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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.07.2000
Aktenzeichen: C-136/99
Rechtsgebiete: Richtlinie 77/388/EWG, Richtlinie 79/1072/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 77/388/EWG
Richtlinie 79/1072/EWG Art. 2 Abs. 5
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Artikel 2 und 5 der Achten Richtlinie 79/1072 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige - sind dahin auszulegen, daß

- Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem sie nur für einen Teil ihrer Umsätze besteuert werden, ein Anspruch auf Erstattung eines Teils der Mehrwertsteuer erwächst, die in einem Mitgliedstaat, in dem sie nicht ansässig sind, auf Gegenstände oder Dienstleistungen erhoben wurde, die die Steuerpflichtigen für ihre Umsätze in dem ersteren Mitgliedstaat verwenden;

- der Betrag der zu erstattenden Mehrwertsteuer in der Weise zu berechnen ist, daß zunächst die Umsätze ermittelt werden, die in dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, zum Vorsteuerabzug berechtigen, und von diesen dann nur diejenigen Umsätze, die auch im Mitgliedstaat der Erstattung zum Vorsteuerabzug berechtigen würden, wenn sie dort bewirkt worden wären, sowie die in diesem Staat zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgaben berücksichtigt werden.

(vgl. Randnr. 32 und Tenor)


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 13. Juli 2000. - Ministre du Budget und Ministre de l'Economie et des Finances gegen Société Monte Dei Paschi Di Siena. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Conseil d'Etat - Frankreich. - Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Erstattung der Steuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige - Artikel 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG sowie Artikel 2 und 5 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG. - Rechtssache C-136/99.

Parteien:

In der Rechtssache C-136/99

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom französischen Conseil d'État in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Ministre du Budget,

Ministre de l'Économie et des Finances

gegen

Société Monte Dei Paschi Di Siena

"vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 2 und 5 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 331, S. 11)

erläßt

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward sowie der Richter L. Sevón, P. Jann, H. Ragnemalm (Berichterstatter) und M. Wathelet,

Generalanwalt: A. Saggio

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Firma Monte Dei Paschi Di Siena, vertreten durch die Rechtsanwälte V. Lenoir und A. Mourre, Paris, sowie A. Dal Ferro, Vicenza,

- der französischen Regierung, vertreten durch R. Abraham, Direktor für Rechtsfragen im Außenministerium, und S. Seam, Sekretär für auswärtige Angelegenheiten in der Direktion für Rechtsfragen desselben Ministeriums, als Bevollmächtigte,

- der griechischen Regierung, vertreten durch G. Alexaki, Rechtsberaterin in der Sonderabteiung des Außenministeriums für Rechtsfragen der Europäischen Gemeinschaften, und M. Apessos, Rechtsberater der Eingangsstufe im Juristischen Dienst des Staates, als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater E. Traversa und durch H. Michard, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Firma Monte Dei Paschi Di Siena, der französischen Regierung, der griechischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 17. Februar 2000,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. April 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Conseil d'Etat hat mit Entscheidung vom 5. März 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 19. April 1999, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 und 5 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 331, S. 11; im folgenden: Achte Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Firma Monte Dei Pascha Di Siena mit Sitz in Italien (im folgenden: Klägerin) und dem Ministre du Budget (Minister für den Haushalt) sowie dem Ministre de l'Economie et des Finances (Minister für Wirtschaft und Finanzen) über die Erstattung der Mehrwertsteuer, die die Klägerin auf in Frankreich getätigte Ausgaben für die Zwecke ihrer Tätigkeiten in Italien entrichtet hat.

Gemeinschaftsrecht

Sechste Richtlinie

3 Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) bestimmt in Artikel 17:

"(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.

(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden;

b) die Mehrwertsteuer, die für eingeführte Gegenstände geschuldet wird oder entrichtet worden ist;

c) die Mehrwertsteuer, die nach Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a) und Artikel 6 Absatz 3 geschuldet wird.

(3) Die Mitgliedstaaten gewähren jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke:

a) seiner Umsätze, die sich aus den im Ausland ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 ergeben, für die das Recht auf Vorsteuerabzug bestuende, wenn diese Umsätze im Inland bewirkt worden wären;

b) seiner nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe i), Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 1 Teile B, C und D und Absatz 2 befreiten Umsätze;

c) seiner nach Artikel 13 Teil B Buchstaben a) und d) Nummern 1 bis 5 befreiten Umsätze, wenn der Leistungsempfänger außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit zur Ausfuhr in ein Land außerhalb der Gemeinschaft bestimmten Gegenständen zusammenhängen.

(4) Der Rat wird möglichst vor dem 31. Dezember 1977 auf Vorschlag der Kommission einstimmig gemeinschaftliche Durchführungsbestimmungen erlassen, nach denen Erstattungen nach Absatz 3 an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige erfolgen. Bis zum Inkrafttreten dieser gemeinschaftlichen Durchführungsbestimmungen legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten der Erstattung selbst fest. Ist der Steuerpflichtige nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässig, so können die Mitgliedstaaten die Erstattung ausschließen oder von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen.

(5) Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.

..."

4 Artikel 19 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

"Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:

- im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;

- im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer. Die Mitgliedstaaten können in den Nenner auch die Subventionen einbeziehen, die nicht in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a) genannt sind.

Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet."

Achte Richtlinie

5 Artikel 2 der Achten Richtlinie lautet wie folgt:

"Jeder Mitgliedstaat erstattet einem Steuerpflichtigen, der nicht im Inland, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, unter den nachstehend festgelegten Bedingungen die Mehrwertsteuer, mit der die ihm von anderen Steuerpflichtigen im Inland erbrachten Dienstleistungen oder gelieferten beweglichen Gegenstände belastet wurden oder mit der die Einfuhr von Gegenständen ins Inland belastet wurde, soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der in Artikel 17 Absatz 3 Buchstaben a) und b) der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten Umsätze oder der in Artikel 1 Buchstabe b) bezeichneten Dienstleistungen verwendet werden."

6 Artikel 5 der Achten Richtlinie bestimmt:

"Für die Anwendung dieser Richtlinie wird der Anspruch auf Vorsteuererstattung nach Artikel 17 der Richtlinie 77/388/EWG, wie dieser im Lande der Erstattung angewendet wird, bestimmt.

Die vorliegende Richtlinie gilt nicht für die Lieferungen von Gegenständen, die steuerfrei sind oder nach Artikel 15 Nummer 2 der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer befreit werden können."

7 Artikel 6 der Achten Richtlinie sieht vor:

"Die Mitgliedstaaten dürfen den in Artikel 2 genannten Steuerpflichtigen außer den Pflichten nach den Artikeln 3 und 4 keine anderen Pflichten auferlegen als die, in Sonderfällen die Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind, um beurteilen zu können, ob der Erstattungsantrag begründet ist."

Französisches Recht

8 Artikel 271 Absatz 4 des Code général des impôts bestimmt in der im streiterheblichen Zeitraum maßgeblichen Fassung:

"Für die folgenden Umsätze besteht das Recht zum Vorsteuerabzug unter denselben Voraussetzungen wie im Fall der Mehrwertsteuerpflichtigkeit:

...

d) von Steuerpflichtigen erzielte, in Frankreich nicht steuerbare Umsätze, sofern sie zum Vorsteuerabzug berechtigen würden, wenn der Veranlagungsort in Frankreich läge. Das Verfahren und der Umfang der Erstattung der abziehbaren Steuer werden für diese Umsätze durch ein Dekret nach Anhörung des Conseil d'Etat festgesetzt; dieses Dekret kann unterschiedliche Regeln vorsehen, je nachdem, ob der Steuerpflichtige in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder in einem anderen Land ansässig ist;

..."

9 Artikel 242 OM Absatz 1 des Anhangs II des Code général des impôts sieht vor:

"Im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen kann die Mehrwertsteuer erstattet werden, die ihnen ordnungsgemäß in Rechnung gestellt wurde, sofern sie in dem Quartal oder Kalenderjahr, auf das sich der Erstattungsanspruch bezieht, in Frankreich weder ihren Geschäftssitz noch eine feste Niederlassung... hatten und... keine Umsätze erzielt haben, die in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer im Sinne der Artikel 256 bis 259 C des Code général des impôts fallen..."

10 Artikel 242 ON des Anhangs II des Code général des impôts bestimmt:

"Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ansässig sind, wird die Mehrwertsteuer auf die ihnen erbrachten Dienstleistungen und auf die beweglichen Gegenstände, die sie im Laufe des Jahres oder Quartals im Sinne des Artikels 242 OM in Frankreich gekauft oder eingeführt haben, erstattet, wenn diese Gegenstände oder Dienstleistungen zu folgenden Zwecken verwendet wurden:

a) zur Erzielung von Umsätzen, deren Veranlagungsort im Ausland liegt, die jedoch zum Vorsteuerabzug berechtigen würden, wenn der Veranlagungsort in Frankreich läge...

..."

11 Nach den Artikeln 212 und 219 C des Anhangs II des Code général des impôts sind steuerpflichtige Empfänger von Gegenständen und Dienstleistungen, die teils zu mehrwertsteuerpflichtigen, teils zu von dieser Steuer befreiten Umsätzen verwendet werden, berechtigt, einen Teil der auf diese Gegenstände und Dienstleistungen erhobenen Steuer abzuziehen, der nach dem Verhältis der Höhe der mehrwertsteuerpflichtigen Einnahmen zu den Gesamteinnahmen bestimmt wird.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12 Die Klägerin ist ein Kredit- und Finanzinstitut mit Geschäftssitz in Italien, das in Frankreich eine Vertretung unterhält. Auf der Grundlage der Artikel 271 des französischen Code général des impôts und 242 OM des Anhangs II dieses Gesetzes, mit denen die Bestimmungen der Achten Richtlinie in die französische Rechtsordnung umgesetzt wurden, beantragte sie die Erstattung der Mehrwertsteuer auf die Ausgaben, die sie in den Jahren 1988 und 1989 in Frankreich für die Einrichtung dieser Vertretung getätigt habe.

13 Die Steuerverwaltung lehnte diesen Antrag ab. Hiergegen erhob die Klägerin vor dem Tribunal administratif Paris eine Klage auf Erstattung, die mit Urteil vom 24. November 1992 abgewiesen wurde.

14 Mit Urteil vom 30. März 1995 hob die Cour administrative d'appel Paris dieses Urteil auf und sprach der Klägerin in Frankreich einen Anspruch auf Erstattung von Mehrwertsteuer in Höhe von 125 244,60 FRF zu. Dieser Betrag wurde dadurch ermittelt, daß von dem Betrag der von der Klägerin in Frankreich entrichteten Mehrwertsteuer der Anteil genommen wurde, der dem in Italien besteuerten Anteil ihres Umsatzes entsprach.

15 Die Cour administrative d'appel ging in ihrer Entscheidung davon aus, daß die Vertretung der Klägerin in Frankreich keine feste Niederlassung sei und daß dort keine Bank- oder Finanzgeschäfte getätigt würden, die eine Erstattung nach Artikel 242 OM des Anhangs II des Code général des impôts ausschlössen. Sie berücksichtigte auch, daß die Klägerin in Italien sowohl mehrwertsteuerpflichtige als auch steuerbefreite Umsätze erziele und daß die Tätigkeit ihrer Vertretung in Frankreich zu beiden Arten von Umsätzen beitrage.

16 Der Minister für Wirtschaft und Finanzen erhob beim Conseil d'Etat Kassationsbeschwerde gegen das Urteil der Cour administrative d'appel mit der Begründung, diese habe Artikel 271 des Code général des impôts sowie die Artikel 242 OM und 242 ON des Anhangs II dieses Gesetzes im Lichte der Achten Richtlinie rechtsfehlerhaft angewandt. Er machte geltend, diese Bestimmungen sollten die korrekte Umsetzung der in der Achten Richtlinie festgelegten Regeln in das innerstaatliche französische Recht gewährleisten; die Richtlinie enthalte keine Verfahrensregeln für eine Teilerstattung der Mehrwertsteuer, die auf Gegenstände oder Dienstleistungen erhoben worden sei, die in einem anderen Mitgliedstaat zur Erzielung von Umsätzen verwendet worden seien, die dort nicht alle der Mehrwertsteuer unterlägen.

17 Da der Conseil d'Etat Zweifel daran hat, ob der Klägerin ein Anspruch auf teilweise Rückerstattung der von ihr in Frankreich entrichteten Mehrwertsteuer zusteht und auf welche Weise der Erstattungsbetrag gegebenenfalls zu berechnen ist, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Haben Steuerpflichtige, die in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft ansässig sind, in dem sie nur im Hinblick auf einen Teil ihres Umsatzes besteuert werden, aufgrund der Artikel 2 und 5 der Achten Richtlinie einen Anspruch auf Erstattung eines Teils der Vorsteuer, mit der in einem anderen Mitgliedstaat Gegenstände oder Dienstleistungen belastet wurden, die sie verwendet haben, um in dem Staat, in dem sie ansässig sind, Umsätze zu erzielen, von denen einige nicht der Steuer unterliegen?

2. Falls die vorstehende Frage bejaht wird, welches Verfahren sehen diese Vorschriften zur Bestimmung des zu erstattenden Vorsteueranteils vor, vor allem, ist dieser Anteil nach den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, oder nach denen des erstattungspflichtigen Staates zu bestimmen?

Zu den Vorlagefragen

18 Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Artikel 2 und 5 der Achten Richtlinie dahin auszulegen sind, daß Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem sie nur für einen Teil ihrer Umsätze besteuert werden, ein Anspruch auf Erstattung eines Teils der Mehrwertsteuer erwächst, die in einem Mitgliedstaat, in dem sie nicht ansässig sind, auf Gegenstände oder Dienstleistungen erhoben wurde, die die Steuerpflichtigen für ihre Umsätze in dem ersteren Mitgliedstaat verwenden, und auf welche Weise der Betrag der zu erstattenden Mehrwertsteuer gegebenenfalls zu berechnen ist.

19 Die Klägerin, die französische und die griechische Regierung sowie die Kommission sind der Auffassung, daß der Steuerpflichtige einen Anspruch auf anteilige Erstattung habe und daß für deren Berechnung die Vorschriften des Mitgliedstaats der Erstattung zu berücksichtigen seien. Die Kommission und die französische Regierung vertreten jedoch unterschiedliche Standpunkte über die jeweilige Rolle des Rechts des Mitgliedstaats, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, und des Mitgliedstaats der Erstattung. Nach Auffassung der Kommission kommt es auf das Recht beider Staaten an. Zunächst seien die Bestimmungen des Mitgliedstaats anzuwenden, in dem der Steuerpflichtige ansässig sei, um den Umfang des Vorsteuerabzugsrechts in diesem Staat zu ermitteln, von dem der Erstattungsanspruch im anderen Mitgliedstaat abhängig sei. Die Vorschriften des Mitgliedstaats der Erstattung kämen anschließend zum Zuge, um anhand der Umsätze des Steuerpflichtigen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen würden, wenn sie im Inland erzielt worden wären, und der Ausgaben, die in dem betreffenden Staat berücksichtigt werden könnten, den Umfang des Erstattungsanspruchs zu bestimmen. Nach Auffassung der französischen Regierung sind dagegen für die Berechnung der zu erstattenden Mehrwertsteuer ausschließlich die Vorschriften des Mitgliedstaats der Erstattung maßgeblich.

20 Wie sich aus Artikel 17 Absatz 4 der Sechsten Richtlinie ergibt, soll die Achte Richtlinie die Durchführungsbestimmungen für die Erstattung der in einem Mitgliedstaat von Steuerpflichtigen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, entrichteten Mehrwertsteuer festlegen. Ihr Zweck ist es also, die Regeln für den Erstattungsanspruch, der sich aus Artikel 17 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie ergibt, zu harmonisieren.

21 Gemäß Artikel 5 der Achten Richtlinie bestimmt sich der Anspruch auf Vorsteuererstattung nach Artikel 17 der Sechsten Richtlinie, wie dieser im Mitgliedstaat der Erstattung angewendet wird.

22 Artikel 17 der Sechsten Richtlinie regelt die Entstehung und den Umfang des Anspruchs auf Vorsteuerabzug. Dieser kann geltend gemacht werden, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen, auf die die Mehrwertsteuer entrichtet wurde, für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet werden.

23 Der Gerichtshof hat den Zusammenhang zwischen dem Anspruch auf Vorsteuerabzug in dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, und dem Erstattungsanspruch in einem anderen Mitgliedstaat, in dem die Ausgaben getätigt wurden, bereits geklärt. Er hat entschieden, daß ein Steuerpflichtiger, der aufgrund einer Steuerbefreiung in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, nach der Zielsetzung des Systems der Mehrwertsteuerrichtlinien auch keinen Anspruch auf Erstattung der in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten Mehrwertsteuer hat (Urteil vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-302/93, Debouche, Slg. 1996, I-4495, Randnr. 15).

24 In dem Sonderfall, daß die Gegenstände und Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt. Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 der Richtlinie für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.

25 Bewirkt also ein Steuerpflichtiger sowohl steuerpflichtige Umsätze als auch Umsätze, die in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, steuerfrei sind, so ist er in diesem Staat zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

26 Daraus folgt, daß ein Steuerpflichtiger, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem er ansässig ist, Ausgaben tätigt, die sowohl den Zwecken seiner steuerpflichtigen Umsätze als auch der Umsätze dienen, die in dem Staat, in dem er ansässig ist, steuerfrei sind, in dem anderen Staat einen Anspruch auf anteilige Erstattung hat.

27 Zur Bestimmung des Erstattungsbetrags ist in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens gemäß Artikel 2 der Achten Richtlinie Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie anzuwenden und zu prüfen, ob die betreffenden Umsätze im Mitgliedstaat der Erstattung zum Vorsteuerabzug berechtigen würden.

28 Bei einem Steuerpflichtigen, der sowohl steuerpflichtige Umsätze als auch Umsätze erzielt, die in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, steuerfrei sind, ist daher zu prüfen, ob die steuerpflichtigen Umsätze auch im Mitgliedstaat der Erstattung zum Vorsteuerabzug berechtigen würden, wenn sie dort bewirkt worden wären. Ist das nicht der Fall, so können die entsprechenden besteuerten Umsätze bei der Berechnung des Erstattungsbetrags nicht berücksichtigt werden. Der nach Artikel 19 der Sechsten Richtlinie ermittelte Pro-rata-Satz muß daher möglicherweise entsprechend den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen würden, wenn sie im Mitgliedstaat der Erstattung erzielt worden wären, angepaßt werden.

29 Nach der Ermittlung des anwendbaren Pro-rata-Satzes ist festzustellen, welche Ausgaben bei der Berechnung der Erstattung zu berücksichtigen sind. Hier ist Artikel 5 der Achten Richtlinie maßgeblich, nach dem der Anspruch auf Vorsteuererstattung nach Artikel 17 der Sechsten Richtlinie bestimmt wird, so wie dieser im Mitgliedstaat der Erstattung angewendet wird. Demgemäß sind die Ausgaben zu berücksichtigen, die in diesem Staat zum Vorsteuerabzug berechtigen. Zur Bestimmung des Erstattungsbetrags wird der dem Pro-rata-Satz entsprechende Anteil der auf diese Ausgaben entrichteten Mehrwertsteuer ermittelt.

30 Die französische Regierung macht geltend, sie habe keinen Zugang zu den erforderlichen Informationen; es sei ihr daher nicht möglich, den Erstattungsbetrag zu ermitteln.

31 Die Sechste Richtlinie gibt zwar nicht genau an, welche Informationen der erstattungspflichtige Mitgliedstaat benötigt; sie sieht jedoch eine Erstattungspflicht zu dessen Lasten vor, wenn die Voraussetzungen der Abzugsfähigkeit der Mehrwertsteuer in dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, und im Mitgliedstaat der Erstattung erfuellt sind und wenn der Steuerpflichtige für die Zwecke seiner Umsätze in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, Ausgaben getätigt hat, die im Mitgliedstaat der Erstattung zum Vorsteuerabzug berechtigen. Damit der Mitgliedstaat der Erstattung dieser Verpflichtung nachkommen kann, gibt ihm insbesondere Artikel 6 der Achten Richtlinie die Möglichkeit, vom Steuerpflichtigen alle Auskünfte zu verlangen, die er für die Entscheidung über den Erstattungsantrag benötigt.

32 Nach alledem ist auf die gestellten Fragen zu antworten, daß die Artikel 2 und 5 der Achten Richtlinie dahin auszulegen sind, daß

- Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem sie nur für einen Teil ihrer Umsätze besteuert werden, ein Anspruch auf Erstattung eines Teils der Mehrwertsteuer erwächst, die in einem Mitgliedstaat, in dem sie nicht ansässig sind, auf Gegenstände oder Dienstleistungen erhoben wurde, die die Steuerpflichtigen für ihre Umsätze in dem ersteren Mitgliedstaat verwenden;

- der Betrag der zu erstattenden Mehrwertsteuer in der Weise zu berechnen ist, daß zunächst die Umsätze ermittelt werden, die in dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, zum Vorsteuerabzug berechtigen und von diesen dann nur diejenigen Umsätze, die auch im Mitgliedstaat der Erstattung zum Vorsteuerabzug berechtigen würden, wenn sie dort bewirkt worden wären, sowie die in diesem Staat zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgaben berücksichtigt werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

33 Die Auslagen der französischen und der griechischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Conseil d'État mit Entscheidung vom 5. März 1999 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Artikel 2 und 5 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige - sind dahin auszulegen, daß

- Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem sie nur für einen Teil ihrer Umsätze besteuert werden, ein Anspruch auf Erstattung eines Teils der Mehrwertsteuer erwächst, die in einem Mitgliedstaat, in dem sie nicht ansässig sind, auf Gegenstände oder Dienstleistungen erhoben wurde, die die Steuerpflichtigen für ihre Umsätze in dem ersteren Mitgliedstaat verwenden;

- der Betrag der zu erstattenden Mehrwertsteuer in der Weise zu berechnen ist, daß zunächst die Umsätze ermittelt werden, die in dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, zum Vorsteuerabzug berechtigen, und von diesen dann nur diejenigen Umsätze, die auch im Mitgliedstaat der Erstattung zum Vorsteuerabzug berechtigen würden, wenn sie dort bewirkt worden wären, sowie die in diesem Staat zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgaben berücksichtigt werden.

Ende der Entscheidung

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