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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.12.1991
Aktenzeichen: C-121/90
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 1546/88/EWG, VO Nr. 804/68/EWG


Vorschriften:

EWGV Art 177
VO Nr. 1546/88/EWG Art. 7
VO Nr. 804/68/EWG Art. 5c
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88, der im Rahmen der Regelung über die Zusatzabgabe für Milch die Übertragung der von der Zusatzabgabe befreiten Referenzmengen im Falle der Übertragung eines Betriebs regelt, ist dahin auszulegen, daß, wenn ein Mitgliedstaat keine anderen objektiven Kriterien im Sinne dieser Vorschrift aufgestellt und auch Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 590/85 nicht angewandt hat, die zum Betrieb gehörende Referenzmenge bei Übertragung eines Betriebsteils allein nach Maßgabe der für die Milcherzeugung verwendeten Flächen auf die beteiligten Wirtschaftsteilnehmer aufzuteilen ist, ohne daß andere Gesichtspunkte wie etwa zum Betrieb gehörende Gebäude berücksichtigt werden können.

2. Unter "objektiven Kriterien" im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88, die die Mitgliedstaaten für die Aufteilung der von der Zusatzabgabe für Milch befreiten Referenzmengen im Falle der Übertragung eines Betriebsteils aufstellen können, sind Kriterien zu verstehen, die objektiv nachprüfbar, allgemein und im voraus festgesetzt und vom Willen der Beteiligten unabhängig sind und die sich auf die Besonderheiten des fraglichen Betriebs oder der in ihm ausgeuebten landwirtschaftlichen Tätigkeiten beziehen.

Eine nationale Regelung, die hinsichtlich der Übertragung der Referenzmenge in erster Linie auf eine Vereinbarung der Beteiligten abstellt und nur hilfsweise, wenn es zu einer solchen Vereinbarung nicht kommt, eine Aufteilung durch den Richter nach Maßgabe der für die Milcherzeugung genutzten Flächen vorsieht, stellt keine derartigen Kriterien auf.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 6. DEZEMBER 1991. - JEEN LOLKES POSTHUMUS GEGEN RINZE UND ANNE OOSTERWOUD. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: KANTONGERECHT BEESTERZWAAG - NIEDERLANDE. - ZUSAETZLICHE ABGABE AUF MILCH. - RECHTSSACHE C-121/90.

Entscheidungsgründe:

1 Das Kantongerecht Beetsterzwaag (Niederlande) hat mit Beschluß vom 24. April 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 26. April 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 139, S. 12) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Jeen Lolkes Posthumus sowie Rinze und Anne Oosterwoud. Letztere betreiben aufgrund eines Pachtvertrags einen Viehzuchtbetrieb; sie verfügen in dieser Eigenschaft gemäß der Regelung über die Zusatzabgabe auf Milch über eine Referenzmenge von 145 430 kg Milch. Am 25. März 1982 kaufte J. L. Posthumus eine zu dem verpachteten Betrieb gehörende Parzelle von ungefähr 2,4 Hektar. Der sich auf diese Parzelle beziehende Pachtvertrag von R. und A. Oosterwoud wurde daraufhin gekündigt und die Parzelle von J. L. Posthumus selbst bewirtschaftet.

3 Mit seiner beim Kantongerecht Beetsterzwaag eingereichten Klage beantragt J. L. Posthumus im wesentlichen, R. und A. Oosterwoud zu verurteilen, ihm die sich auf die fragliche Parzelle beziehende Referenzmenge zu übertragen oder, ersatzweise, ihm Schadensersatz zu leisten.

4 Weil das Kantongerecht Beetsterzwaag der Ansicht ist, für seine Entscheidung sei eine Auslegung des Artikels 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88 notwendig, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist Artikel 7 Unterabsatz 1 Ziffer 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission, der unter anderem bestimmt, daß im Falle der Verpachtung - worunter auch die Beendigung der Pacht zu verstehen ist - eines Teils des Betriebs die entsprechende Referenzmenge nach der für die Milcherzeugung genutzten Fläche aufgeteilt wird, dahin auszulegen, daß, wenn der Mitgliedstaat keine anderen objektiven Kriterien aufgestellt und auch Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates nicht angewandt hat, der Viehhalter, der seinen Betrieb fortführt, aber infolge der Beendigung der Pacht die Nutzung einiger Parzellen Land verliert, eventuell gegen Vergütung, einen Teil der Referenzmenge abtreten muß, und zwar den, der dem Verhältnis der abgetretenen Fläche zu der zum Betrieb gehörenden Gesamtfläche entspricht, ohne daß den Betriebsgebäuden (Ställen), deren Eigentümer er ist oder die er gepachtet hat, Rechnung zu tragen ist?

2) Sind unter den von den Mitgliedstaaten aufzustellenden objektiven Kriterien solche zu verstehen, die auf nachprüfbare tatsächliche Umstände - wie etwa vorhandene Gebäude, Ländereien, Arbeitskräfte, Maschinen und dergleichen - beruhen?

5 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, der fraglichen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen sowie des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

6 Mit der ersten Frage soll geklärt werden, ob Artikel 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88 dahin auszulegen ist, daß, wenn ein Mitgliedstaat keine anderen objektiven Kriterien im Sinne dieser Vorschrift aufgestellt und auch Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 590/85 des Rates vom 26. Februar 1985 (ABl. L 68, S. 1) nicht angewandt hat, die zum Betrieb gehörende Referenzmenge bei Übertragung eines Betriebsteils nur nach Maßgabe der für die Milcherzeugung genutzten Flächen auf die beteiligten Wirtschaftsteilnehmer aufzuteilen ist oder ob auch andere Gesichtspunkte wie zum Betrieb gehörende Gebäude berücksichtigt werden können.

7 Vorab ist daran zu erinnern, daß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 590/85 vorsieht, daß "im Falle des Verkaufs, der Verpachtung oder der Übertragung eines Betriebs in Erbfolge... die entsprechende Referenzmenge nach festzulegenden Modalitäten ganz oder teilweise auf den Käufer, Pächter oder Erben übertragen" wird. Absatz 4 dieses Artikels bestimmt jedoch: "Für auslaufende Pachtverträge, bei denen der Pächter keinen Anspruch auf Vertragsverlängerung unter entsprechenden Bedingungen hat, können die Mitgliedstaaten vorsehen, daß die auf den Betrieb bzw. den gepachteten Teil des Betriebs entfallende Referenzmenge ganz oder zum Teil dem ausscheidenden Pächter gutgeschrieben wird, sofern er die Milcherzeugung fortsetzen will."

8 Die Durchführungsbestimmungen zu diesen Vorschriften wurden insbesondere in Artikel 7 der Verordnung Nr. 1546/88 festgelegt, in dessen Absatz 1 Ziffer 2 es heisst: "Im Falle des Verkaufs, der Verpachtung oder der Vererbung eines Teils des Betriebes wird die entsprechende Referenzmenge nach den für die Milcherzeugung verwendeten Flächen oder nach anderen von den Mitgliedstaaten aufgestellten objektiven Kriterien auf die den Betrieb übernehmenden Erzeuger aufgeteilt."

9 Ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen des Artikels 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88 zeigt, daß es den Mitgliedstaaten zwar freisteht, für die Aufteilung der Referenzmengen von Betrieben, die nur zum Teil übertragen werden, andere Kriterien aufzustellen, sofern es sich um objektive Kriterien handelt, daß diese Aufteilung aber, soweit von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht und auch Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 nicht angewandt worden ist, streng nach dem Verhältnis der verschiedenen für die Milcherzeugung genutzten Flächen des betreffenden Betriebs, einschließlich solcher, die Gebäude tragen, zu erfolgen hat, ohne daß berücksichtigt werden könnte, in welchem Umfang die einzelnen Flächen zur gesamten Milcherzeugung des Betriebs beigetragen haben.

10 Diese sich aus dem Wortlaut der Regelung ergebende Auslegung entspricht auch deren Zweck. Artikel 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88 verlangt nämlich, unbeschadet von durch die Mitgliedstaaten ausdrücklich festgelegten Abweichungen, daß zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der Wirksamkeit der Regelung klare und genaue Regeln aufgestellt werden, deren Anwendung durch die nationalen Behörden keinerlei Ermessensausübung voraussetzt.

11 Deshalb ist auf die erste Frage zu antworten, daß Artikel 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 dahin auszulegen ist, daß, wenn ein Mitgliedstaat keine anderen objektiven Kriterien im Sinne dieser Vorschrift aufgestellt und auch Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse in der Fassung der Verordnung Nr. 590/85 des Rates vom 26. Februar 1985 nicht angewandt hat, die zu einem Betrieb gehörende Referenzmenge bei Übertragung eines Betriebsteils allein nach Maßgabe der für die Milcherzeugung verwendeten Flächen auf die beteiligten Wirtschaftsteilnehmer aufzuteilen ist, ohne daß andere Gesichtspunkte wie etwa zum Betrieb gehörende Gebäude berücksichtigt werden können.

Zur zweiten Frage

12 Mit der zweiten Frage soll die Bedeutung des Begriffs "objektive Kriterien" im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88 bestimmt werden.

13 Hierzu ist festzustellen, daß sich der Ausdruck "objektive Kriterien" nach dem gewöhnlichen Wortsinn und nach dem Zusammenhang, in dem er steht, nur auf Kriterien bezieht, die objektiv nachprüfbar, allgemein und im voraus festgesetzt und unabhängig vom Willen der Beteiligten sind. Wie die Regierung des Vereinigten Königreichs mit Recht hervorgehoben hat, müssen sich solche Kriterien auf die Besonderheiten des betreffenden Betriebs oder der in ihm ausgeuebten landwirtschaftlichen Tätigkeiten beziehen. Von der Festlegung "objektiver Kriterien" kann somit nicht bei einer nationalen Regelung wie der fraglichen niederländischen Regelung gesprochen werden, die im Falle einer Betriebsübertragung hinsichtlich der Übertragung der Referenzmenge in erster Linie auf eine Vereinbarung der Beteiligten abstellt und nur hilfsweise, wenn es zu einer solchen Vereinbarung nicht kommt, eine Aufteilung der Referenzmenge durch den Richter nach Maßgabe der für die Milcherzeugung genutzten Flächen vorsieht.

14 Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, daß unter "objektiven Kriterien" im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88 Kriterien zu verstehen sind, die objektiv nachprüfbar, allgemein und im voraus festgesetzt und vom Willen der Beteiligten unabhängig sind und die sich auf die Besonderheiten des fraglichen Betriebs oder der in ihm ausgeuebten landwirtschaftlichen Tätigkeiten beziehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

15 Die Auslagen der niederländischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

auf die ihm vom Kantongerecht Beetsterzwaag mit Beschluß vom 24. April 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 ist dahin auszulegen, daß, wenn ein Mitgliedstaat keine anderen objektiven Kriterien im Sinne dieser Vorschrift aufgestellt und auch Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 590/85 des Rates vom 26. Februar 1985 nicht angewandt hat, die zum Betrieb gehörende Referenzmenge bei Übertragung eines Betriebsteils allein nach Maßgabe der für die Milcherzeugung verwendeten Flächen auf die beteiligten Wirtschaftsteilnehmer aufzuteilen ist, ohne daß andere Gesichtspunkte wie etwa zum Betrieb gehörende Gebäude berücksichtigt werden können.

2) Unter "objektiven Kriterien" im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung Nr. 1546/88 sind Kriterien zu verstehen, die objektiv nachprüfbar, allgemein und im voraus festgesetzt und vom Willen der Beteiligten unabhängig sind und die sich auf die Besonderheiten des fraglichen Betriebs oder der in ihm ausgeuebten landwirtschaftlichen Tätigkeiten beziehen.

Ende der Entscheidung

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