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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.10.2009
Aktenzeichen: C-153/08
Rechtsgebiete: EG, EWR-Abkommen


Vorschriften:

EG Art. 49
EWR-Abkommen Art. 36
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

6. Oktober 2009

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Freier Dienstleistungsverkehr - Art. 49 EG und Art. 36 des EWR-Abkommens - Direkte Besteuerung - Einkommensteuer - Steuerbefreiung von Gewinnen aus Lotterien, Glücksspielen und Wetten, die von bestimmten nationalen Einrichtungen veranstaltet werden"

Parteien:

In der Rechtssache C-153/08

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 15. April 2008,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. Ile¨ic, A. Tizzano, E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juli 2009

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere aus Art. 49 EG und Art. 36 des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass es eine steuerliche Regelung beibehalten hat, wonach Gewinne aus allen außerhalb des Königreichs Spanien veranstalteten Lotterien, Glücksspielen und Wetten besteuert werden, während Gewinne aus bestimmten im Königreich Spanien veranstalteten Lotterien, Glücksspielen und Wetten von der Einkommensteuer befreit sind.

Rechtlicher Rahmen

EG-Vertrag und EWR-Abkommen

2 Art. 49 Abs. 1 EG lautet:

"Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten."

3 Art. 36 Abs. 1 des EWR-Abkommens bestimmt:

"Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt der freie Dienstleistungsverkehr im Gebiet der Vertragsparteien für Angehörige der EG-Mitgliedstaaten und der EFTA-Staaten [Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation], die in einem anderen EG-Mitgliedstaat beziehungsweise einem anderen EFTA-Staat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, keinen Beschränkungen."

Nationales Recht

4 Art. 7 des Gesetzes 35/2006 vom 28. November 2006 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen und zur teilweisen Änderung der Gesetze über die Besteuerung der Gesellschaften, der Einkünfte der Gebietsfremden und des Vermögens (BOE Nr. 285 vom 29. November 2006, S. 41734, im Folgenden: Einkommensteuergesetz), der die Befreiung bestimmter Einkünfte von der Einkommensteuer vorsieht, bestimmt:

"Folgende Einkünfte sind steuerfrei:

...

ñ) Gewinne aus Lotterien und Wetten, die von dem öffentlichen Unternehmen 'Loterías y Apuestas del Estado' [staatliche nationale Einrichtung für Lotterien und Wetten] und von Organen oder Einrichtungen der autonomen Gemeinschaften veranstaltet werden, sowie aus vom spanischen Roten Kreuz veranstalteten Tombolas oder aus den Arten von Gewinnspielen, die der Organización Nacional de Ciegos Españoles [nationale Organisation der spanischen Blinden] erlaubt sind.

..."

5 Nach weiteren Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, insbesondere Art. 33.1, Art. 45 und Art. 63 Abs. 1, sind Gewinne aus Lotterien, Glücksspielen und Wetten, die von anderen inländischen oder ausländischen Einrichtungen, einschließlich solcher, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ansässig sind, veranstaltet werden, steuerpflichtig und unterliegen dem progressiven Einkommensteuersatz.

Vorverfahren

6 Mit einem Mahnschreiben vom 4. April 2006 teilte die Kommission dem Königreich Spanien mit, dass die steuerliche Behandlung der Gewinne aus außerhalb Spaniens veranstalteten Lotterien, Glücksspielen und Wetten, wie sie durch die spanische Regelung erfolge, soweit diese Gewinne der Einkommensteuer unterlägen, während Gewinne aus bestimmten spanischen Lotterien und Glücksspielen von ihr befreit seien, ihrer Ansicht nach nicht mit Art. 49 EG und Art. 36 des EWR-Abkommens zu vereinbaren sei, und bat das Königreich Spanien, dazu Stellung zu nehmen.

7 In seiner Antwort machte das Königreich Spanien geltend, dass die fragliche Steuerbefreiung nur für ganz bestimmte Fälle gelte und auf der Eigenart bestimmter Veranstalter beruhe. Es liege keinerlei Diskriminierung vor, da sich die in Spanien ansässigen Veranstalter von Lotterien grundsätzlich in derselben Situation befänden wie die nicht in Spanien ansässigen. Das Königreich Spanien rechtfertigte die fragliche Steuerbefreiung mit dem Kampf gegen die schädlichen Auswirkungen dieser Art von Tätigkeiten und dem weiten Wertungsspielraum, der den Mitgliedstaaten bei der Regelung dieser Art von Spielen zukomme.

8 Am 15. Dezember 2006 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, mit der sie das Königreich Spanien aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten ab deren Zustellung nachzukommen.

9 Mit Schreiben vom 22. Februar 2007 teilte die spanische Regierung der Kommission mit, dass sie an ihrer Auffassung festhalte. Das Einkommensteuergesetz enthalte keinerlei Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Niederlassungsorts der Veranstalter von Lotterien oder Glücksspielen und sei aus Gründen des Schutzes der Verbraucher und der Sozialordnung gerechtfertigt.

10 Da die Antwort des Königreichs Spanien die Kommission nicht zufrieden stellte, beschloss sie, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

11 Die Kommission macht geltend, das Einkommensteuergesetz sei angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum freien Dienstleistungsverkehr, insbesondere des Urteils vom 13. November 2003, Lindman (C-42/02, Slg. 2003, I-13519), diskriminierend, da es die Erbringung von Dienstleistungen zwischen dem Königreich Spanien und den übrigen Mitgliedstaaten gegenüber der nur innerhalb Spaniens stattfindenden Erbringung von Dienstleistungen erschwere und geeignet sei, in Spanien ansässige Personen von der Teilnahme an Lotterien abzuhalten, deren Veranstalter ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums hätten. Daher verstoße diese Regelung gegen Art. 49 EG und Art. 36 des EWR-Abkommens.

12 Die fragliche Steuerbefreiung gelte zwar nicht für alle in Spanien ansässigen Veranstalter von Lotterien und Glücksspielen und beschränke sich auf einige, genau bestimmte Einrichtungen. Dennoch stelle sie, da sie nur Einrichtungen mit Sitz in Spanien zugute komme, eine Diskriminierung dar.

13 Der Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Regelung derartiger Tätigkeiten könne die im Einkommensteuergesetz vorgesehene Steuerbefreiung nicht rechtfertigen. Anstatt die Steuervergünstigung von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen, beschränke das Einkommensteuergesetz die Steuerbefreiung nämlich auf bestimmte, genau bezeichnete Einrichtungen, obwohl sie gleichartige Dienstleistungen anderer Einrichtungen, denen diese Steuervergünstigung nicht zugute komme - wie in anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien ansässige Einrichtungen derselben Art oder Einrichtungen, die dieselben Ziele verfolgten wie die im Einkommensteuergesetz aufgeführten spanischen Einrichtungen -, durchaus zulasse.

14 Im Übrigen gehe aus Randnr. 25 des Urteils Lindman hervor, dass die Rechtfertigungsgründe, die von einem Mitgliedstaat geltend gemacht werden könnten, von einer Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit der von diesem Staat erlassenen beschränkenden Maßnahme begleitet werden müssten. Im vorliegenden Fall habe das Königreich Spanien jedoch nichts vorgetragen, was die streitige Steuerbefreiung rechtfertigen könnte.

15 Zur Erreichung des vom Königreich Spanien angeblich verfolgten Ziels der Eindämmung des Glücksspiels sei eine Steuerbefreiung nicht das am besten geeignete Mittel; sie sei eher geeignet, die Bürger zur Teilnahme an derartigen Spielen zu ermuntern.

16 Bezüglich der Ziele der Verhütung von Geldwäsche und der Bekämpfung der Steuerhinterziehung, sei nicht nachvollziehbar, wie die fragliche Steuerbefreiung - wie vom Königreich Spanien behauptet - zu deren Verwirklichung solle beitragen können. Die Bekämpfung derartiger Verhaltensweisen könne im Gegenteil gegebenenfalls die Abschaffung, keinesfalls aber die Aufrechterhaltung der fraglichen Steuerbefreiung rechtfertigen. Außerdem gewährleisteten die Maßnahmen zur Verhütung von Geldwäsche bereits ein hohes Schutzniveau, das Maßnahmen wie die hier in Rede stehende überflüssig mache.

17 Hinsichtlich der Notwendigkeit, den Schutz der Verbraucher nach den spanischen Rechtsvorschriften zu gewährleisten, könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass dieser Schutz dadurch gefährdet sei, dass die fraglichen Lotterien von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Einrichtungen veranstaltet würden. Abgesehen davon, dass die fraglichen Tätigkeiten bereits in jedem Mitgliedstaat gesetzlich geregelt seien, stünden nämlich mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbare Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung, mit denen dieser Schutz gewährleistet werden könne.

18 Jedenfalls sei das Einkommensteuergesetz diskriminierend, und die vorgetragenen Rechtfertigungsgründe könnten daher nicht durchgreifen.

19 Das Königreich Spanien meint, es liege keine Vertragsverletzung vor, und begründet dies in erster Linie damit, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehende Steuerbefreiung keine diskriminierende Beschränkung darstelle. Diese Steuerbefreiung, deren Anwendungsbereich auf bestimmte öffentliche Einrichtungen des Staates oder der autonomen Gemeinschaften, das spanische Rote Kreuz und die nationale Organisation der spanischen Blinden beschränkt und somit persönlich bestimmt sei, begründe zwar eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Einrichtungen, für die sie nicht gelte. Allerdings sei diese Ungleichbehandlung weder diskriminierend, noch verstoße sie gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da sich die von der genannten Steuerbefreiung nicht erfassten Einrichtungen nicht in derselben Situation befänden wie diejenigen, die in deren Anwendungsbereich fielen.

20 Nicht alle Lotterien, Glücksspiele und Wetten, die in Spanien oder von in Spanien ansässigen Einrichtungen veranstaltet würden, fielen in den Anwendungsbereich der fraglichen Steuerbefreiung. So unterlägen Gewinne, die im Rahmen von Glücksspielen ausgezahlt würden, die von gebietsansässigen Einrichtungen veranstaltet würden - abgesehen von dieser Befreiung -, denselben Steuern wie Gewinne, die im Rahmen von Glücksspielen ausgezahlt würden, die von gebietsfremden Einrichtungen veranstaltet würden. Mithin könne nicht angenommen werden, dass die Steuerbefreiung eine Diskriminierung der nicht in Spanien ansässigen Veranstalter von Lotterien begründe oder begründen könne. Von einer Diskriminierung der gebietsfremden Einrichtungen, die ähnliche Merkmale aufwiesen wie die im Einkommensteuergesetz aufgeführten, könne keine Rede sein, da dieses den Anwendungsbereich der fraglichen Steuerbefreiung nicht nach bestimmten einzelnen Merkmalen definiere und weder auf die Staatsangehörigkeit noch den Sitz der betroffenen Einrichtungen abstelle.

21 Anders als die Kommission meine, sei die aus dem Urteil Lindman hervorgegangene Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da das Einkommensteuergesetz im Gegensatz zu der finnischen Regelung, die Gegenstand der Rechtssache gewesen sei, in der dieses Urteil ergangen sei, Gewinne aus Lotterien, Glücksspielen und Wetten grundsätzlich der Einkommensteuer unterwerfe, unabhängig davon, wo diese Spiele veranstaltet würden und wo der Veranstalter ansässig sei.

22 Hilfsweise macht das Königreich Spanien geltend, selbst wenn die fragliche Befreiung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen sollte, sei diese Beschränkung im Hinblick auf die Eigenart der fraglichen Tätigkeiten aus Gründen der Sozialordnung, der Verhütung von Geldwäsche und der Bekämpfung der Steuerhinterziehung sowie zum Schutz der Verbraucher gerechtfertigt.

23 Was erstens die Sozialordnung angehe, meint das Königreich Spanien, soweit die hier in Rede stehende Regelung mit denjenigen vergleichbar sei, über die der Gerichtshof in den Rechtssachen zu befinden gehabt habe, die zum Erlass der Urteile vom 24. März 1994, Schindler (C-275/92, Slg. 1994, I-1039), vom 21. September 1999, Läärä (C-124/97, Slg. 1999, I-6067), und vom 21. Oktober 1999, Zenatti (C-67/98, Slg. 1999, I-7289), geführt hätten, seien die Feststellungen des Gerichtshofs in diesen Urteilen auf den vorliegenden Fall übertragbar.

24 Aus diesen Urteilen gehe insbesondere hervor, dass die Mitgliedstaaten im Bereich von Lotterien und anderer Glücksspiele zum Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung über einen weiten Wertungsspielraum verfügten.

25 Die fragliche Steuerbefreiung sei gerade im Hinblick darauf eingeführt worden, und zwar zum einen, um das Glücksspiel allgemein einzudämmen, weshalb der Grundsatz der Besteuerung dieser Art von Einkünften eingeführt worden sei, und zum anderen, um Gewinnen aus von staatlichen Einrichtungen veranstalteten Lotterien und Glücksspielen wegen der Finanzierung gemeinnütziger Infrastrukturmaßnahmen eine bevorzugte Behandlung zuteil werden zu lassen.

26 Was zweitens die Verhütung von Geldwäsche und die Bekämpfung der Steuerhinterziehung betreffe, meint das Königreich Spanien, die Verwirklichung dieser Ziele wäre ernsthaft gefährdet, wenn die fragliche Steuerbefreiung auch auf Gewinne aus Glücksspielen Anwendung finden müsste, die von bestimmten öffentlichen oder karitativen Einrichtungen veranstaltet würden, die nicht den spanischen Rechtsvorschriften unterlägen, weil die spanische Verwaltung nicht in der Lage wäre, diese Einkünfte so zu kontrollieren, wie sie es derzeit tue.

27 Was drittens den Schutz der Verbraucher angehe, macht das Königreich Spanien geltend, dass die Tätigkeit der Veranstaltung von Lotterien, Glücksspielen und Wetten in Spanien einer Regelung unterworfen sei, die die Rechte und Interessen der Spieler schützen solle, indem sie gewährleiste, dass die geltenden Rechtsvorschriften durchgängig Anwendung fänden. Die Erstreckung der Steuerbefreiung auf Einrichtungen, die den Rechtsvorschriften über die Veranstaltung dieser Glücksspiele nicht unterlägen, würde zu einer Senkung des Niveaus des Schutzes der Verbraucher führen. Mithin sei die Steuerbefreiung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, einen Schutz der Verbraucher zu gewährleisten, wie ihn die spanischen Behörden für angebracht hielten, wobei es sich um einen Rechtfertigungsgrund handele, den der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung eindeutig anerkannt habe.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zur Ungleichbehandlung aufgrund der Nationalität

28 Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, diese ihre Befugnisse aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen (Urteile vom 11. August 1995, Wielockx, C-80/94, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16, vom 16. Juli 1998, ICI, C-264/96, Slg. 1998, I-4695, Randnr. 19, vom 29. April 1999, Royal Bank of Scotland, C-311/97, Slg. 1999, I-2651, Randnr. 19, vom 6. Juni 2000, Verkooijen, C-35/98, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 32, und Lindman, Randnr. 18).

29 Wie der Gerichtshof bereits zu der Veranstaltung von Lotterien festgestellt hat, finden die Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr auf eine Tätigkeit Anwendung, die darin besteht, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Glücksspiel zu ermöglichen (vgl. Urteil Lindman, Randnr. 19). Im Übrigen gilt die Dienstleistungsfreiheit sowohl zugunsten des Dienstleistenden als auch des Dienstleistungsempfängers (vgl. Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C-42/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 51).

30 Darüber hinaus hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass es zwar legitim ist, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung von Steuervergünstigungen Einrichtungen vorbehält, die bestimmte seiner Gemeinwohlziele verfolgen, er solche Vergünstigungen aber nicht Einrichtungen vorbehalten kann, die in seinem Hoheitsgebiet ansässig sind und deren Tätigkeiten ihn daher von bestimmten seiner Aufgaben entlasten können (vgl. u. a. Urteil vom 27. Januar 2009, Persche, C-318/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 44).

31 Insbesondere können, wenn eine in einem Mitgliedstaat als gemeinnützig anerkannte Einrichtung die dafür nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt und ihr Ziel die Förderung identischer Interessen der Allgemeinheit ist, so dass sie auch im letztgenannten Mitgliedstaat als gemeinnützig anerkannt werden könnte, die Stellen dieses Mitgliedstaats der Einrichtung das Recht auf Gleichbehandlung nicht allein aus dem Grund verwehren, dass sie nicht im Inland ansässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C-386/04, Slg. 2006, I-8203, Randnr. 40, vom 11. September 2007, Schwarz und Gootjes-Schwarz, C-76/05, Slg. 2007, I-6849, Randnr. 81, und Persche, Randnr. 49).

32 Der Gerichtshof hat daraus den Schluss gezogen, dass sich eine Einrichtung, die in einem Mitgliedstaat ansässig ist und die von einem anderen Mitgliedstaat aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt, im Hinblick auf die Gewährung von Steuervergünstigungen zur Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten durch diesen Mitgliedstaat in einer Situation befindet, die derjenigen von in diesem Mitgliedstaat ansässigen als gemeinnützig anerkannten Einrichtungen vergleichbar ist (Urteil Persche, Randnr. 50).

33 Wie der Generalanwalt in Nr. 66 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, befinden sich die öffentlichen Einrichtungen und die sozial oder karitativ tätigen gemeinnützigen Einrichtungen, die in anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien ansässig sind und dieselben Ziele verfolgen wie die in Art. 7 Buchst. ñ des Einkommensteuergesetzes aufgeführten Einrichtungen, in einer Situation, die mit derjenigen dieser Einrichtungen vergleichbar ist.

34 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die in Art. 7 Buchst. ñ des Einkommensteuergesetzes vorgesehene Steuerbefreiung, da sie bewirkt, dass die Gewinne, die von in dieser Vorschrift aufgezählten Einrichtungen ausgezahlt werden, günstiger behandelt werden, eine diskriminierende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zum Nachteil von öffentlichen Einrichtungen und sozial oder karitativ tätigen gemeinnützigen Einrichtungen darstellt, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien haben und die dieselben Ziele verfolgen wie die in dieser Vorschrift aufgeführten Einrichtungen.

35 Diese Feststellung gilt jedoch nur für Einrichtungen, die mit den in der genannten Vorschrift aufgeführten vergleichbar sind, und - anders als die Kommission meint - nicht für sämtliche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien ansässige Veranstalter von Lotterien, Spielen und Wetten. Diese Veranstalter befinden sich nämlich nicht alle in einer Situation, die derjenigen der in Art. 7 Buchst. ñ des Einkommensteuergesetzes aufgeführten Einrichtungen vergleichbar ist. Daraus folgt, dass die Klage der Kommission abzuweisen ist, soweit sie sich auf Veranstalter von Lotterien und Wetten bezieht, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien haben und die mit den in der genannten Vorschrift aufgeführten Einrichtungen objektiv nicht vergleichbar sind.

Zur Rechtfertigung der Diskriminierung

36 Zunächst ist daran zu erinnern, dass in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zwar eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses herausgestellt wurden, wie die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen (vgl. u. a. Urteil Liga Portugesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 56), die zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geltend gemacht werden können, eine Berufung auf diese Ziele jedoch nicht möglich ist, um diskriminierend angewandte Beschränkungen zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. November 1995, Gebhard, C-55/94, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 37, vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnr. 65, vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Randnr. 49, und Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 60).

37 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich auch, dass eine Maßnahme oder Beschränkung wie die hier in Rede stehende, soweit sie eine Diskriminierung darstellt, nur dann mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, wenn sie einer ausdrücklichen Ausnahmebestimmung wie Art. 46 EG, auf den Art. 55 EG verweist, zugeordnet werden kann, d. h. der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Urteil vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien, C-388/01, Slg. 2003, I-721, Randnr. 19).

38 Folglich kann die hier in Rede stehende Beschränkung nur gerechtfertigt sein, wenn die vom spanischen Gesetzgeber verfolgten Ziele Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne des Art. 46 Abs. 1 EG zugeordnet werden können und wenn sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht. In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Urteile vom 10. März 2009, Hartlauer, C-169/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 55, und Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 61).

39 Was erstens das Ziel der Verhütung von Geldwäsche und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung betrifft, braucht nicht bestimmt zu werden, ob dieses Ziel dem Begriff "öffentliche Ordnung" zugeordnet werden kann. Hierzu genügt die Feststellung, dass die Behörden eines Mitgliedstaats, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, nicht allgemein und unterschiedslos davon ausgehen dürfen, dass Einrichtungen, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, kriminelle Handlungen begehen. Darüber hinaus ist der generelle Ausschluss dieser Einrichtungen von der Steuerbefreiung als unverhältnismäßig anzusehen, da er über das hinausgeht, was zur Bekämpfung der Kriminalität erforderlich ist. Es gibt nämlich mehrere Mittel, die Tätigkeit und die Konten dieser Einrichtungen zu kontrollieren (vgl. in diesem Sinne Urteile Gambelli u. a., Randnr. 74, und Centro di Musicologia Walter Stauffer, Randnr. 61).

40 Was zweitens die Bekämpfung der Glücksspielabhängigkeit angeht, kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass dieses Ziel dem Schutz der öffentlichen Gesundheit zugeordnet werden kann, doch ist im vorliegenden Fall zunächst festzustellen, dass das Königreich Spanien nichts vorgetragen hat, woraus hervorginge, dass diese Krankheit in der Bevölkerung Spaniens so weit verbreitet wäre, dass sie als Gefahr für die öffentliche Gesundheit angesehen werden könnte.

41 Ferner ist die Steuerbefreiung der Gewinne, wie der Generalanwalt in Nr. 85 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geeignet, die Verbraucher zur Teilnahme an Lotterien, Glücksspielen und Wetten, für die diese Befreiung gilt, zu ermuntern und damit nicht geeignet, die Verwirklichung des angeblich verfolgten Ziel in kohärenter Weise zu gewährleisten.

42 Da die streitige Steuerbefreiung die Typologie der verschiedenen Spiele nicht berücksichtigt, kann das Königreich Spanien schließlich nicht mit Erfolg geltend machen, mit der Steuerbefreiung werde das Ziel verfolgt, die Spiellust der Spieler auf bestimmte Spiele zu lenken, deren Ablaufmodalitäten ein geringeres Abhängigkeitspotenzial aufwiesen.

43 Was drittens das Argument des Königreichs Spanien betrifft, wonach die Einnahmen der Einrichtungen, für deren Spiele die fragliche Steuerbefreiung gelte, zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen und gemeinnützigen Projekten beitrügen, ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass es zwar nicht gleichgültig ist, dass Lotterien und andere Glücksspiele in erheblichem Maße zur Finanzierung gemeinnütziger oder im Allgemeininteresse liegender Tätigkeiten beitragen können, dies allein aber nicht als sachliche Rechtfertigung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit angesehen werden kann (vgl. u. a. Urteile Schindler, Randnr. 60, und Zenatti, Randnr. 36). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht im Übrigen hervor, dass wirtschaftliche Gründe nicht zu den Gründen im Sinne von Art. 46 EG gehören, die eine Beschränkung der vom Vertrag gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen könnten (vgl. u. a. Urteile Kommission/Italien, Randnrn. 19 und 22, und Gambelli u. a., Randnr. 61).

44 Was viertens den Schutz der Sozialordnung und der Verbraucher anbelangt, finden die Überlegungen, die der Gerichtshof in den Urteilen Schindler, Läärä u. a. sowie Zenatti zu diesen Rechtfertigungsgründen angestellt hat, anders als das Königreich Spanien geltend macht, auf den vorliegenden Fall keine Anwendung.

45 Im Unterschied zu den Beschränkungen, um die es in den Rechtssachen ging, die zum Erlass der genannten Urteile geführt haben, gilt die im vorliegenden Fall in Rede stehende Beschränkung nämlich nicht unterschiedslos, sondern ist diskriminierend. Sie kann daher nicht durch zwingende Gründe des Gemeinwohls wie den Schutz der Sozialordnung oder der Verbraucher gerechtfertigt sein.

46 Wie der Generalanwalt u. a. in den Nrn. 93 und 104 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann zudem mit der streitigen Steuerbefreiung jedenfalls weder das Ziel des Schutzes der Sozialordnung erreicht werden, da sie zur Teilnahme an Lotterien und Wetten ermuntert, statt hiervon abzuhalten, noch das Ziel des Verbraucherschutzes, da zwischen der Steuerbefreiung und den Verwaltungsmaßnahmen, die dem Schutz der Verbraucherinteressen dienen, kein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

47 Daraus folgt, dass die hier in Rede stehende Diskriminierung nicht im Sinne des Art. 46 Abs. 1 EG gerechtfertigt ist.

48 Da die Vorschriften des Art. 36 EWR-Abkommen die gleiche rechtliche Tragweite haben wie die im Wesentlichen identischen Vorschriften des Art. 49 EG, sind die vorstehenden Erwägungen entsprechend auf Art. 36 EWR-Abkommen anwendbar.

49 Angesichts dieser Erwägungen ist festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 EG und Art. 36 EWR-Abkommen verstoßen hat, dass es eine steuerliche Regelung beibehalten hat, nach der die Gewinne aus der Teilnahme an Lotterien, Spielen und Wetten, die im Königreich Spanien von einigen öffentlichen Einrichtungen und in Spanien ansässigen gemeinnützigen Einrichtungen, die sozial oder karitativ tätig sind, veranstaltet werden, steuerbefreit sind, ohne dass Gewinnen aus Lotterien, Spielen und Wetten, die von Einrichtungen veranstaltet werden, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ansässig sind und die gleichartige Tätigkeiten ausüben, ebenfalls eine solche Befreiung gewährt würde.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 69 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten jedoch teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Kommission und das Königreich Spanien mit ihrem Vorbringen teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, haben sie jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 EG und Art. 36 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, dass es eine steuerliche Regelung beibehalten hat, nach der die Gewinne aus der Teilnahme an Lotterien, Spielen und Wetten, die im Königreich Spanien von einigen öffentlichen Einrichtungen und in Spanien ansässigen gemeinnützigen Einrichtungen, die sozial oder karitativ tätig sind, veranstaltet werden, steuerbefreit sind, ohne dass Gewinnen aus Lotterien, Spielen und Wetten, die von Einrichtungen veranstaltet werden, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ansässig sind und die gleichartige Tätigkeiten ausüben, ebenfalls eine solche Befreiung gewährt würde.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und das Königreich Spanien tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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