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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.11.1998
Aktenzeichen: C-150/94
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 519/94


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 519/94
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Der Umfang der durch Artikel 190 des Vertrages auferlegten Begründungspflicht hängt von der Rechtsnatur der betreffenden Maßnahme ab; bei Rechtsakten mit allgemeiner Geltung kann sich die Begründung darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zum Erlaß der Maßnahme geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihr erreicht werden sollen. Wenn aus dem angefochtenen Rechtsakt der von dem Organ verfolgte Zweck in seinen wesentlichen Zuegen hervorgeht, wäre es übertrieben, eine besondere Begründung für die verschiedenen technischen Entscheidungen, die das Organ getroffen hat, zu verlangen.

Zwar stellt der in Artikel 3b Absatz 3 des Vertrages niedergelegte Verhältnismässigkeitsgrundsatz einen allgemeinen Grundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung dar, doch kann vom Rat insoweit nicht verlangt werden, daß er, um seiner Begründungspflicht aus Artikel 190 des Vertrages nachzukommen, diesen Grundsatz ausdrücklich in den Begründungserwägungen einer Verordnung erwähnt, wenn aus der streitigen Verordnung hervorgeht, daß die in ihr vorgesehenen Maßnahmen - entsprechend dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz - notwendig sind, um die verfolgten Ziele zu erreichen.

2 Artikel 37 Absatz 4 der Satzung des Gerichtshofes verwehrt es einem Streithelfer nicht, andere Argumente vorzubringen als die von ihm unterstützte Partei, solange er damit die Unterstützung der Anträge dieser Partei oder die Abweisung der Anträge der Gegenpartei bezweckt.

So betrifft das Vorbringen der Streithelferin bezueglich des Fehlens einer speziellen Begründung im Hinblick auf den in Artikel 3b Absatz 3 des Vertrages niedergelegten Verhältnismässigkeitsgrundsatz den vom Kläger geltend gemachten Klagegrund der fehlenden Begründung und ist auf die Unterstützung der Anträge des Klägers gerichtet.

3 Die Gemeinschaftsorgane verfügen bei der Wahl der zur Verwirklichung der gemeinsamen Handelspolitik erforderlichen Mittel über einen Ermessensspielraum. In einem solchen Bereich, in dem komplexe wirtschaftliche Sachverhalte zu beurteilen sind, ist die gerichtliche Kontrolle insbesondere dann, wenn der betreffende Rechtsakt allgemeine Geltung hat, darauf zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der getroffenen Wahl zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen.

Ausserdem erstreckt sich das Ermessen, über das der Rat bei der Würdigung einer komplexen wirtschaftlichen Situation verfügt, nicht allein auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Vorschriften, sondern bis zu einem gewissen Grad auch auf die Ermittlung der zugrundeliegenden Daten, was insbesondere bedeutet, daß es dem Rat freisteht, sich gegebenenfalls auf globale Feststellungen zu stützen. Denn wenn der Rat auch alle ihm vorliegenden Angaben berücksichtigen muß, kann doch nicht verlangt werden, daß er vor dem Erlaß eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung alle betroffenen Wirtschaftssektoren eingehend untersucht.

Im Fall der Einführung einer neuen Einfuhrregelung für bestimmtes Spielzeug aus der Volksrepublik China durch die Verordnung Nr. 519/94, die die Festsetzung von Einfuhrkontingenten vorsieht, ist das Ermessen des Rates in keiner Weise dadurch beschränkt, daß er selbst beschlossen hat, daß die Liberalisierung der Einfuhren den Ausgangspunkt für die neue Regelung bilden müsse. Denn anders als der Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft ist die Beseitigung aller mengenmässigen Beschränkungen für Einfuhren aus Drittländern kein Rechtsgrundsatz, an den sich der Rat grundsätzlich halten müsste, sondern das Ergebnis einer Entscheidung, die dieses Organ in Ausübung seines Ermessens getroffen hat.

4 Beim Erlaß einer Verordnung, mit der auf Gemeinschaftsebene eine neue einheitliche Regelung für Einfuhren aus bestimmten Drittländern eingeführt wird, die an die Stelle der vorherigen, auf den Entscheidungen der einzelnen Mitgliedstaaten beruhenden Regelung treten soll, hat der Rat das Allgemeininteresse der Gemeinschaft insgesamt zu berücksichtigen und ist bei der Ausübung seines Ermessens nicht durch die in der Vergangenheit von den Mitgliedstaaten individuell getroffenen Entscheidungen gebunden, denn andernfalls würde die Rolle missachtet, die diesem Organ gemäß Artikel 4 EG-Vertrag bei der Wahrnehmung der der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben zukommt. Folglich kann daraus, daß die neue Regelung wesentlich von der zuvor geltenden abweicht, nicht auf einen Beurteilungsfehler geschlossen werden.

5 Artikel 100 ist nicht dahin zu verstehen, daß er der Gemeinschaft jede Maßnahme verbietet, die den Handel mit Drittländern beeinträchtigen könnte. Wie aus dem Wortlaut dieser Vorschrift folgt, kann das Ziel, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr beizutragen, für die Organe nicht die Verpflichtung begründen, die Einfuhren aus Drittländern zu liberalisieren, wenn sich ein solches Vorgehen als den Interessen der Gemeinschaft zuwiderlaufend erweist.

6 Was die Kontrolle der Verhältnismässigkeit im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik betrifft, in dem die Gemeinschaftsorgane über ein weites Ermessen verfügen, so kann die Rechtmässigkeit einer Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zieles offensichtlich ungeeignet ist. Ist der Gemeinschaftsgesetzgeber für den Erlaß einer Regelung genötigt, die künftigen Auswirkungen dieser Regelung zu beurteilen, und lassen sich diese Auswirkungen nicht genau vorhersehen, so kann seine Beurteilung nur dann beanstandet werden, wenn sie angesichts der Erkenntnisse, über die er zum Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, offensichtlich irrig erscheint. Diese Beschränkung der Kontrolle durch den Gerichtshof ist insbesondere dann geboten, wenn sich der Rat veranlasst sieht, einen Ausgleich zwischen divergierenden Interessen herbeizuführen und so im Rahmen der in seinem Verantwortungsbereich zu treffenden politischen Entscheidungen eine Auswahl vorzunehmen. Der Gerichtshof kann jedoch insoweit nicht die vom Rat vorgenommene Beurteilung der Frage, ob die von ihm gewählten Maßnahmen angemessen sind, durch seine eigene Beurteilung ersetzen, wenn der Beweis nicht erbracht ist, daß diese Maßnahmen zur Verwirklichung des verfolgten Zieles offensichtlich ungeeignet waren.

7 Der Gleichheitsgrundsatz, wonach vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, es sei denn, daß eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre, wird nicht dadurch verletzt, daß die Festsetzung der Einfuhrkontingente im Rahmen der Verordnung Nr. 519/94 des Rates zur Einführung von Einfuhrkontingenten für bestimmtes Spielzeug aus China unterschiedlichen Verfahrensregeln folgt, je nachdem, ob die Kontingente unter die von der Verordnung eingeführte allgemeine einheitliche Regelung oder unter die in derselben Verordnung vorgesehenen Überwachungs- und Schutzmaßnahmen fallen, da die Situation bezueglich dieser Kontingente nicht vergleichbar ist. Es kann nämlich nicht verlangt werden, daß die Verfahrensbestimmungen, die die angefochtene Verordnung für künftige Änderungen der durch sie eingeführten Regelung enthält, bereits für die Festlegung dieser Regelung durch den Rat gelten.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 19. November 1998. - Vereinigtes Königreich Grossbritannien und Nordirland gegen Rat der Europäischen Union. - Nichtigkeitsklage - Gemeinsame Handelspolitik - Verordnung (EG) Nr. 519/94 - Einfuhrkontingente für bestimmtes Spielzeug aus der Volksrepublik China. - Rechtssache C-150/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat mit Klageschrift, die am 6. Juni 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag die Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 519/94 des Rates vom 7. März 1994 über die gemeinsame Regelung der Einfuhren aus bestimmten Drittländern und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nrn. 1765/82, 1766/82 und 3420/83 (ABl. L 67, S. 89; im folgenden: angefochtene Verordnung) beantragt, soweit sie für Spielzeug der HS/KN-Codes 9503 41, 9503 49 und 9503 90 gilt.

Die Lage vor dem Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung

2 Vor dem Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung war die Einfuhr von Waren mit Ursprung in Staatshandelsländern durch verschiedene Verordnungen des Rates geregelt. Zu den Einfuhren aus der Volksrepublik China hatte der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 1766/82 vom 30. Juni 1982 über die gemeinsame Regelung für die Einfuhr aus der Volksrepublik China (ABl. L 195, S. 21) erlassen, die diejenigen Einfuhren betraf, die grundsätzlich keinen mengenmässigen Beschränkungen unterlagen, sowie die Verordnung (EWG) Nr. 3420/83 vom 14. November 1983 über die Einfuhrregelungen für auf Gemeinschaftsebene nicht liberalisierte Waren mit Ursprung in Staatshandelsländern (ABl. L 346, S. 6), die u. a. diejenigen Einfuhren aus China betraf, die nicht unter die Verordnung Nr. 1766/82 fielen.

3 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3420/83 waren die in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführenden Waren des Anhangs III dieser Verordnung in einem oder mehreren in diesem Anhang genannten Mitgliedstaaten mengenmässigen Beschränkungen unterworfen. Nach Artikel 3 hatte der Rat vor dem 1. Dezember eines jeden Jahres gemäß Artikel 113 EG-Vertrag für diese Waren die Einfuhrkontingente festzulegen, die von den Mitgliedstaaten gegenüber den einzelnen Staatshandelsländern zu eröffnen waren. Artikel 3 Absatz 2 sah vor, daß die bestehenden Einfuhrkontingente vorläufig für das folgende Jahr verlängert wurden, wenn kein derartiger Beschluß vorlag.

4 Nach den Artikeln 7 bis 10 der Verordnung Nr. 3420/83 konnte jede Änderung der gemäß der Verordnung festgelegten Einfuhrregelung, die ein Mitgliedstaat für erforderlich hielt, zum Gegenstand eines vorherigen gemeinschaftlichen Konsultationsverfahrens gemacht werden, das zu einer Entscheidung der Kommission oder - bei Einwänden eines Mitgliedstaats - zu einer Entscheidung des Rates führte.

5 Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3420/83 konnten die Mitgliedstaaten zudem die Höhe der Kontingente überschreiten oder, wenn kein Kontingent vorgesehen war, Einfuhrmöglichkeiten eröffnen. Artikel 4 Absatz 2 bestimmte, daß ein Mitgliedstaat, der als einziger eine mengenmässige Einfuhrbeschränkung aufrechterhielt und die Beseitigung oder die Aussetzung dieser Beschränkung in Betracht zog, die übrigen Mitgliedstaaten und die Kommission innerhalb einer Frist von zehn Arbeitstagen von der beabsichtigten Maßnahme unterrichtete, ohne das Verfahren gemäß den Artikeln 7 bis 9 der Verordnung einzuleiten.

6 Zu den unter Anhang III der Verordnung Nr. 3420/83 fallenden Waren gehörte Spielzeug, dessen Einfuhr in Deutschland, Frankreich und Griechenland mengenmässigen Beschränkungen unterlag. Diese Beschränkungen galten nicht nur für Spielzeug aus China, sondern für Spielzeug aus sämtlichen Staatshandelsländern, die in Anhang I der Verordnung genannt waren. Beim Beitritt des Königreichs Spanien änderte die Verordnung (EWG) Nr. 3784/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Änderung der Anhänge I und III der Verordnung (EWG) Nr. 3420/83 über die Einfuhrregelungen für auf Gemeinschaftsebene nicht liberalisierte Waren mit Ursprung in Staatshandelsländern aufgrund des Beitritts Spaniens und Portugals (ABl. L 364, S. 1) Anhang III dahin, daß er u. a. die spanischen Einfuhrbeschränkungen für Spielzeug einschloß.

7 Die Verordnung Nr. 3420/83 wurde zuletzt durch die Verordnung (EWG) Nr. 2456/92 des Rates vom 13. Juli 1992 zur Festlegung der von den Mitgliedstaaten gegenüber Staatshandelsländern zu eröffnenden Kontingente für 1992 (ABl. L 252, S. 1) geändert. Die Verordnung Nr. 2456/92 setzte die für 1992 zu eröffnenden Kontingente fest und sah in Artikel 5 vor, daß das System der automatischen Verlängerung gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung 3420/83 nicht für 1993 galt, da es für notwendig gehalten wurde, die derzeitige Regelung durch einen Gemeinschaftsmechanismus zu ersetzen, der alle am 31. Dezember 1992 noch bestehenden Beschränkungen erfasst (fünfte Begründungserwägung). Für Spielzeug aus China setzte Anhang VIII der Verordnung Nr. 2456/92 Kontingente für Deutschland und Spanien fest.

8 Für 1993 wurde keine neue Verordnung zur Festsetzung von Einfuhrkontingenten erlassen. Die Kommission genehmigte jedoch nationale Maßnahmen, darunter insbesondere Kontingente für die Einfuhr von Spielzeug aus China nach Spanien.

Die angefochtene Verordnung

9 Die angefochtene Verordnung, die seit dem 15. März 1994 gilt, hat die Verordnungen Nr. 1766/82 und Nr. 3420/83 aufgehoben. Laut ihrer ersten Begründungserwägung ist "[d]ie gemeinsame Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen zu gestalten", während die Verordnungen Nr. 1766/82 und Nr. 3420/83 Ausnahmen und Abweichungen beibehielten, die den Mitgliedstaaten erlaubten, weiterhin nationale Maßnahmen auf die Einfuhr von Waren mit Ursprung in Staatshandelsländern anzuwenden. Nach der vierten Begründungserwägung ist es "[z]ur stärkeren Vereinheitlichung der Einfuhrregelung... erforderlich, die Ausnahmen und Abweichungen aufgrund der noch geltenden handelspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten und insbesondere die nach der Verordnung (EWG) Nr. 3420/83 von den Mitgliedstaaten aufrechterhaltenen mengenmässigen Beschränkungen aufzuheben". Nach der fünften und der sechsten Begründungserwägung muß der Grundsatz der Liberalisierung der Einfuhren den Ausgangspunkt für diese Vereinheitlichung bilden, ausser für "eine begrenzte Anzahl von Ursprungswaren aus der Volksrepublik China". Wie in der sechsten Begründungserwägung erläutert wird, müssen diese Waren "wegen der Sensibilität bestimmter Bereiche der Gemeinschaftsindustrie" Mengenkontingenten und Überwachungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene unterworfen werden.

10 Gemäß Artikel 1 Absatz 2 der angefochtenen Verordnung ist die Einfuhr der in der Verordnung genannten Waren in die Gemeinschaft frei und unterliegt mithin keinen mengenmässigen Beschränkungen, unbeschadet etwaiger Schutzmaßnahmen und der in Anhang II genannten Gemeinschaftskontingente. Nach Artikel 1 Absatz 3 unterliegen Einfuhren der in Anhang III genannten Waren gemeinschaftlichen Überwachungsmaßnahmen. Die Anhänge II und III nennen ausschließlich Waren mit Ursprung in China.

11 Anhang II legt Kontingente für bestimmte Kategorien von Spielzeug aus China fest. Im einzelnen wurden für Spielzeug der HS/KN-Codes 9503 41 (Spielzeug, Füllmaterial enthaltend, Tiere oder nichtmenschliche Wesen darstellend), 9503 49 (anderes Spielzeug, Tiere oder nichtmenschliche Wesen darstellend) und 9503 90 (bestimmtes anderes Spielzeug) Jahreskontingente von 200 798 000 ECU, 83 851 000 ECU und 508 016 000 ECU festgelegt.

12 Von Anhang III der angefochtenen Verordnung erfasst und damit einer gemeinschaftlichen Überwachung unterworfen sind andere Waren, die zuvor nationalen Beschränkungen unterlagen, darunter u. a. Bausätze und Baukastenspielzeug, Puzzels und Spielkarten der HS/KN-Codes 9503 30, 9503 60 und 9504 40.

13 Die Regierung des Vereinigten Königreichs stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe; erstens auf das Fehlen einer richtigen oder angemessenen Begründung der angefochtenen Verordnung, zweitens auf das Fehlen einer Tatsachenbeurteilung oder einen offensichtlichen Fehler bei der Tatsachenbeurteilung, drittens auf den willkürlichen Charakter der betreffenden Kontingente, viertens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und fünftens auf einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Zum Klagegrund des Fehlens einer richtigen oder angemessenen Begründung

14 Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend, daß Artikel 1 Absatz 2 der angefochtenen Verordnung entgegen der Verpflichtung aus Artikel 190 EG-Vertrag nicht angemessen begründet sei.

15 Die in der vierten und der fünften Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung genannten Ziele der Vereinheitlichung der Einfuhrregelung und der Liberalisierung der Einfuhren hätten zur Beseitigung der noch bestehenden nationalen mengenmässigen Beschränkungen führen müssen. Die sechste Begründungserwägung habe jedoch für die Waren des Anhangs II, zu denen das streitige Spielzeug gehöre, eine Ausnahme vom Grundsatz der Liberalisierung vorgesehen, die als solche vom Rat besonders hätte begründet werden müssen.

16 Diese Begründungserwägung verweise aber nur auf die "Sensibilität bestimmter Bereiche der Gemeinschaftsindustrie", ohne anzugeben, anhand welcher Kriterien die betreffenden Bereiche als sensibel eingestuft worden seien, weshalb diese Bereiche nur bei Einfuhren aus China, nicht jedoch bei Einfuhren aus anderen Ländern sensibel seien oder weshalb es notwendig sei, eine nationale Beschränkungsmaßnahme durch eine Beschränkungsmaßnahme auf Gemeinschaftsebene zu ersetzen.

17 Im Zusammenhang mit dem letzten Punkt erinnert die Regierung des Vereinigten Königreichs insbesondere daran, daß das Königreich Spanien zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der angefochtenen Verordnung der einzige Mitgliedstaat gewesen sei, der die Einfuhr des streitigen Spielzeugs beschränkt habe. Diese Beschränkung habe nur für Direkteinfuhren nach Spanien gegolten und weniger als 2 % der gemeinschaftlichen Einfuhren der streitigen Waren betroffen. Der Rat hätte daher erklären müssen, warum es notwendig sei, eine Beschränkungsmaßnahme in einem Mitgliedstaat, die minimale Auswirkung auf Gemeinschaftsebene habe, durch eine Beschränkung mit sehr erheblicher Auswirkung auf Gemeinschaftsebene zu ersetzen. Darüber hinaus könne der Rat nicht geltend machen, daß die streitigen Kontingente dem Schutz der Gemeinschaftsindustrie insgesamt und nicht lediglich dem der spanischen Spielzeugindustrie dienten, da die angefochtene Verordnung insoweit keine Begründung enthalte und der Rat weder Beweise dafür vorlege, daß die Gemeinschaftsindustrie auf einen solchen Schutz angewiesen sei, noch eine Untersuchung eingeleitet habe, um zu ermitteln, ob das der Fall sei.

18 Jedenfalls sei die Einführung der streitigen Kontingente keine Übergangsmaßnahme, die mit der Verwirklichung der gemeinsamen Handelspolitik verbunden sei, sondern eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der Liberalisierung der Einfuhren.

19 Der Rat habe auch nicht begründet, weshalb er sich für die Einführung von Kontingenten auf Gemeinschaftsebene entschieden habe, anstatt auf eine regionale Schutzmaßnahme zurückzugreifen, obwohl der Erlaß einer solchen ausdrücklich in Artikel 17 der angefochtenen Verordnung vorgesehen sei. Ferner habe er nicht erklärt, nach welcher Methode die streitigen Kontingente berechnet worden seien. Da der Rat einen wichtigen Politikwechsel beschlossen habe, hätte er aber triftige Gründe für seine Entscheidung angeben müssen.

20 Schließlich reiche die Erklärung des Rates in seiner Klagebeantwortung, die auf den Anstieg der chinesischen Einfuhren gestützt sei, nicht aus, um die Einführung der streitigen Kontingente zu rechtfertigen, da die Auswirkungen dieser Einfuhren auf die gemeinschaftliche Spielzeugindustrie überhaupt nicht geprüft worden seien. Da diese Erklärung anläßlich einer u. a. auf das Fehlen einer Begründung gestützten Klage abgegeben worden sei, könne sie zudem nicht die Unzulänglichkeit der Begründung heilen, mit der der angefochtene Rechtsakt behaftet sei. Der Rat habe in seiner Klagebeantwortung ferner versucht, zu erklären, weshalb es erforderlich gewesen sei, die 1994 genehmigten Ausfuhren wieder auf das Niveau von 1991 zu senken; dies sei jedoch unbeachtlich, da die angefochtene Verordnung auch zu diesem Punkt schweige.

21 Die deutsche Regierung schließt sich im wesentlichen der Argumentation der Regierung des Vereinigten Königreichs an. Der Rat habe ausserdem die angefochtene Verordnung nicht im Hinblick auf den in Artikel 3b Absatz 3 EG-Vertrag niedergelegten Verhältnismässigkeitsgrundsatz begründet. Nach dieser Vorschrift hätten die Gemeinschaftsorgane eine spezielle Begründungspflicht und müssten u. a. die Belange der Mitgliedstaaten berücksichtigen.

22 Der Rat, unterstützt durch die spanische Regierung und die Kommission, macht geltend, daß sich die ersten sechs Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnung nicht darauf beschränkten, die Gesamtlage und die allgemeinen Ziele der angefochtenen Verordnung zu beschreiben, insbesondere das Ziel, als notwendige Ergänzung zur Vollendung des Binnenmarktes alle zuvor für liberalisierte und nicht liberalisierte Einfuhren geltenden Vorschriften durch eine einheitliche gemeinsame Regelung zu ersetzen. Diese Begründungserwägungen gäben auch an, weshalb das Kontingent auf Gemeinschaftsebene festgesetzt worden sei, nämlich wegen der "Sensibilität bestimmter Bereiche der Gemeinschaftsindustrie". Ausserdem erläutere die dritte Begründungserwägung genau, weshalb eine Lösung auf Gemeinschaftsebene gesucht werden müsse.

23 Entgegen der Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs stellten die streitigen Kontingente keine Ausnahme vom Grundsatz der Liberalisierung des Handels dar, sondern seien wesentlicher Bestandteil der durch die angefochtene Verordnung eingeführten Regelung. Die angefochtene Verordnung stelle nicht den allgemeinen Grundsatz der Liberalisierung des Handels auf, sondern den der Vereinheitlichung der Einfuhrregelungen. Folglich sei es entgegen dem Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs nicht notwendig, die Kontingente gesondert zu begründen.

24 Gegenüber dem Argument der deutschen Regierung, daß eine Begründung im Hinblick auf die Einhaltung des in Artikel 3b des Vertrages niedergelegten Verhältnismässigkeitsgrundsatzes fehle, macht der Rat geltend, daß die Streithelferin zwar behaupte, lediglich ergänzende Hinweise zu den vom Kläger vorgebrachten Nichtigkeitsgründen zu geben, in Wirklichkeit jedoch entgegen Artikel 37 Absatz 4 der EG-Satzung des Gerichtshofes einen neuen Nichtigkeitsgrund vorbringe. Dieser Nichtigkeitsgrund müsse daher als unzulässig zurückgewiesen werden. Jedenfalls verlange Artikel 3b des Vertrages nicht, daß Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane eine spezielle Begründung im Hinblick auf die Einhaltung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes enthielten.

25 Bevor die verschiedenen Rügen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der zu seiner Unterstützung beigetretenen deutschen Regierung untersucht werden, ist daran zu erinnern, daß, wie der Rat zutreffend festgestellt hat, nach ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 13. März 1968 in der Rechtssache 5/67 (Beus, Slg. 1968, 127) der Umfang der Begründungspflicht von der Rechtsnatur der betreffenden Maßnahme abhängt und sich die Begründung bei Rechtsakten mit allgemeiner Geltung darauf beschränken kann, die Gesamtlage anzugeben, die zum Erlaß der Maßnahme geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihr erreicht werden sollen.

26 Im übrigen hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, daß es, wenn aus dem angefochtenen Rechtsakt der von dem Organ verfolgte Zweck in seinen wesentlichen Zuegen hervorgeht, übertrieben wäre, eine besondere Begründung für die verschiedenen technischen Entscheidungen, die das Organ getroffen hat, zu verlangen (vgl. insbesondere Urteil vom 22. Januar 1986 in der Rechtssache 250/84, Eridania u. a., Slg. 1986, 117, Randnr. 38).

27 Im vorliegenden Fall hat der Rat zunächst die Gesamtlage und die Ziele, die erreicht werden sollten, beschrieben, indem er ausgeführt hat, daß die Vollendung der gemeinsamen Handelspolitik im Bereich der Einfuhrregelung eine notwendige Ergänzung zur Vollendung des Binnenmarktes sei (dritte Begründungserwägung).

28 Sodann hat er erklärt, daß es zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sei, die Ausnahmen und Abweichungen aufgrund der noch geltenden handelspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten aufzuheben (vierte Begründungserwägung), und daß die Liberalisierung der Einfuhren den Ausgangspunkt für die gemeinsame Regelung bilden müsse (fünfte Begründungserwägung).

29 Schließlich hat der Rat die mit der Einführung der streitigen Kontingente verfolgten Ziele genauer angegeben und darauf hingewiesen, daß sich diese Kontingente wegen der Sensibilität bestimmter Bereiche der Gemeinschaftsindustrie als notwendig erwiesen (sechste Begründungserwägung).

30 Insgesamt enthält diese Begründung eine klare Beschreibung der Sachlage und der verfolgten Ziele, die unter den vorliegenden Umständen als ausreichend erscheint.

31 Diese Feststellung wird nicht durch das Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs entkräftet.

32 Erstens war der Rat, da es sich um einen Rechtsakt von allgemeiner Geltung handelt, nicht verpflichtet, in der Begründung der angefochtenen Verordnung die Daten anzugeben, die er für die Feststellung berücksichtigt hatte, daß bestimmte Bereiche der Gemeinschaftsindustrie sensibel gegenüber Einfuhren aus China seien. Insbesondere brauchte er weder die Entwicklung der Einfuhren der betreffenden Waren zu beschreiben noch eine wirtschaftliche Analyse der von diesen Einfuhren betroffenen Bereiche der Gemeinschaftsindustrie zu liefern.

33 Zweitens brauchte der Rat bei einem Rechtsakt, der zur Vollendung der gemeinsamen Handelspolitik auf die Aufhebung nationaler Beschränkungen und Ausnahmen gerichtet war, nicht zu erklären, weshalb auf Gemeinschaftsebene bestimmte Beschränkungen eingeführt wurden. Der Rat wäre vielmehr dann zu einer besonderen Begründung verpflichtet, wenn aussergewöhnliche Umstände die Einführung beschränkender Maßnahmen lediglich in einer oder mehreren Regionen der Gemeinschaft erforderlich machten und so vom einheitlichen Charakter der gemeinsamen Handelspolitik abgewichen würde.

34 Drittens bildet zwar die Einführung der streitigen Kontingente eine Ausnahme von der Liberalisierung der Einfuhren, die nach der fünften Begründungserwägung den Ausgangspunkt für die gemeinsame Regelung bilden muß, doch ist die Beseitigung aller mengenmässigen Beschränkungen für Einfuhren aus Drittländern kein Rechtsgrundsatz, an den sich der Rat grundsätzlich halten müsste, sondern das Ergebnis einer Entscheidung, die er bei der Ausübung seines Ermessens getroffen hat. Ausserdem hat der Rat erklärt, welche Gründe ihn dazu veranlasst hatten, für bestimmte Waren Kontingente vorzusehen.

35 Viertens brauchte der Rat, da er die verfolgten Ziele dargestellt hatte, seine technischen Entscheidungen, insbesondere die bezueglich der streitigen Kontingente, nicht zu begründen. Insoweit ist also unbeachtlich, daß der Rat nur im Verfahren vor dem Gerichtshof erklärt hat, daß die 1994 genehmigten Einfuhren auf das Niveau von 1991 hätten gesenkt werden müssen.

36 Zum Vorbringen der deutschen Regierung bezueglich des Fehlens einer speziellen Begründung im Hinblick auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz ist zunächst festzustellen, daß dieses entgegen dem Vorbringen des Rates nicht gegen Artikel 37 Absatz 4 der EG-Satzung des Gerichtshofes verstösst. Diese Vorschrift verwehrt es einem Streithelfer nämlich nicht, andere Argumente vorzubringen als die von ihm unterstützte Partei, solange er damit die Unterstützung der Anträge dieser Partei oder die Abweisung der Anträge der Gegenpartei bezweckt (Urteil vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59, De Gezamnlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, S. 3). Im vorliegenden Fall betrifft das fragliche Argument den von der Regierung des Vereinigten Königreichs geltend gemachten Klagegrund der fehlenden Begründung und ist auf die Unterstützung der Anträge dieser Regierung gerichtet. Es ist daher vom Gerichtshof zu prüfen.

37 Dieses Vorbringen ist allerdings nicht begründet. Zwar stellt der in Artikel 3b Absatz 3 des Vertrages niedergelegte Verhältnismässigkeitsgrundsatz einen allgemeinen Grundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung dar, doch ist seine ausdrückliche Erwähnung in den Begründungserwägungen nicht zu verlangen (vgl. - zum Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 3b Absatz 2 - Urteil vom 13. Mai 1997 in der Rechtssache C-233/94, Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 1997, I-2405, Randnr. 28).

38 Jedenfalls hat der Rat, indem er in der sechsten Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung festgestellt hat, daß "für eine begrenzte Anzahl von Ursprungswaren aus der Volksrepublik China" wegen der Sensibilität bestimmter Bereiche der Gemeinschaftsindustrie Mengenkontingente festgelegt werden müssten, erklärt, daß solche Maßnahmen - entsprechend dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz - nur getroffen würden, wenn sie sich als notwendig erwiesen, um die verfolgten Ziele zu erreichen.

39 Aus diesen Gründen ist der Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht sachlich nicht zutreffend und daher zurückzuweisen.

Fehlende Tatsachenbeurteilung oder offensichtlicher Fehler bei der Tatsachenbeurteilung

40 Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend, daß der Rat beim Erlaß des Artikels 1 der angefochtenen Verordnung die relevanten Tatsachen nicht angemessen beurteilt oder einen offensichtlichen Fehler bei ihrer Beurteilung begangen habe, der geeignet sei, die Rechtswidrigkeit dieser Vorschriften zu begründen.

41 Vor dem Erlaß der angefochtenen Verordnung sei das spanische Kontingent die einzige Beschränkung gewesen, die für das betreffende Spielzeug gegolten habe. Die streitigen Kontingente hätten Beschränkungen eingeführt, die in allen Mitgliedstaaten gälten und das Niveau des gemeinschaftlichen Handels für bestimmte Artikel dieses Spielzeugs um fast 50 % senkten. Der Rat könne seinen Standpunkt zwar derart drastisch ändern, wenn die Umstände es rechtfertigten. Im vorliegenden Fall habe er jedoch nicht über ausreichende Daten verfügt, anhand deren er die relevanten Tatsachen angemessen hätte beurteilen können.

42 Eine solche Beurteilung hätte Punkte berücksichtigen müssen wie

- die Lage und den Zustand der Spielzeugindustrie in Spanien und in den anderen Mitgliedstaaten;

- den Ausgleich zwischen den Interessen der verschiedenen Teile der gemeinschaftlichen Spielzeugindustrie, der Verbraucher, der Einzelhändler und der Großhändler;

- die Auswirkungen der erlassenen Maßnahmen und anderer möglicher Maßnahmen wie z. B. nationaler Schutzmaßnahmen;

- den Ausgleich des Interesses der Gemeinschaft an freiem Handel einerseits und Protektionismus anderseits.

43 Anstatt alle diese Umstände zu berücksichtigen, habe sich der Rat nur mit dem Anstieg der chinesischen Ausfuhren befasst, ohne dessen Auswirkungen auf die Gemeinschaftsindustrie zu untersuchen. Er habe daher nicht geprüft, ob die Gemeinschaftsindustrie einen Schaden erlitten habe und versäumt, Umfang, Struktur, Produktion, Produktionskapazität und Rentabilität des betreffenden Sektors zu untersuchen. Abgesehen vom Anstieg der chinesischen Ausfuhren habe er keine Beweise dafür vorgelegt, daß die gemeinschaftliche Spielzeugindustrie auf den durch die streitigen Kontingente gewährten Schutz angewiesen gewesen sei. Ferner habe er nicht nachgewiesen, daß er über das relevante Tatsachenmaterial verfügt habe, um das Ausfuhrpotential der chinesischen Industrie oder die Auswirkungen der bestehenden Einfuhrbeschränkungen zu beurteilen.

44 Das Fehlen einer angemessenen Tatsachenbeurteilung sei um so überraschender, als nach den Artikeln 5 ff. der angefochtenen Verordnung vor jeder Einführung einer Einfuhrbeschränkung eine Einzelfalluntersuchung durchgeführt werden müsse. Eine solche Untersuchung wäre auch im vorliegenden Fall erforderlich gewesen, da vor dem Erlaß der angefochtenen Verordnung mehr als 98 % der betreffenden Einfuhren liberalisiert gewesen seien. Selbst ohne ausdrückliche Bestimmung seien die Organe nach den wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts verpflichtet, die relevanten Tatsachen vollständig zu beurteilen, bevor sie einem zuvor liberalisierten Handel Beschränkungen auferlegten.

45 Da entsprechend dem in Artikel 110 EG-Vertrag niedergelegten Ziel die Liberalisierung der Einfuhren der Ausgangspunkt der angefochtenen Verordnung gewesen sei, müssten ausserdem die streitigen Kontingente, die Beschränkungen auf Gemeinschaftsebene einführten, als Ausnahmen vom Grundsatz der Liberalisierung verstanden und daher eng ausgelegt werden. Dieser Umstand könne nicht durch die Überlegung entkräftet werden, daß die streitigen Kontingente wesentlicher Bestandteil der angefochtenen Verordnung seien. Unter Berufung auf eine Analogie zwischen der von der Verordnung eingeführten neuen Handelsregelung und der Regelung des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft führt die Regierung des Vereinigten Königreichs aus, daß Artikel 36 EG-Vertrag ebenfalls wesentlicher Bestandteil der Vorschriften über den freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft sei, obwohl er eine Ausnahme von dem in Artikel 30 niedergelegten Grundsatz darstelle und daher eng auszulegen sei.

46 Schließlich seien die neuen Beschränkungen im Spielzeughandel zwischen der Gemeinschaft und China derart weitgehend und hätten derartige Auswirkungen auf das Handelsniveau, daß sie gleichsam Strafcharakter hätten und besonders sorgfältig geprüft werden müssten.

47 Die deutsche Regierung schließt sich der Argumentation der Regierung des Vereinigten Königreichs an, soweit es um den Klagegrund eines Beurteilungsfehlers geht. Sie fügt hinzu, daß der Rat es versäumt habe, Überlegungen im Hinblick auf Artikel 110 des Vertrages anzustellen, dessen Ziel die schrittweise Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr sei. Zwar verbiete diese Vorschrift der Gemeinschaft nicht den Erlaß jeglicher Maßnahme, die den Handel mit Drittländern beeinträchtigen könnte, doch müsse eine solche Maßnahme erforderlich sein und ihre Rechtfertigung in Vorschriften des Gemeinschaftsrechts finden. Im vorliegenden Fall habe der Rat es versäumt, darzulegen, welche Vorschriften geeignet seien, die Kontingentierung zu rechtfertigen.

48 Der Rat, unterstützt durch die spanische Regierung und die Kommission, führt aus, daß die angefochtene Verordnung alle Wirtschaftssektoren erfasse und alle zuvor für liberalisierte und nicht liberalisierte Einfuhren geltenden Vorschriften durch eine einheitliche Gemeinschaftsregelung ersetze. Bei der Einführung der streitigen Kontingente habe der Rat einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der verschiedenen Sektoren der gemeinschaftlichen Spielzeugindustrie vornehmen und komplexe politische Entscheidungen treffen müssen.

49 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes verfügten die Gemeinschaftsorgane bei der Beurteilung komplexer Sachverhalte, insbesondere wenn sie im Rahmen von Artikel 113 des Vertrages handelten, über ein weites Ermessen. Daher könne die Rechtmässigkeit einer Maßnahme der gemeinsamen Handelspolitik nur dann wegen eines Beurteilungsfehlers in Frage gestellt werden, wenn sich herausstelle, daß diese Maßnahme im Hinblick auf das verfolgte Ziel offensichtlich ungeeignet sei. Insbesondere wenn der Rat künftige Auswirkungen der von ihm erlassenen Vorschriften beurteilen müsse, die nicht mit Bestimmtheit vorausgesagt werden könnten, könne seine Beurteilung nur beanstandet werden, wenn sie sich im Licht der Informationen, über die er zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Vorschriften verfügt habe, als offensichtlich fehlerhaft erweise. Darüber hinaus erstrecke sich das Ermessen des Rates bei der Beurteilung eines komplexen wirtschaftlichen Sachverhalts in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung der zugrundeliegenden Daten.

50 Im vorliegenden Fall sei der Umstand, daß bereits nationale Beschränkungen bestanden hätten, nur einer der Punkte gewesen, die er beim Erlaß der angefochtenen Verordnung habe berücksichtigen müssen. Er habe den Umfang der Einfuhren aus China, ihre Auswirkungen auf die Gemeinschaftsindustrie, das Ausfuhrpotentional der chinesischen Industrie, das Preisniveau sowie die bestehenden Einfuhrbeschränkungen auf gemeinschaftlicher oder nationaler Ebene berücksichtigt. Der Vergleich, den die Regierung des Vereinigten Königreichs zwischen den Auswirkungen der vor Erlaß der angefochtenen Verordnung bestehenden spanischen Beschränkungen und den Beschränkungen der Verordnung selbst gezogen habe, beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung. Denn die streitigen Kontingente seien keineswegs eine Fortsetzung der nationalen Beschränkungen; sie sollten vielmehr die Gemeinschaftsindustrie insgesamt schützen.

51 Das Argument, das die deutsche Regierung aus Artikel 110 des Vertrages herleite, sei nicht von der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgebracht und nicht durch Beweise gestützt worden; es sei daher zurückzuweisen. Jedenfalls hindere diese Vorschrift den Rat nicht daran, auf der Grundlage von Artikel 113 des Vertrages Kontingente für den Handel mit Drittländern festzulegen.

52 Schließlich hätten weder die Regierung des Vereinigten Königreichs noch die Streithelferin belegt, daß der Rat über unzulängliche Daten verfügt, ohne Informationen gehandelt, die Tatsachen offensichtlich fehlerhaft beurteilt oder einen Ermessensmißbrauch begangen habe.

53 Nach ständiger Rechtsprechung verfügen die Gemeinschaftsorgane, wie der Rat und die zur Unterstützung seiner Anträge beigetretenen Streithelferinnen vorgetragen haben, bei der Wahl der zur Verwirklichung der gemeinsamen Handelspolitik erforderlichen Mittel über einen Ermessensspielraum (Urteile vom 15. Juli 1982 in der Rechtssache 245/81, Edeka, Slg. 1982, 2745, Randnr. 27; vom 28. Oktober 1982 in der Rechtssache 52/81, Faust/Kommission, Slg. 1982, 3745, Randnr. 27, sowie vom 7. Mai 1987 in der Rechtssache 256/84, Koyo Seiko/Rat, Slg. 1987, 1899, Randnr. 20, in der Rechtssache 258/84, Nippon Seiko/Rat, Slg. 1987, 1923, Randnr. 34, und in der Rechtssache 260/84, Minebea/Rat, Slg. 1987, 1975, Randnr. 28).

54 In einer solchen Situation, in der komplexe wirtschaftliche Sachverhalte zu beurteilen sind, ist die gerichtliche Kontrolle darauf zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der getroffenen Wahl zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen (vgl. insbesondere Urteil vom 14. März 1990 in der Rechtssache C-156/87, Gestetner Holdings/Rat und Kommission, Slg. 1990, I-781, Randnr. 63). Das gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als der betreffende Rechtsakt allgemeine Geltung hat.

55 Der Gerichtshof hat ausserdem entschieden, daß sich das Ermessen, über das der Rat bei der Würdigung einer komplexen wirtschaftlichen Situation verfügt, nicht allein auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Vorschriften, sondern bis zu einem gewissen Grad auch auf die Ermittlung der zugrundeliegenden Daten erstreckt, was insbesondere bedeutet, daß es dem Rat freisteht, sich gegebenenfalls auf globale Feststellungen zu stützen (Urteil vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 166/78, Italien/Rat, Slg. 1979, 2575, Randnr. 14). Denn wenn der Rat auch alle ihm vorliegenden Angaben berücksichtigen muß, kann doch nicht verlangt werden, daß er vor dem Erlaß eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung alle betroffenen Wirtschaftssektoren eingehend untersucht.

56 Im übrigen lässt sich entgegen der Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs nicht behaupten, daß die angefochtenen Maßnahmen gleichsam Strafcharakter hätten und besonders sorgfältig zu prüfen seien. Insoweit genügt die Feststellung, daß die Auferlegung der Einfuhrkontingente in keinem Zusammenhang mit Verhaltensweisen steht, die speziell bestimmten Rechtssubjekten zurechenbar sind, daß sie nicht repressiv wirken soll und daß sie nichts mit Freiheitsentzug oder der Aberkennung von Rechten oder Fähigkeiten zu tun hat.

57 Angesichts der Argumentation der Regierung des Vereinigten Königreichs und der zu seiner Unterstützung beigetretenen deutschen Regierung ist, was zum einen die Rüge der fehlenden Tatsachenbeurteilung angeht, erstens festzustellen, daß der Rat unstreitig den erheblichen Anteil der chinesischen Einfuhren am Gemeinschaftsmarkt und den beträchtlichen Anstieg dieser Einfuhren berücksichtigt hat.

58 Zweitens war der Rat entgegen dem Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs nicht verpflichtet, die Situation der betroffenen Sektoren in den verschiedenen Mitgliedstaaten gesondert zu prüfen, da sich seine Entscheidung auf die Interessen der Gemeinschaft insgesamt und nicht auf die der einzelnen Mitgliedstaaten stützen musste.

59 Drittens folgt aus der in Randnummer 55 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung, daß der Rat, da die Verordnung sämtliche Gemeinschaftseinfuhren aus bestimmten Drittländern erfasste, bei ihrem Erlaß nicht verpflichtet war, die verschiedenen Aspekte der betroffenen Wirtschaftszweige der Gemeinschaft, insbesondere die Interessen der verschiedenen Wirtschaftsteilnehmer des Spielzeugsektors der Gemeinschaft, eingehend zu untersuchen.

60 Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Rat den Erlaß der streitigen Maßnahmen auf eine hinreichende Beurteilung der relevanten Daten gestützt hat.

61 Zum anderen ist zur Beantwortung der Frage, ob der Rat im vorliegenden Fall sein Ermessen überschritten oder offensichtlich fehlerhaft ausgeuebt hat, erstens festzustellen, daß die Argumentation der Regierung des Vereinigten Königreichs von einer falschen Prämisse ausgeht.

62 Zwar beruhte die Einfuhrregelung für die streitigen Waren vor dem Erlaß der angefochtenen Verordnung vor allem auf den Entscheidungen der einzelnen Mitgliedstaaten. Trotzdem hatte der Rat beim Erlaß einer neuen einheitlichen Regelung auf Gemeinschaftsebene nicht die besonderen Interessen der verschiedenen Mitgliedstaaten, sondern das Allgemeininteresse der Gemeinschaft insgesamt zu berücksichtigen.

63 Insbesondere war der Rat bei der Ausübung seines Ermessens nicht durch die in der Vergangenheit von den Mitgliedstaaten individuell getroffenen Entscheidungen gebunden, denn andernfalls würde die Rolle missachtet, die diesem Organ gemäß Artikel 4 EG-Vertrag bei der Wahrnehmung der der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben zukommt.

64 Folglich stand es dem Rat frei, bei einer neuen Beurteilung der Sachlage nach Maßgabe des Gemeinschaftsinteresses andere Entscheidungen zu treffen als die Mitgliedstaaten; daraus, daß die neue Regelung wesentlich von der zuvor geltenden abweicht, kann nicht auf einen Beurteilungsfehler geschlossen werden.

65 Zweitens brauchte der Rat, wie der Generalanwalt in den Nummern 132 bis 139 seiner Schlussanträge dargelegt hat, für die Einführung der streitigen Kontingente nicht zu ermitteln, ob die Gemeinschaftsindustrie wegen der Einfuhren aus China bereits einen Schaden erlitten hatte. Er durfte vielmehr davon ausgehen, daß derartige Störungen verhindert werden mussten, und seine Beurteilung auf die blosse Gefahr von Störungen stützen, die aus dem Anstieg der Einfuhren von Spielzeug aus China hergeleitet werden durfte.

66 Drittens sind die Argumente zu Artikel 110 des Vertrages zu prüfen, die nicht nur von der dem Streit beigetretenen deutschen Regierung, sondern auch vom Kläger, dem Vereinigten Königreich, vorgebracht worden sind.

67 Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Vorschrift nicht dahin zu verstehen, daß sie der Gemeinschaft vertraglich jede Maßnahme verbietet, die den Handel mit Drittländern beeinträchtigen könnte (Urteile vom 5. Mai 1981 in der Rechtssache 112/80, Dürbeck, Slg. 1981, 1095, Randnr. 44, und Edeka, Randnr. 24). Wie aus dem Wortlaut dieser Vorschrift folgt, kann das Ziel, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr beizutragen, für die Organe nicht die Verpflichtung begründen, die Einfuhren aus Drittländern zu liberalisieren, wenn sich ein solches Vorgehen als den Interessen der Gemeinschaft zuwiderlaufend erweist. Der Rat durfte also davon ausgehen, daß die Sachlage die Einführung von Kontingenten für die streitigen Waren erforderlich machte.

68 Viertens war das Ermessen des Rates in keiner Weise dadurch beschränkt, daß er selbst beschlossen hatte, daß die Liberalisierung der Einfuhren den Ausgangspunkt für die neue Regelung bilden müsse. Insoweit ist die von der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgeschlagene Analogie zwischen den Artikeln 30 und 36 des Vertrages einerseits und der Liberalisierung der Ausfuhren und den Ausnahmen von dieser Liberalisierung andererseits nicht zutreffend. Wie oben in Randnummer 34 dargelegt wurde, ist die Beseitigung aller mengenmässigen Beschränkungen für Einfuhren aus Drittländern - anders als der Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft - kein Rechtsgrundsatz, an den sich der Rat grundsätzlich halten müsste, sondern das Ergebnis einer Entscheidung, die dieses Organ in Ausübung seines Ermessens getroffen hat.

69 Fünftens und letztens deckt sich der zweite Klagegrund des Vereinigten Königreichs, soweit dem Rat damit vorgeworfen wird, er habe vor Erlaß der streitigen Maßnahmen keine Untersuchung durchgeführt, wie sie in der angefochtenen Verordnung bei der Einführung von Schutz- oder Überwachungsmaßnahmen vorgesehen sei, mit dem Klagegrund einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, der im folgenden zu prüfen ist.

70 Aus dem Vorstehenden folgt, daß - unbeschadet dieser Prüfung - der Klagegrund einer fehlenden Tatsachenbeurteilung oder eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers nicht durchgreift.

Willkürlicher Charakter der streitigen Kontingente

71 Mit ihrem dritten Klagegrund macht die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend, mangels hinreichender Begründung und angemessener Tatsachenbeurteilung hätten die in der angefochtenen Verordnung festgesetzten Kontingente wegen des Ausmasses ihrer beschränkenden Auswirkungen auf die Einfuhren einen willkürlichen Charakter.

72 Insoweit genügt, wie der Rat und die Kommission zu Recht ausgeführt haben, die Feststellung, daß die Regierung des Vereinigten Königreichs den willkürlichen Charakter der streitigen Kontingente aus der Unzulänglichkeit der Begründung der angefochtenen Verordnung und dem Fehlen einer angemessenen Tatsachenbeurteilung durch den Rat herleitet, was Gegenstand der ersten beiden Klagegründe ist.

73 Da sich der vorliegende Klagegrund mit den bereits zurückgewiesenen ersten beiden Klagegründen deckt, ist er ebenfalls zurückzuweisen.

Zum Verstoß gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz

74 Mit ihrem vierten Klagegrund vertritt die Regierung des Vereinigten Königreichs, unterstützt von der deutschen Regierung, die Auffassung, daß die angefochtene Verordnung gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstosse. Dieser verlange, daß eine Maßnahme, mit der die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit untersagt oder beschränkt werden solle, geeignet und erforderlich zur Erreichung der verfolgten Ziele sei, daß, wenn zwischen mehreren Maßnahmen gewählt werden müsse, die am wenigstens einschneidende getroffen werde und daß die aus der Maßnahme entstehenden Nachteile nicht ausser Verhältnis zu den verfolgten Zielen stuenden. Bei der Ausübung eines legislativen Ermessens dürfe die erlassene Maßnahme nicht offensichtlich ungeeignet zur Erreichung der verfolgten Ziele sein.

75 Im vorliegenden Fall sei das Ziel der Schutz der spanischen Spielzeugindustrie, da die einzige Beschränkungsmaßnahme, die zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung bestanden habe, die vom Königreich Spanien angewandte gewesen sei.

76 Die streitigen Kontingente seien nicht erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen, und stellten unter der Maßnahmen, die der Rat habe erlassen können, nicht das am wenigsten einschneidende Mittel dar. In diesem Zusammenhang bringt die Regierung des Vereinigten Königreichs dreierlei vor.

77 Erstens sei die Ersetzung eines regionalen Kontingents durch ein Gemeinschaftskontingent keine geeignete Maßnahme, da ein solches Vorgehen noch nicht einmal mit dem Bemühen um eine grössere Einheitlichkeit begründet werden könne. Ausserdem gehe aus der angefochtenen Verordnung nicht hervor, daß Schutzmaßnahmen nur befristet sein könnten oder auf mögliche künftige Gefahren für die Gemeinschaftsindustrie beschränkt seien. Die deutsche Regierung macht insoweit geltend, daß der Rat jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung regionale, zeitlich nicht begrenzte Maßnahmen hätte vorsehen können.

78 Zweitens seien die Kontingente so festgesetzt worden, daß die Einfuhren der betreffenden Waren im Vergleich zum Vorjahr um etwa 50 % gesunken seien, was ausser Verhältnis zu den Erfordernissen des Schutzes des spanischen Industrie stehe.

79 Drittens stehe die Anwendung von Beschränkungen auf Gemeinschaftsebene im Widerspruch zur angefochtenen Verordnung, die vor der Einführung neuer Überwachungs- oder Schutzmaßnahmen eine Einzelfalluntersuchung vorsehe.

80 Der Rat, unterstützt durch die spanische Regierung und die Kommission, vertritt die Auffassung, er habe in Übereinstimmung mit dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz gehandelt, als er sich zum Ziel gesetzt habe, sicherzustellen, daß die Regelung des Handels der Gemeinschaft mit Drittländern die Vollendung des Binnenmarktes unter Berücksichtigung der Sensibilität der Gemeinschaftsindustrie im betroffenen Sektor angemessen widerspiegele.

81 Er habe sich angesichts eines alarmierenden und eine Gefahr für die Gemeinschaftsindustrie bildenden Anstiegs der Einfuhren des betroffenen Spielzeugs aus und durch China auf den Gemeinschaftsmarkt bemüht, einen Ausgleich zwischen einem angemessenen Schutz der Industrie der Gemeinschaft und der Aufrechterhaltung eines akzeptablen Handelsniveaus mit China zu finden, indem er die Kontingente auf dem Niveau der 1991 getätigten Einfuhren festgesetzt habe.

82 Durch Überwachungs- oder Schutzmaßnahmen auf regionaler Ebene hätte nicht das gleiche Ausmaß an Schutz erreicht werden können, da es darum gegangen sei, die Interessen der Gemeinschaftsindustrie und nicht die der Industrie eines einzelnen Mitgliedstaats zu schützen. Im übrigen seien die in Artikel 17 der angefochtenen Verordnung genannten regionalen Schutzmaßnahmen nur befristete Ausnahmemaßnahmen und richteten sich nur gegen künftige Einfuhrsteigerungen, die der Gemeinschaftsindustrie Schaden zufügten. Die streitigen Kontingente seien zwar erforderlich, um den Übergang von der alten zur neuen Einfuhrregelung sicherzustellen, doch seien sie nicht zwangsläufig befristet, da es nicht möglich sei, eine zeitliche Beschränkung für sie vorzusehen.

83 Selbst wenn man davon ausgehe, daß weniger belastende oder beschränkende Mittel vorstellbar gewesen wären, um das verfolgte Ziel zu erreichen, könne der Gerichtshof doch nicht die vom Rat vorgenommene Beurteilung der Frage, ob die vom Gemeinschaftsgesetzgeber gewählten Maßnahmen mehr oder weniger angemessen sind, durch seine eigene Beurteilung ersetzen, wenn der Beweis nicht erbracht sei, daß diese Maßnahmen zur Verwirklichung des verfolgten Zieles offensichtlich ungeeignet seien (Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973).

84 Die drei Teile des vierten Klagegrundes der Regierung des Vereinigten Königreichs sind nacheinander zu prüfen.

85 Was den ersten Teil betrifft, so geht zum einen ausdrücklich aus der sechsten Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung hervor, daß der Rat durch die Festsetzung der streitigen Kontingente der Sensibilität bestimmter Bereiche der Gemeinschaftsindustrie insgesamt und nicht der Industrie eines bestimmten Mitgliedstaats Rechnung tragen wollte.

86 Zum anderen können jedenfalls in dem auf die Einführung einer einheitlichen Regelung für die gesamte Gemeinschaft gerichteten System der angefochtenen Verordnung Maßnahmen, die sich auf eine oder mehrere Regionen beschränken, nach der zehnten Begründungserwägung nur ausnahmsweise zugelassen werden, wenn es keine Alternativlösungen gibt und wenn diese Maßnahmen befristet sind. Dem Rat kann daher nicht vorgeworfen werden, daß er sich nicht für Maßnahmen entschieden hat, die angesichts der Ziele der angefochtenen Verordnung möglichst vermieden werden sollen und deren Befristung eine wirksame Reaktion auf die Gefahren für die betroffenen Bereiche der Gemeinschaftsindustrie nicht erlauben würde.

87 Zum zweiten Teil des vierten Klagegrundes ist daran zu erinnern, daß in einem Bereich, in dem wie im vorliegenden Fall die Gemeinschaftsorgane über ein weites Ermessen verfügen, die Rechtmässigkeit einer Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein kann, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zieles offensichtlich ungeeignet ist. Ist der Gemeinschaftsgesetzgeber für den Erlaß einer Regelung genötigt, die künftigen Auswirkungen dieser Regelung zu beurteilen, und lassen sich diese Auswirkungen nicht genau vorhersehen, so kann seine Beurteilung nur dann beanstandet werden, wenn sie angesichts der Erkenntnisse, über die er zum Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, offensichtlich irrig erscheint. Diese Beschränkung der Kontrolle durch den Gerichtshof ist insbesondere dann geboten, wenn sich der Rat veranlasst sieht, einen Ausgleich zwischen divergierenden Interessen herbeizuführen und so im Rahmen der in seinem Verantwortungsbereich zu treffenden politischen Entscheidungen eine Auswahl vorzunehmen (Urteil Deutschland/Rat, Randnrn. 90 und 91).

88 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß der durch die streitigen Kontingente bewirkte Schutz nicht über das hinausging, was zur Erreichung der vom Rat verfolgten Ziele erforderlich war.

89 Zunächst durfte der Rat davon ausgehen, daß blosse Überwachungsmaßnahmen aufgrund des durch die Einfuhr von Spielzeug aus China ausgeuebten Drucks nicht genügten, um die Interessen der Gemeinschaftsindustrie zu schützen.

90 Ausserdem hat der Rat, als er die Einfuhrkontingente auf dem Niveau von 1991 festsetzte, das erheblich über dem der Vorjahre lag, versucht, die Erfordernisse des Schutzes der Gemeinschaftsindustrie mit der Aufrechterhaltung eines akzeptablen Handelsniveaus mit China in einer Weise zu verbinden, die vom Gerichtshof nicht beanstandet werden kann.

91 Schließlich ist zwar nicht auszuschließen, daß das angestrebte Ergebnis durch andere Mittel hätte erreicht werden können; der Gerichtshof kann jedoch nicht die vom Rat vorgenommene Beurteilung der Frage, ob die von ihm gewählten Maßnahmen angemessen sind, durch seine eigene Beurteilung ersetzen, wenn der Beweis nicht erbracht ist, daß diese Maßnahmen zur Verwirklichung des verfolgten Zieles offensichtlich ungeeignet waren (Urteil Deutschland/Rat, Randnr. 94). Im vorliegenden Fall ist die Regierung des Vereinigten Königreichs den Beweis schuldig geblieben, daß die streitigen Kontingente auf einem offensichtlich unangemessenen Niveau festgesetzt wurden.

92 Der dritte Teil dieses Klagegrundes betrifft im wesentlichen den Unterschied zwischen der allgemeinen Geltung der streitigen Kontingente und den Untersuchungsverfahren, die für die Anwendung von Überwachungs- oder Schutzmaßnahmen vorgesehen sind. Er ist daher im Rahmen des fünften Klagegrundes zu prüfen.

93 Aus dem Vorstehenden folgt, daß - unbeschadet dieser Prüfung - der Klagegrund eines Verstosses gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz nicht durchgreift.

Zum Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

94 Mit ihrem fünften und letzten Klagegrund bringt die Regierung des Vereinigten Königreichs vor, daß die angefochtene Verordnung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstosse, da sie zwei Warengruppen unterschiedlich behandele. Einerseits würden die Waren, für die bereits nationale Beschränkungen bestuenden, ohne förmliches Untersuchungsverfahren und ohne daß den Betroffenen rechtliches Gehör gewährt werde, Schutz- oder Überwachungsmaßnahmen unterworfen. Andererseits könnten alle übrigen von der angefochtenen Verordnung erfassten Waren solchen Maßnahmen erst nach einer Gemeinschaftsuntersuchung und unter Beachtung der Verteidigungsrechte betroffener Dritter unterworfen werden.

95 Dieser Unterschied in der Behandlung sei nicht gerechtfertigt, da es in beiden Fällen um die Einführung einer neuen Beschränkung gehe. Denn die Ausdehnung einer zuvor nationalen Beschränkung auf Gemeinschaftsebene könne nur als eine neue Beschränkung eingestuft werden. Ausserdem seien die streitigen Waren de facto liberalisiert gewesen, da die einzige Beschränkung, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der angefochtenen Verordnung bestanden habe, also die vom Königreich Spanien angewandte, nur 2 % der Gesamteinfuhren dieser Waren in die Gemeinschaft betroffen habe. Der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz könne daher nicht aufgrund einer rein formalen Unterscheidung zwischen vor Erlaß der angefochtenen Verordnung bereits liberalisierten Waren und zu dieser Zeit nicht liberalisierten Waren verneint werden.

96 Der Rat, die spanische Regierung und die Kommission wenden sich gegen diese Behauptung und machen geltend, daß die angefochtene Verordnung sich darauf beschränke, unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln.

97 Nach dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, der zu den wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, daß eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre (vgl. insbesondere Urteil vom 21. Februar 1990 in den Rechtssachen C-267/88 bis C-285/88, Wuidart u. a., Slg. 1990, I-435, Randnr. 13).

98 Im vorliegenden Fall hat der Rat aber eine neue einheitliche Gemeinschaftsregelung beschlossen, die dazu bestimmt ist, die noch geltenden nationalen Ausnahmen und Abweichungen aufzuheben. Wie im Rahmen der Prüfung des zweiten Klagegrundes erklärt wurde, stand es dem Rat frei, nach Maßgabe des Gemeinschaftsinteresses zu prüfen, ob für bestimmte Waren Einfuhrbeschränkungen vorzusehen waren, ohne daß er durch die zuvor von den verschiedenen Mitgliedstaaten getroffenen Entscheidungen gebunden war.

99 Dagegen stellen die Überwachungs- und Schutzmaßnahmen, die seit dem Erlaß der angefochtenen Verordnung auf deren Grundlage getroffen werden können, eine Änderung des Systems der vom Rat eingeführten Regelung dar und können daher zum Gegenstand der vom Rat für geeignet gehaltenen Untersuchungsverfahren gemacht werden.

100 Jedenfalls kann nicht verlangt werden, daß die Verfahrensbestimmungen, die die angefochtene Verordnung für künftige Änderungen der durch sie eingeführten Regelung enthält, bereits für die Festlegung dieser Regelung durch den Rat gelten. Zum einen konnte die Festsetzung der streitigen Kontingente nicht Bestimmungen unterworfen werden, die es noch nicht gab. Zum anderen wurde diese Entscheidung vom Rat bereits im Rahmen des Erlasses der neuen Regelung geprüft.

101 Folglich ist die Situation bezueglich der streitigen Kontingente nicht vergleichbar mit der Situation bezueglich der Überwachungs- und Schutzmaßnahmen, die in der Folge gemäß der angefochtenen Verordnung zu erlassen sind. Mit der unterschiedlichen Behandlung unterschiedlicher Sachverhalte verstossen die streitigen Vorschriften also nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, so daß dieser Klagegrund nicht durchgreift.

102 Da die Klagegründe der Regierung des Vereinigten Königreichs nicht begründet sind, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

103 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Vereinigte Königreich mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm dem Antrag des Rates entsprechend die Kosten aufzuerlegen. Gemäß Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Kommission tragen somit ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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