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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.02.1994
Aktenzeichen: C-154/93
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Richtlinie 78/687


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Richtlinie 78/686 Art. 7 Abs. 1
Richtlinie 78/686 Art. 1 Abs. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 7 der Richtlinie 78/686 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise anzuerkennen, mit denen keine in einem der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft absolvierte Zahnarztausbildung abgeschlossen wird.

Die in der Richtlinie 78/686 vorgesehene gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Zahnarztdiplome beruht nämlich auf der Gewähr, die durch die Anwendung der in der Richtlinie 78/687 vorgeschriebenen Mindestanforderungen an die Ausbildung geboten wird. Im Verhältnis zu Drittstaaten kann eine solche Koordinierung der Ausbildungsvorschriften nur durch den Abschluß von Abkommen zwischen den betreffenden Staaten bewirkt werden. Daher steht es zwar den Mitgliedstaaten nach Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 78/687 weiterhin frei, den Inhabern von Diplomen, die in einem Drittstaat erworben wurden, die Aufnahme der Tätigkeiten des Zahnarztes in ihrem Gebiet nach ihren innerstaatlichen Vorschriften zu gestatten, jedoch bindet die Anerkennung eines in einem Drittstaat ausgestellten Befähigungsnachweises durch einen Mitgliedstaat nicht die übrigen Mitgliedstaaten.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 9. FEBRUAR 1994. - ABDULLAH TAWIL-ALBERTINI GEGEN MINISTRE DES AFFAIRES SOCIALES. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: CONSEIL D'ETAT - FRANKREICH. - NIEDERLASSUNG UND DIENSTLEISTUNGSVERKEHR - ZAHNARZT - ANERKENNUNG VON BEFAEHIGUNGSNACHWEISEN. - RECHTSSACHE C-154/93.

Entscheidungsgründe:

1 Der französische Conseil d' État hat mit Entscheidung vom 15. Februar 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 14. April 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 7 der Richtlinie 78/686/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr (ABl. L 233, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem französischen Staatsangehörigen Abdullah Tawil-Albertini (im folgenden: Kläger), und dem französischen Minister für Sozialfragen (im folgenden: Beklagter) wegen dessen Weigerung, dem Kläger die Genehmigung zur Ausübung des Zahnarztberufs in Frankreich zu erteilen.

3 Die Richtlinie 78/686 bezweckt die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten, in Artikel 3 abschließend aufgezählten Zahnarztdiplome, durch die Mitgliedstaaten. Die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Zahnarztes ist Gegenstand der Richtlinie 78/687/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 (ABl. L 233, S. 10). Nach Artikel 2 der Richtlinie 78/686 werden die Diplome, die in einem Mitgliedstaat entsprechend den in der Richtlinie 78/687 festgelegten Mindestanforderungen für eine theoretische und praktische Ausbildung ausgestellt wurden, in den anderen Mitgliedstaaten ohne weiteres anerkannt.

4 Für die vor der Einführung dieses Systems in einem Mitgliedstaat erworbenen Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise bestimmt Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 78/686:

"Jeder Mitgliedstaat erkennt bei Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten als ausreichenden Nachweis die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes an, die von den anderen Mitgliedstaaten vor Beginn der Anwendung der Richtlinie 78/687/EWG ausgestellt worden sind, auch wenn sie nicht allen Mindestanforderungen der Ausbildung nach Artikel 1 der Richtlinie 78/687/EWG genügen, sofern ihnen eine Bescheinigung darüber beigefügt ist, daß sich der betreffende Staatsangehörige während der letzten fünf Jahre vor Ausstellung der Bescheinigung mindestens drei Jahre lang ununterbrochen tatsächlich und rechtmässig den betreffenden Tätigkeiten gewidmet hat."

5 Für die in einem Drittstaat erworbenen Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise bestimmt Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 78/687:

"Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten in keiner Weise daran, den Inhabern von Diplomen, Prüfungszeugnissen oder sonstigen Befähigungsnachweisen, die nicht in einem Mitgliedstaat erworben wurden, die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten des Zahnarztes in ihrem Gebiet nach ihren innerstaatlichen Vorschriften zu gestatten."

6 In den Artikeln L 356, 1 , und L 356-2 des Code de la santé publique, durch den die Richtlinie 78/686 in Frankreich umgesetzt worden ist, wird den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die Inhaber eines in einem dieser Staaten ausgestellten Diploms sind, das Recht zur Ausübung des Zahnarztberufs in Frankreich zuerkannt.

7 Der Kläger erwarb 1968 in Beirut (Libanon) das Diplom eines Doktors der Zahnchirurgie. Am 20. Juli 1979, also vor Inkrafttreten der Richtlinie 78/686, erkannte der belgische Minister für Unterricht und französische Kultur die Gleichwertigkeit seines libanesischen Diploms mit dem in Belgien gesetzlich vorgeschriebenen Diplom eines Lizenziats der Zahnmedizin (Licencié en science dentaire) an, was ihm die Berufsausübung in Belgien ermöglichte. Im Dezember 1980 und im Februar 1986 wurde dem Kläger im Vereinigten Königreich und in Irland die Genehmigung zur Ausübung seines Berufs erteilt. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage dies geschah.

8 Unter Hinweis darauf, daß sein Diplom in einem anderen Mitgliedstaat als gleichwertig anerkannt worden sei, beantragte der Kläger beim französischen Minister für Sozialfragen, die in Frankreich seit 1980 durchgeführten Bestimmungen der Richtlinie 78/686 in der Weise auf ihn anzuwenden, daß er seinen Beruf im französischen Hoheitsgebiet ausüben darf. Dieser Antrag wurde mit Entscheidung vom 2. Mai 1986 abgelehnt.

9 Mit Urteil vom 28. Oktober 1987 wies das Tribunal administratif Paris die Aufhebungsklage des Klägers mit der Begründung ab, dieser könne sich nicht auf ein belgisches Diplom eines Lizenziats der Zahnmedizin, sondern nur darauf berufen, daß sein libanesisches Diplom diesem Diplom gleichwertig sei.

10 Daraufhin legte der Kläger vor dem französischen Conseil d' État Berufung ein, mit der er geltend machte, er sei nach Artikel 7 der Richtlinie 78/686 berechtigt, den Zahnarztberuf in Frankreich auszuüben. Da der Conseil d' État Zweifel hinsichtlich der Auslegung dieser Bestimmung hatte, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob

Artikel 7 der Richtlinie 78/686/EWG die Befähigungsnachweise von seinem Geltungsbereich ausschließen wollte, die aufgrund der Anerkennung der Gleichwertigkeit erworben wurden und mit denen somit keine in einem der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft absolvierte Zahnarztausbildung abgeschlossen wird.

11 Es sei daran erinnert, daß Artikel 2 der Richtlinie 78/686 die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten, in Artikel 3 abschließend aufgezählten Zahnarztdiplome durch die Mitgliedstaaten vorsieht. Wenn diese Anerkennung von der Durchführung der Richtlinie an ohne weiteres erfolgt, so deshalb, weil mit der Richtlinie 78/687 gleichzeitig die Mindestanforderungen festgelegt wurden, denen die Zahnarztausbildung in den einzelnen Staaten der Gemeinschaft genügen muß. Die mit der Richtlinie 78/686 bezweckte gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Zahnarztdiplome beruht somit auf der Gewähr, die durch die Anwendung der in der Richtlinie 78/687 vorgeschriebenen Mindestanforderungen an die Ausbildung geboten wird.

12 Im Verhältnis zu Drittstaaten kann jedoch eine solche Koordinierung der Ausbildungsvorschriften nur durch den Abschluß von Abkommen zwischen den betreffenden Staaten bewirkt werden. Deshalb steht es den Mitgliedstaaten nach Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 78/687 weiterhin frei, den Inhabern von Diplomen, die in einem Drittstaat erworben wurden, die Aufnahme der Tätigkeiten des Zahnarztes in ihrem Gebiet nach ihren innerstaatlichen Vorschriften zu gestatten.

13 Folglich bindet die Anerkennung eines in einem Drittstaat ausgestellten Befähigungsnachweises durch einen Mitgliedstaat nicht die übrigen Mitgliedstaaten.

14 Artikel 7 seinerseits betrifft nur die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Diplome.

15 Demgemäß ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß Artikel 7 der Richtlinie 78/686 die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise anzuerkennen, mit denen keine in einem der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft absolvierte Zahnarztausbildung abgeschlossen wird.

Kostenentscheidung:

Kosten

16 Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom französischen Conseil d' État mit Entscheidung vom 15. Februar 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 7 der Richtlinie 78/686/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise anzuerkennen, mit denen keine in einem der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft absolvierte Zahnarztausbildung abgeschlossen wird.

Ende der Entscheidung

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