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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.11.2000
Aktenzeichen: C-148/99
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 1164/89, Entscheidung 1999/187/EG


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 1164/89
Entscheidung 1999/187/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Weder Artikel 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1164/89 zur Durchführung der Beihilferegelung für Faserflachs und Hanf, nach dem die Beihilfe für Flachs gewährt wird, der aus Saatgut der Sorten erzeugt wurde, die den Behörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Aufnahme in den nationalen Sortenkatalog zur Prüfung vorliegen, noch andere Bestimmungen dieser Verordnung sehen irgendeine Begrenzung der Aussaatflächen vor, die für diese Beihilfe in Betracht kommen. Auch wenn die Beihilfe nach dieser Verordnung nicht für den Anbau zu Versuchszwecken auf unbegrenzten Flächen gewährt werden kann, hat der Mitgliedstaat, unter dessen Aufsicht die Beihilfen verwaltet werden, darauf zu achten, dass kein Missbrauch stattfindet und die Aussaat in einem der beabsichtigten Prüfung angemessenen Umfang erfolgt.

(vgl. Randnrn. 32, 35)


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 9. November 2000. - Vereinigtes Königreich Grossbritannien und Nordirland gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EAGFL - Rechnungsabschluss - Haushaltsjahr 1995 - Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 - Beihilfe für Faserflachs und Hanf. - Rechtssache C-148/99.

Parteien:

In der Rechtssache C-148/99

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch J. E. Collins, Assistant Treasury Solicitor, als Bevollmächtigten, im Beistand von A. Sutton, Barrister, Zustellungsanschrift: Britische Botschaft, 14, boulevard Roosevelt, Luxemburg,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Oliver, Rechtsberater, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Teilnichtigerklärung der Entscheidung 1999/187/EG der Kommission vom 3. Februar 1999 über den Rechnungsabschluss der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1995 finanzierten Ausgaben (ABl. L 61, S. 37), soweit sie einen Betrag von 869 283 GBP von der Gemeinschaftsfinanzierung ausschließt, der in dem klagenden Mitgliedstaat im Rahmen der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 der Kommission vom 28. April 1989 zur Durchführung der Beihilferegelung für Faserflachs und Hanf (ABl. L 121, S. 4) festgelegten Regelung verauslagt wurde,

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer) unter Mitwirkung des Richters D. A. O. Edward in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter L. Sevón und P. Jann (Berichterstatter),

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 29. März 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Mai 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat mit Klageschrift, die am 22. April 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, nach Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 1 EG) die Teilnichtigerklärung der Entscheidung 1999/187/EG der Kommission vom 3. Februar 1999 über den Rechnungsabschluss der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1995 finanzierten Ausgaben (ABl. L 61, S. 37, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) beantragt, soweit sie einen Betrag von 869 283 GBP von der Gemeinschaftsfinanzierung ausschließt, der in dem klagenden Mitgliedstaat im Rahmen der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 der Kommission vom 28. April 1989 zur Durchführung der Beihilferegelung für Faserflachs und Hanf (ABl. L 121, S. 4) festgelegten Regelung verauslagt wurde.

2 Dieser Betrag erklärt sich dadurch, dass die Beihilfen, die das Vereinigte Königreich als Vorschuss an Erzeuger von Flachs für eine Fläche von 1 903 ha ausgezahlt hatte, von der Kommission nur für 100 ha erstattet wurden.

Rechtlicher Rahmen

3 Die Verordnung (EWG) Nr. 1308/70 des Rates vom 29. Juni 1970 über die gemeinsame Marktorganisation für Flachs und Hanf (ABl. L 146, S. 1) sieht eine Beihilfe für die für die Faserproduktion bestimmte Erzeugung von Flachs vor. Ihr Artikel 4 bestimmt in seiner Fassung durch die Verordnung (EWG) Nr. 814/76 des Rates vom 6. April 1976 (ABl. L 94, S. 4) in seinen Absätzen 1 und 2:

"(1) Für in der Gemeinschaft erzeugten, überwiegend zur Fasererzeugung bestimmten Flachs und für Hanf wird eine Beihilfe eingeführt.

Der für jedes der beiden Erzeugnisse in der ganzen Gemeinschaft einheitliche Beihilfebetrag wird jedes Jahr... festgesetzt.

(2) Der Beihilfebetrag wird je Hektar Anbau- und Erntefläche festgesetzt, um ein Gleichgewicht zwischen dem für die Gemeinschaft erforderlichen Produktionsumfang und den Absatzmöglichkeiten für die Erzeugung sicherzustellen...

..."

4 Nach Artikel 4 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 1308/70 in der durch die Verordnung Nr. 814/76 geänderten Fassung ist es Aufgabe des Rates und der Kommission, die Modalitäten der Beihilfegewährung festzulegen. Artikel 12 der Verordnung Nr. 1308/70 regelt das Verfahren, das die Kommission für den Erlass der Maßnahmen in dieser Hinsicht zu befolgen hat und das die Anhörung eines Verwaltungsausschusses für Flachs und Hanf einschließt.

5 Im Rahmen der ihr so übertragenen Zuständigkeiten erließ die Kommission die Verordnung Nr. 1164/89.

6 Artikel 2 der Verordnung Nr. 1164/89 bestimmt:

"Die Beihilfe wird für Flachs gewährt, der aus Saatgut der Sorten erzeugt wurde, die

- in Anhang A aufgeführt sind

oder

- den Behörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Aufnahme in den Katalog der hauptsächlich zur Faserproduktion bestimmten Flachssorten zur Prüfung vorliegen."

7 Der zweite Gedankenstrich von Artikel 2 wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 174/81 der Kommission vom 22. Januar 1981 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 771/74 über die Bedingungen für die Beihilfe für Flachs und Hanf (ABl. L 20, S. 13) eingefügt. In der zweiten Begründungserwägung dieser Verordnung wird hinsichtlich der Änderung des früheren Artikels 2, dessen Anwendungsbereich sich auf das Saatgut der im Anhang aufgeführten Sorten beschränkte, darauf hingewiesen, dass "[d]iese Bestimmung... zur Folge [hat], dass die hauptsächlich zur Faserherstellung bestimmten neuen Flachssorten, die von den Behörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Eintragung in den betreffenden Sortenkatalog zur Zeit geprüft werden, von der Beihilfe ausgeschlossen sind. Unter diesen Umständen besteht die Gefahr, dass die Züchtung neuer Flachssorten gehemmt wird. Um dies zu vermeiden, ist die betreffende Bestimmung anzupassen."

8 1997 wurde der zweite Gedankenstrich durch die Verordnung (EG) Nr. 624/97 der Kommission vom 8. April 1997 zur Änderung der Verordnung Nr. 1164/89 (ABl. L 95, S. 8) gestrichen.

9 Die Richtlinie 72/180/EWG der Kommission vom 14. April 1972 zur Festlegung von Merkmalen und Mindestanforderungen für die Prüfung von Sorten landwirtschaftlicher Pflanzenarten (ABl. L 108, S. 8) stellt die Mindestanforderungen auf, die die amtlichen Prüfungen, die in jedem Mitgliedstaat für die Aufnahme neuer Sorten landwirtschaftlicher Pflanzenarten in den nationalen Katalog vorgeschrieben sind, erfuellen müssen. Anlage II Abschnitt A Nr. 5.6 dieser Richtlinie legt die für die Prüfungen von Flachs geltenden allgemeinen Mindestanforderungen hinsichtlich seiner Unterscheidbarkeit, Beständigkeit und Homogenität fest und sieht vor, dass diese Prüfungen auf mindestens zwei Parzellen pro Jahr durchgeführt werden müssen.

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits und das Verfahren für den Haushaltsabschluss 1995

10 1994 begann das Vereinigte Königreich mit dem versuchsweisen Anbau einer neuen, "Klasse" genannten und für die Verwendung in der Flachsfaserproduktion für die Automobilindustrie bestimmten Faserflachssorte. Für ihre Aufnahme in den im Vereinigten Königreich bestehenden nationalen Katalog der hauptsächlich für die Faserproduktion bestimmten Flachssorten wurde die Sorte "Klasse" mehrfach geprüft. Ende des Jahres 1996 wurde sie in den nationalen Katalog aufgenommen. Sie ist hingegen nicht im Anhang A der Verordnung Nr. 1164/89 aufgeführt.

11 Im Haushaltsjahr 1995 gewährten die Behörden des Vereinigten Königreichs den Landwirten, die die Sorte "Klasse" anbauten, nach Artikel 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1164/89 Beihilfen für eine Gesamtfläche von 1 903 ha.

12 1995 und 1996 führten die Kommissionsdienststellen Inspektionen vor Ort durch. Mit Schreiben vom 26. Juli 1996 an die Regierung des Vereinigten Königreichs, dem der Inspektionsbericht beigefügt war, wies die Kommission darauf hin, dass der großflächige Anbau der Sorte "Klasse" mit der Durchführung industrieller Tests gerechtfertigt worden sei, die in der Gemeinschaftsregelung nicht vorgesehen seien, so dass die Beihilfe wahrscheinlich nur für Flächen gewährt werden könne, die zweifelsfrei als experimentelle Anpflanzungen identifiziert werden könnten, und daher finanzielle Anpassungen vorgesehen seien.

13 In einem Telefax vom 18. Juli 1997 an die Behörden des Vereinigten Königreichs präzisierte die Kommission, dass ihrer Ansicht nach, wenn nicht die Verarbeitung der Ernten nachgewiesen werde, der Ausgleich auf 100 ha, die maximale Fläche für einen industriellen Test, beschränkt sei.

14 Da die Regierung des Vereinigten Königreichs der Meinung war, dass es keine Rechtsgrundlage für eine Beschränkung der beihilfefähigen Fläche auf 100 ha gebe, rief sie mit Schreiben vom 4. Dezember 1997 die durch die Entscheidung 94/442/EG der Kommission vom 1. Juli 1994 zur Schaffung eines Schlichtungsverfahrens im Rahmen des Rechnungsabschlusses des EAGFL - Abteilung Garantie (ABl. L 182, S. 45) eingerichtete Schlichtungsstelle an. In ihrem Schlussbericht vom Mai 1998 zeigte die Schlichtungsstelle Verständnis für "das Erstaunen der britischen Behörden angesichts des Vorschlags der Kommissionsdienststellen, die für eine zur Prüfung vorliegende Sorte als beihilfefähig zu berücksichtigende Fläche rückwirkend auf 100 ha zu beschränken". Sie stellte fest, dass eine Beihilfe, die alle Ausgaben für die Produktion der Sorte "Klasse" finanzieren würde, wahrscheinlich zu hoch sei und dass eine "recht erhebliche Berichtigung der fraglichen Beihilfen" gerechtfertigt sein könnte.

15 Die Kommission hielt dennoch an ihrem Standpunkt fest, dass eine Fläche von 100 ha für die fraglichen experimentellen Versuche völlig ausreiche. In der angefochtenen Entscheidung lehnte sie es ab, den einer Anbaufläche von 1 803 ha entsprechenden Betrag von 869 283 GBP anzuerkennen. Die Klage richtet sich gegen diese Entscheidung.

Die Klage

16 Die Regierung des Vereinigten Königreichs beantragt, die angefochtene Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als sie den Betrag von 869 283 GBP von der Gemeinschaftsfinanzierung ausschließt, der den Beträgen entspricht, den die Behörden des Vereinigten Königreichs nach der durch die Verordnung Nr. 1164/89 festgelegten Regelung gewährt haben, und der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17 Die Kommission beantragt, die Klage des Vereinigten Königreichs abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

18 Die Regierung des Vereinigten Königreichs trägt zur Unterstützung ihrer Nichtigkeitsklage vier Klagegründe vor:

- Die angefochtene Entscheidung verstoße gegen die Verordnung Nr. 1164/89, da diese keine Rechtfertigung für eine Beschränkung der nach der in Rede stehenden Regelung auszuzahlenden Beihilfe auf 100 ha enthalte;

- sie sei insoweit rechtswidrig, als die Kommission für eine Beschränkung der Geltung der Verordnung Nr. 1164/89 ohne Einhaltung der in Artikel 12 der Verordnung Nr. 1308/70 vorgesehenen Verfahren nicht zuständig sei;

- sie sei willkürlich und nicht begründet;

- sie stelle in Wirklichkeit einen rückwirkenden Rechtsetzungsakt dar, der gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoße.

19 Nach Ansicht der Kommission sind alle diese Klagegründe unbegründet.

Zum ersten, zweiten und vierten Klagegrund

20 Das Vereinigte Königreich macht mit dem ersten, dem zweiten und dem vierten Klagegrund, die gemeinsam zu prüfen sind, geltend, dass die angefochtene Entscheidung gegen die Verordnung Nr. 1164/89 verstoße, weil diese nichts enthalte, was eine Beschränkung der nach der betroffenen Regelung zu zahlenden Beihilfen auf eine bestimmte Fläche rechtfertigen könnte. Da die Sorte "Klasse" für ihre Aufnahme in den nationalen Katalog unbestreitbar geprüft worden und kein Missbrauch seitens der anbauenden Landwirte festgestellt worden sei, müssten die fraglichen Beihilfen, die von den Behörden des Vereinigten Königreichs an die anbauenden Landwirte nach den geltenden Gemeinschaftsvorschriften ausgezahlt worden seien, von der Kommission vollständig erstattet werden.

21 Die Kommission habe unter dem Deckmantel einer Verwaltungsentscheidung in Wirklichkeit eine Rechtsetzungsmaßnahme eingeführt, die den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1164/89 einschränke. Die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig, weil die Kommission für die Beschränkung der Geltung dieser Verordnung ohne Einhaltung der dafür in der Verordnung Nr. 1308/70 vorgesehenen Verfahren, nämlich ohne Anhörung der Verwaltungsstelle für Flachs und Hanf, nicht zuständig gewesen sei. Ein solches Verfahren sei von der Kommission nie eingeleitet worden.

22 Die angefochtene Entscheidung verstoße außerdem gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, soweit sie zurückwirke. In dem Telefax der Kommission vom 18. Juli 1997 sei die Obergrenze von 100 ha zum ersten Mal erwähnt worden, während die in Rede stehenden Beihilfen den anbauenden Landwirten bereits zwischen 1994 und 1995 in gutem Glauben und in Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften gewährt worden seien.

23 Die Regierung des Vereinigten Königreichs weist auf das Urteil des Gerichtshofes vom 1. Oktober 1998 in der Rechtssache C-233/96 (Dänemark/Kommission, Slg. 1998, I-5759, Randnr. 38) hin, wonach die Kommission zum Zeitpunkt des Rechnungsabschlusses des EAGFL keine Auslegung wählen könne, die sich von der gewöhnlichen Bedeutung des verwendeten Wortlauts entferne. Da der Wortlaut der Verordnung Nr. 1164/899 in dem Sinne klar sei, dass er keine Beschränkungen enthalte, verletze die angefochtene rückwirkende Entscheidung die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

24 Die Kommission ist zunächst der Ansicht, dass sie die in Rede stehenden Beihilfen zu Recht beschränkt habe. Der Anbau auf 1 903 ha zu angeblich experimentellen Zwecken stelle einen Missbrauch dar und könne von der Abteilung "Garantie" des EAGFL nicht finanziert werden. Selbst wenn die Verordnung Nr. 1164/89 die maximale Anbaufläche für Versuchszwecke nicht ausdrücklich beschränke, stehe fest, dass die Erzeuger deswegen nicht unbeschränkte Mengen produzieren könnten, sondern dass die Aussaatfläche angemessen sein und den wissenschaftlichen Erfordernissen entsprechen müsse. In diesem Kontext müsse die Richtlinie 72/180 berücksichtigt werden, die zwecks Erlangung verlässlicher Daten Mindestanforderungen für die Aussaat vorsehe und festlege, dass hierfür eine Versuchsfläche von zwei Hektar ausreiche.

25 Die Verordnung Nr. 1164/89 betreffe wissenschaftliche Versuche und nicht industrielle Tests. Die Kommission sei daher nicht verpflichtet gewesen, überhaupt einen Betrag zu erstatten. Ihre Entscheidung, eine Beihilfe für industrielle Tests für maximal 100 ha zu gewähren, müsse daher als großzügiges Entgegenkommen angesehen werden.

26 Der fragliche Flachs sei nie verarbeitet worden, sondern sei auf den Feldern verblieben und dort verrottet. Die Versuche seien also ohne Ergebnis geblieben, was die Regierung des Vereinigten Königreichs in einem Schreiben vom 4. Dezember 1997 eingeräumt habe. Unter solchen Umständen seien daher keine Gemeinschaftsbeihilfen zu gewähren, da die Verpflichtung, die Ernte zu verarbeiten, Artikel 2 der Verordnung Nr. 1164/89 "inhärent" sei.

27 Die Kommission ist der Ansicht, dass sie die angefochtene Entscheidung auf dem Verwaltungsweg und in den Grenzen ihrer insoweit bestehenden Zuständigkeiten habe erlassen können, und bestreitet, dass sie als Gesetzgeber gehandelt habe.

28 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission präzisiert, dass sie nicht mehr bestreite, dass industrielle Tests von der Verordnung Nr. 1164/89 gedeckt sein könnten.

29 Sie hat allerdings geltend gemacht, dass sich das Vereinigte Königreich und die Kommission auf die Beschränkung der Beihilfen auf eine Fläche von 100 ha geeinigt hätten, was sich aus dem Telefax der Kommission vom 18. Juli 1997 an die Behörden des Vereinigten Königreichs ergebe.

30 Das Vereinigte Königreich hat zwar eingeräumt, dass es tatsächlich Gespräche zwischen den beiden Parteien gegeben habe, hat aber bestritten, dass man sich auf den Grundsatz einer Beschränkung auf 100 ha geeinigt habe. Das Telefax der Kommission sei eine einseitige Stellungnahme, der die Regierung des Vereinigten Königreichs nicht zugestimmt habe.

31 Zu diesem letzten Punkt, der zuerst zu prüfen ist, genügt die Feststellung, dass das streitige Telefax nur eine einseitige Stellungnahme ist und dass die Kommission keine anderen Beweismittel vorgelegt hat, um das Zustandekommen einer Einigung nachzuweisen. Dem auf das Bestehen einer solchen Einigung gestützten Argument der Kommission kann daher nicht gefolgt werden. Im Übrigen wird die Beurteilung, dass die Regierung des Vereinigten Königreichs einer Beschränkung der Beihilfen durch die Kommission im Juli 1997 nicht zugestimmt hat, dadurch untermauert, dass die Regierung des Vereinigten Königreichs im Dezember 1997 die Schlichtungsstelle angerufen hat.

32 Zweitens ist hinsichtlich des Arguments, die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig, weil die Kommission nicht berechtigt gewesen sei, die in Rede stehenden Beihilfen einseitig und rückwirkend auf eine Fläche von maximal 100 ha zu beschränken, zunächst auf den Wortlaut der Verordnung Nr. 1164/89 Bezug zu nehmen. Weder Artikel 2 zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung, nach dem die Beihilfe für Flachs gewährt wird, der aus Saatgut der Sorten erzeugt wurde, die den Behörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Aufnahme in den nationalen Sortenkatalog zur Prüfung vorliegen, noch andere Bestimmungen dieser Verordnung sehen irgendeine Begrenzung der Aussaatflächen vor, die für die in Rede stehende Beihilfe in Betracht kommen.

33 Aus der Entstehungsgeschichte von Artikel 2 der Verordnung Nr. 1164/89 folgt im Gegenteil, wie in den Randnummern 5 bis 8 dieses Urteils dargelegt wurde, dass der zweite Gedankenstrich dieses Artikels ausdrücklich zu dem Zweck eingefügt wurde, die Züchtung neuer Flachssorten durch Verwendung von Saatgut zu Versuchszwecken unter der Aufsicht der nationalen Behörden zu fördern. Auch wenn es zutreffen mag, dass der Produktionsumfang zu Versuchszwecken erheblich zugenommen hatte, worauf die Kommission in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, und dass dies der Grund für die Streichung des zweiten Gedankenstrichs von Artikel 2 der Verordnung Nr. 1164/89 im Jahr 1997 gewesen ist, ist diese Bestimmung gleichwohl auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar, der in das Haushaltsjahr 1995 fällt.

34 Eine Beschränkung der zu Versuchszwecken genutzten Flächen ergibt sich auch nicht aus anderen auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbaren Rechtsvorschriften. Insbesondere die Richtlinie 72/180, die die Festlegung von Merkmalen und Mindestanforderungen für die Prüfung der Sorten betrifft, die in den gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten aufgenommen werden können, steht in keinem Zusammenhang mit den für Anpflanzungen zu Versuchszwecken gewährten Beihilfen und trifft keine Aussage über eine Beschränkung solcher Anpflanzungen.

35 Auch wenn die in Rede stehenden Beihilfen nach der Verordnung Nr. 1164/89 nicht für den Anbau zu Versuchszwecken auf unbegrenzten Flächen gewährt werden können, ist dennoch hervorzuheben, dass die Beihilfen unter Aufsicht des betroffenen Mitgliedstaats verwaltet werden, der darauf zu achten hat, dass kein Missbrauch stattfindet und die Aussaat in einem der beabsichtigten Prüfung angemessenen Umfang erfolgt. Unter den vorliegenden Umständen weist nichts darauf hin, dass das Vereinigte Königreich gegen diese Verpflichtung verstoßen hätte und dass Flachs der Sorte "Klasse" auf einer Fläche ausgesät worden wäre, die im Verhältnis zu der damit bezweckten Prüfung offensichtlich zu groß war. Insbesondere hat die Kommission den allgemein formulierten Vorwurf, es habe Missbräuche seitens der anbauenden Landwirte gegeben, weder substantiiert noch bewiesen.

36 Das Argument der Kommission, der Flachs hätte verarbeitet werden müssen, damit die Beihilfen für das Saatgut gewährt werden könnten, findet in den anwendbaren Vorschriften keine Stütze. Eine solche Verpflichtung ist Artikel 2 der Verordnung Nr. 1164/89 nicht "inhärent", da aus den Artikeln 3 bis 8 dieser Verordnung, die die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe im Einzelnen festlegen, klar hervorgeht, dass die Beihilfe für die Aussaatflächen und nicht für die Verarbeitung der Ernte gewährt wird, die im Allgemeinen erst einige Jahre später erfolgt. Werden die Beihilfen für zur Prüfung vorliegende Saaten gewährt, so ist damit zudem zwangsläufig ein gewisses Risiko verbunden, dass diese Prüfungen negativ ausfallen und eine Verarbeitung nicht erfolgen kann. Diesem Argument der Kommission kann daher nicht gefolgt werden.

37 Aus alledem folgt, dass die angefochtene Entscheidung rechtswidrig ist, soweit sie den im Vereinigten Königreich als Beihilfe für Faserflachs verauslagten Betrag von 869 283 GBP von der Gemeinschaftsfinanzierung ausschließt, da sie insoweit unter Verstoß gegen Artikel 2 der Verordnung Nr. 1164/89 erlassen wurde. Die angefochtene Entscheidung ist daher insoweit für nichtig zu erklären.

Zum dritten Klagegrund

38 Da der erste, der zweite und der vierte Klagegrund zur Teilnichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen, bedarf es keiner Prüfung des dritten Klagegrunds.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Vereinigte Königreich die Verurteilung der Kommission beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung 1999/187/EG der Kommission vom 3. Februar 1999 über den Rechnungsabschluss der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1995 finanzierten Ausgaben wird insoweit für nichtig erklärt, als sie den Betrag von 869 283 GBP von der Gemeinschaftsfinanzierung ausschließt, der im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland im Rahmen der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 der Kommission vom 28. April 1989 zur Durchführung der Beihilferegelung für Faserflachs und Hanf festgelegten Regelung verauslagt wurde.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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