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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 08.03.1993
Aktenzeichen: C-123/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 1697/79 des Rates vom 24.07.1979


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2
EWG-Vertrag Art. 190
Verordnung Nr. 1697/79 des Rates vom 24.07.1979 Art. 5 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Gegenstand einer nach Artikel 173 EWG-Vertrag gegen eine Entscheidung erhobenen Klage ist die Nichtigerklärung der Entscheidung; diese ist das einzige Ergebnis, das der Kläger erreichen kann. Erlässt der Beklagte während des Verfahrens eine Entscheidung, die die angefochtene Entscheidung ändert und deren Aufhebung gleichkommt, so gibt es für den Gerichtshof keinen Entscheidungsstoff mehr, die Klage ist gegenstandslos geworden, und der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt. Insoweit ist es ohne Bedeutung, wenn die Begründung der neuen Entscheidung den Kläger nicht zufriedenstellt, weil sie sich nicht mit den Klagegründen deckt.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 8. MAERZ 1993. - LEZZI PIETRO E C. SRL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ERLEDIGUNG DER HAUPTSACHE. - RECHTSSACHE C-123/92.

Entscheidungsgründe:

1 Die Gesellschaft italienischen Rechts Lezzi Pietro & C. Srl (im folgenden: Klägerin) hat mit Klageschrift, die am 16. April 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung REC 4/91 der Kommission vom 24. Oktober 1991, mit der festgestellt wird, daß es in einem bestimmten Fall gerechtfertigt ist, Eingangsabgaben nachzuerheben.

2 Aus dieser an die Italienische Republik gerichteten Entscheidung geht hervor, daß die Klägerin am 3. Februar 1988 Zwiebeln der Familie der Liliaceae der Art "muscari comosum" mit Ursprung in Marokko in den freien Verkehr überführte, wobei sie diese in den Code der Kombinierten Nomenklatur (im folgenden: KN-Code) 0703, für den ein Zollsatz von 12 % galt, anstelle des KN-Codes 0709 einreihte, für den ein Zollsatz von 16 % galt, und daß diese Einreihung von den italienischen Zollbehörden in Anwendung des nationalen Gebrauchszolltarifs akzeptiert wurde, der eine irrige Angabe über die betroffenen Erzeugnisse enthielt, die ihrerseits von einer irrigen Angabe im Integrierten Tarif der Gemeinschaft (Taric) herrührte.

3 In der streitigen Entscheidung, die gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1), erlassen wurde, führte die Kommission aus, der der italienischen Verwaltung unterlaufene Irrtum hätte vom Importeur erkannt werden können; folglich seien die Eingangsabgaben, die nicht gezahlt worden seien und die sich auf 1 496 ECU beliefen, nachzuerheben, zum einen weil die Zwiebeln der Familie der Liliaceae der Art "muscari comosum" in den Code 0709 der Kombinierten Nomenklatur in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 7. September 1987 (L 256, S. 1) ordnungsgemäß veröffentlicht worden sei, hätten eingereiht werden müssen und zum anderen weil die im Taric enthaltenen Angaben noch vor Inkrafttreten dieser Kombinierten Nomenklatur am 1. Januar 1988 fehlerfrei vorgelegt worden seien.

4 Die Klägerin bringt folgende drei Klagegründe vor: Erstens beruhe die streitige Entscheidung auf der "irrigen Annahme", die fraglichen Erzeugnisse seien zu Unrecht in den KN-Code 0703 eingereiht worden, zweitens verstosse sie gegen Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 und drittens liege ein Verstoß gegen Artikel 190 EWG-Vertrag vor.

5 In ihrer Klagebeantwortung vertritt die Kommission die Auffassung, das Vorbringen der Klägerin entbehre jeder Grundlage. Sie hat den Gerichtshof im übrigen davon in Kenntnis gesetzt, daß sie die streitige Entscheidung durch Entscheidung vom 28. September 1992 dahin geändert habe, daß die fraglichen Eingangsabgaben nicht mehr nachzuerheben seien. Laut den Begründungserwägungen dieser Entscheidung hat sich herausgestellt, daß die zolltarifliche Lage auf der Grundlage der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Angaben nicht klar war und daß daher nicht angenommen werden konnte, der den italienischen Behörden unterlaufene Irrtum hätte von dem Importeur zu dem Zeitpunkt erkannt werden können, zu dem die Waren zur Überführung in den freien Verkehr angemeldet wurden. Angesichts dessen geht die Kommission davon aus, daß der Rechtsstreit gegenstandslos geworden ist; sie hat daher beantragt, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären und die Kosten gegeneinander aufzuheben.

6 Darauf hat die Klägerin in ihrer Erwiderung entgegnet, selbst wenn sie die von ihr angeforderten Abgaben nicht mehr bezahlen müsse, sei nicht ausgeschlossen, daß es mit den italienischen Zollbehörden Schwierigkeiten im Hinblick auf Zinsen und Sanktionen wegen der unrichtigen Anmeldung geben könne. Sie stellt daher den Hauptantrag, über den ersten von ihr angeführten Klagegrund zu entscheiden, mit dem geltend gemacht wird, daß die angefochtene Entscheidung auf der "irrigen Annahme" beruhe, die fraglichen Erzeugnisse seien zu Unrecht in den KN-Code 0703 eingereiht worden. Für den Fall, daß der Gerichtshof die Hauptsache für erledigt erklärt, beantragt sie hilfsweise, der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

7 Die Kommission bewertet die Haltung der Klägerin als dilatorisch und mutwillig und beantragt daher in ihrer Gegenerwiderung, die bis zur Zustellung der Klagebeantwortung entstandenen Kosten gegeneinander aufzuheben, die danach entstandenen Kosten hingegen der Klägerin aufzuerlegen.

8 Es ist festzustellen, daß die Klägerin mit ihrer Klageschrift die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 24. Oktober 1991 beantragt hat, deren Tenor bestimmt, daß die fraglichen Eingangsabgaben nachzuerheben sind. Diese Entscheidung wurde indessen durch die Entscheidung der Kommission vom 28. September 1992 "geändert", deren Tenor zufolge die Entscheidung der Kommission vom 24. Oktober 1991 dahin geändert wird, daß die fraglichen Abgaben "nicht nachzuerheben sind". Es ist nicht bestritten, daß diese Änderung einer Aufhebung der vorherigen Entscheidung gleichkommt, wie in der Überschrift der Entscheidung vom 28. September 1992 unzweideutig zum Ausdruck kommt.

9 Zwar ist in der neuen Entscheidung der Teil der Begründung, nach dem das fragliche Erzeugnis dem KN-Code 0709 zuzuordnen ist, unverändert geblieben, und die Klägerin könnte ° namentlich im Hinblick auf künftige Einfuhren ° ein Interesse an der Herbeiführung der Entscheidung gehabt haben, daß das fragliche Erzeugnis dem KN-Code 0703 und nicht dem KN-Code 0709 zuzuordnen ist. Gleichwohl ist festzustellen, daß Gegenstand der Klage die Nichtigerklärung der Entscheidung vom 24. Oktober 1991 ist und daß diese Entscheidung nicht mehr besteht.

10 Im übrigen hat die Klägerin mit der Aufhebung dieser Entscheidung das einzige Ergebnis erzielt, das sie mit ihrer Klage hätte erreichen können; infolgedessen gibt es für den Gerichtshof keinen Entscheidungsstoff mehr. Der Gerichtshof kann nämlich im Rahmen einer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag nur die Handlung für nichtig erklären, die Gegenstand der Klage ist. Was mögliche Schwierigkeiten in bezug auf Zinsen und Sanktionen angeht, betreffen diese ausschließlich die Beziehungen zwischen der Klägerin und den italienischen Zollbehörden; über sie haben daher die nationalen Gerichte zu entscheiden, die den Gerichtshof gegebenenfalls nach Artikel 177 EWG-Vertrag anrufen können.

11 Nach alledem ist die Klage gegenstandslos geworden, und der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

Kostenentscheidung:

Kosten

12 Erklärt der Gerichtshof die Hauptsache für erledigt, so entscheidet er gemäß Artikel 69 § 6 der Verfahrensordnung über die Kosten nach freiem Ermessen.

13 Es ist erstens festzustellen, daß die Entscheidung der Kommission vom 28. September 1992, mit der ihre vorherige Entscheidung vom 24. Oktober 1991 aufgehoben wurde, nach Erhebung der Klage erlassen worden ist.

14 Zweitens ergibt sich aus den Begründungserwägungen der Entscheidung vom 28. September 1992, daß die Entscheidung der Kommission, die angegriffene Entscheidung aufzuheben und zu ersetzen, auf der Grundlage einer Würdigung der Tatsachen getroffen wurde, die von jener abweicht, die sie ursprünglich zu der Ansicht veranlasst hatte, daß der der italienischen Verwaltung unterlaufene Irrtum für den Importeur erkennbar gewesen sei.

15 Angesichts dieser Umstände sind sämtliche Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

1) Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2) Die Kommission trägt die Kosten.

Luxemburg, den 8. März 1993

Ende der Entscheidung

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