Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.10.1994
Aktenzeichen: C-133/93
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 1114/88, Verordnungen Nr. 1331/90, Verordnung Nr. 1738/91


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 39
EWG-Vertrag Art. 40 Abs. 3
EWG-Vertrag Art. 177
Verordnung Nr. 1114/88
Verordnungen Nr. 1331/90
Verordnung Nr. 1738/91
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Sofern sich aus dem Vorlagebeschluß eindeutig ergibt, welche Zweifel das nationale Gericht an der Gültigkeit einer Verordnung hat, und der Beschluß in einem rechtlichen und tatsächlichen Rahmen steht, der aufgrund eines vom selben Gericht vorgelegten und denselben Erzeuger betreffenden früheren Vorabentscheidungsersuchens zum grossen Teil bereits bekannt ist, wird den Beteiligten und insbesondere dem Organ, das die fragliche Verordnung erlassen hat, durch die knappe Form des Vorlagebeschlusses nicht die Möglichkeit genommen, in sachgerechter Weise zur Beantwortung der Vorlagefrage Stellung zu nehmen. Somit wäre eine Zurückweisung des Vorabentscheidungsersuchens als unzulässig mit dem Geist des Zusammenwirkens, in dem das Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen ist, nicht zu vereinbaren.

2. Bei der Verfolgung der in Artikel 39 EWG-Vertrag genannten Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik müssen die Gemeinschaftsorgane ständig jenen Ausgleich sicherstellen, den etwaige Widersprüche zwischen diesen Zielen, wenn sie isoliert betrachtet werden, erforderlich machen können, und gegebenenfalls dem einen oder anderen unter ihnen zeitweiligen Vorrang einräumen, sofern die wirtschaftlichen Gegebenheiten und Umstände, die den Gegenstand ihrer Beschlußfassung bilden, dies gebieten. Dieser Ausgleich lässt es nicht zu, eines dieser Ziele in einer Weise isoliert zu verfolgen, die die Verwirklichung anderer Ziele unmöglich machen würde.

Somit kann die Verordnung Nr. 1114/88 zur Änderung der Verordnung Nr. 727/70 zur Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak nicht als mit den Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik unvereinbar angesehen werden. Zum einen wird nämlich durch Einführung einer Hoechstgarantiemengenregelung, die die Stabilisierung des durch eine Überproduktion gekennzeichneten Tabakmarktes bezweckt, eines dieser Ziele verfolgt, und zum anderen wäre die Bevorzugung eines anderen dieser Ziele ° die Erreichung einer angemessenen Lebenshaltung der Erzeuger und Verarbeiter von Tabak, insbesondere durch Erhöhung ihres Pro-Kopf-Einkommens ° mit dem erheblichen Risiko verbunden gewesen, daß die Stabilisierung des durch Überschüsse gekennzeichneten Marktes unmöglich gemacht würde.

3. Bei der gerichtlichen Nachprüfung, ob das Handeln des Gemeinschaftsgesetzgebers im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit steht, ist der Ermessensspielraum zu berücksichtigen, über den dieser in diesem Bereich verfügt und der seiner politischen Verantwortung, die ihm die Artikel 40 und 43 EWG-Vertrag übertragen, entspricht. Folglich kann die Rechtmässigkeit einer erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist, zumal die Rechtmässigkeit einer Gemeinschaftshandlung nicht von rückschauenden Betrachtungen über ihren Wirkungsgrad abhängen kann. Ist der Gemeinschaftsgesetzgeber für den Erlaß einer Regelung genötigt, die künftigen Auswirkungen dieser Regelung zu beurteilen, und lassen sich diese Auswirkungen nicht genau vorhersehen, so kann seine Beurteilung nur dann beanstandet werden, wenn sie im Hinblick auf die Erkenntnisse, über die er im Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, offensichtlich irrig erscheint.

Ein solcher offensichtlicher Beurteilungsfehler kann nicht darin gesehen werden, daß der Rat im Rohtabaksektor durch die Verordnung Nr. 1114/88 ein System garantierter Hoechstmengen einführte, deren Überschreitung zu einer für alle Erzeuger geltenden begrenzten Kürzung der Interventionspreise führte, das sich als nicht wirksam genug erwies und später durch ein System individueller Quoten ersetzt wurde, nach dem ein Erzeuger, der seine Quote überschritt, für seine überschießende Erzeugung keine Unterstützung erhält. Indem er zunächst eine Maßnahme wählte, die ihm nicht als zu weitgehende Beschränkung erschien und im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht offensichtlich ungeeignet war, entsprach der Rat dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit und gleichzeitig dem sich aus Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe b EWG-Vertrag ergebenden Gebot, die geeigneten Anpassungen stufenweise durchzuführen.

4. Das Diskriminierungsverbot steht einer Gemeinschaftsregelung, wie sie im Rohtabaksektor mit der Verordnung Nr. 1114/88 eingeführt wurde, nicht entgegen, mit der für den gesamten Markt der Gemeinschaft ein System von Garantieschwellen geschaffen wurde, in dem die Kürzung einer Produktionsbeihilfe für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer aller Mitgliedstaaten vorgesehen war, auch wenn die Überschreitung dieser Schwellen nicht auf einer Erhöhung der Produktion in allen Mitgliedstaaten beruhte. Im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation, die keine nationalen Quoten kennt, haben nämlich alle Gemeinschaftserzeuger unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie ansässig sind, solidarisch und in gleicher Weise die Folgen der Entscheidungen zu tragen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zu treffen haben, um der Gefahr eines Ungleichgewichts zwischen der Erzeugung und den Absatzmöglichkeiten zu begegnen, das auf dem Markt auftreten kann.

5. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gehört zwar zu den tragenden Grundsätzen der Gemeinschaft, jedoch dürfen die Wirtschaftsteilnehmer nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können. Dies gilt insbesondere auf einem Gebiet wie dem der gemeinsamen Marktorganisationen, deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt. Daraus folgt, daß sich die Wirtschaftsteilnehmer nicht auf ein wohlerworbenes Recht auf Beibehaltung eines Vorteils berufen können, der sich für sie aus der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation ergibt und der ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt zugute gekommen ist. In einer etwaigen Verringerung ihres Einkommens kann deshalb keine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes liegen.

6. Der Umstand, daß im Rahmen der Regelung der Hoechstgarantiemengen für den Rohtabaksektor die die Sorte Burley I betreffende Hoechstgarantiemenge für die Ernte 1991 durch die Verordnung Nr. 1738/91 festgesetzt wurde, die zu einer Zeit veröffentlicht wurde, zu der die Erzeuger ihre Entscheidung über die Bodennutzung bereits getroffen hatten, stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes dar, da die Verordnung Nr. 1738/91 die Hoechstgarantiemenge für die betreffende Sorte, die für dieses Jahr vorher ° und im Hinblick auf den Bodennutzungszeitplan rechtzeitig ° durch die Verordnung Nr. 1331/90 festgesetzt worden war, nicht änderte.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 5. OKTOBER 1994. - ANTONIO CRISPOLTONI GEGEN FATTORIA AUTONOMA TABACCHI UND GIUSEPPE NATALE UND ANTONIO PONTILLO GEGEN DONATAB SRL. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: PRETURA CIRCONDARIALE DI PERUGIA UND PRETURA CIRCONDARIALE DE CASERTA - ITALIEN. - GEMEINSAME MARKTORGANISATION - ROHTABAK - REGELUNG DER HOECHSTGARANTIEMENGEN - GUELTIGKEIT DER VERORDNUNGEN (EWG) NRN. 1114/88 UND 1738/91. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-133/93, C-300/93 UND C-362/93.

Entscheidungsgründe:

1 Die Pretura circondariale Perugia (Italien) hat mit Beschluß vom 18. März 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 31. März 1993 (Rechtssache C-133/93), gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1114/88 des Rates vom 25. April 1988 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 727/70 zur Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak (ABl. L 110, S. 35) und der Verordnungen zu ihrer Durchführung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Die Pretura circondariale Caserta (Italien) hat mit Beschlüssen vom 28. April 1993 und 14. Mai 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Mai 1993 (Rechtssache C-300/93) und am 22. Juli 1993 (Rechtssache C-362/93), gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1738/91 des Rates vom 13. Juni 1991 zur Festsetzung der für die Ernte 1991 geltenden Zielpreise, der Interventionspreise und der Käufern von Tabakblättern gewährten Prämien sowie der abgeleiteten Interventionspreise für Tabakballen, der Bezugsqualitäten, der Anbaugebiete sowie der Hoechstgarantiemengen und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1331/90 (ABl. L 163, S. 13) und der Verordnungen zu ihrer Durchführung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

3 Die Ausgangsrechtsstreitigkeiten betreffen die Rückforderung eines Teils der den Klägern der Ausgangsverfahren nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 727/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak (ABl. L 94, S. 1) im voraus gezahlten Prämie, nachdem die Kommission festgestellt hatte, daß die Hoechstgarantiemenge für Tabakblätter der Sorten Bright (Rechtssache C-133/93) und Burley I (Rechtssachen C-300/93 und C-362/93) für die Ernte 1991 überschritten worden sei.

4 Die Verordnung Nr. 727/70 sah eine auf Ziel- und Interventionspreisen beruhende Stützungsregelung vor; diese für Tabakblätter aus der Gemeinschaft geltenden Preise wurden vom Rat jährlich für die Ernte des folgenden Kalenderjahres festgesetzt. Die Erzeuger konnten ihre Erzeugnisse entweder an die Interventionsstellen veräussern, die zum Ankauf zum Interventionspreis verpflichtet waren, oder auf dem Markt verkaufen.

5 Um Käufe unmittelbar von den Erzeugern zu einem möglichst dicht am Zielpreis liegenden Preis zu fördern, sah Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung vor, daß Personen, die Tabakblätter unmittelbar von Erzeugern der Gemeinschaft kauften und den Tabak der ersten Bearbeitung und Aufbereitung unterzogen, unter bestimmten Voraussetzungen eine Prämie erhielten. Artikel 3 Absatz 2 erkannte den Anspruch auf die Prämie auch den Erzeugern zu, die die von ihnen erzeugten Tabakblätter selbst der ersten Bearbeitung und Aufbereitung unterzogen.

6 Um jede Erhöhung der Tabakerzeugung der Gemeinschaft einzudämmen und gleichzeitig die Erzeugung von Sorten einzuschränken, bei denen Absatzschwierigkeiten bestanden, wurde Artikel 4 der Verordnung Nr. 727/70 durch die genannte Verordnung Nr. 1114/88 folgender Absatz 5 angefügt:

"(5) Der Rat setzt jedes Jahr nach dem Verfahren des Artikels 43 Absatz 2 des Vertrages für jede Tabaksorte oder Sortengruppe der Gemeinschaftserzeugung, für welche Preise und Prämien gelten, nach Maßgabe insbesondere der Marktbedingungen und der sozioökonomischen und agronomischen Lage der betreffenden Regionen eine Hoechstgarantiemenge fest. Diese Hoechstmenge für die Gemeinschaft beträgt für die Ernten 1988, 1989 und 1990 jeweils 385 000 Tonnen Tabakblätter.

Unbeschadet der Artikel 12a und 13 entspricht jeder Überschreitung der Hoechstgarantiemenge für eine Sorte oder Sortengruppe um 1 % eine Kürzung der Interventionspreise sowie der entsprechenden Prämien um 1 %. Für den Zielpreis der betreffenden Ernte wird eine der Kürzung der Prämie entsprechende Berichtigung vorgenommen.

Die Kürzungen nach Unterabsatz 2 dürfen 5 % bezueglich der Ernte 1988 und 15 % bezueglich der Ernten 1989 und 1990 nicht überschreiten.

Zur Anwendung dieses Absatzes stellt die Kommission vor dem 31. Juli fest, ob die Erzeugung bei einer Sorte oder Sortengruppe die Hoechstgarantiemenge überschreitet.

..."

7 Unterabsatz 1 dieses Absatzes 5 hatte nach der Änderung durch die Verordnung (EWG) Nr. 1329/90 des Rates vom 14. Mai 1990 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 727/70 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak (ABl. L 132, S. 25) folgenden Wortlaut:

"Der Rat setzt jedes Jahr nach dem Verfahren des Artikel 43 Absatz 2 des Vertrages für jede Tabaksorte oder Sortengruppe der Gemeinschaftserzeugung, für welche Preise und Prämien gelten, nach Maßgabe insbesondere der Marktbedingungen und der sozioökonomischen und agronomischen Lage der betreffenden Regionen eine Hoechstgarantiemenge für die Ernte des folgenden Jahres fest. Er setzt diese garantierte Hoechstmenge für die Ernten 1989 und 1990 gleichzeitig fest. Die garantierte Gesamthöchstmenge für die Gemeinschaft beträgt für die Ernten 1988 bis 1993 jeweils 385 000 Tonnen Tabakblätter."

8 Mit der Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Rohtabak (ABl. L 215, S. 70) wurde die bis dahin geltende Gemeinschaftsregelung für diesen Markt grundlegend geändert; dabei wurde die Hoechstgarantiemengenregelung durch eine in Artikel 9 dieser Verordnung enthaltene Verarbeitungsquotenregelung ersetzt; diese Quoten waren durch die Mitgliedstaaten für die Ernten 1993 und 1994 vorübergehend an die Erstbearbeitungsunternehmen oder, sofern sie über die erforderlichen Angaben verfügten, unmittelbar an die Erzeuger zu verteilen.

Rechtssache C-133/93

9 Der Kläger Crispoltoni ist Tabakpflanzer in Lerchi (Provinz Perugia). Er hatte eine bestimmte Menge Tabakblätter der Sorte Bright aus der Ernte 1991 an die Fattoria Autonoma Tabacchi di Città di Castello (eine Erzeugervereinigung, der er angehört und die die erste Bearbeitung und Aufbereitung von Tabakblättern vornimmt, im folgenden: Fattoria) geliefert.

10 Nachdem die Kommission in der Verordnung (EWG) Nr. 2178/92 der Kommission vom 30. Juli 1992 zur Feststellung der tatsächlichen Erzeugung und zur Festsetzung der in Anwendung der Regelung der Hoechstgarantiemengen zu zahlenden Preise und Prämien für Tabak der Ernte 1991 (ABl. L 217, S. 75) festgestellt hatte, daß die Hoechstgarantiemenge für die genannte Sorte für die Ernte 1991 überschritten worden sei, forderte die Fattoria später die Rückzahlung eines Betrags, der einer Kürzung der dem Kläger nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 727/70 gezahlten Prämien um 15 % entsprach.

11 Vor der Pretura circondariale Perugia macht der Kläger geltend, die Forderung werde zu Unrecht erhoben, da die Verordnung Nr. 1114/88 nichtig sei.

12 Das vorlegende Gericht führt aus, wenn es auch Sinn und Zweck der Regelung der Hoechstgarantiemengen sei, die sich aus den Interventionsmaßnahmen ergebenden finanziellen Belastungen durch eine Begrenzung der Tabakerzeugung zu verringern, so habe diese Regelung, so wie sie sich im vorliegenden Fall darstelle, doch einen Eingriff in nach dem Gemeinschaftsrecht schutzwürdige Rechtspositionen derjenigen Wirtschaftsteilnehmer zur Folge, die für den Überschuß der Tabakerzeugung nicht verantwortlich seien. Nur durch die Festsetzung individueller Quoten sei zu erreichen, daß allein diejenigen mit einer Sanktion belegt würden, die für die überschüssige Erzeugung verantwortlich seien.

13 Somit habe der Rat, da die Hoechstgarantiemengenregelung zur Erreichung des verfolgten Zieles nicht geeignet sei, seine Befugnisse durch einen Ermessensmißbrauch überschritten.

14 Die Pretura circondariale Perugia hat das Verfahren daher ausgesetzt und den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung über die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1114/88 und der Verordnungen zu ihrer Durchführung ersucht.

Zur Zulässigkeit

15 Der Rat führt aus, im Vorlagebeschluß werde weder erläutert, welches Erntejahr im Ausgangsrechtsstreit in Frage stehe, noch, um welche Tabaksorte es sich handele; es werde nicht einmal dargelegt, ob der Rechtsstreit die Gewährung der Prämie betreffe oder nicht.

16 Unter diesen Umständen sei über die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage nicht zu entscheiden, denn entgegen seiner Pflicht zum Zusammenwirken mit dem Gerichtshof, die zur Grundlage des durch Artikel 177 EWG-Vertrag geschaffenen Verfahrens gehöre, habe das vorlegende Gericht keinerlei Angaben zu dem tatsächlichen Rahmen gemacht, in den sich die Vorlagefrage einfüge.

17 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

18 Es genügt insoweit der Hinweis, daß sich aus dem Vorlagebeschluß eindeutig ergibt, welche Zweifel das nationale Gericht an der Gültigkeit der Verordnung Nr. 1114/88 hat, und daß der rechtliche und tatsächliche Rahmen, in dem der Beschluß steht, aufgrund eines vom selben Gericht vorgelegten und denselben Erzeuger betreffenden früheren Vorabentscheidungsersuchens (Urteil vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-368/89, Crispoltoni, Slg. 1991, I-3695) zum grossen Teil bereits bekannt ist.

19 Demnach war den Beteiligten und insbesondere dem Rat durch die knappe Form des Vorlagebeschlusses nicht die Möglichkeit genommen, in sachgerechter Weise zur Beantwortung der Vorlagefrage Stellung zu nehmen.

20 Somit wäre eine ° im vorliegenden Fall durch nichts gerechtfertigte ° Zurückweisung des Vorabentscheidungsersuchens als unzulässig mit dem Geist des Zusammenwirkens, in dem das Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen ist, nicht zu vereinbaren.

Zur Begründetheit

21 Der Kläger macht geltend, die Verordnung Nr. 1114/88 (im folgenden: Verordnung) sei wegen Ermessensmißbrauchs nichtig. Die griechische Regierung teilt diese Auffassung und trägt ausserdem vor, die Verordnung verstosse gegen den Gleichheitssatz und gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die italienische Regierung schließlich ist der Meinung, die Verordnung laufe dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zuwider.

22 Der Rat und die Kommission treten diesem Vorbringen entgegen.

A ° Zum behaupteten Ermessensmißbrauch

23 Der Kläger führt vorab aus, ein Ermessensmißbrauch liege hauptsächlich in zwei Fällen vor, nämlich zum einen dann, wenn der Urheber der streitigen Maßnahme ein anderes Ziel verfolgt habe, als er rechtmässigerweise hätte verfolgen dürfen, und zum anderen, was im vorliegenden Fall gegeben sei, bei der offensichtlichen Ungeeignetheit der Maßnahme im Hinblick auf das verfolgte Ziel.

24 Er beanstande weder das Ziel, die Tabakerzeugung zu begrenzen, noch den Mechanismus der Prämienkürzung bei Überschreitung der Hoechstgarantiemengen, sondern vielmehr den Umstand, daß das System unvollständig sei, weil es nicht die Festsetzung individueller Erzeugungsquoten vorsehe. Die Überschreitung der Hoechstgarantiemengen ziehe nämlich eine ° in der Kürzung der Preise und Prämien liegende ° Bestrafung nach sich, die alle Erzeuger treffe, darunter auch jene, die ihre Erzeugung nicht erhöht hätten; diese Bestrafung trete zudem zu einem Zeitpunkt ein, zu dem die die Erzeugung betreffenden Entscheidungen bereits gefallen seien.

25 Im übrigen sei durch die vor kurzem mit der Verordnung Nr. 2075/92 durchgeführte Reform der Vorschriften über den Tabaksektor eben ein solches System individueller Quoten geschaffen worden.

26 Auch die griechische Regierung ist der Ansicht, die streitige Regelung sei mit rechtlichen Mängeln behaftet, die als Ermessensmißbrauch einzustufen seien. Die in der Verordnung genannten Ziele, die Erhöhung der Erzeugung einzudämmen und diese auf Sorten auszurichten, bei denen keine Absatzschwierigkeiten bestuenden, dürften nicht, wie im vorliegenden Fall, in einer Weise verfolgt werden, die sich als Beeinträchtigung des in Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b EWG-Vertrag formulierten grundlegenden Ziels der gemeinsamen Agrarpolitik, der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten, und des in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag enthaltenen Diskriminierungsverbots auswirke.

27 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist eine Rechtshandlung nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (vgl. insbesondere Urteil vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4023, Randnr. 24).

28 Nach der ersten Begründungserwägung der Verordnung wird mit der Hoechstgarantiemengenregelung bezweckt, jede Erhöhung der Tabakerzeugung der Gemeinschaft einzudämmen und gleichzeitig die Erzeugung von Sorten einzuschränken, bei denen Absatzschwierigkeiten bestehen. In der zweiten Begründungserwägung heisst es ergänzend, mit der Verordnung solle die Ausrichtung auf die gefragtesten Qualitäten fortgesetzt und den sozioökonomischen und regionalen Besonderheiten der Tabakerzeugung Rechnung getragen werden.

29 Es ist indessen nicht behauptet worden, mit der Hoechstgarantiemengenregelung seien andere Ziele verfolgt worden als die, für die sie der Rat vorgesehen hat und die in den Begründungserwägungen der Verordnung wiedergegeben sind.

30 Die von der griechischen Regierung vertretene Auffassung, die Verordnung sei mit den Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik gemäß Artikel 39 EWG-Vertrag unvereinbar, ist nicht begründet.

31 Die Gemeinschaftsorgane verfügen nämlich mit Rücksicht auf die Verantwortung, die ihnen der EWG-Vertrag in der gemeinsamen Agrarpolitik zuweist, in diesem Bereich über ein weites Ermessen (vgl. z. B. Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 32).

32 Bei der Verfolgung der in Artikel 39 EWG-Vertrag genannten Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik müssen die Gemeinschaftsorgane ständig jenen Ausgleich sicherstellen, den etwaige Widersprüche zwischen diesen Zielen, wenn sie isoliert betrachtet werden, erforderlich machen können, und gegebenenfalls dem einen oder anderen unter ihnen zeitweiligen Vorrang einräumen, sofern die wirtschaftlichen Gegebenheiten und Umstände, die den Gegenstand ihrer Beschlußfassung bilden, dies gebieten (vgl. z. B. Urteil vom 24. Oktober 1973 in der Rechtssache 5/73, Balkan, Slg. 1973, 1091, Randnr. 24). Dieser Ausgleich lässt es nicht zu, eines dieser Ziele in einer Weise isoliert zu verfolgen, die die Verwirklichung anderer Ziele unmöglich machen würde (vgl. insbesondere Urteil vom 17. Dezember 1981 in den verbundenen Rechtssachen 197/80, 198/80, 199/80, 200/80, 243/80, 245/80 und 247/80, Ludwigshafener Walzmühle u. a./Rat und Kommission, Slg. 1981, 3211, Randnr. 41).

33 Wie sich aus der ersten Begründungserwägung der Verordnung ergibt, wurde mit der Einführung der Hoechstgarantiemengenregelung jedoch im Einklang mit einem der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik nach Artikel 39 EWG-Vertrag die Stabilisierung des durch eine Überproduktion gekennzeichneten Tabakmarktes bezweckt.

34 Hinzu kommt, daß die Verfolgung allein des Ziels, den Erzeugern und Verarbeitern von Rohtabak, insbesondere durch Erhöhung ihres Pro-Kopf-Einkommens, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten, bei einem durch Erzeugungsüberschüsse gekennzeichneten Markt mit dem erheblichen Risiko verbunden wäre, daß die Erreichung des genannten Ziels der Marktstabilisierung unmöglich gemacht würde.

35 Der Argumentation des Klägers liegt die Annahme zugrunde, ein Ermessensmißbrauch könne auch in der offensichtlichen Ungeeignetheit einer Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels bestehen; dieser Gesichtspunkt der Geeignetheit wird im folgenden unter B erörtert.

36 Demnach ist festzustellen, daß der behauptete Ermessensmißbrauch nicht nachgewiesen ist.

B ° Zum behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit

37 Der Kläger und die italienische Regierung sind der Ansicht, die Hoechstgarantiemengenregelung sei zur Erreichung des verfolgten Ziels ungeeignet gewesen, was im übrigen durch die mit der Verordnung Nr. 2075/92 durchgeführte Reform bestätigt werde.

38 Sie machen in diesem Zusammenhang geltend, die durch die Verordnung geschaffene Regelung habe die Einhaltung der Hoechstgarantiemenge in Wirklichkeit für keine einzige Ernte gewährleistet, und in der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2075/92 werde im übrigen ausdrücklich gesagt, daß es, um "die Einhaltung der Garantieschwellen zu gewährleisten", erforderlich sei, ein System der individuellen Quoten einzuführen.

39 Die italienische Regierung führt aus, die streitige Gemeinschaftsregelung habe eine undifferenzierte und pauschale Kürzung der Prämie für alle Berechtigten erlaubt, ohne daß deren individuelles, unter Umständen nicht vorwerfbares Verhalten berücksichtigt worden sei; eine solche Kürzung sei damit auch für die Erzeuger zulässig gewesen, die ihre Erzeugung im Vergleich zu den Vorjahren nicht erhöht hätten. Eine derartige Regelung, die zu einem gewissen Verlust der Verantwortung von Erzeugern und Verarbeitern führe, verstosse gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

40 Vor der Prüfung der Begründetheit dieses Vorbringens ist auf eine Reihe von Grundsätzen hinzuweisen, die sich aus der Rechtsprechung ergeben.

41 Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrecht gehört, dürfen die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. z. B. Urteil Fedesa, a. a. O., Randnr. 13).

42 Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit dieser Voraussetzungen betrifft, so verfügt der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik über einen Ermessensspielraum, der seiner politischen Verantwortung, die ihm die Artikel 40 und 43 EWG-Vertrag übertragen, entspricht. Folglich kann die Rechtmässigkeit einer in diesem Bereich erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist (Urteil Fedesa, a. a. O., Randnr. 14).

43 Die Rechtmässigkeit einer Gemeinschaftshandlung kann nicht von rückschauenden Betrachtungen über ihren Wirkungsgrad abhängen (Urteil vom 7. Februar 1973 in der Rechtssache 40/72, Schröder, Slg. 1973, 125, Randnr. 14). Ist der Gemeinschaftsgesetzgeber für den Erlaß einer Regelung genötigt, die künftigen Auswirkungen dieser Regelung zu beurteilen, und lassen sich diese Auswirkungen nicht genau vorhersehen, so kann seine Beurteilung nur dann beanstandet werden, wenn sie im Hinblick auf die Erkenntnisse, über die er im Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, offensichtlich irrig erscheint (Urteil vom 21. Februar 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-267/88 bis C-285/88, Wuidart u. a., Slg. 1990, I-435, Randnr. 14).

44 Vergleicht man im vorliegenden Fall die für jede einzelne Tabaksorte festgesetzte Hoechstgarantiemenge für die Ernten 1989, 1990 und 1991 mit den tatsächlich erzeugten Mengen dieser Sorte, so ergibt sich, daß die Hoechstgarantiemengen für die Mehrheit der Sorten nicht überschritten wurden, so daß sich jedenfalls nicht sagen lässt, die streitige Regelung sei im Hinblick auf das verfolgte Ziel offensichtlich ungeeignet gewesen.

45 Wie der Generalanwalt in den Nummern 49 bis 52 seiner Schlussanträge dargelegt hat, rechtfertigt schließlich nichts den Schluß, der Gemeinschaftsgesetzgeber habe beim Erlaß der Regelung ihre Auswirkungen in offensichtlich fehlerhafter Weise beurteilt.

46 Der Rat konnte, wie die Kommission ausgeführt hat, bei dem Erlaß der Verordnung vielmehr ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler annehmen, daß die Regelung der Hoechstgarantiemengen den Tabakerzeugern weniger Beschränkungen auferlegen werde als ein System individueller Quoten, weil die Erzeugung der Betroffenen nach der erstgenannten Regelung insofern keiner Begrenzung unterlag, als ihnen stets, wenngleich nur zu einem um maximal 15 % gekürzten Preis oder unter Hinnahme einer entsprechenden Prämienkürzung, der Verkauf ihrer Erzeugnisse an die Interventionsstellen möglich war, während die Erzeuger im letztgenannten System für den Teil ihrer Erzeugung, der ihre individuelle Quote überschreitet, überhaupt keine Unterstützung erhalten. Der blosse Umstand, daß sich die Regelung nicht als hinreichend wirksam erwiesen hat, rechtfertigt nicht die Feststellung, die in Frage stehende Verordnung sei nichtig.

47 Demnach ist in Übereinstimmung mit der Kommission festzustellen, daß das Handeln des Rates im vorliegenden Fall nicht nur im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit stand, da er keine im Hinblick auf das verfolgte Ziel offensichtlich ungeeignete Maßnahme wählte, sondern zudem dem sich aus Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe b EWG-Vertrag ergebenden Gebot entsprach, die geeigneten Anpassungen stufenweise durchzuführen.

48 Der behauptete Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist daher nicht nachgewiesen.

C ° Zur behaupteten Diskriminierung

49 Die griechische Regierung ist der Auffassung, die streitige Regelung verletze den in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegten Gleichheitssatz, da sie dazu geführt habe, daß unterschiedslos alle Erzeuger und Verarbeitungsunternehmen durch die Maßnahmen der Preis- und Prämienkürzung belastet worden seien, somit also auch jene, die die von ihnen erzeugte oder verarbeitete Menge nicht erhöht hätten. Diese ungerechten Auswirkungen hätten sich nur durch eine Regelung individueller Quoten vermeiden lassen.

50 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EWG-Vertrag nur der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes, der zu den tragenden Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört (vgl. z. B. Urteil Wuidart u. a., a. a. O., Randnr. 13).

51 Eine Diskriminierung liegt nicht nur vor, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden, sondern auch dann, wenn unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, eine derartige Behandlung wäre objektiv gerechtfertigt (vgl. Urteil vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28).

52 Der Gerichtshof hat indessen bereits entschieden, daß das Diskriminierungsverbot einer Gemeinschaftsregelung nicht entgegensteht, mit der für den gesamten Markt der Gemeinschaft ein System von Garantieschwellen geschaffen worden war, in dem die Kürzung einer Produktionsbeihilfe für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer aller Mitgliedstaaten vorgesehen war, auch wenn die Überschreitung dieser Schwellen nicht auf einer Erhöhung der Produktion in allen Mitgliedstaaten beruhte. Im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation, die keine nationalen Quoten kennt, haben alle Gemeinschaftserzeuger unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie ansässig sind, solidarisch und in gleicher Weise die Folgen der Entscheidungen zu tragen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zu treffen haben, um der Gefahr eines Ungleichgewichts zwischen der Erzeugung und den Absatzmöglichkeiten zu begegnen, das auf dem Markt auftreten kann (Urteil vom 24. Januar 1991 in der Rechtssache C-27/90, Sitpa, Slg. 1991, I-133, Randnr. 20).

53 Für eine Regelung wie im vorliegenden Fall gilt die gleiche Erwägung.

54 Der behauptete Verstoß gegen Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag ist somit gleichfalls nicht nachgewiesen.

D ° Zum behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

55 Nach Auffassung der griechischen Regierung verstösst die streitige Regelung auch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

56 Sie macht zunächst geltend, die Anwendung einer neuen Regelung dürfe weder bezwecken nach bewirken, daß das grundlegende Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik, den Erzeugern eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten, beeinträchtigt werde.

57 Insoweit ist daran zu erinnern, daß zwar der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu den tragenden Grundsätzen der Gemeinschaft gehört, daß die Wirtschaftsteilnehmer jedoch nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen dürfen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können. Dies gilt insbesondere auf einem Gebiet wie dem der gemeinsamen Marktorganisationen, deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt (vgl. insbesondere Urteil Delacre u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 33).

58 Daraus folgt, daß sich die Wirtschaftsteilnehmer nicht auf ein wohlerworbenes Recht auf Beibehaltung eines Vorteils berufen können, der sich für sie aus der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation ergibt und der ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt zugute gekommen ist (Urteil Delacre u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 34).

59 In einer etwaigen Verringerung ihres Einkommens kann deshalb keine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes liegen.

60 Nach Auffassung der griechischen Regierung ergibt sich eine Verletzung dieses Grundsatzes auch daraus, daß die Erzeuger dadurch, daß eine Festsetzung individueller Quoten nicht vorgesehen worden sei, an der Planung ihrer Erzeugung gehindert worden seien.

61 Die streitige Regelung, für die eine den Erzeugern im voraus bekannte Festsetzung der Hoechstgarantiemenge für eine bestimmte Sorte, die Gewährleistung einer Unterstützung für ihre gesamte Erzeugung und die Festsetzung einer Hoechstgrenze für die Kürzung von Preisen und Prämien kennzeichnend sind, genügt jedoch den sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ergebenden Anforderungen.

62 Die behauptete Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ist daher nicht nachgewiesen.

63 Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß die Prüfung der vorgelegten Frage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1114/88 und damit der Verordnungen zu ihrer Durchführung beeinträchtigen könnte.

Die Rechtssachen C-300/93 und C-362/93

64 Die Kläger in den Rechtssachen C-300/93 und C-362/93 führen beide einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Provinz Caserta. Sie hatten ihren 1991 geernteten Tabak der Sorte Burley I an das tabakverarbeitende Unternehmen Donatab Srl mit Sitz in Caserta verkauft, das bei der Azienda di Stato per gli interventi nel mercato agricolo ° Settore tabacco (der für diesen Sektor zuständigen Interventionsstelle, im folgenden: AIMA) gegen Stellung einer Sicherheit die Zahlung der Prämie nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 727/70 beantragt und diese auch erhalten hatte.

65 Infolge der mit der Verordnung Nr. 2178/92 getroffenen Feststellung, daß die Hoechstgarantiemenge für die Tabaksorte Burley I für die Ernte 1991 überschritten worden sei, hatte die Donatab Srl die sich aus der Kürzung des Prämiensatzes ergebenden Beträge zurückzuzahlen. Das Unternehmen verlangte daraufhin von den Klägern eine dem Prozentsatz der Prämienkürzung entsprechende Erstattung.

66 Da diese die Prämienkürzung wegen Nichtigkeit der Verordnungen über die Festsetzung der Preise, Prämien und Hoechstgarantiemengen für das Wirtschaftsjahr 1991 für rechtswidrig hielten, erhoben sie gegen die Donatab Srl Klage bei der Pretura circondariale Caserta. Sie begehren die Entscheidung, daß die in Frage stehende Kürzung nicht im Rahmen ihrer Geschäftsverbindung mit der Donatab Srl auf sie überwälzt werden dürfe.

67 Die Pretura circondariale Caserta führt aus, die Verordnung Nr. 1738/91 ° mit der die Hoechstgarantiemengen, Preise und Prämien für die Tabaksorten oder Sortengruppen für die Ernte 1991 festgesetzt worden seien ° sei am 26. Juni 1991 und damit, was die Tabaksorte Burley I angehe, erst nach der Aussaat des Tabaks in die dafür vorgesehenen Saatbeete im Februar 1991 und nach der ° vor April 1991 abzuschließenden ° Versetzung der Tabakjungpflanzen auf die Felder veröffentlicht worden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Verordnung seien, was Voraussetzung für die Gewährung der Prämie gewesen sei, die Verträge mit der erstverarbeitenden Industrie bereits geschlossen und bei der AIMA registriert worden.

68 Die Festsetzung der Hoechstgarantiemenge für die Ernte 1991 für die Sorte Burley I sei damit rückwirkend erfolgt, denn sie habe sich auf eine Erzeugung bezogen, mit der aufgrund nicht rückgängig zu machender Entscheidungen bereits begonnen worden sei.

69 Dem Wortlaut des Artikels 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 727/70 in der durch Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/89 des Rates vom 3. Mai 1989 (ABl. L 129, S. 16) geänderten Fassung sei im übrigen zu entnehmen, daß der Rat die Hoechstgarantiemengen für jede Tabaksorte oder Sortengruppe der Gemeinschaftserzeugung jedes Jahr für die Ernte des folgenden Jahres festzusetzen habe.

70 Aus diesen Gründen hat die Pretura circondariale Caserta die beiden genannten Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung über die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1738/91 ersucht.

71 Zu diesen Ausführungen des vorlegenden Gerichts genügt der Hinweis, daß ° wie von Rat und Kommission dargelegt ° die die Sorte Burley I betreffende Hoechstgarantiemenge für die Ernte 1991 bereits im Anhang V der Verordnung (EWG) Nr. 1331/90 des Rates vom 14. Mai 1990 zur Festsetzung der für die Ernte 1990 geltenden Zielpreise, der Interventionspreise und der Käufern von Tabakblättern gewährten Prämien sowie der abgeleiteten Interventionspreise für Tabakballen, der Bezugsqualitäten, der Anbaugebiete sowie der Hoechstgarantiemengen für die Ernte 1991 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1252/89 (ABl. L 132, S. 28) festgesetzt worden war.

72 Zwar ist der Anhang V der Verordnung Nr. 1331/90 sodann gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 1738/91 durch den Anhang V der letztgenannten Verordnung ersetzt worden; die die Sorte Burley I betreffende Hoechstgarantiemenge für die Ernte 1991 wurde dadurch jedoch nicht geändert.

73 Die Veröffentlichung der Verordnung Nr. 1331/90 erfolgte im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 23.5.1990 und damit zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als dem, zu dem die betroffenen Tabakpflanzer ihre Entscheidungen für die Ernte 1991 zu treffen hatten.

74 Die behauptete Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ist folglich nicht nachgewiesen.

75 Es ist demnach zu antworten, daß die Prüfung der vorgelegten Frage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1738/91 und damit der Verordnungen zu ihrer Durchführung beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

76 Die Auslagen der griechischen und der italienischen Regierung sowie des Rates der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm von der Pretura circondariale Perugia (Rechtssache C-133/93) mit Beschluß vom 18. März 1993 und von der Pretura circondariale Caserta (Rechtssachen C-300/93 und C-362/93) mit Beschlüssen vom 28. April und 14. Mai 1993 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Prüfung der in der Rechtssache C-133/93 vorgelegten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1114/88 des Rates vom 25. April 1988 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 727/70 zur Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak und damit der Verordnungen zu ihrer Durchführung beeinträchtigen könnte.

2) Die Prüfung der in den Rechtssachen C-300/93 und C-362/93 vorgelegten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1738/91 des Rates vom 13. Juni 1991 zur Festsetzung der für die Ernte 1991 geltenden Zielpreise, der Interventionspreise und der Käufern von Tabakblättern gewährten Prämien sowie der abgeleiteten Interventionspreise für Tabakballen, der Bezugsqualitäten, der Anbaugebiete sowie der Hoechstgarantiemengen und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1331/90 und damit der Verordnungen zu ihrer Durchführung beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

Zurück