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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.09.2006
Aktenzeichen: C-123/04
Rechtsgebiete: EA


Vorschriften:

EA Art. 57
EA Art. 73
EA Art. 75
EA Art. 86
EA Art. 87
EA Art. 196
EA Art. 197
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)

12. September 2006

"EAG-Vertrag - Versorgung - Eigentumsordnung - Anreicherung von Uran im Gebiet der Gemeinschaft durch einen Angehörigen eines dritten Staates"

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-123/04 und C-124/04

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 150 EA, eingereicht vom Oberlandesgericht Oldenburg (Deutschland) mit Entscheidungen vom 4. Februar 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 8. März 2004, in den Verfahren

Industrias Nucleares do Brasil SA,

Siemens AG

gegen

UBS AG (C-123/04),

Texas Utilities Electric Corporation (C-124/04)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), A. Rosas und K. Schiemann, der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet und M. Ilesic,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: K. Sztranc-Slawiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Industrias Nucleares do Brasil SA, vertreten durch die Rechtsanwälte E. Wagner und J. Curschmann,

- der Siemens AG, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Schultz-Süchting und L. Kröner,

- der UBS AG, vertreten durch die Rechtsanwälte U. Hornung, F. Bellen und D. Scharma,

- der Texas Utilities Electric Corporation, vertreten durch Rechtsanwalt P.-S. Freiling und C. Peterson, AL,

- der deutschen Regierung, vertreten durch C.-D. Quassowski und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt W. Hertel,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, E. Puisais und S. Gasri als Bevollmächtigte,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch S. Terstal und D. J. M. de Grave als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia, A. Bouquet und B. Schima als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. April 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Artikel 57 EA, 73 EA, 75 EA, 86 EA, 87 EA, 196 EA und 197 EA.

2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, in denen die Industrias Nucleares do Brasil SA (im Folgenden: INB) und die Siemens AG (im Folgenden: Siemens) zum einen mit der UBS AG (im Folgenden: UBS) und zum anderen mit der Texas Utilities Electric Corporation (im Folgenden: TUEC) über die Herausgabe von Zylindern mit angereichertem Uran streiten.

Rechtlicher Rahmen

3 Artikel 2 EA, der im Titel I - Aufgaben der Gemeinschaft - des EAG-Vertrags steht, sieht vor:

"Zur Erfüllung ihrer Aufgabe hat die Gemeinschaft nach Maßgabe des Vertrags

...

d) für regelmäßige und gerechte Versorgung aller Benutzer der Gemeinschaft mit Erzen und Kernbrennstoffen Sorge zu tragen;

..."

4 Die Artikel 57 EA, 73 EA und 75 EA sind Teil von Titel II - Die Förderung des Fortschritts auf dem Gebiet der Kernenergie - Kapitel 6 - Versorgung - des EAG-Vertrags (im Folgenden: Kapitel 6).

5 Artikel 73 EA lautet:

"Umfasst ein Abkommen oder eine Vereinbarung zwischen einem Mitgliedstaat, einer Person oder einem Unternehmen einerseits und einem dritten Staat, einer zwischenstaatlichen Einrichtung oder einem Angehörigen eines dritten Staates andererseits auch die Lieferung von Erzeugnissen, die in die Zuständigkeit der [Versorgungs-]Agentur fallen, so ist zum Abschluss oder zur Erneuerung des Abkommens oder der Vereinbarung die vorherige Zustimmung der Kommission erforderlich, soweit es sich um die Lieferung dieser Erzeugnisse handelt."

6 Artikel 75 EA sieht vor:

"Die Bestimmungen dieses Kapitels finden keine Anwendung auf Verpflichtungen, welche die Aufbereitung, Umwandlung oder Formung von Erzen, Ausgangsstoffen oder besonderen spaltbaren Stoffen zum Gegenstand haben,

a) bei Verpflichtungen zwischen Personen oder Unternehmen untereinander - falls die aufbereiteten, umgewandelten oder geformten Stoffe an die Person oder das Unternehmen, von denen sie stammen, zurückgegeben werden müssen;

b) bei Verpflichtungen zwischen einer Person oder einem Unternehmen einerseits und einer zwischenstaatlichen Einrichtung oder einem Angehörigen eines dritten Staates andererseits - falls die Stoffe außerhalb der Gemeinschaft aufbereitet, umgewandelt oder geformt werden und an die Person oder das Unternehmen, von denen sie stammen, zurückgegeben werden;

c) bei Verpflichtungen zwischen einer Person oder einem Unternehmen einerseits und einer zwischenstaatlichen Einrichtung oder einem Angehörigen eines dritten Staates andererseits - falls die Stoffe in der Gemeinschaft aufbereitet, umgewandelt oder geformt werden und an die Einrichtung oder den Staatsangehörigen, von denen sie stammen, oder an einen anderen von dieser Einrichtung oder diesem Staatsangehörigen bestimmten Empfänger, der seinen Sitz ebenfalls außerhalb der Gemeinschaft hat, zurückgegeben werden.

Die beteiligten Personen oder Unternehmen müssen jedoch der [Versorgungs-]Agentur das Bestehen derartiger Verpflichtungen und sofort nach Unterzeichnung der Verträge die Mengen der Stoffe anzeigen, die Gegenstand dieser Umsätze sind. Den unter b genannten Verpflichtungen kann die Kommission widersprechen, wenn sie der Auffassung ist, dass die Umwandlung oder Formung nicht wirksam und sicher und ohne Substanzverlust zum Nachteil der Gemeinschaft gewährleistet werden kann.

Die Stoffe, die Gegenstand dieser Verpflichtungen sind, unterliegen in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten den in Kapitel 7 vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen. Die Bestimmungen des Kapitels 8 finden jedoch keine Anwendung auf die besonderen spaltbaren Stoffe, die Gegenstand von Verpflichtungen nach Buchstabe c sind."

7 Titel II Kapitel 7 des EAG-Vertrags (im Folgenden: Kapitel 7) trägt die Überschrift "Überwachung der Sicherheit".

8 In Titel II Kapitel 8 - Das Eigentum - des EAG-Vertrags (im Folgenden: Kapitel 8) stehen u. a. die Artikel 86 EA und 87 EA.

9 Artikel 86 EA lautet:

"Die besonderen spaltbaren Stoffe sind Eigentum der Gemeinschaft.

Das Eigentumsrecht der Gemeinschaft umfasst alle besonderen spaltbaren Stoffe, die von einem Mitgliedstaat, einer Person oder einem Unternehmen erzeugt oder eingeführt werden und der in Kapitel 7 vorgesehenen Sicherheitsüberwachung unterliegen."

10 Die Artikel 196 EA und 197 EA sind Teil des Titels V - Allgemeine Bestimmungen - des EAG-Vertrags.

11 Artikel 196 EA sieht vor:

"Im Sinne dieses Vertrags bedeutet, soweit nichts anderes darin bestimmt ist,

a) 'Person': jede natürliche Person, die ihre Tätigkeit ganz oder teilweise in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet ausübt, das in dem entsprechenden Kapitel dieses Vertrags bezeichnet ist;

b) 'Unternehmen': jedes Unternehmen oder jede Einrichtung, die ihre Tätigkeit ganz oder teilweise in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet ausübt, das in dem entsprechenden Kapitel dieses Vertrags bezeichnet ist; die öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Stellung der Unternehmen und Einrichtungen spielt dabei keine Rolle."

12 Artikel 197 EA bestimmt:

"Im Sinne dieses Vertrags bedeutet

1. 'besondere spaltbare Stoffe': Plutonium 239; Uran 233; mit Uran 235 oder 233 angereichertes Uran; jedes Erzeugnis, in dem eines oder mehrere der oben genannten Isotope enthalten sind, und sonstige spaltbare Stoffe, die durch den Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit bestimmt werden; doch zählen Ausgangsstoffe in keinem Fall zu den besonderen spaltbaren Stoffen;

2. 'mit Uran 235 oder 233 angereichertes Uran': Uran, welches entweder Uran 235 oder Uran 233 oder diese beiden Isotope in einer solchen Menge enthält, dass das Verhältnis zwischen der Summe dieser beiden Isotope und dem Isotop 238 über dem Verhältnis zwischen dem Isotop 235 und dem Isotop 238 in natürlichem Uran liegt;

3. 'Ausgangsstoffe': Uran, welches das in der Natur vorkommende Isotopengemisch enthält; Uran, dessen Gehalt an Uran 235 unter dem normalen Gehalt liegt; Thorium; alle oben genannten Stoffe in Form von Metall, Legierungen, chemischen Verbindungen oder Konzentraten; jeder andere Stoff, der einen oder mehrere der oben genannten Stoffe mit Konzentrierungen enthält, welche der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit bestimmt;

..."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13 Nach den Vorlagebeschlüssen ist INB eine Gesellschaft mit Sitz in Brasilien, die u. a. die Aufgabe hat, Kernbrennstoff für brasilianische Kernkraftwerke zu beschaffen.

14 INB stand in ständiger Geschäftsbeziehung mit der Urenco Limited (im Folgenden: Urenco) mit Sitz in Großbritannien. INB belieferte Urenco mit Rohuran und schwach angereichertem Uran, das Urenco für Rechnung von INB anreicherte. Der Vertrag über ihre Geschäftsbeziehungen sah vor, dass das Eigentum am Uran mit dessen Lieferung übergeht.

15 1984 reicherte Urenco Uran für INB an, das an INB zurückgeliefert wurde, von der es nach Deutschland gebracht und aufgrund eines Lagervertrags zwischen INB und Siemens bei dieser in Hanau eingelagert wurde. Später lagerte Siemens das Uran bei ihrer Tochtergesellschaft Advanced Nuclear Fuels GmbH in Lingen (Deutschland) ein.

16 Da INB zeitweise für das angereicherte Uran keine Verwendung hatte, schrieb sie 1993 die Überlassung von Kernbrennstoffen (darunter auch das 1984 von Urenco angereicherte und bei Siemens eingelagerte Uran) öffentlich aus.

17 Die Nuexco Exchange AG (im Folgenden: NEAG) mit Sitz in Olten (Schweiz) gab ein Angebot ab, aufgrund dessen am 7. März 1994 ein Darlehensvertrag über die Überlassung von Uran geschlossen wurde.

18 Nach diesem Vertrag, der brasilianischem Recht unterlag, sollte INB der NEAG nach und nach insgesamt fünf Partien angereichertes Uran liefern. Die NEAG verpflichtete sich, sechs Partien gleichartiges angereichertes Uran zu einem späteren Zeitpunkt an INB zurückzuliefern und INB für die Zwischenzeit eine Vergütung für die Überlassung des Urans (Loan Fees) zu zahlen.

19 Für Rechnung der NEAG wurde in der Folgezeit die Nuexco Trading Corporation (im Folgenden: NTC) mit Sitz in Denver (Vereinigte Staaten) tätig. NTC, die derselben Unternehmensgruppe wie die NEAG angehörte, war zu deren umfassender Vertretung bevollmächtigt.

20 Die NEAG leistete an INB vertragsgemäß die vereinbarte Vorauszahlung auf die Loan Fees. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts erfolgte ferner eine Übergabe bestimmter Partien angereicherten Urans von INB an NTC durch Buchung auf das Materialkonto der Siemens Power Corporation (deren Gesellschaftsanteile zu 100 % im Besitz von Siemens sind) und anschließender Buchung auf das Materialkonto von NTC.

21 Die NEAG konnte im Spätsommer 1994 ihre Verpflichtung zur Rücklieferung von Uran an INB nicht mehr erfüllen, weil sie das von einer russischen Gesellschaft zu liefernde Uran nicht bezahlen konnte.

22 Im Februar 1995 geriet NTC in Konkurs, und im April 1996 die NEAG.

23 INB erhob beim Landgericht Osnabrück (Deutschland) Klage gegen Siemens auf Herausgabe mehrerer Zylinder mit angereichertem Uran, die bei Siemens lagerten. INB nimmt für sich das Eigentum an den Zylindern in Anspruch, während sich Siemens darauf beruft, dass sie zur Herausgabe dieser Zylinder "zur Zeit" nicht verpflichtet sei.

24 UBS, eine Bank mit Sitz in der Schweiz, erhob Hauptinterventionsklage, weil sie aufgrund eines 1989 mit der NEAG geschlossenen Vertrages das Pfandrecht an 14 der Zylinder erworben haben will.

25 TUEC ist ein Unternehmen, das bestimmte Teile von Texas (Vereinigte Staaten) mit elektrischer Energie versorgt und zu diesem Zweck ein Kernkraftwerk betreibt. Sie erhob ebenfalls Hauptinterventionsklage, weil sie das Eigentum an 11 der Zylinder erworben haben will. TUEC beruft sich hierzu auf einen am 30. Juni 1992 mit NTC geschlossenen Vertrag. Die Lieferungen von TUEC an NTC sollten aufgrund dieses Vertrages ebenfalls zu einer Rückgabe entsprechender Materialien im Wege der Umbuchung zwischen Materialkonten führen.

26 Das Landgericht Osnabrück stellte mit Urteilen vom 17. März 2000 fest, dass INB keinen Anspruch gegen Siemens auf Herausgabe der streitgegenständlichen Zylinder mit angereichertem Uran habe, und verurteilte Siemens, 14 Zylinder mit angereichertem Uran an UBS und 11 Zylinder mit angereichertem Uran an TUEC herauszugeben.

27 INB legte gegen diese Urteile Berufung beim Oberlandesgericht Oldenburg ein.

28 Das Oberlandesgericht führt aus, es beabsichtige, die Berufung von INB als unbegründet zurückzuweisen, wenn nicht Bestimmungen des EAG-Vertrags dem Erwerb des Pfandrechts an dem streitgegenständlichen angereicherten Uran durch UBS im Ausgangsverfahren der Rechtssache C-123/04 und dem Erwerb des Eigentums an dem streitgegenständlichen angereicherten Uran durch TUEC im Ausgangsverfahren der Rechtssache C-124/04 entgegenstünden.

29 Jede der streitgegenständlichen Verfügungen, also die Übereignung des angereicherten Urans von Urenco an INB, die Übereignung des Urans von INB an die NEAG und die Verpfändung des Urans durch die NEAG an UBS sowie die Übereignung des Urans durch die NEAG an TUEC, könnte von den Bestimmungen des EAG-Vertrags betroffen sein.

30 Die Parteien der Ausgangsverfahren hätten auch nichts dafür vorgetragen, dass die Organe der Europäischen Atomgemeinschaft (im folgenden: Gemeinschaft) vorab von den verschiedenen Geschäften unterrichtet worden wären.

31 Die Versorgungsagentur der Gemeinschaft (im Folgenden: Agentur) habe mit Schreiben vom 30. Mai 1995 erklärt, dass die Frage des zivilrechtlichen Eigentums weder eine Angelegenheit für die Kommission noch für die Agentur sei und der Streit um das Eigentum an dem Material zivilrechtlich zu klären sei.

32 Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Oldenburg die Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende, in beiden Rechtssachen gleichlautende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfassen die Begriffe Aufbereitung, Umwandlung oder Formung in Artikel 75 Absatz 1 EA auch die Anreicherung von Uran?

2. Übt ein Unternehmen mit Sitz außerhalb des Hoheitsgebiets des EAG-Vertrags seine Tätigkeit ganz oder teilweise im Sinne des Artikels 196 Buchstabe b EA im Hoheitsgebiet der Gemeinschaft aus, wenn es zu einem Unternehmen mit Sitz im Hoheitsgebiet der Gemeinschaft eine Geschäftsbeziehung unterhält, die

a) die Anlieferung von Rohstoffen zur Herstellung von angereichertem Uran und den Bezug angereicherten Urans von dem Unternehmen mit Sitz im Hoheitsgebiet der Gemeinschaft oder

b) dessen Einlagerung bei einem anderen Unternehmen mit Sitz im Hoheitsgebiet der Gemeinschaft

zum Gegenstand hat?

3. a) Setzt Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA die, von den durch die Verarbeitung bedingten physikalischen Veränderungen abgesehen, stoffliche Identität der zur Aufbereitung, Umwandlung oder Formung angelieferten und der danach zurückgelieferten Stoffe voraus?

b) Oder genügt es, wenn die verarbeiteten Stoffe den angelieferten Stoffen in Qualität und Menge entsprechen?

c) Schließt es die Anwendung von Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA aus, wenn den ausgelieferten Stoffen keine vom Empfänger angelieferten Stoffe zugeordnet werden können?

d) Schließt es die Anwendung von Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA aus, wenn das verarbeitende Unternehmen mit der Anlieferung der Rohstoffe das Eigentum hieran erwirbt und das angereicherte Uran deshalb nach der Verarbeitung an die andere Vertragspartei zurückübereignen muss?

4. a) Schließt es die Anwendung des Artikels 75 EA aus, wenn die beteiligten Personen oder Unternehmen ihre Anzeigepflichten gegenüber der Agentur aus Artikel 75 Absatz 2 EA nicht erfüllen?

b) Kann die Verletzung der Anzeigepflichten gegenüber der Agentur aus Artikel 75 Absatz 2 EA dadurch geheilt werden, dass die beteiligten Personen oder Unternehmen ihre Anzeigepflichten nachträglich erfüllen oder die Agentur auf andere Weise nachträglich Kenntnis erhält?

5. a) Führt es zur Unwirksamkeit eines Abkommens oder einer Vereinbarung im Sinne des Artikels 73 EA, wenn die Vertragsparteien die danach erforderliche vorherige Zustimmung der Kommission nicht einholen?

b) Kann gegebenenfalls die Unwirksamkeit des Geschäfts dadurch geheilt werden, dass die beteiligten Personen oder Unternehmen die Zustimmung nachträglich einholen oder die Organe der Gemeinschaft, nachdem sie auf andere Weise Kenntnis erhalten haben, untätig bleiben?

6. a) Verbietet es die Verfügung über Stoffe im Sinne des Artikels 57 Absatz 1 EA, wenn der beteiligte Erzeuger seine Anbietungspflicht gegenüber der Agentur aus Artikel 57 Absatz 2 Satz 2 EA nicht erfüllt?

b) Kann die Verletzung der Anbietungspflicht gegenüber der Agentur aus Artikel 57 Absatz 2 Satz 2 EA dadurch geheilt werden, dass der Erzeuger seine Anbietungspflicht nachträglich erfüllt oder die Agentur auf andere Weise nachträglich Kenntnis erhält und von ihrem Bezugsrecht keinen Gebrauch macht?

7. Umfasst der Begriff der Erzeugung in Artikel 86 EA auch die Anreicherung von Uran?

8. Sind Rohuran oder schwach angereichertes Uran Ausgangsstoffe im Sinne des Artikels 197 Nummer 1 letzter Halbsatz EA?

9. a) Kann an Stoffen, die nach Artikel 86 Absatz 1 EA Eigentum der Gemeinschaft geworden sind, zivilrechtliches Eigentum im Sinne des § 903 BGB begründet und übertragen werden?

b) Tritt das den Rechtsträgern nach Artikel 87 EA verbleibende unbeschränkte Nutzungs- und Verbrauchsrecht als eigentumsgleiches oder eigentumsähnliches dingliches Sachenrecht eigener Art neben die Sachenrechte des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs?

10. Übt ein Unternehmen einen Teil seiner Tätigkeit im Sinne des Artikels 196 Buchstabe b EA in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft aus, wenn es dort lagerndes angereichertes Uran veräußert oder erwirbt?

11. Ist Artikel 73 EA auch entsprechend auf Vereinbarungen anzuwenden, die im Gebiet der Gemeinschaft lagerndes angereichertes Uran zum Gegenstand haben und an denen ausschließlich Angehörige dritter Staaten beteiligt sind?

33 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 30. Juni 2004 sind die Rechtssachen C-123/04 und C-124/04 zu gemeinsamem schriftlichem und mündlichem Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

34 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 75 Absatz 1 EA dahin auszulegen ist, dass die darin genannten Begriffe "Aufbereitung, Umwandlung oder Formung" auch die Anreicherung von Uran umfassen.

35 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 75 Absatz 1 EA "[d]ie Bestimmungen [des] Kapitels [6] ... keine Anwendung auf Verpflichtungen [finden], welche die Aufbereitung, Umwandlung oder Formung von Erzen, Ausgangsstoffen oder besonderen spaltbaren Stoffen zum Gegenstand haben" und die nach den in den Buchstaben a bis c dieser Vorschrift beschriebenen Modalitäten eingegangen worden sind.

36 Zweitens besteht die Urananreicherung, wie sich aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ergibt, darin, die Isotope durch Gasdiffusion oder durch Zentrifugieren zu trennen, so dass der Gehalt an Uran 235 erhöht und das Uran damit für die Verwendung in einem Reaktor geeignet gemacht wird.

37 Wie Siemens, UBS, TUEC und die Regierungen, die beim Gerichtshof Erklärungen eingereicht haben, zutreffend bemerken, stellt ein solches Trennungsverfahren, von dem nicht behauptet wird, dass es die Gesamtbilanz der Stoffe berührt, eine Umwandlung im Sinne von Artikel 75 EA dar.

38 Das Trennungsverfahren bewirkt nämlich, dass das Uran in anderer Form wiederhergestellt wird und somit nach der allgemeinen Bedeutung des Begriffes umgewandelt wird. Außerdem handelt es sich, wie der Generalanwalt in Nummer 53 seiner Schlussanträge ausführt, bei den Begriffen "Aufbereitung, Umwandlung oder Formung" um allgemeine Begriffe. Sie lassen für sich allein nicht den Schluss zu, dass bestimmte Formen der Aufbereitung, Umwandlung oder Formung von Erzen, Ausgangsstoffen oder besonderen spaltbaren Stoffen z. B. wegen bestimmter technischer Merkmale der Aufbereitung, Umwandlung oder Formung oder aufgrund des damit geschaffenen Mehrwerts vom Anwendungsbereich des Artikels 75 EA ausgenommen wären.

39 Diese Auslegung wird durch die Systematik und den Regelungszweck des Kapitels 6, zu dem Artikel 75 EA gehört, bestätigt. Kapitel 6 enthält nämlich nähere Bestimmungen zu der den Organen der Gemeinschaft in Artikel 2 Buchstabe d EA auferlegten allgemeinen Verpflichtung, für die regelmäßige und gerechte Versorgung aller Benutzer der Gemeinschaft mit Erzen und Kernbrennstoffen Sorge zu tragen (Urteil vom 14. Dezember 1971 in der Rechtssache 7/71, Kommission/Frankreich, Slg. 1971, 1003, Randnr. 22). Nach Artikel 75 EA sind Stoffe, die Gegenstand von Verarbeitungsverträgen im Sinne dieser Vorschrift sind, von den Bestimmungen über das System der Versorgung ausgenommen (vgl. Beschluss 1/78 vom 14. November 1978, Slg. 1978, 2151, Randnr. 16).

40 Folglich betrifft Artikel 75 EA Situationen, von denen man annimmt, dass sie die regelmäßige und gerechte Versorgung aller Benutzer in der Gemeinschaft mit Erzen und Kernbrennstoffen nicht oder nicht in einem Maße beeinträchtigen, dass die vollständige Anwendung des in Kapitel 6 vorgesehenen Systems gerechtfertigt wäre. Um einen solchen Fall handelt es sich bei einem Vorgang wie dem in Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA vorgesehenen, bei dem in der Gemeinschaft aus einem dritten Staat stammendes Uran angereichert wird, das zur Rückgabe in einen dritten Staat bestimmt ist. Denn ein solcher Vorgang ist an sich neutral in Bezug auf die Versorgung der in der Gemeinschaft ansässigen Benutzer mit Uran.

41 Diese Auslegung wird durch das Argument der Kommission, dass die auf dem oligopolistischen Markt für die Anreicherung von Uran ausgehandelten Verträge potenziell weitreichende Auswirkungen auf die langfristige Versorgungssicherheit der Gemeinschaft und die Gleichbehandlung der Nutzer haben, nicht entkräftet. Denn ein derartiges Argument hat, die Richtigkeit der Behauptung einmal unterstellt, zur Folge, dass die Auslegung des Artikels 75 EA von den Marktverhältnissen abhinge. Einer solchen Auslegung der Bestimmungen über die Versorgungsmechanismen kann nicht gefolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 43).

42 Auch das Vorbringen von INB, dass die vorgenommene Auslegung der Begriffe "Aufbereitung, Umwandlung oder Formung" in Artikel 75 Absatz 1 EA dem Begriff der Erzeugung besonderer spaltbarer Stoffe im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 EA seinen Sinn nehme, ist zurückzuweisen. Denn weder aus der einen noch aus der anderen Bestimmung geht hervor, dass sich die drei erstgenannten Begriffe und der letztgenannte Begriff gegenseitig ausschließen. Darüber hinaus ist das Verhältnis zwischen Artikel 75 EA und Artikel 86 EA, der zu Kapitel 8 gehört, in Artikel 75 Absatz 3 EA unabhängig von jeder Bezugnahme auf diese Begriffe speziell geregelt.

43 Entgegen dem Vorbringen der Kommission steht auch Artikel 197 EA, der lediglich die Brennstoffe in verschiedenen aufeinanderfolgenden Zuständen definiert, der Einstufung des angereicherten Urans als durch einen Umwandlungsprozess geschaffenes Erzeugnis nicht entgegen.

44 Was die Urteile vom 22. April 1999 in der Rechtssache C-161/97 P (Kernkraftwerke Lippe-Ems/Kommission, Slg. 1999, I-2057) und des Gerichts vom 25. Februar 1997 in den Rechtssachen T-149/94 und T-181/94 (Kernkraftwerke Lippe-Ems/Kommission, Slg. 1997, II-161) angeht, auf die INB und die Kommission zur Begründung ihrer Auffassung, dass die zum Zweck der Anreicherung von Uran eingegangenen Verpflichtungen nicht unter Artikel 75 EA fallen, Bezug nehmen, so genügt die Feststellung, dass, wie aus Randnummer 2 des zuletzt genannten Urteils hervorgeht, diese Rechtssache keinen Vertrag zur Aufbereitung, Umwandlung oder Formung im Sinne von Artikel 75 EA betraf, sondern einen Vertrag über die Lieferung von Uran.

45 Wie schließlich der Generalanwalt in Nummer 57 seiner Schlussanträge bemerkt hat, folgt aus der Tatsache, dass die Urananreicherung eine Aufbereitung, Umwandlung oder Formung im Sinne von Artikel 75 EA darstellt, nicht, dass dieser Vorgang jeder Kontrolle entzogen wäre. Nach Artikel 75 Absatz 2 EA besteht nämlich in Bezug auf die unter diese Vorschrift fallenden Verpflichtungen eine Anzeigepflicht gegenüber der Agentur, und die Kommission kann den unter Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe b EA genannten Verpflichtungen widersprechen. Darüber hinaus unterliegen gemäß Artikel 75 Absatz 3 EA die Stoffe, die Gegenstand der in diesem Artikel genannten Verpflichtungen sind, jedenfalls in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten den in Kapitel 7 vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen.

46 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 75 Absatz 1 EA dahin auszulegen ist, dass die darin genannten Begriffe "Aufbereitung, Umwandlung oder Formung" auch die Anreicherung von Uran umfassen.

Zur zweiten Frage

47 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 196 Buchstabe b EA dahin auszulegen ist, dass ein Unternehmen ohne Sitz in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten "seine Tätigkeit ganz oder teilweise" im Sinne dieser Bestimmung in diesen Hoheitsgebieten ausübt, wenn es zu einem Unternehmen mit Sitz in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten eine Geschäftsbeziehung unterhält, die entweder die Anlieferung von Rohstoffen zur Herstellung von angereichertem Uran und den Bezug angereicherten Urans oder dessen Einlagerung zum Gegenstand hat.

48 Den Vorlagebeschlüssen ist zu entnehmen, dass das vorlegende Gericht mit dieser Frage wissen möchte, ob INB aufgrund ihrer Geschäftsbeziehung zu Urenco in Bezug auf die Urananreicherung und zu Siemens betreffend die Lagerung des angereicherten Urans als "Unternehmen" im Sinne von Artikel 196 Buchstabe b EA eingestuft werden kann. Diese Frage soll es dem Gericht erlauben, festzustellen, ob Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe a EA, der u. a. Verpflichtungen zwischen Unternehmen untereinander betrifft, oder Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA, der u. a. Verpflichtungen zwischen Unternehmen einerseits und Angehörigen eines dritten Staates andererseits betrifft, auf die oben genannten Verpflichtungen der INB anwendbar ist.

49 Unternehmen im Sinne von Artikel 196 Buchstabe b EA ist jedes Unternehmen oder jede Einrichtung, die ihre Tätigkeit ganz oder teilweise in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet ausübt, das in dem entsprechenden Kapitel des EAG-Vertrags bezeichnet ist.

50 Diese Voraussetzung ist dahin auszulegen, dass das Unternehmen seine eigene Tätigkeit im Nuklearbereich ganz oder teilweise in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten ausüben muss, da andernfalls Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA weitgehend seinen Sinn verlöre. Denn wenn ein Angehöriger eines dritten Staates schon aufgrund von Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmen mit Sitz in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten seine Tätigkeit in diesen Hoheitsgebieten ausüben würde mit der Folge, dass er ein Unternehmen im Sinne von Artikel 196 Buchstabe b EA wäre, brauchten die Verpflichtungen zwischen einem Unternehmen und einem Angehörigen eines dritten Staates nicht mehr durch Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA besonders geregelt zu werden, da ein solcher Fall bereits unter Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe a EA fiele.

51 Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Artikel 196 Buchstabe b EA dahin auszulegen ist, dass ein Unternehmen ohne Sitz in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten nicht im Sinne dieser Bestimmung seine Tätigkeit ganz oder teilweise in diesen Hoheitsgebieten ausübt, wenn es zu einem Unternehmen mit Sitz in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten eine Geschäftsbeziehung unterhält, die entweder die Anlieferung von Rohstoffen zur Herstellung von angereichertem Uran und den Bezug angereicherten Urans oder dessen Einlagerung zum Gegenstand hat.

Zur dritten Frage

52 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA die stoffliche Identität der zur Aufbereitung, Umwandlung oder Formung angelieferten und der danach zurückgelieferten Stoffe voraussetzt oder ob es genügt, wenn die ausgelieferten Stoffe den angelieferten Stoffen in Qualität und Menge entsprechen, auch wenn den ausgelieferten Stoffen gegebenenfalls keine angelieferten Stoffe zugeordnet werden können. Das Gericht möchte außerdem wissen, ob es der Anwendung von Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA entgegensteht, wenn das verarbeitende Unternehmen mit der Anlieferung der Rohstoffe das Eigentum hieran erwirbt und das angereicherte Uran deshalb nach der Verarbeitung an die andere Vertragspartei zurückübereignen muss.

53 Was den ersten Teil dieser Frage angeht, so geht aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen hervor, dass es in der Praxis nicht möglich ist, festzustellen, ob zwischen den zum Zweck der Anreicherung gelieferten Stoffen und den anschließend zurückgelieferten angereicherten Stoffen Identität besteht. Wie der Generalanwalt in Nummer 66 seiner Schlussanträge ausführt, wird im Übrigen der Grundsatz der Fungibilität, wonach nukleare Rohstoffe als austauschbar anzusehen sind, in der völkerrechtlichen Praxis zugelassen und in den Außenbeziehungen der Gemeinschaft anerkannt.

54 Bei sachdienlicher Auslegung setzt Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA daher nicht die stoffliche Identität der zur Aufbereitung, Umwandlung oder Formung angelieferten Stoffe und der danach zurückgelieferten Stoffe voraus. Diese Auslegung entspricht übrigens der Systematik und dem Zweck des Kapitels 6. Sofern nämlich die ausgelieferten Stoffe den angelieferten Stoffen in Qualität und Menge entsprechen, wird die Versorgung der in der Gemeinschaft ansässigen Benutzer mit Uran nicht berührt.

55 Zum zweiten Teil der Frage ist festzustellen, dass, wie UBS, TUEC und die Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, zutreffend bemerken, nach Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA die betreffenden Stoffe "in der Gemeinschaft aufbereitet, umgewandelt oder geformt und" an einen Empfänger, der seinen Sitz außerhalb der Gemeinschaft hat, "zurückgegeben werden", ohne dass für diese Vorgänge eine bestimmte Rechtsform vorgeschrieben ist. Diese Bestimmung gilt daher auch, wenn die betreffenden Vorgänge mit einer zweimaligen Übereignung verbunden sind, wodurch im Übrigen die Versorgung der in der Gemeinschaft ansässigen Benutzer mit Uran nicht berührt wird.

56 Deshalb ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA dahin auszulegen ist, dass er nicht die stoffliche Identität der zur Aufbereitung, Umwandlung oder Formung angelieferten und der danach zurückgelieferten Stoffe voraussetzt und es genügt, wenn die ausgelieferten Stoffe den angelieferten Stoffen in Qualität und Menge entsprechen, auch wenn den ausgelieferten Stoffen gegebenenfalls keine angelieferten Stoffe zugeordnet werden können. Außerdem steht es der Anwendung von Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA nicht entgegen, wenn das verarbeitende Unternehmen mit der Anlieferung der Rohstoffe das Eigentum hieran erwirbt und das angereicherte Uran deshalb nach der Verarbeitung an die andere Vertragspartei zurückübereignen muss.

Zur vierten Frage

57 Die vierte Frage des vorlegenden Gerichts ist auf die Folgen einer fehlenden Anzeige an die Agentur im Sinne von Artikel 75 Absatz 2 EA und die Möglichkeiten, dieses Fehlen zu heilen, gerichtet. Das Gericht führt aus, dass, soweit es dies anhand des Vorbringens der Parteien der Ausgangsverfahren überprüfen könne, der Vertrag zwischen INB und Urenco nicht angezeigt worden sei im Sinne von Artikel 75 Absatz 2 EA.

58 Wie der Generalanwalt in Nummer 69 seiner Schlussanträge feststellt, hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass eine solche Anzeige doch erfolgt ist. Infolgedessen ist eine Antwort auf die vierte Frage für die Entscheidung der Ausgangsverfahren nicht erforderlich.

Zu den Fragen fünf bis neun

59 Mit seinen Fragen fünf bis neun ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof - immer im Zusammenhang mit den Verpflichtungen der INB in Bezug auf die Urananreicherung - um Auslegung der Artikel 57 EA, 73 EA, 86 EA, 87 EA und 197 Nummer 1 EA.

60 Aus den Antworten auf die ersten drei Fragen ergibt sich jedoch, dass eine Antwort auf die Fragen fünf bis neun für die Entscheidung der Ausgangsverfahren nicht erforderlich ist.

61 Die Artikel 57 EA, 73 EA, 86 EA und 87 EA gehören nämlich zu den Kapiteln 6 bzw. 8. Dem Artikel 75 Absätze 1 und 3 ist aber zu entnehmen, dass die Bestimmungen dieser Kapitel nicht für Verpflichtungen gelten, die unter Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA fallen. Was Artikel 197 Nummer 1 EA angeht, der Gegenstand der achten Vorlagefrage ist, so geht aus den Vorlagebeschlüssen hervor, dass mit dieser Frage nur geklärt werden soll, ob Artikel 86 EA auf die Ausgangsverfahren anwendbar ist.

62 Folglich brauchen diese Fragen nicht beantwortet zu werden.

Zur zehnten Frage

63 Mit seiner zehnten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Unternehmen "einen Teil seiner Tätigkeit" im Sinne von Artikel 196 Buchstabe b EA in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten ausübt, wenn es dort lagerndes angereichertes Uran veräußert oder erwirbt.

64 Den Vorlagebeschlüssen ist zu entnehmen, dass das Gericht mit dieser Frage in Erfahrung bringen möchte, ob INB und die NEAG aufgrund ihrer Eigenschaft als Veräußerer bzw. Erwerber von in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten lagerndem angereichertem Uran als Unternehmen im Sinne von Artikel 196 Buchstabe b EA angesehen werden können.

65 Wie sich aus Randnummer 50 des vorliegenden Urteils ergibt, ist ein Unternehmen nur dann ein Unternehmen im Sinne von Artikel 196 Buchstabe b EA, wenn es seine eigene Tätigkeit im Nuklearbereich ganz oder teilweise in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten ausübt. Das ist bei einem Unternehmen, das sich darauf beschränkt, in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten lagerndes angereichertes Uran zu veräußern oder zu erwerben, nicht der Fall.

66 Daher ist auf die zehnte Frage zu antworten, dass Artikel 196 Buchstabe b EA dahin auszulegen ist, dass ein Unternehmen nicht einen Teil seiner Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten ausübt, wenn es dort lagerndes angereichertes Uran veräußert oder erwirbt.

Zur elften Frage

67 Mit seiner elften Frage, die sich auf die Verträge zwischen UBS und der NEAG sowie zwischen TUEC und NTC bezieht, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 73 EA auf Vereinbarungen anzuwenden ist, die im Gebiet der Gemeinschaft lagerndes angereichertes Uran zum Gegenstand haben und an denen ausschließlich Angehörige dritter Staaten beteiligt sind.

68 Hierzu ist festzustellen, dass Artikel 73 EA seinem Wortlaut nach für Abkommen und Vereinbarungen zwischen einem Mitgliedstaat, einer Person oder einem Unternehmen einerseits und einem dritten Staat, einer zwischenstaatlichen Einrichtung oder einem Angehörigen eines dritten Staates andererseits gilt, die auch die Lieferung von Erzeugnissen umfassen, die in die Zuständigkeit der Agentur fallen. Folglich ist er nicht auf zwischen Angehörigen dritter Staaten geschlossene Abkommen anwendbar, Abkommen, die im Übrigen das Ziel der Versorgungssicherheit der Gemeinschaft nicht beeinträchtigen können.

69 Daher ist auf die elfte Frage zu antworten, dass Artikel 73 EA dahin auszulegen ist, dass er nicht auf Vereinbarungen anzuwenden ist, die im Gebiet der Gemeinschaft lagerndes angereichertes Uran zum Gegenstand haben und an denen ausschließlich Angehörige dritter Staaten beteiligt sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

70 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1. Artikel 75 Absatz 1 EA ist dahin auszulegen, dass die darin genannten Begriffe "Aufbereitung, Umwandlung oder Formung" auch die Anreicherung von Uran umfassen.

2. Artikel 196 Buchstabe b EA ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmen ohne Sitz in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten nicht im Sinne dieser Bestimmung seine Tätigkeit ganz oder teilweise in diesen Hoheitsgebieten ausübt, wenn es zu einem Unternehmen mit Sitz in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten eine Geschäftsbeziehung unterhält, die entweder die Anlieferung von Rohstoffen zur Herstellung von angereichertem Uran und den Bezug angereicherten Urans oder dessen Einlagerung zum Gegenstand hat.

3. Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA ist dahin auszulegen, dass er nicht die stoffliche Identität der zur Aufbereitung, Umwandlung oder Formung angelieferten und der danach zurückgelieferten Stoffe voraussetzt und es genügt, wenn die ausgelieferten Stoffe den angelieferten Stoffen in Qualität und Menge entsprechen, auch wenn den ausgelieferten Stoffen gegebenenfalls keine angelieferten Stoffe zugeordnet werden können. Außerdem steht es der Anwendung von Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA nicht entgegen, wenn das verarbeitende Unternehmen mit der Anlieferung der Rohstoffe das Eigentum hieran erwirbt und das angereicherte Uran deshalb nach der Verarbeitung an die andere Vertragspartei zurückübereignen muss.

4. Artikel 196 Buchstabe b EA ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmen nicht einen Teil seiner Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten ausübt, wenn es dort lagerndes angereichertes Uran veräußert oder erwirbt.

5. Artikel 73 EA ist dahin auszulegen, dass er nicht auf Vereinbarungen anzuwenden ist, die im Gebiet der Gemeinschaft lagerndes angereichertes Uran zum Gegenstand haben und an denen ausschließlich Angehörige dritter Staaten beteiligt sind.

Ende der Entscheidung

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