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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.06.2003
Aktenzeichen: C-110/01
Rechtsgebiete: Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über


Vorschriften:

Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise Art. 9 Abs. 5
Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise Art. 23 Abs. 2
Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen
Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG
Code de la santé publique (Gesetzbuch über das öffentliche Gesundheitswesen) (Frankreich) Art. L. 356
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)

19. Juni 2003(1)

"Richtlinie 93/16/EWG - Freizügigkeit für Ärzte und gegenseitige Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise - Artikel 23 Absatz 2 - Erforderliche Ausbildungsvoraussetzungen - Berücksichtigung von in einem Drittland verbrachten Ausbildungszeiten - Artikel 9 Absatz 5 - Bescheinigung, wonach ein Diplom eine den erforderlichen Voraussetzungen entsprechende Ausbildung abschließt - Überprüfung der Ausbildungsvoraussetzungen durch den Aufnahmestaat im Hinblick auf die Anerkennung des Diploms"

Parteien:

In der Rechtssache C-110/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Conseil d'Etat (Frankreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Malika Tennah-Durez

gegen

Conseil national de l'ordre des médecins

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 9 Absatz 5 und 23 Absatz 2 der Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise (ABl. L 165, S. 1)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer C. W. A. Timmermans in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. A. O. Edward (Berichterstatter), P. Jann, S. von Bahr und A. Rosas,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von Frau Tennah-Durez, vertreten durch Y. Richard und S. Mandelkern, avocats,

- des Conseil national de l'ordre des médecins, vertreten durch C.-L. Vier und J. Barthelemy, avocats,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Bergeot-Nunes als Bevollmächtigte,

- der belgischen Regierung, vertreten durch F. van De Craen als Bevollmächtigten,

- der italienischen Regierung, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von G. Aiello, avvocato dello Stato,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Tennah-Durez, vertreten durch S. Mandelkern, avocat, des Conseil national de l'ordre des médecins, vertreten durch J. Barthélemy, avocat, der französischen Regierung, vertreten durch C. Bergeot-Nunes, der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx als Bevollmächtigte, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Lewis, Barrister, und der Kommission, vertreten durch M. Patakia, in der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2002

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Juni 2002

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Der Conseil d'État hat mit Entscheidung vom 29. Januar 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 9. März 2001, nach Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 9 Absatz 5 und 23 Absatz 2 der Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise (ABl. L 165, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Tennah-Durez und dem Conseil national de l'ordre des médecins (französische Nationale Ärztekammer, im Folgenden: Conseil national oder französische Ärztekammer) wegen des von Frau Tennah-Durez gestellten Antrags auf Aufnahme in das von der französischen Ärztekammer geführte Verzeichnis der zugelassenen Ärzte.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Um ein System der gegenseitigen Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise von Ärzten zu schaffen, legt die Richtlinie 93/16 zum einen die Voraussetzungen fest, denen die ärztliche Ausbildung entsprechen muss, damit die Mitgliedstaaten ein ärztliches Diplom erteilen können, das unter die gegenseitige Anerkennung in den Mitgliedstaaten fällt, und listet zum anderen diese Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf.

4. So lautet Artikel 2 der Richtlinie 93/16:

"Jeder Mitgliedstaat erkennt die in Artikel 3 aufgeführten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nach Artikel 23 ausstellen, an und verleiht ihnen in seinem Hoheitsgebiet die gleiche Wirkung in Bezug auf die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten des Arztes wie den von ihm ausgestellten Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen."

5. In Artikel 3 der Richtlinie 93/16, in dem die unter die gegenseitige Anerkennung fallenden ärztlichen Diplome (Grundausbildung) aufgelistet sind, heißt es:

"Als Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise im Sinne von Artikel 2 gelten

a) in Belgien:

.Diplôme légal de docteur en médecine, chirurgie et accouchements - wettelijk diploma van doctor in de genees-, heel- en verloskunde (staatliches Diplom eines Doktors der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe), ausgestellt von der medizinischen Fakultät einer Universität oder vom Hauptprüfungsausschuss oder von den staatlichen Prüfungsausschüssen der Hochschulen;

..."

6. Artikel 4 der Richtlinie 93/16 regelt die Anerkennung der Befähigungsnachweise des Facharztes wie folgt:

"Jeder Mitgliedstaat erkennt die in Artikel 5 aufgeführten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Facharztes, die die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nach den Artikeln 24, 25, 26 und 29 ausstellen, an und verleiht ihnen in seinem Hoheitsgebiet die gleiche Wirkung wie den von ihm ausgestellten Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen."

7. Artikel 5 der Richtlinie 93/16 bestimmt:

"(1) Als fachärztliche Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige fachärztliche Befähigungsnachweise im Sinne von Artikel 4 gelten diejenigen Nachweise, die von einer der in Absatz 2 genannten zuständigen Behörden oder Stellen ausgestellt sind und bezüglich der betreffenden fachärztlichen Weiterbildung den in den verschiedenen Mitgliedstaaten geltenden und in Absatz 3 aufgeführten Bezeichnungen entsprechen.

(2) Als von einer zuständigen Behörde oder Stelle ausgestellten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise im Sinne von Absatz 1 gelten folgende Urkunden:

Belgien:

.Titre d'agrégation en qualité de médecin spécialiste - erkenningstitel van geneesheer specialist (Zeugnis über die Zulassung als Facharzt), ausgestellt von dem Minister, in dessen Zuständigkeitsbereich das Gesundheitswesen fällt;

..."

8. Artikel 7 der Richtlinie 93/16 enthält eine Liste der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Facharztes, die es in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten gibt.

9. Artikel 9 der Richtlinie 93/16 regelt die Erteilung von Bescheinigungen, mit denen nachgewiesen wird, dass eine Ausbildung, die mit einem nicht in der Richtlinie aufgeführten nationalen Befähigungsnachweis abgeschlossen wurde, den Anforderungen der Richtlinie entspricht; Absatz 5 dieses Artikels lautet:

"Jeder Mitgliedstaat erkennt bei Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten als ausreichenden Nachweis deren Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes oder des Facharztes an, auch wenn sie den in den Artikeln 3, 5 oder 7 für diesen Mitgliedstaat aufgeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, sofern ihnen eine von den zuständigen Behörden oder Stellen ausgestellte Bescheinigung beigefügt ist. Mit dieser Bescheinigung wird der Nachweis erbracht, dass diese Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes oder des Facharztes eine Ausbildung oder eine Weiterbildung abschließen, die den in den Artikeln 2, 4 und 6 genannten Bestimmungen im Titel III entspricht, und dass sie von dem Mitgliedstaat, der sie ausgestellt hat, den Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen gleichgestellt werden, deren Bezeichnungen in den Artikeln 3, 5 oder 7 aufgeführt sind."

10. Artikel 22 der Richtlinie 93/16 lautet:

"Bei begründeten Zweifeln kann der Aufnahmestaat von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem ein Diplom, Prüfungszeugnis oder sonstiger Befähigungsnachweis im Sinne der Kapitel I bis IV des Titels II ausgestellt worden ist, die Bestätigung verlangen, dass dieses Diplom, Prüfungszeugnis oder der sonstige Befähigungsnachweis echt ist und der Begünstigte alle Ausbildungs- und gegebenenfalls Weiterbildungsbedingungen, die in Titel III aufgeführt sind, erfüllt hat."

11. Artikel 23 der Richtlinie 93/16, der in ihrem Titel III enthalten ist, legt die Voraussetzungen fest, denen die ärztliche Grundausbildung entsprechen muss:

"(1) Die Mitgliedstaaten machen die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten des Arztes vom Besitz eines ärztlichen Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen ärztlichen Befähigungsnachweises im Sinne von Artikel 3 abhängig, das bzw. der garantiert, dass der Betreffende im Verlauf seiner gesamten Ausbildungszeit folgende Kenntnisse und Erfahrungen erworben hat:

a) Angemessene Kenntnisse in den Wissenschaften, auf denen die Medizin beruht, und ein gutes Verständnis für die wissenschaftlichen Methoden einschließlich der Grundsätze der Messung biologischer Funktionen, der Bewertung wissenschaftlich evidenter Sachverhalte sowie der Analyse von Daten;

b) angemessene Kenntnisse in Bezug auf die Struktur, die Funktionen und das Verhalten gesunder und kranker Menschen sowie die Beziehungen zwischen dem Gesundheitszustand und der physischen Umgebung des Menschen;

c) angemessene Kenntnisse hinsichtlich der klinischen Sachgebiete und Praktiken, die ihm ein zusammenhängendes Bild von den geistigen und körperlichen Krankheiten, von der Medizin unter den Aspekten der Vorbeugung, der Diagnostik und der Therapeutik sowie von der menschlichen Fortpflanzung vermitteln;

d) angemessene klinische Erfahrung unter entsprechender Leitung in Krankenhäusern.

(2) Eine solche ärztliche Gesamtausbildung umfasst mindestens sechs Jahre oder 5 500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts an einer Universität bzw. unter Aufsicht einer Universität.

(3) Der Zugang zu dieser Ausbildung setzt den Besitz eines Diploms oder eines Zeugnisses voraus, das in einem Mitgliedstaat für das betreffende Studium die Zulassung zu den Universitäten und Hochschulen ermöglicht.

..."

12. Die Richtlinien 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16), und 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG (ABl. L 209, S. 25) definieren für ihre jeweiligen Regelungszwecke den Begriff "Diplom".

13. In Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/48 wird insoweit u. a. verlangt, dass "die durch das Diplom, das Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis bescheinigte Ausbildung überwiegend in der Gemeinschaft erworben wurde oder [dass] dessen Inhaber eine dreijährige Berufserfahrung hat, die von dem Mitgliedstaat bescheinigt wird, der ein Diplom, ein Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis eines Drittlands anerkannt hat".

14. In Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 92/51 wird insoweit gefordert, dass "die durch [den als ein .Diplom geltenden] Nachweis bescheinigte Ausbildung überwiegend in der Gemeinschaft oder außerhalb derselben an Ausbildungseinrichtungen, die eine Ausbildung gemäß den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats vermitteln, erworben wurde oder [dass] dessen Inhaber eine dreijährige Berufserfahrung hat, die von dem Mitgliedstaat bescheinigt wird, der einen Ausbildungsnachweis eines Drittlands anerkannt hat".

15. Mit der Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 zur Änderung der Richtlinien 89/48/EWG und 92/51/EWG des Rates über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise und der Richtlinien 77/452/EWG, 77/453/EWG, 78/686/EWG, 78/687/EWG, 78/1026/EWG, 78/1027/EWG, 80/154/EWG, 80/155/EWG, 85/384/EWG, 85/432/EWG, 85/433/EWG und 93/16/EWG des Rates über die Tätigkeiten der Krankenschwester und des Krankenpflegers, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, des Zahnarztes, des Tierarztes, der Hebamme, des Architekten, des Apothekers und des Arztes (ABl. L 206, S. 1) wurde die Regelung der gegenseitigen Anerkennung geändert, um u. a. die Listen der unter die automatische Anerkennung fallenden Diplome leichter aktualisieren zu können.

Französisches Recht

16. Artikel L. 356 des Code de la santé publique (Gesetzbuch über das öffentliche Gesundheitswesen) in der Fassung, die in der Zeit des Ausgangsfalls galt, bestimmt:

"Den Arztberuf ... darf in Frankreich nur ausüben, wer: 1. Inhaber eines der gemäß Artikel L. 356-2 erforderlichen Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise ist ...; 2. französischer Staatsangehöriger oder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist ..."

17. Artikel L. 356-2 des Code de la santé publique bestimmt:

"Die Diplome, Prüfungszeugnisse oder Befähigungsnachweise im Sinne von Artikel L. 356-1 sind: 1. für die Ausübung des Arztberufes: das französische Staatsdiplom eines Doktors der Medizin ... oder, wenn der Betroffene Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist, ... eines der von einem dieser Staaten ausgestellten ärztlichen Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise, die auf einer im Einklang mit den Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht oder aus dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum durch gemeinsamen Erlass des Gesundheitsministers und des für die Universitäten zuständigen Ministers festgelegten Liste aufgeführt ist ..."

18. Nach Artikel 2 des Erlasses vom 18. Juni 1981 (JORF vom 28. Juni 1981, S. 5986) in geänderter Fassung ist das Diplom, das belgischen Staatsangehörigen die Ausübung des Arztberufes in Frankreich erlaubt, das "diplôme légal de docteur en médecine, chirurgie et accouchements [staatliches Diplom eines Doktors der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe], ausgestellt von der Medizinischen Fakultät einer Universität oder vom Hauptprüfungsausschuss oder von den staatlichen Prüfungsausschüssen der Hochschulen nach dem 20. Mai 1929".

19. Artikel 3-1 des Erlasses vom 18. Juni 1981 in geänderter Fassung, der Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie 93/16 umsetzt, bestimmt:

"Legt ein Arzt von einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften ausgestellte ärztliche Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise vor, die nicht den für diesen Staat in den Artikeln 2 und 3 dieses Erlasses aufgeführten Fachbezeichnungen entsprechen, so hat er eine Bescheinigung der zuständigen Behörden darüber beizubringen, dass diese ärztlichen Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise eine den gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen genügende Ausbildung abschließen und von dem Staat, der sie ausgestellt hat, den in den Artikeln 2 und 3 dieses Erlasses aufgeführten Fachbezeichnungen gleichgestellt worden sind."

Vorabentscheidungsersuchen und Vorlagefragen

20. Frau Tennah-Durez, eine algerische Staatsangehörige, erwarb 1989 das Diplom eines Doktors der Medizin an der Medizinischen Fakultät von Algier. Nachdem sie die belgische Staatsangehörigkeit erlangt hatte, setzte sie ihr Medizinstudium an der Universität Gent in Belgien fort. Die Universität Gent erkannte ihre sechsjährige Ausbildung an der Medizinischen Fakultät von Algier an, ließ sie demgemäß zum siebten und letzten Jahr des Medizinstudiums zu und verlieh ihr nach dessen Abschluss am 28. September 1995 das ärztliche Grunddiplom, den "academische graad van arts" (im Folgenden: belgisches Arztdiplom).

21. Frau Tennah-Durez absolvierte weiterhin eine spezielle Ausbildung in Allgemeinmedizin, die in einem achten und neunten Jahr des Medizinstudiums an der Universität Gent bestand und die sie am 29. September 1997 mit einem Diplom für Allgemeinmedizin, dem "academische graad van huisarts" (im Folgenden: belgisches Diplom des Arztes für Allgemeinmedizin) abschloss. Sie wurde durch einen belgischen Ministerialerlass vom 10. Februar 1998 als Ärztin für Allgemeinmedizin zugelassen.

22. Da Frau Tennah-Durez ihren Wohnsitz in Frankreich nehmen wollte, beantragte sie beim Conseil départemental de l'ordre des médecins du Nord (im Folgenden: Ärztekammer des Departements Nord) ihre Aufnahme in das von der französischen Ärztekammer geführte Verzeichnis der zugelassenen Ärzte, wofür sie ihr belgisches Arztdiplom und ihr belgisches Diplom des Arztes für Allgemeinmedizin einreichte. Da die von der Ärztekammer des Departments Nord eingeschaltete nationale französische Ärztekammer feststellte, dass diese Befähigungsnachweise nicht den für das Königreich Belgien in den Artikeln 3, 5 und 7 der Richtlinie 93/16 genannten Bezeichnungen entsprachen, wandte sie sich an das belgische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Umwelt (im Folgenden: belgisches Ministerium).

23. Das belgische Ministerium erteilte am 23. Juli 1998 eine erste Bescheinigung, wonach Frau Tennah-Durez, "der die Universität Gent (UG) am 28. September 1995 das belgische staatliche Diplom eines Doktors der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe verliehen hat und die seither in Belgien den Arztberuf ausüben darf, nach Absolvierung einer besonderen, Artikel 30 der Richtlinie 93/16/EWG entsprechenden Ausbildung in Allgemeinmedizin von mindestens zwei Jahren mit Ministerialerlass vom 10. Februar 1998 als Ärztin für Allgemeinmedizin zugelassen wurde".

24. In einem zweiten Schreiben vom 6. Oktober 1998 führte das belgische Ministerium indessen aus:

"Ergänzend zu der Ihnen bereits zugegangenen Bescheinigung ..., mit der völlig zutreffend bestätigt wurde, dass die Ausbildung [von Frau Dr. Malika Tennah-Durez] in der Allgemeinmedizin den in den Artikeln 31 und 32 der Richtlinie 93/16/EWG festgelegten Mindestanforderungen an die Ausbildung entspricht, muss ich Sie darauf hinweisen, dass ihre ärztliche Ausbildung (Grundausbildung, die mit dem Erwerb des Arztdiploms abgeschlossen wird) nicht den Mindestanforderungen an die Ausbildung gemäß Artikel 23 der genannten Richtlinie entspricht. Die Universität Gent erkannte nämlich insgesamt sechs Jahre ihrer Ausbildung im Ausland für die Gesamtausbildung von sieben Jahren in Belgien an. Sie brauchte nur am siebten und letzten Jahr des Medizinstudiums erneut teilzunehmen, womit sie den überwiegenden Teil ihres Medizinstudiums weder in Belgien noch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union absolvierte."

25. In einem dritten Schreiben vom 14. Oktober 1998 bestätigte das belgische Ministerium, dass "der akademische Grad .Arts (Arzt) vom 28. September 1995 tatsächlich das gegenwärtig von den flämischen Universitäten nach Artikel 3 der Richtlinie 93/16/EWG verliehene Diplom ist".

26. In der Zwischenzeit strich die Ärztekammer des Departements Nord, die sich dafür auf das Schreiben des belgischen Ministeriums vom 6. Oktober 1998 berief, Frau Tennah-Durez am 8. Oktober 1998 wieder aus dem Verzeichnis der zugelassenen Ärzte. Auf Widerspruch von Frau Tennah-Durez entschied die Regionale Ärztekammer Nord-Pas-de-Calais, dass die Ärztekammer des Departments Nord für die Rücknahme ihrer eigenen Zulassungsentscheidung nicht zuständig gewesen sei. Die Regionale Ärztekammer bezog sich weiter auf eine Bescheinigung des belgischen Ministeriums vom 26. Oktober 1998, wonach Frau Tennah-Durez "mindestens 5 600 Stunden der (theoretischen und praktischen) ärztlichen Ausbildung und damit mehr als die in Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 93/16 festgelegten 5 500 Stunden" absolviert habe; sie habe daher einen Anspruch auf die Zulassung als Ärztin. Die Regionale Ärztekammer hob daher die Entscheidung der Ärztekammer des Departements Nord auf und bestätigte die Zulassung von Frau Tennah-Durez.

27. Der Conseil national legte gegen diese Entscheidung seiner Regionalen Ärztekammer einen Rechtsbehelf bei seiner Disziplinarkammer ein, der die Zulassung von Frau Tennah-Durez wiederum für ungültig erklärte. Frau Tennah-Durez erhob daraufhin Klage beim Conseil d'État wegen Überschreitung von Befugnissen.

28. Da dem Conseil d'État die richtige Auslegung der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zweifelhaft erschien, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 93/16, wonach die ärztliche Gesamtausbildung, die ein Arzt mit Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats absolviert haben muss, mindestens sechs Jahre oder 5 500 Stunden theoretischen oder praktischen Unterrichts an einer Universität bzw. unter Aufsicht einer Universität zu umfassen hat, dahin auszulegen, dass diese Ausbildung vollständig an oder unter Aufsicht einer Universität eines der Mitgliedstaaten absolviert worden sein muss, oder darf nach dieser Richtlinienbestimmung auch die in einem Drittstaat erhaltene Ausbildung vollständig oder teilweise berücksichtigt werden?

2. Sind die nationalen Behörden an die Bescheinigung gebunden, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem das vom Betroffenen vorgelegte Diplom verliehen wurde, gemäß Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie 93/16 ausgestellt haben und mit der bescheinigt wird, dass das Diplom den in den Artikeln 3, 5 oder 7 der Richtlinie genannten Fachbezeichnungen gleichgestellt ist und eine den Bestimmungen des Titels III der Richtlinie entsprechende Ausbildung abschließt, oder dürfen sie diese Bescheinigung insbesondere hinsichtlich der in der Richtlinie und im nationalen Recht festgelegten Mindestanforderungen an die Ausbildung prüfen und gegebenenfalls zu dem Ergebnis gelangen, dass die vom Betroffenen absolvierte Ausbildung trotz des Wortlauts der Bescheinigung nicht den Anforderungen der Richtlinie entspricht?

Vorbemerkungen

29. Nach Artikel 2 der Richtlinie 93/16 ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, die in Artikel 3 der Richtlinie aufgeführten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nach Artikel 23 ausstellen, anzuerkennen und ihnen in seinem Hoheitsgebiet die gleiche Wirkung in Bezug auf die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten des Arztes wie den von ihm ausgestellten Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen zu verleihen.

30. Diese Anerkennung ist automatisch und unbedingt in dem Sinne, dass die Mitgliedstaaten die Gleichwertigkeit bestimmter Diplome anzuerkennen haben, ohne dass sie von den Betroffenen die Einhaltung anderer Bedingungen verlangen dürfen als die, die in den einschlägigen Richtlinien festgelegt sind (Urteil vom 14. September 2000 in der Rechtssache C-238/98, Hocsman, Slg. 2000, I-6623, Randnr. 33). Die Grundlage der Anerkennung ist das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten, dass die in den anderen Mitgliedstaaten erteilten ärztlichen Diplome ausreichend sind, und dieses Vertrauen beruht seinerseits auf einem Ausbildungssystem, dessen Niveau einvernehmlich festgelegt worden ist.

31. So unterwirft das Gemeinschaftsrecht die Erteilung ärztlicher Diplome durch die Mitgliedstaaten genauen Anforderungen, damit diese Diplome in allen Mitgliedstaaten automatisch und bedingungslos anerkannt werden können. Diese Anforderungen bestehen in einer bestimmten Harmonisierung und Koordinierung auf Gemeinschaftsebene, die zum einen die Ausbildung zum Arzt oder Facharzt (Aspekt der Harmonisierung) und zum anderen die Regeln über die ärztliche Zulassung und die Ausübung des Arztberufes in den Mitgliedstaaten (Aspekt der Koordinierung) betreffen.

32. Das mit der Richtlinie 93/16 geschaffene System der Anerkennung ärztlicher Diplome ist damit ein bereichsbezogenes Anerkennungssystem für einen Beruf, dessen Ausbildung auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden ist.

33. Diese Regelung ist zu unterscheiden von der allgemeinen Regelung für die Anerkennung von Diplomen und beruflichen Befähigungsnachweisen, wie sie u. a. durch die von mehreren Verfahrensbeteiligten erwähnte Richtlinie 89/48 geschaffen wurde. Die mit dieser Richtlinie eingeführte Regelung legt für die gegenseitige Anerkennung von Diplomen und beruflichen Befähigungsnachweisen eine andere Methode fest, die laut der dritten Begründungserwägung der Richtlinie 89/48 darin besteht, den Unionsbürgern die Ausübung aller beruflichen Tätigkeiten, die in einem Aufnahmestaat von einer weiterführenden Bildung im Anschluss an den Sekundarabschnitt abhängig sind, zu erleichtern, sofern sie entsprechende Diplome besitzen, die sie auf diese Tätigkeiten vorbereiten, die einen wenigstens dreijährigen Studiengang bescheinigen und die in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurden.

34. Diese Methode schließt keine automatische und bedingungslose Anerkennung von Diplomen und beruflichen Befähigungsnachweisen ein. Sie beruht auf dem Gedanken, dass die Voraussetzungen für die Ausübung der von ihr erfassten Berufe einander im Großen und Ganzen gleichwertig sind, und erlaubt es den Mitgliedstaaten, dem Betroffenen unter bestimmten Bedingungen zusätzliche Anforderungen wie die Teilnahme an einem Anpassungslehrgang aufzuerlegen.

35. Die Vorlagefragen sind im Licht dieser Erwägungen zu beantworten.

Zur ersten Frage 36. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, inwieweit die nach Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 93/16 erforderliche ärztliche Ausbildung aus einer in einem Drittland erhaltenen Ausbildung bestehen kann.

Erklärungen vor dem Gerichtshof

37. Frau Tennah-Durez meint, die ärztliche Ausbildung im Sinne der Richtlinie 93/16 müsse - ganz oder teilweise - auch eine in einem Drittland erhaltene Ausbildung einschließen können, sofern diese mit dem entsprechenden Diplom eines Mitgliedstaats abgeschlossen worden sei.

38. Dass die Anerkennung eines in einem Drittland verliehenen Diploms durch einen Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat keine Wirkung haben könne, liege nämlich daran, dass ein Mitgliedstaat die in einem Drittland absolvierte Ausbildung nicht nachprüfen könne. In ihrem eigenen Fall aber hätten die belgischen Behörden eine solche Kontrollmöglichkeit gehabt, denn sie habe nach dem siebten Studienjahr erfolgreich die Prüfungen für das Diplom des Doktors der Medizin abgelegt; diese Prüfungen schlössen eine Ausbildung ab, die den Mindestanforderungen nach Artikel 23 der Richtlinie 93/16 entspreche.

39. Der Conseil national hält die Lage von Frau Tennah-Durez für völlig vergleichbar mit dem im Urteil Hocsman geprüften Fall. Die Anerkennung eines Gemeinschaftsdiploms, mit dem eine teilweise in einem Drittland absolvierte Ausbildung abgeschlossen worden sei, werde deshalb vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ebenso wenig erfasst wie die Anerkennung eines nicht in der Gemeinschaft verliehenen Diploms, das ein Mitgliedstaat später anerkannt habe.

40. Da die Richtlinie 93/16 nicht die Anerkennung eines gemeinschaftlichen Diploms regele, mit dem eine teilweise in einem Drittland absolvierte Ausbildung abgeschlossen worden sei, sei die von einem Mitgliedstaat getroffene Feststellung darüber, ob diese Ausbildung den Anforderungen der Richtlinie entspreche, nur für diesen Staat selbst bindend und bilde damit nur einen der Gesichtspunkte, die von den übrigen Mitgliedstaaten im Rahmen von Artikel 43 EG zu berücksichtigen seien. Es sei allerdings einzuräumen, dass nach diesem Artikel ein zweiter Mitgliedstaat dem Betreffenden die Ausübung des Arztberufes in seinem Staatsgebiet nur dann, und zwar auch nur durch einen begründeten Bescheid, verwehren dürfe, wenn er das Niveau der Ausbildung und Erfahrung, die der Betreffende außerhalb und innerhalb der Gemeinschaft absolviert oder erworben habe, für unzureichend halte.

41. Die Verfahrensbeteiligten, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, stimmen zwar allgemein darin überein, dass eine partiell in einem Drittland absolvierte Ausbildung die Mitgliedstaaten nicht an der Verleihung eines Diploms hindere, das unter die gegenseitige Anerkennung nach der Richtlinie 93/16 falle; einige von ihnen halten es aber für erforderlich, dass der überwiegende Teil dieser Ausbildung, also mehr als die Hälfte, innerhalb der Gemeinschaft absolviert worden sei.

42. So weisen die französische und die österreichische Regierung darauf hin, dass diese Anforderung in der Richtlinie 89/48 festgelegt sei. Mit ihrer Einhaltung werde die gegenseitige Anerkennung der ärztlichen Diplome mit geeigneten und notwendigen Garantien versehen.

43. Die Kommission hält es außerdem für notwendig, dass der überwiegende Teil der Ausbildung, der innerhalb der Gemeinschaft absolviert sein müsse, die Abschlussphase des Ausbildungsgangs einschließe; andernfalls sei eine automatische Anerkennung nicht möglich.

44. Die Kommission meint, es brauche auch kein Diplom ganz neuer Art eingeführt zu werden, sondern ausreichend sei die im Diplom enthaltene Angabe, dass mit ihm eine überwiegend außerhalb der Gemeinschaft absolvierte Ausbildung abgeschlossen werde und dass daher die Regelung der automatischen Anerkennung nach der Richtlinie 93/16 nicht zugunsten des Inhabers des Diploms anwendbar sei.

45. Die Kommission steht auf dem Standpunkt, dass von einem Mitgliedstaat verliehene Diplome, mit denen eine überwiegend in einem Drittland absolvierte Ausbildung abgeschlossen werde, für die Anwendung der Richtlinie 93/16 den in einem Drittland erworbenen Diplomen gleichzustellen seien. In logischer Konsequenz gälten daher für diese Diplome die im Urteil Hocsman enthaltenen Erwägungen zu Diplomen aus Drittländern. Demgemäß seien die übrigen Mitgliedstaaten im Ausgangssachverhalt dazu verpflichtet, die Sachkunde, die Frau Tennah-Durez durch ihre Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweisen bescheinigt werde, und ihre Erfahrung mit den Kenntnissen und Qualifikationen zu vergleichen, die nach ihren nationalen Rechtsvorschriften vorgeschrieben seien.

46. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erläutert, sie habe das Kriterium der überwiegenden Ausbildung gemeinsam mit den Vertretern der Mitgliedstaten im Ausschuss für das öffentliche Gesundheitswesen entwickelt, und zwar bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen zu den verschiedenen bereichsbezogenen Richtlinien über die Anerkennung von Diplomen.

47. Die belgische Regierung schließt sich der Argumentation der Kommission im Wesentlichen an. In der mündlichen Verhandlung hat sie hervorgehoben, es müsse, wenn ein Mitgliedstaat ein Diplom über eine überwiegend in einem Drittland absolvierte Ausbildung verleihe, die Vermutung bestehen, dass dieses Diplom dem Diplom über eine überwiegend in diesem Mitgliedstaat absolvierte Ausbildung gleichwertig sei. Da dies eine Vermutung der Gleichwertigkeit und keine automatische Anerkennung sei, könne sie in Zweifelsfällen widerlegt werden.

Antwort des Gerichtshofes

48. Nach Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 93/16 umfasst die in Absatz 1 dieses Artikels beschriebene ärztliche Ausbildung mindestens sechs Jahre oder 5 500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität.

49. Nach ihrem Wortlaut verlangt diese Vorschrift nicht, dass diese Ausbildung ausschließlich oder zu einem bestimmten Anteil an einer Universität eines Mitgliedstaats oder unter der Aufsicht einer solchen Universität erteilt wurde.

50. Was die übrigen Vorschriften der Richtlinie 93/16 angeht, so setzen zwar einige dieser Bestimmungen das Vorliegen von Umständen voraus, die die Lage des Betreffenden mit einem Mitgliedstaat verknüpfen. So können nach Artikel 2 der Richtlinie 93/16 unter die automatische Anerkennung, die die Richtlinie einführt, nur die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise fallen, die Staatsangehörigen der Mitgliedstaten von einem der Mitgliedstaaten verliehen worden sind. In ihrem Artikel 23 Absatz 3 schreibt die Richtlinie weiter vor, dass der Zugang zu der Ausbildung, in der ein solches Diplom, Prüfungszeugnis oder sonstiger Befähigungsnachweis des Arztes erworben werden kann, den Besitz eines Diploms oder eines Zeugnisses voraussetzt, das in einem Mitgliedstaat für das betreffende Studium die Zulassung zu den Universitäten und Hochschulen ermöglicht. Jedoch wird in keiner dieser Vorschriften die Frage behandelt, inwieweit die nach Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 93/16 erforderliche ärztliche Ausbildung an einer Universität eines Mitgliedstaats oder unter der Aufsicht einer solchen Universität erworben worden sein muss.

51. Es verstößt auch nicht gegen die Systematik der Richtlinie 93/16, dass ein Teil der ärztlichen Ausbildung, die zum Erwerb eines unter die automatische Anerkennung fallenden Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises des Arztes führt, außerhalb der Gemeinschaft absolviert wurde, so beispielsweise im Rahmen eines Austauschprogramms mit einer Universität in einem Drittland. Im Übrigen spricht das Ziel, den Austausch von Studenten zu fördern, für eine solche Öffnung.

52. Die Richtlinie 93/16 legt somit weder ausdrücklich noch stillschweigend fest, inwieweit die nach ihrem Artikel 23 Absatz 2 erforderliche ärztliche Ausbildung eine in einem Drittland absolvierte Ausbildung umfassen kann.

53. Dies erklärt sich daraus, dass es im Rahmen der durch die Richtlinie 93/16 geschaffenen Regelung der Anerkennung von Diplomen für die Entscheidung der Frage, ob ein ärztliches Diplom verliehen werden kann, keine Rolle spielt, wo diese Ausbildung absolviert wurde, sondern, ob sie den sowohl qualitativen als auch quantitativen Anforderungen an die Ausbildung entspricht, die die Richtlinie 93/16 festlegt.

54. Insoweit ist hervorzuheben, dass die durch die Richtlinie 93/16 geschaffene Gemeinschaftsregelung für die Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes die Mitgliedstaaten an der Verleihung ärztlicher Diplome hindert, die den Anforderungen der Richtlinie 93/16 nicht entsprechen. Die mit der Richtlinie vorgenommene Harmonisierung der ärztlichen Ausbildung hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten keine Kategorie von ärztlichen Diplomen schaffen dürfen, die keiner der in der Richtlinie 93/16 aufgeführten Kategorien entspricht und deshalb in den übrigen Mitgliedstaaten nicht automatisch anerkannt werden kann (in diesem Sinne für zahnärztliche Diplome Urteil vom 1. Juni 1995 in der Rechtssache C-40/93, Kommission/Italien, Slg. 1995, I-1319, Randnr. 24).

55. Anders als in einigen gegenüber dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen, so besonders von der Kommission (vgl. oben, Randnr. 44), vertreten worden ist, ist es also ausgeschlossen, dass eine Einrichtung eines Mitgliedstaats ein von ihr ausgestelltes ärztliches Diplom mit der Begründung, es schließe eine im Wesentlichen außerhalb der Gemeinschaft absolvierte Ausbildung ab, die nach Auffassung der das Diplom ausstellenden Einrichtung nicht den Anforderungen der Richtlinie 93/16 entspreche, mit einer Angabe versieht, wonach hinsichtlich dieses Diploms die mit der Richtlinie 93/16 geschaffene Regelung der automatischen Anerkennung zugunsten seines Inhabers nicht anwendbar ist.

56. Es fällt damit in die ausschließliche Verantwortung der das Diplom ausstellenden zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, dafür Sorge zu tragen, dass die sowohl qualitativen als auch quantitativen Ausbildungsanforderungen, die die Richtlinie 93/16 normiert, in vollem Umfang gewahrt werden. Diese Behörde muss bei der Ausübung ihrer Kompetenzen berücksichtigen, dass es die ärztlichen Diplome infolge ihrer automatischen und bedingungslosen Anerkennung den Diplominhabern ermöglichen werden, in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Freizügigkeit wahrzunehmen und ihren Beruf auszuüben.

57. Das in dieser Weise erteilte Diplom bildet nämlich für seinen Inhaber einen "ärztlichen Reisepass", der ihm als Arzt die Freizügigkeit in der Europäischen Union eröffnet, ohne dass der aufnehmende Mitgliedstaat - außer bei Vorliegen der speziellen Voraussetzungen, die das Gemeinschaftsrecht festlegt - die berufliche Qualifikation, die durch das Diplom bescheinigt wird, in Frage stellen dürfte.

58. Zwar ist es umso schwieriger, für die Einhaltung der in der Richtlinie 93/16 normierten Anforderungen an die ärztliche Ausbildung Sorge zu tragen, je größer der Teil der ärztlichen Ausbildung ist, der von einer anderen Einrichtung als der, die das Arztdiplom ausstellt, erteilt oder beaufsichtigt wurde. Doch können sich die praktischen Schwierigkeiten, die in dieser Hinsicht möglicherweise bestehen, nicht nur im Rahmen von außerhalb der Gemeinschaft absolvierten Ausbildungen stellen, sondern auch bei Ausbildungen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem das Arztdiplom erteilt wird, oder an einer anderen Einrichtung als der, die das Diplom verleiht, erworben wurden.

59. Auch wenn die Richtlinie 93/16 nämlich eine bestimmte, sowohl qualitative als auch quantitative Harmonisierung der ärztlichen Ausbildung bei allen Einrichtungen der Mitgliedstaaten, die eine solche Ausbildung erteilen, vorsieht, so zielt sie doch nicht auf eine so vollständige Harmonisierung ab, dass bei dem Wechsel von einer Einrichtung zu einer anderen während der Ausbildung keinerlei Nachprüfung der schon absolvierten Ausbildung mehr erforderlich wäre.

60. Soweit die das Diplom ausstellende zuständige Behörde eines Mitgliedstaats die in einem Drittland absolvierte ärztliche Ausbildung anzuerkennen und demgemäß festzustellen in der Lage ist, dass diese den in der Richtlinie 93/16 normierten Ausbildungsanforderungen tatsächlich entspricht, kann diese Ausbildung daher bei der Entscheidung über die Frage, ob ein ärztliches Diplom zu erteilen ist, berücksichtigt werden.

61. Ist diese in vorstehender Randnummer genannte Voraussetzung erfüllt, so ist es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der in einem Drittland absolvierte Teil der Ausbildung, wie im Ausgangsfall, rund 85 % der vorgeschriebenen Gesamtdauer der Ausbildung erreicht.

62. Nach Auffassung mehrerer Regierungen und der Kommission hingegen setzt die gegenseitige Anerkennung nach der Richtlinie 93/16 voraus, dass ein überwiegender Teil der Ausbildung an einer Universität eines Mitgliedstaats oder unter Aufsicht einer solchen Universität absolviert wurde.

63. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

64. Zunächst wird nämlich in der Richtlinie 93/16, die das von ihr geschaffene System der Anerkennung von Diplomen in detaillierten Bestimmungen ausgestaltet, die Voraussetzung eines überwiegenden Teils der Ausbildung, wie diese Verfahrensbeteiligten sie postulieren, an keiner Stelle erwähnt oder auch nur angedeutet.

65. Zu dem Argument, dass die Richtlinien 89/48 und 92/51 eine solche Voraussetzung durchaus vorsähen, ist weiterhin festzustellen, dass - wie oben in den Randnummern 30 bis 34 dargelegt - die Regelungen für die Anerkennung von Diplomen und beruflichen Befähigungsnachweisen, die zum einen durch diese Richtlinien, die ein allgemeines System der Anerkennung von Diplomen und beruflichen Befähigungsnachweisen betreffen, und zum anderen durch die Richtlinie 93/16 geschaffen wurden, auf unterschiedlichen Grundsätzen beruhen. Dass die Richtlinien 89/48 und 92/51 auf eine solche Voraussetzung Bezug nehmen, kann allein nicht genügen, um diese Voraussetzung auf die Anerkennung ärztlicher Diplome, die durch eine bereichsbezogene Richtlinie wie die Richtlinie 93/16 geregelt wird, zu übertragen und dort analog anzuwenden.

66. Überdies schließen es die Richtlinien 89/48 und 92/51, auch wenn darin zur Eingrenzung der in ihren Geltungsbereich fallenden Diplome die Voraussetzung eines überwiegenden Teils der Ausbildung verwendet wird, nicht aus, dass auch Diplome, die dieser Voraussetzung nicht entsprechen, als Diplome angesehen werden, auf die diese Richtlinien Anwendung finden. So umfasst der Begriff des Diploms im Sinne der Richtlinie 89/48 nach ihrem Artikel 1 Buchstabe a auch die in einem Drittland verliehenen Diplome, sofern der Inhaber des Diploms eine dreijährige Berufserfahrung nachweist, die von dem Mitgliedstaat bescheinigt wird, der das Diplom anerkannt hat. Die Richtlinie 92/51 geht noch weiter und bezieht in Artikel 1 Buchstabe a in den Begriff des Diploms auch die Diplome ein, mit denen eine überwiegend außerhalb der Gemeinschaft absolvierte Ausbildung abgeschlossen wird, sofern diese Ausbildung an einer Ausbildungseinrichtung erworben wurde, die eine den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats entsprechende Ausbildung vermittelt.

67. Schließlich würde im Rahmen einer Richtlinie wie der Richtlinie 93/16, mit der gerade eine automatische und bedingungslose Anerkennung von Diplomen gewährleistet werden soll, die Anforderung einer überwiegend innerhalb der Gemeinschaft erworbenen Ausbildung nichts zur Rechtssicherheit beitragen, denn ein solcher Begriff wäre, wie im Übrigen die Erörterungen vor dem Gerichtshof gezeigt haben, mehreren sehr unterschiedlichen Auslegungen zugänglich. So ließe sich die Frage, ob eine Ausbildung überwiegend innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft erworben wurde, ausschließlich nach der innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft zurückgelegten Ausbildungszeit beurteilen. Denkbar wäre aber auch, dass auf die jeweilige Bedeutung des innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft vermittelten Lehrstoffes abgestellt würde. Schließlich könnte auch verlangt werden, dass die in einem Mitgliedstaat zurückgelegten Ausbildungszeiten die Zeiträume einschließen, die mehr oder weniger kurz vor dem Ausbildungsende liegen. Dass der Begriff der überwiegend innerhalb der Gemeinschaft absolvierten Ausbildung je nach der Sichtweise der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt werden kann, unterstreicht, wie wichtig es ist, dass ein solches Erfordernis im Rahmen der Richtlinie 93/16 nicht analog angewandt wird.

68. Die Lage der Klägerin des Ausgangsverfahrens unterscheidet sich auch vom Regelungssachverhalt des Artikels 23 Absatz 5 der Richtlinie 93/16, wonach diese die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, für ihr Hoheitsgebiet und nach ihren innerstaatlichen Vorschriften die Gleichwertigkeit eines in einem Drittland erworbenen Diploms anzuerkennen.

69. Denn im Ausgangsfall geht es nicht um ein in einem Drittland verliehenes Diplom, sondern um ein Diplom, das eine Universität eines Mitgliedstaats nach den von ihr angewandten Vorschriften erteilt hat. Dass es sich dabei um ein aus der Gemeinschaft stammendes Diplom handelt, berechtigt die anderen Mitgliedstaaten zu der Annahme, dass die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, die das Diplom erteilt hat, den Kontrollpflichten aus der Richtlinie 93/16 nachgekommen ist, so dass das gegenseitige Vertrauen, das dem mit der Richtlinie 93/16 geschaffenen System der gegenseitigen Anerkennung zugrunde liegt, unbeeinträchtigt bleibt.

70. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die nach Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 93/16 erforderliche ärztliche Ausbildung - auch überwiegend - aus einer in einem Drittland erhaltenen Ausbildung bestehen kann, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, die das Diplom erteilt, diese Ausbildung anzuerkennen und dementsprechend festzustellen in der Lage ist, dass diese Ausbildung tatsächlich zur Erfüllung der in dieser Richtlinie normierten Anforderungen an die ärztliche Ausbildung beiträgt.

Zur zweiten Frage

71. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, inwieweit die Behörden des aufnehmenden Mitgliedstaats an eine nach Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie 93/16 ausgestellte Bescheinigung gebunden sind, wonach das fragliche Diplom den Diplomen gleichgestellt ist, deren Bezeichnungen in den Artikeln 3, 5 oder 7 der Richtlinie aufgeführt sind, und eine Ausbildung abschließt, die den Bestimmungen des Titels III der Richtlinie entspricht.

Erklärungen vor dem Gerichtshof

72. Frau Tennah-Durez trägt vor, wenn die Behörden eines Mitgliedstaats in einer Bescheinigung die Gleichwertigkeit der in einem Drittland absolvierten Ausbildung mit der in ihrem eigenen Staatsgebiet erteilten Ausbildung attestierten, so weise diese Bescheinigung eine den Anforderungen des Titels III der Richtlinie 93/16 entsprechende Ausbildung nach.

73. Die italienische Regierung macht geltend, dass jedem Mitgliedstaat die Befugnis verbleibe, zu kontrollieren, ob die in der Richtlinie 93/16 normierten Mindestanforderungen an die Ausbildung tatsächlich eingehalten seien. Jedoch obliege es nach dem Urteil Hocsman (Randnr. 21) dem Mitgliedstaat, bei dem die Zulassung zu einem reglementierten Beruf beantragt werde, die bescheinigten Fachkenntnisse einschließlich der in einem Drittland erworbenen Ausbildung mit den nach dem nationalen Recht vorgeschriebenen Qualifikationen zu vergleichen.

74. Die französische Regierung und die Kommission meinen, dass die belgischen Behörden hier keine Konformitätsbescheinigung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie 93/16 ausgestellt hätten. Die Kommission fügt hinzu, dass in einem Fall, in dem die Behörden eines Mitgliedstaats eine solche Bescheinigung ausstellten, die Behörden der übrigen Mitgliedstaaten an die darin getroffenen Feststellungen ohne ergänzende Prüfung grundsätzlich gebunden seien.

Antwort des Gerichtshofes

75. Da der Zweck der gemeinschaftlichen Regelung für die Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes, wie oben in den Randnummern 30 bis 34 dargelegt, in der automatischen und bedingungslosen Anerkennung dieser Diplome besteht, würde diese Regelung schwerwiegend beeinträchtigt, wenn es den Mitgliedstaaten freistünde, die Begründetheit der von der zuständigen Einrichtung eines anderen Mitgliedstaats getroffenen Entscheidung, ein Diplom zu erteilen, nach ihrem Ermessen in Frage zu stellen.

76. Da indessen Sachverhalte entstehen können, in denen ernste Zweifel an der Vereinbarkeit eines ärztlichen Diploms mit der einschlägigen Gemeinschaftsregelung oder an der Echtheit des Diploms auftreten, sieht die Richtlinie 93/16 zwei Mittel vor, mit denen sich der aufnehmende Mitgliedstaat vergewissern kann, dass das ihm vorgelegte Diplom zur automatischen und bedingungslosen Anerkennung berechtigt.

77. Zum einen kann der Herkunftsmitgliedstaat, wenn das fragliche Diplom nicht den für ihn in den Artikeln 3, 5 oder 7 der Richtlinie 93/16 aufgeführten Bezeichnungen entspricht, eine Bescheinigung darüber ausstellen, dass dieses Diplom gleichwohl eine Ausbildung abschließt, die die Anforderungen der Richtlinie 93/16 erfüllt. Nach Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie 93/16 erkennt der aufnehmende Mitgliedstaat eine solche Bescheinigung als ausreichenden Nachweis dafür an, dass das ihm vorgelegte Diplom durch den Mitgliedstaat, der es erteilt hat, einem der Diplome, deren Bezeichnungen für ihn je nach Fall in den Artikeln 3, 5 oder 7 der Richtlinie 93/16 aufgeführt sind, gleichgestellt worden ist.

78. Zum anderen kann der aufnehmende Mitgliedstaat nach Artikel 22 der Richtlinie 93/16 bei begründeten Zweifeln von der zuständigen Einrichtung des Mitgliedstaats, in dem das Diplom ausgestellt wurde, die Bestätigung verlangen, dass das Diplom echt ist und dass der Begünstigte alle vorgeschriebenen Ausbildungsbedingungen erfüllt.

79. In beiden Fällen sind die Behörden des aufnehmenden Mitgliedstaats an eine solche Bescheinigung oder Bestätigung grundsätzlich gebunden.

80. Beide Mittel sind im Übrigen nur der besondere Ausdruck eines allgemeineren Grundsatzes, der auch in anderen Bereichen des Gemeinschaftsrechts anerkannt ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss nämlich, wenn die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats an der Echtheit oder Richtigkeit einer Urkunde ernsthafte, einen bloßen Verdacht übersteigende Zweifel hegt, die Behörde oder Einrichtung, die die Urkunde ausgestellt hat, auf Ersuchen der erstgenannten Behörde die Richtigkeit der Urkunde überprüfen und sie gegebenenfalls zurückziehen (vgl. zur Bescheinigung über die Ausübung bestimmter Berufstätigkeiten durch einen Wanderarbeitnehmer in dessen Herkunftsmitgliedstaat Urteil vom 29. Oktober 1998 in den Rechtssachen C-193/97 und C-194/97, De Castro Freitas und Escallier, Slg. 1998, I-6747, Randnrn. 29 bis 31, und zu Bescheinigungen der sozialen Sicherheit Urteil vom 10. Februar 2000 in der Rechtssache C-202/97, FTS, Slg. 2000, I-883, Randnr. 59).

81. Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Behörden des aufnehmenden Mitgliedstaats an eine nach Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie 93/16 ausgestellte Bescheinigung, wonach das fragliche Diplom den Diplomen, deren Bezeichnungen in den Artikeln 3, 5 oder 7 dieser Richtlinie aufgeführt sind, gleichgestellt ist und eine den Bestimmungen des Titels III der Richtlinie entsprechende Ausbildung abschließt, gebunden sind. Treten neue Gesichtspunkte auf, die ernste Zweifel daran begründen, ob das ihnen vorgelegte Diplom echt ist oder den einschlägigen Vorschriften entspricht, so steht es ihnen frei, sich erneut mit einem Ersuchen um Nachprüfung an die Behörden des Mitgliedstaats, der das Diplom erteilt hat, zu wenden.

Kostenentscheidung:

Kosten

82. Die Auslagen der belgischen, der französischen, der italienischen und der österreichischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Conseil d'Etat mit Beschluss vom 29. Januar 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die nach Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise erforderliche ärztliche Ausbildung kann - auch überwiegend - aus einer in einem Drittland erhaltenen Ausbildung bestehen, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, die das Diplom erteilt, diese Ausbildung anzuerkennen und dementsprechend festzustellen in der Lage ist, dass diese Ausbildung tatsächlich zur Erfüllung der in dieser Richtlinie normierten Anforderungen an die ärztliche Ausbildung beiträgt.

2. Die Behörden des aufnehmenden Mitgliedstaats sind an eine nach Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie 93/16 ausgestellte Bescheinigung, wonach das fragliche Diplom den Diplomen, deren Bezeichnungen in den Artikeln 3, 5 oder 7 dieser Richtlinie aufgeführt sind, gleichgestellt ist und eine den Bestimmungen des Titels III der Richtlinie entsprechende Ausbildung abschließt, gebunden. Treten neue Gesichtspunkte auf, die ernste Zweifel daran begründen, ob das ihnen vorgelegte Diplom echt ist oder den einschlägigen Vorschriften entspricht, so steht es ihnen frei, sich erneut mit einem Ersuchen um Nachprüfung an die Behörden des Mitgliedstaats, der das Diplom erteilt hat, zu wenden.

Ende der Entscheidung

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