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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.07.1994
Aktenzeichen: C-146/93
Rechtsgebiete: Verordnung 1408/71/EWG, Verordnung 2001/83/EWG


Vorschriften:

Verordnung 1408/71/EWG Art. 3 Abs. 1
Verordnung 1408/71/EWG Art. 49
Verordnung 2001/83/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Artikel 3 Absatz 1 und 49 der Verordnung Nr. 1408/71 sind dahin auszulegen, daß es danach nicht unzulässig ist, im Falle eines Arbeitnehmers mit einem Lebensalter von weniger als 65 Jahren, dem nach der gesetzlichen Grundregelung eines Mitgliedstaats von der Vollendung des 60. Lebensjahres an ein Rentenanspruch zusteht und der in diesem Mitgliedstaat und in einem anderen Mitgliedstaat, wo der Rentenanspruch nicht vor der Vollendung des 65. Lebensjahres entsteht, Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die in letzterem Mitgliedstaat zurückgelegten Zeiten nur zur Bestimmung des Satzes der Rente zu berücksichtigen, die vom Träger des ersteren Staates sofort festgestellt werden kann.

Erfuellt nämlich der Betroffene zum Zeitpunkt seines Antrags auf Feststellung seiner Rente nicht nach allen Rechtsvorschriften, nach denen er Versicherungszeiten zurückgelegt hat, die erforderlichen Voraussetzungen, so wird durch Artikel 49 der Verordnung ausgeschlossen, daß nach den nationalen Rechtsvorschriften, deren Voraussetzungen erfuellt sind, für die Berechnung des Rentenbetrags Zeiten berücksichtigt werden, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden; demgegenüber verbietet Artikel 49 nicht, nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, deren Voraussetzungen erfuellt sind, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb des Anspruchs auf eine Altersrente und für die Bestimmung des Satzes dieser Rente zu berücksichtigen.

Eine derartige nationale Regelung bringt ferner keine direkte oder indirekte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit mit sich. Sie ist nämlich unterschiedslos anwendbar, und es ist nicht dargetan worden, daß sie unter den Arbeitnehmern, die in dem fraglichen Staat und in einem anderen Mitgliedstaat Versicherungszeiten zurückgelegt haben, die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten stärker beschwert als die eigenen Staatsangehörigen. Daß die nationalen Stellen bei der Berechnung des von ihnen zu zahlenden Rentenbetrags die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Versicherungszeiten nicht berücksichtigen, ist zudem Teil der Konzeption der Verordnung Nr. 1408/71, die eigenständige Systeme hat bestehen lassen, die eigenständige Forderungen gegen eigenständige Träger gewähren, gegen die dem Leistungsberechtigten unmittelbare Ansprüche zustehen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 7. JULI 1994. - HUGH MCLACHLAN GEGEN CAISSE NATIONALE D'ASSURANCE VIEILLESSE DES TRAVAILLEURS SALARIES DE LA REGION D'ILE-DE-FRANCE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR DE CASSATION - FRANKREICH. - FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER - SOZIALE SICHERHEIT - ALTERSRENTEN - BERUECKSICHTIGUNG VON IN EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT ZURUECKGELEGTEN VERSICHERUNGSZEITEN. - RECHTSSACHE C-146/93.

Entscheidungsgründe:

1 Die französische Cour de cassation, Kammer für Sozialsachen, hat mit Urteil vom 25. März 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 9. April 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 3 Absatz 1 und 49 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Hugh McLachlan (im folgenden: Kläger) und der Caisse nationale d' assurance vieillesse des travailleurs salariés de la région d' Ile-de-France (im folgenden: CNAVTS) wegen des Anspruchs des Klägers auf eine Altersrente.

3 Der Kläger, der die britische und die französische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde am 6. April 1924 in London geboren. Er diente von 1942 bis 1946 bei der Royal Navy im Vereinigten Königreich; von 1946 bis 1948 studierte er dort, und von 1948 bis 1955 war er dort als Arbeitnehmer beschäftigt. Anschließend war er von 1956 bis zu seiner Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen im Jahre 1985 in Frankreich beschäftigt.

4 Er legte damit in der Altersversicherung eine Versicherungszeit von 53 Quartalen im Vereinigten Königreich und von 120 Quartalen in Frankreich zurück.

5 Im Vereinigten Königreich hatte er vor Vollendung des 65. Lebensjahres, dem gesetzlichen Rentenalter, keinen Anspruch auf eine Altersrente.

6 Artikel R. 351-6 des französischen Code de la sécurité sociale bestimmt:

"Die maximale Versicherungszeit im allgemeinen System, die für die Berechnung der Altersrente berücksichtigt wird, beträgt 150 Quartale.

Hat der Versicherte in diesem System weniger als 150 Quartale zurückgelegt, so beläuft sich die Rente auf so viele 150stel der nach Artikel L. 351-1 Absatz 2 berechneten Rente, wie er Versicherungsquartale nachweist."

7 In Artikel L. 351-1 des Code de la sécurité sociale heisst es:

"Die Altersversicherung gewährleistet dem Versicherten, der nach Erreichen eines bestimmten Alters die Rentenfeststellung beantragt, eine Rente zur Altersversorgung.

Zur Bestimmung des Rentenbetrags wird auf die Jahresgrundvergütung ein Satz angewandt, der maximal bis zum sogenannten 'vollen Satz' ansteigt; sein Ansteigen richtet sich innerhalb einer festgelegten Grenze nach der Versicherungszeit im allgemeinen System und in einem oder mehreren anderen Pflichtsystemen sowie nach den als äquivalent anerkannten Zeiten oder nach dem Alter, in dem die Feststellung beantragt wird.

Hat der Versicherte im allgemeinen System eine Versicherungszeit zurückgelegt, die die in Absatz 2 genannte Grenze nicht erreicht, so wird die durch dieses System gewährte Rente zunächst auf der Grundlage dieser Zeit berechnet und anschließend nach Maßgabe der tatsächlichen Versicherungszeit gemindert.

..."

8 Gemäß Artikel 3 des Dekrets 82-991 vom 24. November 1982, inzwischen Artikel L. 351-19 des französischen Code du travail, sind Personen über 60 Jahre, die mehr als 150 für die Altersversicherung angerechnete Quartale zurückgelegt haben, von der Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit ausgeschlossen.

9 Nach den französischen Rechtsvorschriften werden die im Vereinigten Königreich zurückgelegten Quartale bei der Berechnung der 150 anrechenbaren Quartale berücksichtigt.

10 Da dem Kläger im Alter von 61 Jahren gekündigt wurde, als er mehr als 150 Quartale in der Altersversicherung im Vereinigten Königreich und in Frankreich zurückgelegt hatte, konnte er keine Leistungen wegen Arbeitslosigkeit erhalten; die CNAVTS bewilligte ihm jedoch eine Altersrente zum vollen Satz.

11 Diese Rente wurde aber nur auf der Grundlage der in Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten, also von 120 Quartalen, festgestellt.

12 Der Kläger wandte sich gegen diese Berechnungsmethode. Er machte geltend, die einschlägigen französischen Rechtsvorschriften liefen den für Wanderarbeitnehmer geltenden Gemeinschaftsbestimmungen zuwider, soweit sie die im Vereinigten Königreich zurückgelegte Versicherungszeit für die Versagung seines Anspruchs auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung, nicht aber für die Berechnung des Betrags der Altersrente berücksichtigten. Hätte er nicht im Vereinigten Königreich gearbeitet und nur die 120 in Frankreich zurückgelegten Quartale vorweisen können, so hätte er Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit gehabt, während er andererseits, hätte er seine Versicherungszeiten vollständig in Frankreich zurückgelegt, eine nicht nur zum vollen Satz berechnete, sondern zudem nicht geminderte Altersrente hätte beanspruchen können; infolgedessen sei er einer Artikel 51 EWG-Vertrag und Artikel 3 der Verordnung Nr. 1408/71 zuwiderlaufenden Ungleichbehandlung ausgesetzt. Im Ergebnis nehme ihm die französische Regelung die Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und erkenne ihm gleichzeitig lediglich eine geminderte Rente zu, nur weil er einen Teil seines Erwerbslebens im Vereinigten Königreich verbracht habe.

13 Die französische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen erläutert, da der Kläger nur eine Altersrente habe erhalten können, die zwar zum vollen Satz, dem Betrag nach aber auf der Grundlage einer kürzeren Beitragszeit als der geforderten 150 Quartale berechnet worden sei, habe ihm der Staat von 1986 an eine Ergänzungsleistung gezahlt. Diese Leistung sei bis 1989 gewährt worden, als er 65 Jahre alt geworden sei und seine Rente im Vereinigten Königreich für die dort zurückgelegte Versicherungszeit habe feststellen lassen können.

14 Der Kläger des Ausgangsverfahrens klagte ohne Erfolg beim Tribunal des affaires de sécurité sociale Paris.

15 Er legte Berufung bei der Cour d' appel Paris ein, die mit Urteil vom 9. Juli 1990 das angefochtene Urteil änderte, indem sie für den Beginn des Rentenanspruchs des Klägers ein anderes Datum festsetzte. Sie wies jedoch seine Berufung ab, soweit der Erwerb seiner Ansprüche im allgemeinen System der französischen Altersversicherung und der Satz, den die CNAVTS der Berechnung der entsprechenden Rente zugrunde gelegt hatte, in Frage standen.

16 Die Cour d' appel stellte insbesondere fest, daß der Streitgegenstand des bei ihr anhängigen Rechtsstreits nicht die Versagung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung gemäß Artikel L. 351-19 des Code du travail umfasse, sondern sich auf den vom Betroffenen gestellten Rentenantrag beschränke. Dieser Antrag könne nicht Gegenstand einer Ablehnung sein, die "zum einen auf das nach britischem Recht für die Gewährung einer Rente zum vollen Satz maßgebende Alter und zum anderen auf den finanziellen Vorteil gestützt [sei], der sich aus den Leistungen der Arbeitslosenversicherung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ergeben konnte".

17 Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Kassationsbeschwerde bei der Cour de cassation.

18 Die Cour de cassation ist der Auffassung, daß der Rechtsstreit eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwirft, und hat deshalb das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofes über folgende Frage ausgesetzt:

Sind Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 49 der Verordnung Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 dahin auszulegen, daß es danach unzulässig ist, im Falle eines Arbeitnehmers mit einem Lebensalter von weniger als 65 Jahren, dem nach der gesetzlichen Grundregelung eines Mitgliedstaats von der Vollendung des 60. Lebensjahres an ein Rentenanspruch zusteht und der in diesem Mitgliedstaat und in einem anderen Mitgliedstaat, wo der Rentenanspruch nicht vor der Vollendung des 65. Lebensjahres entsteht, Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die in letzterem Mitgliedstaat zurückgelegten Zeiten nur zur Bestimmung des Satzes der Rente zu berücksichtigen, die vom Träger des ersteren Staates sofort festgestellt werden kann?

19 Vorab ist der Einwand der französischen Regierung zurückzuweisen, daß die Vorlagefrage für die Entscheidung im Ausgangsverfahren nicht erheblich sei, da die CNAVTS dem Kläger aufgrund seiner Eigenschaft als Kriegsteilnehmer ohne Heranziehung der in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Zeiten eine Rente zum vollen Satz bewilligt habe.

20 Nach ständiger Rechtsprechung ist es allein Sache der nationalen Gerichte, bei denen der Rechtsstreit anhängig ist und die die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung tragen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der von ihnen dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. z. B. Urteile vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-127/92, Enderby, Slg. 1993, I-5535, Randnr. 10, und vom 3. März 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-332/92, C-333/92 und C-335/92, Eurico Italia u. a., Slg. 1993, I-711, Randnr. 17).

21 Der Kläger trägt vor, auf der einen Seite seien die im Vereinigten Königreich zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigt worden, um ihn wie jede Person über 60 Jahren mit einer Beschäftigungszeit von mehr als 150 Quartalen aus dem Kreis der leistungsberechtigten Arbeitslosen auszuschließen, während ihm auf der anderen Seite lediglich eine geminderte Altersrente gezahlt worden sei, da sein Rentenanspruch nur anhand der in Frankreich zurückgelegten Quartale (120), ohne Berücksichtigung der im Vereinigten Königreich zurückgelegten Quartale, berechnet worden sei.

22 Aus Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 folge, daß die CNAVTS verpflichtet gewesen sei, den Betrag der nach den französischen Rechtsvorschriften geschuldeten Leistungen zu berechnen.

23 Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1408/71 dürften die Wanderarbeitnehmer der Gemeinschaft nicht benachteiligt werden, weil sie teils in einem, teils in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet hätten. Dieser Artikel hindere Frankreich an der Berücksichtigung von im Vereinigten Königreich zurückgelegten Beschäftigungszeiten, wenn dies zu einer Schlechterstellung des betroffenen Arbeitnehmers sowohl bei der Altersversicherung als auch bei der Arbeitslosenversicherung führe. Ein Arbeitnehmer, der 150 Quartale ausschließlich in Frankreich zurückgelegt habe, hätte Anspruch auf eine volle Rente, während ein Arbeitnehmer, der nur 120 Quartale in Frankreich erreiche und nicht im Vereinigten Königreich gearbeitet habe, Leistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten würde.

24 Nach Ansicht des Klägers lässt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur zwei Lösungen zu: Entweder berücksichtige man die im Vereinigten Königreich zurückgelegten Quartale und zahle ihm eine Rente zum vollen Satz, oder man berücksichtige nur die in Frankreich zurückgelegten Quartale, komme so zu der Feststellung, daß er die Voraussetzungen der Altersversicherung nicht erfuelle, und verweise ihn auf die Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

25 Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß aus der Fassung der von der Cour de cassation gestellten Frage wie im übrigen auch aus der Begründung des Urteils der Cour d' appel Paris (vgl. Randnr. 16 dieses Urteils) hervorgeht, daß der Ausschluß des Klägers von den Leistungen der Arbeitslosenversicherung weder den Gegenstand der Vorlagefrage noch den des Ausgangsrechtsstreits bildet. Die Vorlagefrage bezieht sich ausschließlich darauf, ob es nach der Verordnung Nr. 1408/71 zulässig ist, die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Versicherungszeiten bei der Bestimmung des Satzes der Altersrente zu berücksichtigen, bei der Berechnung ihres Betrags aber unberücksichtigt zu lassen.

26 Da der Kläger, als er die Feststellung seiner Rente beantragte, noch nicht das von den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs geforderte Lebensalter von 65 Jahren erreicht hatte und somit nicht die nach den Rechtsvorschriften aller Mitgliedstaaten, in denen er Versicherungszeiten zurückgelegt hat, erforderlichen Voraussetzungen erfuellte, fällt die vorliegende Rechtssache unter Artikel 49 der Verordnung Nr. 1408/71.

27 Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe a lautet:

"(1) Erfuellt die betreffende Person zu einem bestimmten Zeitpunkt, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung des Artikels 45, nicht die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nach den Rechtsvorschriften aller Mitgliedstaaten, die für sie galten, sondern nur die Voraussetzungen nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer dieser Staaten, so gilt folgendes:

a) Jeder zuständige Träger, nach dessen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen erfuellt sind, berechnet nach Artikel 46 den Betrag der geschuldeten Leistung..."

28 Diese Bestimmung verweist damit auf die nationalen Rechtsvorschriften, deren Voraussetzungen erfuellt sind.

29 Dieser Artikel schließt aus, daß nach diesen Rechtsvorschriften für die Berechnung des Rentenbetrags Zeiten berücksichtigt werden, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden; dies entspricht der Konzeption der Verordnung Nr. 1408/71, die eigenständige Systeme hat bestehen lassen, die eigenständige Forderungen gegen eigenständige Träger gewähren, gegen die dem Leistungsberechtigten unmittelbare Ansprüche zustehen (vgl. Urteil vom 6. März 1979 in der Rechtssache 100/78, Rossi, Slg. 1979, 831, Randnr. 13).

30 Dem Kläger stehen somit Ansprüche zu gegen die zuständigen Stellen des Vereinigten Königreichs für die im Gebiet dieses Staates zurückgelegten Versicherungszeiten und gegen die zuständigen französischen Stellen für die in Frankreich zurückgelegten Zeiten.

31 Artikel 49 verbietet jedoch nicht, nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, deren Voraussetzungen erfuellt sind, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb des Anspruchs auf eine Altersrente und für die Bestimmung des Satzes dieser Rente zu berücksichtigen. Im übrigen könnte dieser Artikel der Berücksichtigung solcher Versicherungszeiten nicht entgegenstehen, denn die Verordnung Nr. 1408/71 kann nach ständiger Rechtsprechung nicht so ausgelegt werden, daß sie den Wanderarbeitnehmern im Ergebnis Vergünstigungen nimmt, auf die sie allein nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats Anspruch gehabt hätten (vgl. Urteil vom 15. Oktober 1991 in der Rechtssache C-302/90, Faux, Slg. 1991, I-4875, Randnr. 28).

32 Auch aus Artikel 3 der Verordnung Nr. 1408/71 ergeben sich gegen eine Regelung wie die hier streitige keine Bedenken.

33 Nach Absatz 1 dieses Artikels haben "[d]ie Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt,... die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen".

34 Eine Regelung wie die hier streitige bringt keine direkte oder indirekte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit mit sich, denn sie ist nicht nur unterschiedslos anwendbar, sondern es ist auch nicht dargetan worden, daß sie unter den Arbeitnehmern, die in Frankreich und in einem anderen Mitgliedstaat Versicherungszeiten zurückgelegt haben, die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten stärker beschwert als die französischen Staatsangehörigen.

35 Hinsichtlich der behaupteten Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die ausschließlich in Frankreich Versicherungszeiten zurückgelegt haben, und solchen, die auch in einem anderen Mitgliedstaat Versicherungszeiten zurückgelegt haben, ist festzustellen, daß der Ausgangsrechtsstreit, wie die Cour d' appel Paris ausgeführt hat (vgl. Randnr. 16 dieses Urteils), nicht den Ausschluß des Klägers von den Leistungen der Arbeitslosenversicherung, sondern die Berechnung seines Altersrentenanspruchs nach dem französischen System zum Gegenstand hat.

36 Die Diskriminierung soll darin liegen, daß die französischen Stellen die im Vereinigten Königreich zurückgelegten Versicherungszeiten bei der Berechnung des Betrags der von ihnen zu zahlenden Rente nicht berücksichtigt haben, während sie entsprechende Zeiten berücksichtigt hätten, wenn sie in Frankreich zurückgelegt worden wären.

37 Wie bereits ausgeführt (Randnr. 29 dieses Urteils), ist diese Nichtberücksichtigung jedoch Teil der Konzeption der Verordnung Nr. 1408/71, die eigenständige Systeme hat bestehen lassen, die eigenständige Forderungen gegen eigenständige Träger gewähren, gegen die dem Leistungsberechtigten unmittelbare Ansprüche zustehen. Insoweit hat die deutsche Regierung zu Recht darauf hingewiesen, daß jeder Staat die Leistungen erbringt, die den nach seinen Rechtsvorschriften zurückgelegten Zeiten entsprechen.

38 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-199/88 (Cabras, Slg. 1990, I-1023, Randnrn. 30 und 31) festgestellt hat, sind die sich aus dieser Aufspaltung der Leistungen ergebenden Nachteile, die im übrigen durch bestimmte Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 soweit wie möglich begrenzt werden, unvermeidliche Folge dessen, daß der Zweck des Artikels 51 EWG-Vertrag nicht darin besteht, ein gemeinsames System der sozialen Sicherheit zu schaffen, sondern lediglich darin, Regeln für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten aufzustellen.

39 Unter diesen Umständen kann das Diskriminierungsverbot, dessen Ausprägung Artikel 3 im Rahmen der Verordnung Nr. 1408/71 darstellt, durch die Nichtberücksichtigung von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten für die Berechnung des Rentenbetrags nicht verletzt sein.

40 Demnach ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß die Artikel 3 Absatz 1 und 49 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 dahin auszulegen sind, im Falle eines Arbeitnehmers mit einem Lebensalter von weniger als 65 Jahren, dem nach der gesetzlichen Grundregelung eines Mitgliedstaats von der Vollendung des 60. Lebensjahres an ein Rentenanspruch zusteht und der in diesem Mitgliedstaat und in einem anderen Mitgliedstaat, wo der Rentenanspruch nicht vor der Vollendung des 65. Lebensjahres entsteht, Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die in letzterem Mitgliedstaat zurückgelegten Zeiten nur zur Bestimmung des Satzes der Rente zu berücksichtigen, die vom Träger des ersteren Staates sofort festgestellt werden kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

41 Die Auslagen der deutschen und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

auf die ihm von der französischen Cour de cassation mit Urteil vom 25. März 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Artikel 3 Absatz 1 und 49 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung sind dahin auszulegen, daß es danach nicht unzulässig ist, im Falle eines Arbeitnehmers mit einem Lebensalter von weniger als 65 Jahren, dem nach der gesetzlichen Grundregelung eines Mitgliedstaats von der Vollendung des 60. Lebensjahres an ein Rentenanspruch zusteht und der in diesem Mitgliedstaat und in einem anderen Mitgliedstaat, wo der Rentenanspruch nicht vor der Vollendung des 65. Lebensjahres entsteht, Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die in letzterem Mitgliedstaat zurückgelegten Zeiten nur zur Bestimmung des Satzes der Rente zu berücksichtigen, die vom Träger des ersteren Staates sofort festgestellt werden kann.

Ende der Entscheidung

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