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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.11.1992
Aktenzeichen: C-157/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, 8. Richtlinie 84/253/EWG vom 10.04.1984, Vertrag über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechtnungslegungsunterlagen beauftragten Personen nachzukommen


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 169
EWG-Vertrag Art. 30
8. Richtlinie 84/253/EWG vom 10.04.1984 Art. 4
8. Richtlinie 84/253/EWG vom 10.04.1984 Art. 8
8. Richtlinie 84/253/EWG vom 10.04.1984 Art. 28
8. Richtlinie 84/253/EWG vom 10.04.1984 Art. 30 Abs. 1
Vertrag über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechtnungslegungsunterlagen beauftragten Personen nachzukommen Art. 54 Abs. 3 g
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat kann sich zur Rechtfertigung der Nichtumsetzung einer Richtlinie innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht auf eine Bestimmung dieser Richtlinie berufen, die die Mitgliedstaaten ermächtigt, während eines bestimmten Zeitraums nach Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht Übergangsmaßnahmen zu ergreifen, da dies zu einer Verlängerung der Frist für die Umsetzung der Richtlinie führen würde.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 17. NOVEMBER 1992. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN KOENIGREICH DER NIEDERLANDE. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - RICHTLINIE - ZULASSUNG DER MIT DER PFLICHTPRUEFUNG DER RECHNUNGSLEGUNGSUNTERLAGEN BEAUFTRAGTEN PERSONEN. - RECHTSSACHE C-157/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 14. Juni 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, daß es nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um der Achten Richtlinie 84/253/EWG des Rates vom 10. April 1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen (ABl. L 126, S. 20, im folgenden: Richtlinie) nachzukommmen, und die Kommission hiervon nicht unverzueglich in Kenntnis gesetzt hat.

2 Die Richtlinie hat insbesondere zum Ziel, die Anforderungen in bezug auf die Befähigung der Personen zu harmonisieren, die zur Durchführung der Pflichtprüfung des Jahresabschlusses von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen befugt sind, und die Unabhängigkeit und den guten Leumund dieser Personen sicherzustellen. Sie enthält zu diesem Zweck Regeln über die Zulassung (Abschnitt II), über die berufliche Sorgfalt und die Unabhängigkeit (Abschnitt III) und über die Veröffentlichung (Abschnitt IV).

3 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur wiedergegeben, soweit es die Begründung des Urteils erfordert.

4 Das Königreich der Niederlande trägt vor, das geltende niederländische Recht genüge den Anforderungen der Richtlinie hinsichtlich der beruflichen Sorgfalt, der Unabhängigkeit und der Veröffentlichung mit Ausnahme der Vorschriften über die praktische Berufsausbildung, insbesondere der Artikel 4 und 8, die nicht formell in niederländisches Recht umgesetzt worden seien. Soweit die Klage begründet sei, könne sich die Feststellung einer Vertragsverletzung daher nur auf die Artikel 4 und 8 der Richtlinie erstrecken.

5 Nach Aufforderung durch den Gerichtshof, den Gegenstand der Vertragsverletzung näher zu bestimmen, hat die Kommission erklärt, daß sie der Auffassung des Königreichs der Niederlande vom begrenzten Umfang der Vertragsverletzung widerspreche, weil die Artikel 4 und 8 Einfluß auf die Gesamtheit der Vorschriften der Richtlinie hätten. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung hat sie jedoch diesen Einfluß auf die Artikel 28 und 30 Absatz 1 der Richtlinie begrenzt.

Zu den Artikeln 4 und 8 der Richtlinie

6 Die niederländische Regierung räumt zwar ein, daß die Artikel 4 und 8 der Richtlinie nicht in niederländisches Recht umgesetzt worden sind. Sie beruft sich jedoch auf Artikel 18 der Richtlinie, der die Mitgliedstaaten ermächtigt, während eines Zeitraums von höchstens sechs Jahren nach Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht Übergangsmaßnahmen für Personen zu ergreifen, die sich in der theoretischen oder praktischen Berufsausbildung befinden.

7 Die niederländische Regierung trägt vor, daß der überwiegende Teil der Studenten des Buchhaltungs- und Rechnungswesens tatsächlich eine praktische Berufsausbildung erhalte und daß bis zum Ablauf des in Artikel 18 der Richtlinie vorgesehenen Zeitraums von sechs Monaten die Ausbildung all derer, die das Studium als Wirtschaftsprüfer abschlössen, der Richtlinie entsprechen werde.

8 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, da sie zu einer Verlängerung der Frist zur Umsetzung der Richtlinie führen würde. Diese Frist ist aber in Artikel 30 bestimmt, und die in Artikel 18 der Richtlinie vorgesehene Frist zur Ergreifung von Übergangsmaßnahmen betrifft eine ganz andere Frage.

9 Anders als Artikel 30 hat Artikel 18 zum Ziel, die Übergangszeit zwischen dem alten Ausbildungssystem und dem neuen System zu regeln, das in den Mitgliedstaaten eben durch den Erlaß innerstaatlicher Umsetzungsmaßnahmen eingeführt wird. Die Anwendung von befristeten Übergangsmaßnahmen, die im Rahmen dieser Umsetzungsregelung vorgesehen sind, setzt also voraus, daß der Mitgliedstaat zuvor die Richtlinie umgesetzt hat.

Zu Artikel 28 der Richtlinie

10 Die Kommission hat auch geltend gemacht, daß Artikel 28 der Richtlinie nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sei. Der Artikel schreibt vor, daß die Namen und Anschriften der natürlichen Personen und Prüfungsgesellschaften, die zur Pflichtprüfung der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unterlagen zugelassen sind, der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Nach Auffassung der Kommission folgt der Verstoß gegen diese Vorschrift daraus, daß das niederländische Recht die Führung eines Registers vorsehe, in das die Namen von Buchprüfern eingetragen werden könnten, die bestimmten Anforderungen an Leumund und Zuverlässigkeit genügten, in dem jedoch nicht vermerkt sei, ob diese Personen den in der Richtlinie an die praktische Berufsausbildung gestellten Anforderungen genügten oder nicht.

11 Während des schriftlichen Verfahrens hat die niederländische Regierung ausgeführt, das niederländische Recht genüge bereits den Anforderungen der Richtlinie, u. a. im Hinblick auf den Abschnitt IV über die Veröffentlichung, der Artikel 28 der Richtlinie enthalte. In der mündlichen Verhandlung hat sie klargestellt, daß es sich um die Artikel 55 ff. des niederländischen Gesetzes über die Wirtschaftsprüfer handele.

12 Nach ständiger Rechtsprechung muß die Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung darlegen und beweisen (vgl. Urteil vom 25. April 1989 in der Rechtssache 141/87, Kommission/Italien, Slg. 1989, 943, Randnr. 15 und 17). Die Kommission macht geltend, daß das niederländische Recht unzureichend sei, ohne jedoch dieses Recht substantiiert zu rügen und ohne einen Nachweis für das Vorliegen eines Verstosses gegen Artikel 28 der Richtlinie zu erbringen.

13 Die insoweit erhobene Rüge muß daher zurückgewiesen werden.

Zu Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie

14 Die Kommission begehrt die Feststellung, daß das Königreich der Niederlande gegen diese Vorschrift, die von den Mitgliedstaaten zum einen die Umsetzung der Richtlinie innerhalb der vorgeschriebenen Fristen und zum anderen die unverzuegliche Benachrichtigung der Kommission über die dazu ergriffenen Maßnahmen verlangt, verstossen hat.

15 Hinsichtlich der Verpflichtung zur Umsetzung hat die Kommission, wie bereits dargelegt, den Gegenstand ihrer Klage auf die Umsetzung der vorstehend geprüften Artikel 4, 8 und 28 der Richtlinie beschränkt.

16 Hinsichtlich der unterlassenen Benachrichtigung über die erlassenen Maßnahmen ist darauf hinzuweisen, daß diese Rüge in der von der Kommission an das Königreich der Niederlande gerichteten mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht erwähnt worden ist, wie die Kommission im Verlauf der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.

17 Nach ständiger Rechtsprechung aber kann die Klage nur auf Rügen gestützt werden, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgebracht worden sind. Hieraus folgt, daß die Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie betreffende Rüge der Kommission zurückgewiesen werden muß.

18 Nach alledem ist festzustellen, daß das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstossen hat, daß es nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen alle Rechts-und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um den Artikeln 4 und 8 der Achten Richtlinie 84/253/EWG des Rates vom 10. April 1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen nachzukommmen.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß § 3 Absatz 1 dieses Artikels kann der Gerichtshof die Kosten jedoch teilen oder entscheiden, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

20 Da das Königreich der Niederlande und die Kommission teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, hat jede der Parteien die eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Königreich der Niederlande hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen, daß es nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um den Artikeln 4 und 8 der Achten Richtlinie 84/253/EWG des Rates vom 10. April 1984 April 1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen nachzukommmen.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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