Sanktion sowohl die Ungültigkeit des Vertrages als auch den Ausschluß der im Rahmen des Vertrages erzeugten Sojabohnen und den Ausschluß des Erzeugers für das gesamte folgende Wirtschaftsjahr von der Beihilfe vorsieht, einen Verstoß gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz dar, wie er vom Gerichtshof ausgelegt worden ist?

5) Ist, falls die vierte Frage verneint wird, unter "Änderung in der Verwendung der angegebenen Flächen" im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission nur der Fall einer Verwendung eines Teils dieser Fläche für eine andere landwirtschaftliche Erzeugung, als sie im Vertrag angegeben worden ist, zu verstehen?

6) Besteht, falls die fünfte Frage verneint wird, die Verpflichtung nach Artikel 6 Absatz 3 Unterabsatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission, eine Änderung des Teils der Flächen mitzuteilen, die in dem Zeitraum von drei Monaten vor dem Beginn der Ernte eintritt, auch in Fällen, in denen die Änderungen früher als drei Monate vor dem tatsächlichen Zeitpunkt des Beginns der Ernte der Sojabohnen eingetreten sind, die Gegenstand des Vertrages sind?

7) Besteht, falls die fünfte Frage verneint wird, die Verpflichtung nach Artikel 6 Absatz 3 Unterabsatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission, Änderungen der Verwendung mitzuteilen, die grösser als 10 % der im Vertrag angegebenen Fläche sind, auch in Fällen, in denen mehrere Änderungen zeitlich nacheinander erfolgt sind, von denen keine für sich genommen 10 % übersteigt, diese jedoch insgesamt betrachtet den genannten Prozentsatz übersteigen?

Zu den ersten vier Fragen

13 Die ersten vier Fragen des vorlegenden Gerichts betreffen die Gültigkeit von Artikel 29a der geänderten Verordnung Nr. 2537/89 und können zusammen geprüft werden.

14 Das nationale Gericht fragt sich, ob die Kommission, ohne die Grenzen der ihr durch Artikel 2 Absatz 8 der Verordnung Nr. 1491/85 übertragenen Befugnis zu überschreiten und ohne gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu verstossen, vorsehen durfte, daß Unregelmässigkeiten, die auf grobe Fahrlässigkeit des Erzeugers bei der Erfuellung seiner Verpflichtung gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2537/89, zurückzuführen sind, den zuständigen nationalen Stellen eingetretene Änderungen hinsichtlich der eingesäten Flächen mitzuteilen, mit der Ungültigkeit des Anbauvertrags und dem Ausschluß des Erzeugers von der Inanspruchnahme der Beihilfe für das laufende und das darauffolgende Wirtschaftsjahr geahndet werden, wie es Artikel 29a Absatz 1 dieser Verordnung vorsieht.

15 Castello hält diese Vorschrift für ungültig. Sie macht geltend, daß zwar die Verpflichtung zur Erzeugung von Sojabohnen im Gebiet der Gemeinschaft, die die Hauptpflicht der 1985 geschaffenen Beihilferegelung sei, mit einer solch schweren Strafmaßnahme wie dem Verlust des Beihilfeanspruchs habe bewehrt werden dürfen, nicht aber die Verpflichtung zur Mitteilung von Änderungen, die in einem gewissen Umfang in der Verwendung der eingesäten Flächen eingetreten seien, denn diese bilde nur eine Nebenpflicht der Beihilferegelung.

16 Die Kommission hält die betreffende Vorschrift dagegen für gültig. Sie macht geltend, daß die Verpflichtung zur Angabe von an den eingesäten Flächen vorgenommenen Änderungen wesentlich sei, damit die zuständigen öffentlichen Stellen sich vergewissern könnten, daß die Beihilfe nur für tatsächlich im Gebiet der Gemeinschaft erzeugte Sojabohnen gewährt werde, und daß die Verletzung dieser Verpflichtung mit dem Verlust des Beihilfeanspruchs für das laufende und das darauffolgende Wirtschaftsjahr ohne Verstoß gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz und ohne Überschreitung der der Kommission vom Rat übertragenen Befugnisse geahndet werden dürfe.

17 Aus den Erläuterungen, die die Kommission dem Gerichtshof gegeben hat und die nicht bestritten worden sind, ergibt sich, daß die in der Gemeinschaft erzeugten Sojabohnen nur einen Bruchteil der in der Gemeinschaft verarbeiteten Sojabohnen ausmachen. Im Rahmen eines Systems wie des 1985 vom Rat geschaffenen, in dem die Beihilfe den Verarbeitern je nach der Menge der innerhalb der Gemeinschaft erzeugten und verarbeiteten Sojabohnen gewährt wird, ist es unerläßlich, die Herkunft der Sojabohnen kontrollieren zu können, damit gewährleistet ist, daß die Beihilfe ausschließlich in der Gemeinschaft erzeugten Sojabohnen, nur deren Erzeugung gefördert wird, zugute kommt.

18 Die Angaben hinsichtlich der eingesäten Fläche, die in den Anbauverträgen enthalten sein müssen, sind gerade Bestandteil des Kontroll- und Nachweissystems, das geschaffen wurde, um die Herkunft der Sojabohnen sicher feststellen zu können.

19 Die Zuverlässigkeit solcher Angaben ist für das ordnungsgemässe Funktionieren des Systems notwendig. Denn ohne zuverlässige Angaben hinsichtlich der eingesäten Flächen wäre es schwer, zu überprüfen, ob unter Berücksichtigung der in den Anbauverträgen angegebenen Erträge die vom Erstkäufer deklarierten Mengen, auf deren Grundlage die Höhe der Beihilfe errechnet wird, tatsächlich im Gebiet der Gemeinschaft erzeugt wurden oder ob diese Mengen aus Drittländern eingeführt wurden. Stuenden solche Angaben nicht zur Verfügung, so wäre es, wie die Kommission vorträgt, insbesondere nicht möglich, sie mit den anderen Informationen zu vergleichen, die die Erzeuger und die Erstkäufer im übrigen den zuständigen nationalen Behörden zu erteilen haben, wie z. B. im Rahmen der Bestands- und Finanzbuchhaltung.

20 Die Zuverlässigkeit der Angaben hinsichtlich der eingesäten Flächen kann aber nur dann gewährleistet werden, wenn die zuständigen nationalen Behörden von den Erzeugern über eingetretene Änderungen in der Verwendung der im Anbauvertrag angegebenen Flächen informiert werden, die gemäß Artikel 6 Absatz 3 Unterabsatz 1 der geänderten Verordnung Nr. 2537/89 dem Sojaanbau, ausser im Fall höherer Gewalt, vorbehalten bleiben müssen.

21 Deshalb müssen nach Artikel 6 Absatz 3 Unterabsatz 2 dieser Verordnung die Erzeuger jede Änderung hinsichtlich der eingesäten Flächen, die vor der Hinterlegung des Vertrages eintritt, bei der zuständigen nationalen Stelle in Form einer Vertragsergänzung anzeigen und sind nach Unterabsatz 3 dieser Bestimmung Änderungen, die einen gewissen Umfang überschreiten, dieser Stelle mitzuteilen, wenn sie nach der Hinterlegung des Vertrages eintreten.

22 Diese dem Erzeuger gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2537/89 auferlegte Verpflichtung, der zuständigen Stelle Änderungen mitzuteilen, stellt daher eine für das ordnungsgemässe Funktionieren der Beihilferegelung wesentliche Verpflichtung dar und ist also für diese Regelung von grundlegender Bedeutung.

23 Allerdings können Verstösse gegen diese Verpflichtung gemäß Artikel 29a Absatz 1 Unterabsatz 1 der geänderten Verordnung Nr. 2537/89 nur dann geahndet werden, wenn sie auf Vorsatz oder grobe Fährlässigkeit des Erzeugers zurückzuführen sind. Diese Vorschrift ist ausserdem, wie die Kommission ausgeführt und Castello in der mündlichen Verhandlung anerkannt hat, in Anbetracht des Wortlauts von Absatz 4 dieses Artikels so zu verstehen, daß die zuständigen nationalen Stellen je nach der Schwere des dem Erzeuger zur Last gelegten Verstosses eine oder mehrere der darin genannten Strafmaßnahmen verhängen dürfen.

24 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes kann ein Verstoß gegen die Verpflichtungen, deren Einhaltung für das ordnungsgemässe Funktionieren eines Gemeinschaftssystems von grundlegender Bedeutung ist, mit dem Verlust eines von der Gemeinschaftsregelung verliehenen Anspruchs, etwa des Beihilfeanspruchs, geahndet werden (in diesem Sinne Urteile vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 122/78, Buitoni, Slg. 1979, 677, und vom 27. November 1986 in der Rechtssache 21/85, Maas, Slg. 1986, 3537).

25 Indem die Kommission Strafmaßnahmen vorgesehen hat, die bei einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoß des Sojabohnenerzeugers gegen eine für das ordnungsgemässe Funktionieren der Beihilferegelung so wichtige Verpflichtung wie die zur Mitteilung von Änderungen hinsichtlich der eingesäten Flächen bis zum Verlust des Beihilfeanspruchs für das laufende und das darauffolgende Wirtschaftsjahr reichen konnten, hat sie weder gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstossen noch die Grenzen der ihr durch Artikel 2 Absatz 8 der Verordnung Nr. 1491/85 übertragenen Durchführungsbefugnis überschritten, die die Befugnis zur Festsetzung angemessener Strafmaßnahmen umfasst (vgl. Urteil vom 2. Mai 1990 in der Rechtssache C-357/88, Hopermann, Slg. 1990, I-1669, Randnr. 7).

26 Das nationale Gericht hat zu beurteilen, ob die Unterlassung, deren sich ein Erzeuger schuldig gemacht hat, auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist und ob die gewählte Sanktion gemäß Artikel 29a Absatz 4 der geänderten Verordnung Nr. 2537/89 angesichts der Notwendigkeit, das ordnungsgemässe Funktionieren der betreffenden Beihilferegelung zu gewährleisten, gegenüber dem festgestellten Verstoß verhältnismässig ist.

27 Unter diesen Umständen ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß die Prüfung der ersten vier Vorlagefragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Artikel 29a der Verordnung Nr. 2537/89 in der durch die Verordnung Nr. 150/90 geänderten Fassung beeinträchtigen könnte.

Zu den letzten drei Fragen

28 Die letzten drei Fragen des vorlegenden Gerichts betreffen die Auslegung von Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2537/89. Das nationale Gericht möchte wissen, ob die in dieser Vorschrift vorgesehene Mitteilungspflicht auch für eine Verringerung der eingesäten Flächen gilt, wie sie Castello vorgenommen hat.

29 Zunächst fragt sich das nationale Gericht, ob die in Artikel 6 Absatz 3 genannten "Änderungen" auch Verringerungen der Anbauflächen umfassen, die ein Erzeuger wegen heftiger Regenfälle während eines Wirtschaftsjahres vorgenommen hat. Sodann möchte das Gericht wissen, ob die Erzeuger verpflichtet sind, der zuständigen nationalen Behörde Änderungen mitzuteilen, die früher als drei Monate vor dem Beginn der Ernte, aber nach der Unterzeichnung des Vertrages eingetreten sind. Schließlich fragt sich das Gericht, ob diese Erzeuger zur Mitteilung von Änderungen verpflichtet sind, die für sich genommen 10 % der anfangs im Anbauvertrag angegebenen Fläche nicht überschreiten, die diesen Schwellenwert aber insgesamt überschreiten.

30 Wie oben ausgeführt, setzt das ordnungsgemässe Funktionieren der Beihilferegelung voraus, daß den nationalen Behörden zuverlässige Angaben über die Anbauflächen zur Verfügung stehen, die, ausser im Fall höherer Gewalt, ausschließlich dem Sojaanbau dienen sollen, und daß diese Behörden daher grundsätzlich über alle in der Verwendung dieser Flächen eingetretenen Änderungen, welcher Art und welchen Ursprungs sie auch sein mögen, informiert werden.

31 In Anbetracht dieses Zieles ist die Formulierung "Änderung... in der Verwendung der angegebenen Flächen" in Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2537/89 in weitem Sinne dahin zu verstehen, daß sie alle Änderungen umfasst, die hinsichtlich der Flächen eingetreten sind, die nach den Angaben eingesät werden sollten. Dieser Begriff umfasst insbesondere auch Verringerungen der Anbauflächen, die nach Naturereignissen wie heftigen Regenfällen vorgenommen wurden.

32 Obwohl das vorlegende Gericht diesen Punkt nicht ausdrücklich erwähnt hat, ist in Anbetracht der Erklärungen von Castello darauf hinzuweisen, daß Artikel 6 Absatz 3 Unterabsatz 1 dadurch, daß er vorschreibt, daß die im Anbauvertrag angegebenen Flächen, "ausgenommen im Falle höherer Gewalt", ausschließlich für den Sojaanbau zu verwenden sind, den Erzeuger lediglich in Ausnahmefällen von seiner Verpflichtung zur Nutzung der betreffenden Flächen nur für die Erzeugung von Sojabohnen entbinden soll. Dagegen befreit diese Vorschrift den Erzeuger nicht von seiner Verpflichtung gemäß Absatz 3 Unterabsätze 2 und 3, den zuständigen Behörden diese Änderung der Flächennutzung mitzuteilen.

33 In Anbetracht des Zweckes der Kontrolle und der Betrugsverhinderung, den Artikel 6 der Verordnung Nr. 2537/89 verfolgt, muß jede Änderung, die nach der Unterzeichnung des Vertrages, aber vor dem Beginn der Ernte eintritt, der zuständigen Behörde mitgeteilt werden, und zwar entweder in Form einer Ergänzung des Anbauvertrags gemäß Artikel 6 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 2537/89 oder, wenn die in Unterabsatz 3 dieser Vorschrift festgelegten Schwellenwerte überschritten werden, in Form einer Mitteilung des Erzeugers an die zuständige Stelle, an die für die Kontrolle zuständige Stelle und an den Erstkäufer, wie es diese Bestimmung vorsieht.

34 Die Tatsache, daß sich diese Vorschrift auf Änderungen bezieht, die "in dem Zeitraum von drei Monaten vor dem Beginn der Ernte der Sojabohnen" eintreten sollten, kann die Verpflichtung zur Mitteilung von Änderungen, die nach der Hinterlegung des Vertrages, aber früher als drei Monate vor dem Beginn der Ernte eingetreten sind, nicht ausschließen. Wäre dies nämlich der Fall, so könnten die Erzeuger, geht man einmal von der Möglichkeit einer Hinterlegung der Anbauverträge über drei Monate vor dem Beginn der Ernte aus, Änderungen an den Anbauflächen vornehmen, ohne daß die zuständigen Stellen darüber informiert wären, wodurch sich das Betrugsrisiko erhöhen würde, was das Mitteilungssystem gerade verhindern soll.

35 Das Bestreben, hinsichtlich der eingesäten Flächen über zuverlässige Informationen zu verfügen, rechtfertigt es auch, daß Änderungen, die für sich allein oder zusammengenommen über 10 % der im Anbauvertrag oder gegebenenfalls seinen Ergänzungen angegebenen Fläche und mehr als einen Hektar dieser Fläche betreffen, der zuständigen Stelle mitgeteilt werden müssen. Wenn sich das Betrugsrisiko nicht erhöhen soll, darf insbesondere die Formulierung "jedesmal wenn [eine] Änderung grösser als [diese Schwellenwerte] ist" in Artikel 6 Absatz 3 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 2537/89 nicht dahin ausgelegt werden, daß damit nur solche Änderungen gemeint wären, die für sich genommen beide Schwellenwerte überschreiten.

36 Unter diesen Umständen ist auf die letzten drei Fragen des vorlegenden Gerichts zu antworten, daß Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2537/89 dahin auszulegen ist, daß ein Erzeuger von Soja verpflichtet ist, der zuständigen Stelle jede vor der Hinterlegung des Vertrages eingetretene Änderung hinsichtlich der im Anbauvertrag angegebenen Flächen, insbesondere jede Verringerung dieser Flächen, auch wenn sie mit Naturereignissen wie heftigen Regenfällen zusammenhängt, ebenso mitzuteilen wie alle nach dieser Hinterlegung eingetretenen Änderungen, die für sich allein oder zusammengenommen über 10 % der im Anbauvertrag angegebenen Flächen und mehr als einen Hektar ausmachen.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunale civile e penale Ravenna mit Beschluß vom 3. März 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Prüfung der ersten vier Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Artikel 29a der Verordnung (EWG) Nr. 2537/89 der Kommission vom 8. August 1989 über Durchführungsbestimmungen zu den Sondermaßnahmen für Sojabohnen in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 150/90 der Kommission vom 19. Januar 1990 geänderten Fassung beeinträchtigen könnte.

2) Artikel 6 Absatz 3 dieser Verordnung ist dahin auszulegen, daß ein Erzeuger von Soja verpflichtet ist, der zuständigen Stelle jede vor der Hinterlegung des Vertrages eingetretene Änderung hinsichtlich der im Anbauvertrag angegebenen Flächen, insbesondere jede Verringerung dieser Flächen, auch wenn sie mit Naturereignissen wie heftigen Regenfällen zusammenhängt, ebenso mitzuteilen wie alle nach dieser Hinterlegung eingetretenen Änderungen, die für sich allein oder zusammengenommen über 10 % der im Anbauvertrag angegebenen Flächen und mehr als einen Hektar ausmachen.

Ende der Entscheidung

Zurück