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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 25.01.2001
Aktenzeichen: C-111/99 P
Rechtsgebiete: EGKS-Satzung, Entscheidung 95/422/EGKS, EGKS-Vertrag


Vorschriften:

EGKS-Satzung Art. 49
Entscheidung 95/422/EGKS
EGKS-Vertrag Art. 4 c
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der Gerichtshof kann ein Rechtsmittel für unzulässig erklären, wenn eine nach dem Urteil des Gerichts eingetretene Tatsache zum Wegfall der Beschwer des Rechtsmittelführers geführt hat. Dessen Rechtsschutzinteresse setzt nämlich voraus, dass ihm das Rechtsmittel im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann.

( vgl. Randnr. 18 )

2. Könnte eine Partei vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffsmittel vorbringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, so könnte sie den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem Rechtsstreit befassen, der weiter reicht als derjenige, den das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind daher die Befugnisse des Gerichtshofes auf die Überprüfung der Würdigung beschränkt, die das Gericht hinsichtlich des vor ihm erörterten Vorbringens vorgenommen hat.

( vgl. Randnr. 25 )

3. Nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag hängt, anders als nach Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG), die Unvereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nicht davon ab, dass sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Diese Bestimmung des EGKS-Vertrags untersagt alle Beihilfen ohne jede Einschränkung und kann somit keinen Grundsatz der Spürbarkeit enthalten.

( vgl. Randnr. 41 )


Beschluss des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 25. Januar 2001. - Lech-Stahlwerke GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - EGKS - Staatliche Beihilfen an Stahlunternehmen - Offensichtlich unzulässiges und offensichtlich unbegründetes Rechtsmittel. - Rechtssache C-111/99 P.

Parteien:

In der Rechtssache C-111/99 P

Lech-Stahlwerke GmbH, Meitingen-Herbertshofen (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Bierwagen,

Rechtsmittelführerin,

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Fünfte erweiterte Kammer) vom 21. Januar 1999 in den Rechtssachen T-129/95, T-2/96 und T-97/96 (Neue Maxhütte Stahlwerke und Lech-Stahlwerke/Kommission, Slg. 1999, II-17) wegen Aufhebung dieses Urteils, soweit es die Rechtsmittelführerin betrifft,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und P. F. Nemitz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.-D. Plessing und C.-D. Quassowski als Bevollmächtigte,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland,

Streithelferinnen im ersten Rechtszug,

Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH, Sulzbach-Rosenberg (Deutschland),

Klägerin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. La Pergola sowie der Richter M. Wathelet, P. Jann (Berichterstatter), L. Sevón und C. W. A. Timmermans,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer

Kanzler: R. Grass

nach Anhörung des Generalanwalts,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Die Lech-Stahlwerke GmbH hat mit Rechtsmittelschrift, die am 30. März 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EGKS-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 21. Januar 1999 in den Rechtssachen T-129/95, T-2/96 und T-97/96 (Neue Maxhütte Stahlwerke und Lech-Stahlwerke/Kommission, Slg. 1999, II-17; im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, soweit ihre Klage in der Rechtssache T-129/95 auf Nichtigerklärung der Entscheidung 95/422/EGKS der Kommission vom 4. April 1995 über eine geplante staatliche Beihilfe des Freistaates Bayern an die EGKS-Stahlunternehmen Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH, Sulzbach-Rosenberg, und Lech-Stahlwerke GmbH, Meitingen-Herbertshofen (ABl. L 253, S. 22; im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen worden ist. Die geplante Beihilfe bezog sich auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 20 Mio. DM, die der Freistaat Bayern der Rechtsmittelführerin zu leisten bereit war.

2 In der streitigen Entscheidung hatte die Kommission finanzielle Beiträge, die sich aus zwei am 27. Januar 1995 zwischen dem Freistaat Bayern und der Max Aicher GmbH & Co. KG (im Folgenden: Aicher) geschlossenen notariellen Verträgen ergaben, mit denen sich der Freistaat Bayern zum einen verpflichtete, einen Teil der Verluste, die bei der Neuen Maxhütte Stahlwerke GmbH (im Folgenden: NMH) aufgelaufen waren, in Höhe von 125,7 Mio. DM zu übernehmen und ihr einen Zuschuss von 56 Mio. DM zu gewähren, und zum anderen, eine pauschale Ausgleichszahlung in Höhe von 20 Mio. DM an die Rechtsmittelführerin zu leisten, als verbotene staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag eingestuft.

3 Die NMH und die Rechtsmittelführerin fochten die streitige Entscheidung vor dem Gericht im Rahmen des Verfahrens T-129/95 an. Die Rechtssachen T-2/96 und T-97/96, die vom Gericht mit der Rechtssache T-129/95 verbunden wurden, betrafen Darlehen über 49,9 Mio. DM (Rechtssache T-2/96) und 24,1 Mio. DM (Rechtssache T-97/96), die der Freistaat Bayern der NMH später gewährt hatte und die von der Kommission ebenfalls als verbotene Beihilfen angesehen wurden. Die Rechtsmittelführerin ist von diesen beiden Rechtssachen nicht betroffen.

4 Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass die streitigen Zahlungen im Anschluss an den Konkurs erfolgt waren, der 1986 über das Vermögen der Eisenwerk-Gesellschaft Maximilianshütte (Maxhütte) eröffnet worden war, die ihren Sitz in Bayern nahe der tschechischen Grenze hatte; bei Schließung der Maxhütte drohte ein erheblicher Verlust von Arbeitsplätzen in diesem benachteiligten Gebiet. Der Freistaat Bayern beteiligte sich an einer Umstrukturierung über eine Auffanggesellschaft, die NMH, an deren Stammkapital sie zu 45 % beteiligt war. Am Kapital der NMH war zu 11 % die Rechtsmittelführerin beteiligt. Das Kapital der Rechtsmittelführerin wurde während des streitigen Zeitraums zu 19,73 % vom Freistaat Bayern und zu einem unterschiedlichen, aber stets bedeutenden Anteil von Aicher gehalten. Nachdem bei der NMH wiederum hohe Verluste aufgelaufen waren, beschloss der Freistaat Bayern 1994 die Privatisierung der NMH zugunsten der Aicher-Gruppe. Am 27. Januar 1995 wurden zwei notarielle Verträge geschlossen, mit denen der Freistaat Bayern Aicher seinen Gesellschaftsanteil an der NMH für einen symbolischen Preis von 3 DM und seinen Gesellschaftsanteil an der Rechtsmittelführerin zum Preis von 1 DM veräußerte; die in Randnummer 2 des vorliegenden Beschlusses genannten Ausgleichszahlungen waren darin ebenfalls vereinbart. Der Freistaat Bayern meldete diese beiden Verträge bei der Kommission an, bevor er Zahlungen leistete. Die Kommission verweigerte mit der streitigen Entscheidung ihre Genehmigung. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Randnummern 6 bis 26 des angefochtenen Urteils verwiesen.

5 Am 8. Juni 1995 erhoben die NMH und die Rechtsmittelführerin Klage beim Gericht auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. Mit Beschluss des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer vom 15. Januar 1996 wurde die Bundesrepublik Deutschland als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zugelassen. Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht diese Klage sowie die beiden anderen Klagen der NMH in Bezug auf ihr vom Freistaat Bayern gewährte Darlehen ab, die mit der erstgenannten Klage verbunden worden waren.

Das angefochtene Urteil

6 In den Randnummern 97 bis 99 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht zunächst fest, dass die NMH und die Rechtsmittelführerin Gesellschaften seien, die unter die EGKS-Regelung fielen, und dass Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag staatliche Subventionen oder Beihilfen in welcher Form auch immer untersage, wodurch dem Verbot ein außergewöhnlich weiter Wirkungsbereich verliehen werde.

7 In den Randnummern 104 bis 140 prüfte das Gericht sodann im Rahmen des ersten Klagegrundes der NMH und der Rechtsmittelführerin, ob ein privater Investor von vergleichbarer Größe wie die Einrichtungen des öffentlichen Sektors in ähnlicher Lage Zahlungen des in den notariellen Verträgen vom 27. Januar 1995 vereinbarten Umfangs hätte gewähren können (Privatinvestortest"), was es im Ergebnis verneinte.

8 Im Rahmen des zweiten Klagegrundes, der insbesondere auf den geringen Marktanteil der Produktion der klägerischen Unternehmen gestützt war, stellte das Gericht in den Randnummern 146 bis 151 fest, dass der EGKS-Vertrag keine Bestimmung enthalte, wonach Beihilfen, die zu einer geringfügigen Wettbewerbsverzerrung führten, nicht unter das Verbot des Artikels 4 Buchstabe c fielen.

9 Das Gericht wies auch den dritten Klagegrund, mit dem die Verletzung wesentlicher Formvorschriften, nämlich eine falsche Darstellung bestimmter Tatsachenfeststellungen in der streitigen Entscheidung sowie ein Begründungsmangel dieser Entscheidung, geltend gemacht wurde, und den auf die Verletzung der Verteidigungsrechte gestützten vierten Klagegrund zurück.

Das Rechtsmittel

10 Am 30. März 1999 hat die Rechtsmittelführerin das vorliegende Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil eingelegt, soweit dieses sie betrifft. Mit Schriftsatz, der am 18. Juni 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland angezeigt, dass die Streithilfe zugunsten der Rechtsmittelführerin im Rechtsmittelverfahren fortgesetzt werde. Die NMH, die am 6. November 1998 die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt hat, hat kein Rechtsmittel eingelegt.

11 Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf sieben Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird gerügt, das Gericht habe nicht geprüft, ob der ihr gewährte finanzielle Ausgleich die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag erfuelle. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, das angefochtene Urteil sei in diesem Punkt unzureichend begründet. Der dritte Rechtsmittelgrund ist auf die fehlende Subsumtion der im Rahmen des dritten Klagegrundes vorgetragenen Tatsachen gestützt. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund wird gerügt, dass insoweit jede Begründung fehle. Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die Rechtsanwendung durch das Gericht im Rahmen des Vergleichs des Verhaltens des Freistaats Bayern mit dem Verhalten eines privaten Investors. Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund wird ein Verfahrensfehler in Bezug auf einen Antrag auf Akteneinsicht gerügt, der nicht beschieden worden sei, und mit dem siebten die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

12 Die Rechtsmittelführerin und die Bundesrepublik Deutschland beantragen,

- das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Rechtsmittelführerin betrifft;

- in der Rechtssache selbst zu entscheiden und die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Rechtsmittelführerin betrifft;

- der Kommission die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen aufzuerlegen;

- hilfsweise, falls der Gerichtshof den Rechtsstreit nicht selbst entscheiden sollte, den Rechtsstreit an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

13 Die Kommission beantragt, durch Beschluss gemäß Artikel 119 der Verfahrensordnung

- das Rechtsmittel für offensichtlich unzulässig zu erklären,

- hilfsweise, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen,

- falls die Klage erneut geprüft werden sollte, die Klage abzuweisen und

- der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

14 Ist das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, so kann der Gerichtshof es nach Artikel 119 der Verfahrensordnung jederzeit durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, zurückweisen.

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels

15 Die Kommission erhebt vorab eine Unzulässigkeitseinrede, mit der sie geltend macht, dass die Rechtsmittelführerin kein Rechtsschutzinteresse mehr habe.

16 Nach Ansicht der Kommission stellen der Konkurs der NMH, die endgültige Aufgabe der Umstrukturierungspläne durch den Freistaat Bayern und die Tatsache, dass das angefochtene Urteil in allen die NMH betreffenden Punkten rechtskräftig geworden sei, weil die NMH kein Rechtsmittel eingelegt habe, und demzufolge mit der Rückforderung aller gezahlten Beträge begonnen worden sei, nach dem Erlass des angefochtenen Urteils eingetretene Tatsachen dar, die dem Urteil seinen für die Rechtsmittelführerin beeinträchtigenden Charakter nehmen könnten. Die Geschäftsgrundlage und damit die Rechtsgrundlage für die Zahlung von 20 Mio. DM durch den Freistaat Bayern an die Rechtsmittelführerin sei nämlich entfallen, da die Durchführung des Sanierungsplans für die NMH, in dessen Rahmen der genannte Betrag an die Rechtsmittelführerin unter der Voraussetzung der Durchführung des Planes habe gezahlt werden sollen, endgültig unmöglich geworden sei. Der Freistaat Bayern werde in keinem Fall mehr einen solchen Betrag an die Rechtsmittelführerin zahlen. Diese habe daher im vorliegenden Rechtsmittelverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.

17 Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin und der deutschen Regierung ist die Unzulässigkeitseinrede der Kommission zurückzuweisen. Das Schicksal der NMH habe keine Auswirkungen auf die Forderung von 20 Mio. DM, die die Rechtsmittelführerin gegenüber dem Freistaat Bayern besitze. Die mit notariellem Vertrag vom 27. Januar 1995 vereinbarte Zahlung dieses Betrages habe einen Ausgleich der durch das Engagement bei der NMH verursachten Minderung des Unternehmenswertes der Rechtsmittelführerin dargestellt, nicht aber einen an die Sanierung der NMH gebundenen Zuschuss.

18 Der Gerichtshof kann ein Rechtsmittel für unzulässig erklären, wenn eine nach dem Urteil des Gerichts eingetretene Tatsache zum Wegfall der Beschwer des Rechtsmittelführers geführt hat. Dessen Rechtsschutzinteresse setzt nämlich voraus, dass ihm das Rechtsmittel im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache C-19/93 P, Rendo u. a./Kommission, Slg. 1995, I-3319, Randnr. 13).

19 Bezüglich des Interesses der Rechtsmittelführerin an der Aufrechterhaltung ihres Rechtsmittels erscheint es zwar wahrscheinlich, dass der Freistaat Bayern die geplante finanzielle Sanierung der NMH endgültig aufgegeben hat und zur Zahlung der 20 Mio. DM an die Rechtsmittelführerin nicht mehr bereit ist, jedoch handelt es sich dabei nicht um eine rechtlich erwiesene, unbestreitbare Tatsache. Falls die Rechtsmittelführerin nämlich im Rechtsmittelverfahren obsiegte und die streitige Entscheidung für nichtig erklärt würde, wäre es nicht ausgeschlossen, dass ein insoweit zuständiges nationales Gericht den Freistaat Bayern verurteilt, an die Rechtsmittelführerin aufgrund des notariellen Vertrages vom 27. Januar 1995 20 Mio. DM zu zahlen.

20 Die Kommission hat unter diesen Umständen nicht dargetan, dass das Rechtsmittel der Rechtsmittelführerin im Ergebnis keinen Vorteil bringen kann. Die Unzulässigkeitseinrede der Kommission ist daher zurückzuweisen.

Zum ersten und zum zweiten Rechtsmittelgrund

21 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin in erster Linie geltend, das Gericht habe sich in dem angefochtenen Urteil allein auf die die NMH betreffenden Tatsachen konzentriert und nicht die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag im Hinblick auf die Zahlung der 20 Mio. DM an LSW geprüft. Der Sachverhalt sei nämlich je nach Klägerin verschieden; insbesondere sei die Rechtsmittelführerin ein gesundes und profitables Unternehmen gewesen, das keinerlei Finanzhilfen aus öffentlichen Mitteln für ihren Geschäftsbetrieb benötigt habe. Ihre Beteiligung an den Rettungsmaßnahmen für die Maxhütte sei vom Freistaat Bayern einfach nur honoriert worden; als der Freistaat Bayern beschlossen habe, seine Beteiligung an der Rechtsmittelführerin wieder abzugeben, habe er ihr einen finanziellen Ausgleich für ihre im Ergebnis unrentable Beteiligung versprochen. Anders als im Fall der NMH handele es sich somit nicht um eine Beihilfe im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag.

22 Das Gericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher wirtschaftlichen und finanziellen Lage sich die Rechtsmittelführerin befinde, noch dazu, wie sich die beabsichtigte Ausgleichszahlung auswirke. Das angefochtene Urteil sei daher rechtsfehlerhaft.

23 Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird folglich geltend gemacht, das Gericht habe damit gegen die allen Gerichten obliegende allgemeine Begründungspflicht verstoßen.

24 Zunächst ist festzustellen, dass die Klageschrift in der Rechtssache T-129/95 von der NMH und der Rechtsmittelführerin gemeinsam eingereicht wurde. Sie besteht aus einem einzigen Text, der keine unterschiedliche Argumentation enthält, die sich speziell auf die Lage des einen oder des anderen Unternehmens beziehen könnte. Die einzige Passage der Klageschrift, die sich ausdrücklich auf die Rechtsmittelführerin bezieht (Nr. 94), lautet wie folgt: Die Kapitalzufuhr für die Lech-Stahlwerke ist nach den oben erwähnten Kriterien gleichfalls eine Handlung, die im Rahmen dessen liegt, was ein wirtschaftlich handelnder Unternehmer hätte tun können. Diese Bewertung folgt notwendigerweise derjenigen des Engagements im Jahre 1987 für die Auffanggesellschaft [d. h. die NMH], die seitens des Freistaats Bayern veranlasst wurde." Die Rechtsmittelführerin hat somit im ersten Rechtszug zu keiner Zeit vorgetragen, dass sich ihre Lage von der der NMH unterscheide, und erst recht nicht, inwieweit dies der Fall gewesen sein sollte; sie hat im Gegenteil die Parallelität der Lage beider Unternehmen betont.

25 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich aber, dass eine Partei, könnte sie vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffsmittel vorbringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem Rechtsstreit befassen könnte, der weiter reicht als derjenige, den das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind daher die Befugnisse des Gerichtshofes auf die Überprüfung der Würdigung beschränkt, die das Gericht hinsichtlich des vor ihm erörterten Vorbringens vorgenommen hat (vgl. insbesondere Beschluss vom 14. Oktober 1999 in der Rechtssache C-437/98 P, Infrisa/Kommission, Slg. 1999, I-7145, Randnr. 29).

26 Hier steht fest, dass der erste Rechtsmittelgrund, der auf eine unterschiedliche Behandlung der NMH und der Rechtsmittelführerin und den Umstand gestützt ist, dass die Zahlung, die die Rechtsmittelführerin erhalten hat, aufgrund ihrer besonderen Lage keine Beihilfe im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag darstelle, vor dem Gericht nicht geltend gemacht wurde. Es handelt sich daher um ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel, dessen erstmalige Geltendmachung im Rechtsmittelverfahren offensichtlich unzulässig ist.

27 Daraus folgt, dass der zweite Rechtsmittelgrund der angeblichen Verletzung der Begründungspflicht in Bezug auf die unterschiedliche Behandlung der beiden Klägerinnen ebenfalls unzulässig ist.

Zum dritten, zum vierten und zum fünften Rechtsmittelgrund

28 Der dritte Rechtsmittelgrund (fehlende Subsumtion hinsichtlich des dritten Klagegrundes"), der vierte Rechtsmittelgrund (fehlerhafte Feststellung und unzureichende Begründung") und der fünfte Rechtsmittelgrund (fehlerhafte Rechtsanwendung beim Privatinvestortest") betreffen in Wirklichkeit einen einzigen Rechtsmittelgrund, der aus zwei Teilen besteht, und sind daher gemeinsam zu prüfen.

29 Die Rechtsmittelführerin macht nämlich mit dem ersten Teil geltend, das Gericht habe bei der Prüfung des dritten Klagegrundes nicht die ihm von ihr vorgelegten Beispiele einer Reihe von Privatinvestoren berücksichtigt, die sich ähnlich verhalten hätten wie vorliegend der Freistaat Bayern; mit dem zweiten Teil rügt sie, dass die Würdigung, die das Gericht beim Privatinvestortest" vorgenommen habe, auf unzutreffende Tatsachenfeststellungen gestützt sei.

30 Was den ersten Teil angeht, hat das Gericht in der den dritten Klagegrund betreffenden Randnummer 184 des angefochtenen Urteils zwar, wie die Rechtsmittelführerin vorträgt, diesen Klagegrund nur unter dem Aspekt der Verletzung wesentlicher Formvorschriften geprüft.

31 Das Gericht hatte jedoch bereits, worauf die Kommission zutreffend hinweist, den materiellen Gehalt dieser Rüge im Zusammenhang mit dem ersten Klagegrund geprüft. In Randnummer 86 des angefochtenen Urteils bezieht sich das Gericht klar und deutlich auf die Beispiele, die die Klägerinnen dafür angeführt hatten, dass ein privater Investor die NMH unter den gleichen Umständen wie der Freistaat Bayern hätte sanieren können, und in den Randnummern 104 bis 129 prüft es im Einzelnen das Kriterium des privaten Investors unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerinnen.

32 Unter diesen Umständen ist der erste Teil dieses Rechtsmittelgrundes, wonach das Gericht rechtsfehlerhaft nicht die vor ihm erhobenen Rügen berücksichtigt habe, offensichtlich unbegründet.

33 Bezüglich des zweiten Teils, d. h. der Beanstandung der Würdigungen, die das Gericht beim Privatinvestortest" vorgenommen hat, gibt die Rechtsmittelführerin nicht an, aus welchem Grund das Gericht einen Rechtsfehler begangen haben soll, sondern beschränkt sich darauf, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente wiederzugeben. Ein solches Rechtsmittel zielt aber in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, die nach Artikel 49 der EGKS- und der EG-Satzung des Gerichtshofes nicht in dessen Zuständigkeit fällt (vgl. insbesondere Beschluss vom 9. Juli 1998 in der Rechtssache C-317/97 P, Smanor u. a./Kommission, Slg. 1998, I-4269, Randnr. 21). Daraus folgt, dass der zweite Teil dieses Rechtsmittelgrundes offensichtlich unzulässig ist.

34 Der dritte, der vierte und der fünfte Rechtsmittelgrund sind damit zum Teil offensichtlich unbegründet und zum Teil offensichtlich unzulässig.

Zum sechsten Rechtsmittelgrund

35 Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe den von ihr gestellten Antrag nicht beschieden, ihr Einsicht in die von der Kommission gemäß Artikel 23 der EGKS-Satzung des Gerichtshofes zu übersendenden Vorgänge zu gewähren.

36 Nach Artikel 51 der EGKS-Satzung kann das Rechtsmittel auf einen Verfahrensfehler gestützt werden, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden. Hier ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin nicht dargetan und noch nicht einmal behauptet hat, inwieweit ihre Verteidigungsrechte dadurch verletzt worden sein sollen, dass ihrem Antrag nicht stattgegeben wurde. Sie hat auch nicht genau angegeben, dass sich die Prüfung der Akten der Kommission mit Ausnahme der bereits verfügbaren Aktenstücke auf das angefochtene Urteil ausgewirkt oder zu einer anderen rechtlichen oder tatsächlichen Würdigung geführt hätte. Da das Rechtsmittel hierzu keine näheren Angaben enthält, ist nicht dargetan, dass die Nichtbescheidung des Antrags auf Akteneinsicht durch das Gericht die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerin beeinträchtigt oder ihre Interessen in anderer Weise berührt hätte.

37 Daraus folgt, dass der sechste Rechtsmittelgrund offensichtlich unbegründet ist.

Zum siebten Rechtsmittelgrund

38 Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht angewandt, da es in den Randnummern 146 bis 151 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass vorliegend der Spürbarkeitsgrundsatz nicht eingreife.

39 Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin stellt der Rechtsgedanke des de minimis non curat praetor" einen rechtlichen Grundsatz dar, der ungeachtet aller positivrechtlichen Ausprägungen Geltung besitze. Dass dieser Rechtsgedanke im EGKS-Vertrag nicht positivrechtlich verankert worden sei, sei daher unbeachtlich. Der EGKS-Vertrag selbst und das Sekundärrecht enthielten weitere Ausnahmen von dem allgemeinen Beihilfeverbot, was zeige, dass die für Beihilfen geltende Regelung nicht absolut sei. Allgemein setze jedes Handeln der Kommission voraus, dass es erforderlich sei. Auch nach Artikel 5 Absatz 2 dritter Gedankenstrich EGKS-Vertrag solle die Kommission nur dann handeln, wenn es zum Schutz der normalen Wettbewerbsbedingungen erforderlich sei. Das Gericht hätte somit berücksichtigen müssen, dass die Rechtsmittelführerin nur einen sehr geringen Marktanteil gehabt habe und dass die geplante Ausgleichszahlung den Wettbewerb deshalb nicht habe beeinträchtigen können.

40 Die Kommission weist darauf hin, dass die Rechtsmittelführerin die gleichen Argumente bereits im ersten Rechtszug vorgetragen habe. Im Rechtsmittelverfahren würden diese Argumente lediglich wiederholt, ohne dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Argumenten des Gerichts erfolge, mit denen es dieses Vorbringen zurückgewiesen habe.

41 Nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag hängt, anders als nach Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG), die Unvereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nicht davon ab, dass sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Wie das Gericht in Randnummer 147 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, untersagt diese Bestimmung des EGKS-Vertrags alle Beihilfen ohne jede Einschränkung und kann somit keinen Grundsatz der Spürbarkeit enthalten.

42 Das Gericht hat demnach das Recht zutreffend angewandt; der siebte Rechtsmittelgrund ist daher offensichtlich unbegründet.

43 Nach alledem sind die Rechtsmittelgründe entweder offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Das Rechtsmittel ist daher nach Artikel 119 der Verfahrensordnung zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

44 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelführerin beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen. Die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, tragen nach Artikel 69 § 4 Absatz 1 ihre eigenen Kosten; demgemäß hat die Bundesrepublik Deutschland ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Lech-Stahlwerke GmbH trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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