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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.01.1997
Aktenzeichen: C-143/95 P
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2950/83, EG-Vertrag


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2950/83 Art. 6 Abs. 1
EG-Vertrag Art. 173 Abs. 5
EG-Vertrag Art. 191
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Die Mitteilung von Gemeinschaftshandlungen, auf die sich die Artikel 173 Absatz 5 und 191 des Vertrages beziehen, umfasst notwendig die Übermittlung einer detaillierten Darstellung des Inhalts und der Gründe der mitgeteilten Handlung. Fehlt es daran, könnte der Adressat der Mitteilung nämlich nicht mit Genauigkeit Inhalt und Gründe der fraglichen Handlung erfahren, obwohl dies für ihn erforderlich wäre, um gegen diese Entscheidung sachgerecht Klage zu erheben. Diesem Erfordernis kann nur durch die Übermittlung des Wortlauts der fraglichen Entscheidung und nicht durch die Übermittlung einer kurzen Zusammenfassung ihres Inhalts entsprochen werden. Daraus folgt, daß die Klagefrist erst an dem Tag beginnen kann, an dem eine Mitteilung im vorbezeichneten Sinne erfolgt ist.

4 Die vom Gericht vorgenommene Würdigung der ihm vorgelegten Beweise kann durch ein Rechtsmittel nicht in Frage gestellt werden, es sei denn, es wird nachgewiesen, daß das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 9. Januar 1997. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Sociedade de Curtumes a Sul do Tejo Ldª (Socurte), Revestimentos de Cortiça Ldª (Quavi) und Sociedade Transformadora de Carnes Ldª (Stec). - Rechtsmittel - Europäischer Sozialfonds - Klagefrist - Verletzung wesentlicher Formvorschriften. - Rechtssache C-143/95 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Rechtsmittelschrift, die am 8. Mai 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 7. März 1995 in den verbundenen Rechtssachen T-432/93, T-433/93 und T-434/93 (Socurte u. a./Kommission, Slg. 1995, II-503; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften die Entscheidung der Kommission über die Kürzung eines Zuschusses des Europäischen Sozialfonds für das Vorhaben Nr. 860012/P1 betreffend ein Programm über Maßnahmen der beruflichen Bildung in Portugal im Jahr 1986 (im folgenden: streitige Entscheidung) für nichtig erklärt hat.

2 Nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses 83/516/EWG des Rates vom 17. Oktober 1983 über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds (ABl. L 289, S. 38) kann sich der Europäische Sozialfonds (im folgenden: ESF) an der Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Bildung und Berufsberatung beteiligen, die im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik der Mitgliedstaaten verwirklicht werden.

3 Im Fall der Genehmigung eines Finanzierungsantrags ist nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 zur Anwendung des Beschlusses 83/516/EWG (ABl. L 289, S. 1) ein Vorschuß in Höhe von 50 v. H. des Zuschusses des ESF zu dem Zeitpunkt zu zahlen, zu dem der Beginn der Bildungsmaßnahme vorgesehen ist.

4 Nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 kann die Kommission einen Zuschuß des ESF, der nicht unter den Bedingungen der Entscheidung über die Genehmigung des Finanzierungsantrags verwandt wird, aussetzen, kürzen oder streichen, nachdem sie dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

5 Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, daß das dem portugiesischen Ministerium für Beschäftigung und soziale Sicherheit unterstellte Departamento para os Assuntos do Fundo Social Europeu (Abteilung für Angelegenheiten des ESF, im folgenden: DAFSE) 1986 einen Zuschuß des ESF für eine Gesamtheit von Vorhaben der beruflichen Bildung beantragte, die von mehreren Unternehmen, darunter der Sociedade de Curtumes a Sul do Tejo Ld.a (Socurte), der Revestimentos de Cortiça Ld.a (Quavi) und der Sociedade Transformadora de Carnes Ld.a (Stec) (im folgenden: Rechtsmittelgegnerinnen), vorgelegt worden waren. Der Aktenvorgang mit der Nr. 860012/P1, unter dem diese Vorhaben zusammengefasst wurden, wurde durch Entscheidung der Kommission vom 7. Mai 1986 genehmigt, wonach sich der ESF mit einem Betrag von 874 905 836 ESC an dem Vorhaben im Gesamtumfang von 1 905 322 299 ESC finanziell beteiligen sollte (Randnr. 4).

6 Am 16. Juni 1986 unterrichtete das DAFSE die Rechtsmittelgegnerinnen über diese Entscheidung, indem es ihnen die Höhe der jeweiligen Beteiligung des ESF und des Beitrags des portugiesischen Staates mitteilte. Auf der Grundlage der für ihre Maßnahmen vorgesehenen Beträge erhielten die Rechtsmittelgegnerinnen Vorschüsse im Rahmen des Beitrags aus portugiesischen öffentlichen Mitteln und im Rahmen des ESF-Zuschusses (Randnrn. 5 und 6).

7 Nach Beendigung ihrer Maßnahmen und Übermittlung des Abschlußberichts über deren Beurteilung, aus dem hervorging, daß die Kosten ihrer Maßnahmen letztlich unterhalb des genehmigten Kostenentwurfs lagen, beantragten die Rechtsmittelgegnerinnen die Zahlung des Restbetrags des ESF-Zuschusses. Bis zur Entscheidung der Kommission über den Antrag auf Restzahlung nahm das DAFSE weitere Zahlungen an die Rechtsmittelgegnerinnen vor (Randnrn. 7 und 8).

8 Am 18. März 1991 richtete das DAFSE ein Schreiben an die Rechtsmittelgegnerinnen, in dem es ihnen mitteilte, daß die Kommission den Antrag auf Restzahlung für den Vorgang Nr. 860012/P1 genehmigt habe. In Anbetracht der darin vorgesehenen Beteiligung des ESF forderte das DAFSE die Rechtsmittelgegnerinnen auf, ihm unter Berücksichtigung der ihnen bereits gezahlten Beträge 17 105 465 ESC (Socurte), 22 160 566 ESC (Quavi) und 46 354 557 ESC (Stec) zurückzuzahlen (Randnr. 9).

9 Mit Schreiben vom 15. April 1991 ersuchten die Rechtsmittelgegnerinnen das DAFSE, ihnen die Gründe für die Rückzahlungsaufforderung mitzuteilen und ihnen eine Abschrift der Entscheidung der Kommission zu übermitteln, auf die sich das Schreiben vom 18. März 1991 bezogen habe (Randnr. 10).

10 Mit Schreiben vom 24. April 1991, das am 30. April 1991 bei den Rechtsmittelgegnerinnen einging, teilte das DAFSE diesen mit, daß die Beträge, die sie ihm hätten zurückzahlen sollen, letztlich niedriger seien als die in seinem Schreiben vom 18. März 1991 genannten. Diese Herabsetzung der zurückzuzahlenden Beträge sei darauf zurückzuführen, daß die Dienststellen des DAFSE die Entscheidung der Kommission dahin ausgelegt hätten, daß der ESF statt der tatsächlich bewilligten 437 452 918 ESC nur 379 373 605 ESC bewilligt habe (Randnr. 11).

11 Das DAFSE bezog sich insoweit auf ein Schreiben der zuständigen Dienststellen der Kommission vom 14. Februar 1991 an das DAFSE und leitete dieses gleichzeitig an die Rechtsmittelgegnerinnen weiter. Nach diesem Schreiben war die Kommission zu der Entscheidung über die Gewährung eines Zuschusses des ESF in Höhe von insgesamt 437 452 918 ESC unter Berücksichtigung der Vorlage verschiedener Dienstleistungsverträge sowie von Kontrollinspektionen gelangt, die bei dem Berechtigten aus dem Vorgang sowie bei dessen Empfängerstellen durchgeführt worden waren (Randnr. 12).

12 Mit Schreiben vom 14. Mai 1991 an das DAFSE und vom 17. Mai 1991 an die Kommission erbaten die Rechtsmittelgegnerinnen die Übermittlung beglaubigter Abschriften der ursprünglichen Entscheidung der Kommission über die Gewährung des ESF-Zuschusses zum Aktenvorgang Nr. 860012/P1 sowie der Entscheidung der Kommission über ihren Antrag auf Restzahlung dieses Zuschusses (Randnr. 13).

13 Nachdem es die Rechtsmittelgegnerinnen mündlich davon in Kenntnis gesetzt hatte, daß die angeforderten Entscheidungen ihm nicht vorlägen, übermittelte das DAFSE den Rechtsmittelgegnerinnen mit Schreiben vom 5. Juni 1991 die Abschrift eines von ihm an den ESF gerichteten Schreibens, in dem es um Zusendung einer Abschrift der Entscheidung der Kommission über den Vorgang Nr. 860012/P1 nachgesucht hatte (Randnr. 14). Die zuständigen Dienststellen der Kommission teilten ihrerseits den Rechtsmittelgegnerinnen mit Schreiben vom 20. Juni 1991 mit, daß sie sich an das DAFSE zu wenden hätten, um die gewünschten Unterlagen zu erhalten (Randnr. 15). Am 26. Juni 1991 nahmen die Rechtsmittelgegnerinnen Einsicht in die beim DAFSE geführte Verwaltungsakte über das Vorhaben Nr. 860012/P1 (Randnr. 16).

14 Mit Schreiben vom 30. Juli 1991 sandte das DAFSE den Rechtsmittelgegnerinnen eine beglaubigte Abschrift der Mitteilung über die Genehmigungsentscheidung der Kommission betreffend den Vorgang Nr. 860012/P1 (Randnr. 17). Dieses Schriftstück bestand in einem an das DAFSE gerichteten Schreiben der Kommission vom 10. Juli 1991, in dem die Gründe für die Herabsetzung des Zuschusses eingehend dargelegt wurden (Randnr. 18). Die Kommission machte darin insbesondere geltend, daß eine vom 26. bis 29. Juli 1988 bei der Rechtsmittelgegnerin Stec durchgeführte Kontrollinspektion ergeben habe, daß bestimmte Ausgaben unzureichend belegt und bestimmte Positionen nicht zutreffend bewertet worden seien. Deshalb habe die Kommission selbst auf der Grundlage der von den portugiesischen Behörden aufgestellten Kriterien eine Analyse der angemessenen Kosten durchgeführt, aufgrund deren der ursprünglich vorgesehene Zuschuß gekürzt worden sei. Die Analyse habe zu dem Ergebnis geführt, daß ein Betrag von 56 % der ausgewiesenen Gesamtausgaben zuschußfähig sei, woraus sich eine Rückforderung in Höhe von 71 454 000 ESC, bezogen auf die Beteiligung des ESF, ergebe (Randnrn. 19 bis 23). Die Kommission fügte hinzu, daß die nationalen Verantwortlichen in einer Sitzung beim DAFSE, in der die Schlußfolgerungen zu dem Aktenvorgang vorgestellt und erörtert worden seien, ihre Stellungnahme abgegeben hätten (Randnr. 24). Da das in Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 vorgesehene Verfahren eingehalten worden sei, sei daher der Zuschuß des ESF auf 437 452 918 ESC festgesetzt worden; dieser Betrag sei bereits als erster Vorschuß ausgezahlt worden (Randnr. 25).

15 Mit drei am 10. Oktober 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenen Klagen beantragten die Rechtsmittelgegnerinnen insbesondere die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission über die Kürzung des Zuschusses des ESF für das Vorhaben Nr. 860012/P1.

16 Mit am 13. November 1991 eingegangenem Schriftsatz erhob die Kommission nach Artikel 91 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes eine Einrede der Unzulässigkeit. Sie machte insbesondere geltend, soweit die Klagen gegen die Entscheidung gerichtet seien, die den Rechtsmittelgegnerinnen mit den Schreiben des DAFSE vom 18. März 1991 und vom 24. April 1991 mitgeteilt worden sei, die die Rechtsmittelgegnerinnen am 21. März 1991 und am 30. April 1991 erhalten hätten, seien sie unzulässig, da sie nach Ablauf der Frist des Artikels 173 Absatz 3 EWG-Vertrag erhoben worden seien. Die Klagen seien auch insoweit unzulässig, als sie gegen das den Rechtsmittelgegnerinnen mit Schreiben des DAFSE vom 30. Juli 1991 mitgeteilte Schreiben der Kommission vom 10. Juli 1991 gerichtet seien, da dieses Schreiben, selbst wenn man annähme, daß es eine Entscheidung enthalte, doch nur die dem DAFSE mit Schreiben der Kommission vom 14. Februar 1991 mitgeteilte und den Rechtsmittelgegnerinnen am 18. März 1991 und vom 24. April 1991 zur Kenntnis gebrachte Entscheidung bestätige.

17 Der Gerichtshof hat am 9. November 1992 beschlossen, die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorzubehalten.

18 Gemäß Artikel 4 des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) hat der Gerichtshof die Rechtssachen mit Beschluß vom 27. September 1993 an das Gericht verwiesen.

19 Die Rechtsmittelgegnerinnen haben ihre Nichtigkeitsklagen im wesentlichen auf vier Klagegründe gestützt, mit denen sie einen Verstoß gegen die Grundsätze des Gebots rechtmässigen Handelns und des Vertrauensschutzes, eine Verletzung der wesentlichen Formvorschriften und der Verfahrensvorschriften der Artikel 6 Absatz 1 und 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2950/83 sowie einen Verstoß gegen die Vorschriften über die Verwaltung des ESF, insbesondere gegen die Artikel 1 und 5 Absatz 4 dieser Verordnung, geltend gemacht haben.

Das angefochtene Urteil

20 Das Gericht hat im angefochtenen Urteil zunächst geprüft, ob die Entscheidung der Kommission, wie sie den Rechtsmittelgegnerinnen am 30. April 1991 zur Kenntnis gebracht wurde, es diesen ermöglichte, sachgerecht Klage zu erheben (Randnr. 48).

21 Hierzu hat das Gericht auf die ständige Rechtsprechung (Urteile des Gerichtshofes vom 5. März 1980 in der Rechtssache 76/79, Könecke/Kommission, Slg. 1980, 665, vom 5. März 1986 in der Rechtssache 59/84, Tezi Textiel/Kommission, Slg. 1986, 887, und vom 6. Juli 1988 in der Rechtssache 236/86, Dillinger/Kommission, Slg. 1988, 3761, Randnr. 14; Urteil des Gerichts vom 19. Mai 1994 in der Rechtssache T-465/93, Consorzio gruppo di azione locale "Murgia Messapica"/Kommission, Slg. 1994, II-361, Randnr. 29) hingewiesen; danach müsse, falls eine Bekanntgabe oder Mitteilung nicht vorliege, derjenige, der Kenntnis vom Bestehen eines ihn betreffenden Rechtsakts habe, dessen vollständigen Wortlaut binnen angemessener Frist anfordern, jedoch laufe unter dieser Voraussetzung die Klagefrist erst von dem Zeitpunkt an, zu dem der betroffene Dritte genaue Kenntnis von Inhalt und Begründung des fraglichen Rechtsakts erlange, so daß er sein Klagerecht ausüben könne (Randnr. 49).

22 Das Gericht hat festgestellt, daß das Schreiben vom 14. Februar 1991 zwar Angaben, die die Feststellung des Bestehens der streitigen Entscheidung zugelassen hätten, sowie eine abstrakte und allgemeine Begründung enthalten habe, daß in ihm jedoch nicht die genauen Gründe für den Erlaß dieser Entscheidung dargelegt gewesen seien. Unmittelbar nach Eingang des Schreibens des DAFSE vom 24. April 1991 am 30. April 1991 hätten die Rechtsmittelgegnerinnen um Mitteilung der genauen Gründe für die Entscheidung über die Ablehnung der Restzahlung gebeten. Diese Gründe seien ihnen erst am 30. Juli 1991, dem Tag, an dem das DAFSE ihnen das Schreiben der Kommission vom 10. Juli 1991 übermittelt habe, mitgeteilt worden. In diesem Schreiben sei im einzelnen dargelegt worden, welche Prüfungen von den Dienststellen des ESF durchgeführt worden seien, und es sei zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Betrag in der Grössenordnung von 71 454 000 ESC zurückzuzahlen sei. Somit hätten die Rechtsmittelgegnerinnen durch das Schreiben vom 10. Juli 1991 hinreichende Kenntnis von den Gründen für die streitige Entscheidung erlangt und diese Entscheidung sachgerecht mit einer Klage anfechten können (Randnr. 50).

23 Demgemäß hat das Gericht festgestellt, daß die Klagen auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, wie sie sich aus dem Schreiben vom 10. Juli 1991 ergebe, innerhalb der vorgesehenen Frist erhoben worden seien (Randnr. 51).

24 Im Rahmen der Beurteilung der Begründetheit der Klagen hat das Gericht zunächst den Klagegrund der Verletzung wesentlicher Formvorschriften geprüft, die im wesentlichen in der Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften des Artikels 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 bestehen solle (Randnr. 57).

25 Hierzu hat das Gericht die Auffassung vertreten, daß die dem betroffenen Mitgliedstaat durch diese Bestimmung eröffnete Möglichkeit, vor Erlaß einer endgültigen Entscheidung über die Kürzung eines Zuschusses des ESF sowohl zum Grund als auch zur genauen Höhe der Kürzung Stellung zu nehmen, ein wesentliches Formerfordernis darstelle, dessen Nichtbeachtung zur Nichtigkeit der betreffenden Entscheidungen führe (Randnr. 65).

26 Es hat daraus gefolgert, daß die Abgabe der Stellungnahme des betroffenen Mitgliedstaats vor einer Entscheidung über die Kürzung des ESF-Zuschusses sicher und mit hinreichender Eindeutigkeit nachgewiesen sein müsse und daß ein auf eine Vermutung gestützter Beweis insoweit nicht genüge (Randnr. 66).

27 Um beurteilen zu können, ob diese Anforderungen im vorliegenden Fall eingehalten worden waren, hat das Gericht sodann die Schriftstücke geprüft, auf die sich die Kommission bezogen hatte. Diese Schriftstücke betrafen drei Kontrollinspektionen, die die Kommission in der Zeit vom 27. Oktober bis zum 3. November 1986, vom 28. September bis zum 2. Oktober 1987 und vom 26. bis 29. Juli 1988 durchgeführt hatte, sowie zwei Besprechungen, die im Juni 1988 zwischen den Vertretern der Kommission und den portugiesischen Behörden stattgefunden hatten (Randnrn. 67 bis 70 und 72 bis 75).

28 Dabei ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, daß diese Schriftstücke nicht den Schluß zuließen, daß die Kommission ihre Verpflichtung aus Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83 erfuellt habe. Demgemäß hat es die streitige Entscheidung aufgehoben (Randnrn. 71 und 76).

Das Rechtsmittel

29 Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel, mit dem sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils begehrt, auf zwei Rechtsmittelgründe, von denen sich der eine auf die Zulässigkeit der Klagen und der andere auf deren Begründetheit bezieht.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

30 Die Kommission beruft sich mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund darauf, daß die vom Gericht in Randnummer 49 des angefochtenen Urteils angeführte Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da sie nur für die Fälle gelte, in denen es an einer Bekanntgabe oder Mitteilung der Entscheidung fehle. Im vorliegenden Fall sei die Entscheidung vom 14. Februar 1991 den Rechtsmittelgegnerinnen jedoch am 30. April 1991 mitgeteilt worden, so daß die Klagefrist an diesem Tag begonnen habe.

31 Hierzu ist festzustellen, daß die Mitteilung von Gemeinschaftshandlungen, auf die sich die Artikel 173 Absatz 5 und 191 EG-Vertrag beziehen, notwendig die Übermittlung einer detaillierten Darstellung des Inhalts und der Gründe der mitgeteilten Handlung umfasst. Fehlt es daran, könnte der betroffene Dritte nämlich nicht mit Genauigkeit Inhalt und Gründe der fraglichen Handlung erfahren und wäre daher nicht in der Lage, gegen diese Entscheidung sachgerecht Klage zu erheben (vgl. zu Artikel 191 insbesondere das Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 58/88, Olbrechts/Kommission, Slg. 1989, 2643, Randnr. 10).

32 Diesem Erfordernis kann nur durch die Übermittlung des Wortlauts der fraglichen Entscheidung und nicht durch die Übermittlung einer kurzen Zusammenfassung ihres Inhalts entsprochen werden, wie sie in dem den Rechtsmittelgegnerinnen am 30. April 1991 zugestellten Schreiben enthalten war.

33 Daraus folgt, daß hier die Klagefrist nicht an diesem Tag beginnen konnte; der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

34 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, aus den dem Gericht vorgelegten Beweisen hinsichtlich der Bedingungen, unter denen die Kontrollinspektionen durchgeführt worden seien, hinsichtlich der Kontakte mit dem portugiesischen Minister und hinsichtlich des Inhalts der streitigen Entscheidung, die eine Kompromißlösung zugunsten der Rechtsmittelgegnerinnen darstelle, ergebe sich unbestreitbar, daß die nationalen Behörden vor Erlaß der Entscheidung, deren Inhalt sie im übrigen zum Zeitpunkt ihres Erlasses in vollem Umfang gekannt hätten, Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätten. Die Auffassung des Gerichts, daß die Kommission ihre Verpflichtung aus Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2950/83, den betroffenen Mitgliedstaat zu hören, verletzt habe, treffe somit nicht zu.

35 Mit diesem Rechtsmittelgrund wird im wesentlichen die Frage aufgeworfen, ob das Gericht aufgrund der ihm von der Kommission im Laufe des Verfahrens vorgelegten Beweise mit hinreichender Sicherheit zu dem Ergebnis gelangen konnte, daß die Kommission nicht die Verpflichtung erfuellt habe, dem betroffenen Mitgliedstaat vor Erlaß der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

36 Hierzu ist festzustellen, daß die vom Gericht vorgenommene Würdigung der ihm vorgelegten Beweise nicht in Frage gestellt werden kann, es sei denn, es wird nachgewiesen, daß das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat (vgl. insbesondere Urteil vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, Randnr. 42).

37 Im vorliegenden Fall hat die Kommission nicht bewiesen, daß die Würdigung der vorgelegten Beweise durch das Gericht mit einem Rechtsfehler behaftet ist.

38 Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

39 Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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