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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 01.02.1996
Aktenzeichen: C-164/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Richtlinie 89/48/EWG vom 21.12.1988


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 177
Richtlinie 89/48/EWG vom 21.12.1988 Art. 1 c
Richtlinie 89/48/EWG vom 21.12.1988 Art. 1 d
Richtlinie 89/48/EWG vom 21.12.1988 Art. 7 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 1 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie 89/48 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, ist so auszulegen, daß ein Beruf nicht als reglementiert eingestuft werden kann, wenn im Aufnahmestaat keine Rechts- oder Verwaltungsvorschriften die Aufnahme, die Ausübung oder eine der Arten der Ausübung dieses Berufes regeln, selbst wenn die einzige Ausbildung für diesen Beruf ein mit einem Diplom abschließendes, mindestens viereinhalbjähriges Hochschulstudium ist und deshalb in der Regel nur Inhaber dieses Hochschulabschlusses auf dem Arbeitsmarkt als Bewerber für diesen Beruf in Erscheinung treten und diesen Beruf ausüben. Daher kann ein Beruf wie der des Geologen in Deutschland nicht als indirekt reglementiert im Sinne der Richtlinie angesehen werden.

2. Die Artikel 6, 48 und 52 EG-Vertrag sind so auszulegen, daß die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, wenn bei ihnen die Genehmigung zur Ausübung eines Berufes beantragt wird, dessen Aufnahme nach den nationalen Rechtsvorschriften an den Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation gebunden ist, die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die der Betroffene für die Ausübung dieses Berufes in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, in der Weise berücksichtigen müssen, daß sie die in diesen Diplomen bescheinigte Befähigung mit den nach den nationalen Vorschriften verlangten Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen.

Das gleiche gilt für berufliche Tätigkeiten, deren Aufnahme oder Ausübung nicht kraft rechtlicher Regelung den Besitz eines Diploms voraussetzt. Unter solchen Umständen haben die für die Einstufung von arbeitsuchenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zuständigen Behörden des Aufnahmestaats bei dieser Einstufung, die sich auf die Möglichkeit für diese Personen auswirkt, im Aufnahmestaat Arbeit zu finden, die Diplome, Kenntnisse, Fähigkeiten und sonstigen Befähigungsnachweise zu berücksichtigen, die der Betroffene zum Zweck der Ausübung eines Berufes in seinem Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat erworben hat.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 1. Februar 1996. - Georgios Aranitis gegen Land Berlin. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberverwaltungsgericht Berlin - Deutschland. - Allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome - Indirekte Bindung an die nationalen Vorschriften - Reglementierter Beruf. - Rechtssache C-164/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluß vom 25. April 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Juni 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 1 Buchstaben c und d sowie 7 Absatz 1 der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16, im folgenden: Richtlinie), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit des Georgios Aranitis (im folgenden: Kläger) gegen das Land Berlin um dessen Weigerung, den griechischen Hochschulabschluß in Geologie als dem vergleichbaren deutschen Bildungsabschluß gleichwertig anzuerkennen und somit dem Kläger die Führung des Diplomgrades in der deutschen Form "Diplom-Geologe" zu genehmigen.

3 Die Richtlinie regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, die Gleichwertigkeit der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausgestellten Hochschuldiplome und der in seinem eigenen Hoheitsgebiet ausgestellten Hochschuldiplome anzuerkennen. Gemäß Artikel 2 Absatz 2 gilt sie nicht für die Berufe, die Gegenstand einer Einzelrichtlinie sind, mit der in den Mitgliedstaaten eine gegenseitige Anerkennung der Diplome eingeführt wird.

4 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 gilt die Richtlinie für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte "einen reglementierten Beruf" in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen.

5 Artikel 1 Buchstabe b definiert den Aufnahmestaat als den Mitgliedstaat, "in dem ein Angehöriger eines Mitgliedstaats die Ausübung eines Berufes beantragt, der dort reglementiert ist, in dem er jedoch nicht das Diplom, auf das er sich beruft, erworben oder erstmals den betreffenden Beruf ausgeuebt hat".

6 Nach Artikel 1 Buchstabe c der Richtlinie gelten als "reglementierter Beruf" die reglementierte berufliche Tätigkeit oder die reglementierten beruflichen Tätigkeiten insgesamt, die in einem Mitgliedstaat den betreffenden Beruf ausmachen. Artikel 1 Buchstabe d definiert "reglementierte berufliche Tätigkeit" als "eine berufliche Tätigkeit, deren Aufnahme oder Ausübung oder eine ihrer Arten der Ausübung in einem Mitgliedstaat direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz eines Diploms gebunden ist".

7 Nach der siebten Begründungserwägung der Richtlinie ist als reglementierte berufliche Tätigkeit nicht nur eine berufliche Tätigkeit zu betrachten, deren Aufnahme in einem Mitgliedstaat an den Besitz eines Diploms gebunden ist, sondern auch eine berufliche Tätigkeit, deren Aufnahme frei ist, wenn sie in Verbindung mit der Führung eines Titels ausgeuebt wird, der denjenigen vorbehalten ist, die bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen erfuellen.

8 Erfuellt ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats die Voraussetzungen für den Zugang zu einem reglementierten Beruf und dessen Ausübung im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats, so gewährt ihm Artikel 7 der Richtlinie ein zweifaches Recht: Zum einen darf er die diesem Beruf entsprechende Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats führen (Absatz 1), und zum anderen darf er eine im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat bestehende rechtmässige Ausbildungsbezeichnung und gegebenenfalls ihre Abkürzung in der Sprache dieses Staates führen (Absatz 2).

9 Der Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Nach vierjährigem Studium der Geologie an einer griechischen Universität erwarb er 1979 das Diplom "Ptichiouchos Geologos". Von 1977 bis 1990 war er ° mit Ausnahme seiner zweijährigen Militärdienstzeit ° in Griechenland als Geologe tätig.

10 Im Mai 1990 kam der Kläger nach Berlin, um dort seinen Beruf auszuüben. Aus Gründen, die unklar geblieben sind und für die keinerlei Rechtfertigung vorgebracht worden ist, stufte das Arbeitsamt ihn als "ungelernte Hilfskraft" ein; diese Einstufung hat die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung als "unglücklich" bezeichnet.

11 Der Kläger beantragte daraufhin bei der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung die Feststellung der Gleichwertigkeit seines griechischen Hochschulabschlusses mit dem vergleichbaren deutschen Bildungsabschluß. Die Senatsverwaltung war der Ansicht, daß sich der Kläger nicht auf die Richtlinie berufen könne, weil diese nur den Zugang zu reglementierten Berufen betreffe, zu denen der Beruf des Geologen in Deutschland nicht zähle. Daher genehmigte sie ihm nur die Führung des seinem Diplom entsprechenden Grades in der griechischen Originalform mit der wörtlichen Übersetzung "Diplomierter Geologe" als Klammerzusatz in der Bescheinigung über die Genehmigung.

12 Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung beim Verwaltungsgericht Berlin Klage. In diesem Verfahren machte er geltend, daß der Beruf des "Diplom-Geologen" ein reglementierter Beruf im Sinne der Richtlinie sei, denn diese betreffe alle Berufe, deren Aufnahme in einem Mitgliedstaat an den Besitz eines Diploms gebunden sei oder die jedenfalls in Verbindung mit der Führung eines Titels ausgeuebt würden, der denjenigen vorbehalten sei, die bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen erfuellten.

13 Das Verwaltungsgericht wies die Klage durch Urteil vom 19. Dezember 1991 ab. Es bestätigte die Entscheidung der Senatsverwaltung, daß es zweifelhaft sei, ob der Beruf des Geologen überhaupt als reglementierter Beruf im Sinne der Richtlinie anzusehen sei. Es stellte fest, daß "Diplom-Geologe" keine Berufsbezeichnung im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie, sondern als akademischer Grad den Ausbildungsabschluß im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie kennzeichne. Daher könne der Kläger nur die Führung der in seinem Heimatstaat erworbenen Ausbildungsbezeichnung in der Sprache dieses Staates beanspruchen.

14 Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin ein.

15 Das Oberverwaltungsgericht Berlin ist der Ansicht, daß die Entscheidung des Rechtsstreits die Auslegung der Richtlinie und insbesondere des Begriffs "reglementierter Beruf" im Sinne dieser Richtlinie erfordert; es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 1 Buchstabe c in Verbindung mit Buchstabe d der Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (89/48/EWG), so auszulegen, daß ein reglementierter Beruf auch dann vorliegt, wenn zwar keine die Aufnahme und die Ausübung des Berufes regelnden Vorschriften bestehen, aber die einzige Ausbildung für diesen Beruf ein mit dem Diplom abschließendes, mindestens viereinhalbjähriges Hochschulstudium ist und deshalb auf dem Arbeitsmarkt letztlich nur Bewerber für diesen Beruf in Erscheinung treten und solche Personen den Beruf ausüben, die Inhaber dieses Hochschulgrades sind?

2. Falls die erste Frage bejaht wird: Ist unter den im zweiten Halbsatz der ersten Frage genannten Voraussetzungen die Ausbildungsbezeichnung "Diplom-... (hier: Geologe)" zugleich die Berufsbezeichnung im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie, wenn es keine durch Rechtsvorschrift festgelegte oder geschützte ° andere ° Berufsbezeichnung gibt?

Die erste Frage

16 Die erste Frage geht dahin, ob der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens einen reglementierten Beruf im Sinne der Richtlinie betrifft.

17 Aus den Artikeln 1 Buchstabe b und 2 der Richtlinie geht hervor, daß diese für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats gilt, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf in einem Aufnahmestaat ausüben wollen. Daher ist die Situation im Aufnahmestaat ausschlaggebend dafür, ob die Bestimmungen der Richtlinie in dem betreffenden Fall gelten.

18 Ferner geht aus Artikel 1 Buchstaben c und d hervor, daß die Richtlinie nur für reglementierte Berufe gilt und daß ein solcher in einer beruflichen Tätigkeit besteht, deren Aufnahme oder Ausübung direkt oder indirekt rechtlich, also durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelt ist.

19 Die Aufnahme oder Ausübung eines Berufes muß dann als direkt rechtlich geregelt angesehen werden, wenn die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats eine Regelung enthalten, durch die die betreffende berufliche Tätigkeit ausdrücklich Personen vorbehalten wird, die bestimmte Voraussetzungen erfuellen, während die Aufnahme dieser Tätigkeit denjenigen versagt wird, die diese Voraussetzungen nicht erfuellen.

20 Das vorlegende Gericht führt in seiner ersten Frage aus, daß der Geologenberuf in Deutschland nicht reglementiert sei, da "keine die Aufnahme und die Ausübung des Berufes regelnden Vorschriften bestehen". Daher ist davon auszugehen, daß ein Beruf wie der des Geologen in Deutschland nicht als direkt reglementierter Beruf im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann.

21 Sodann ist zu prüfen, ob die Aufnahme eines solchen Berufes oder dessen Ausübung als indirekt reglementiert im Sinne von Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie anzusehen ist.

22 Obwohl im Aufnahmestaat keine Bestimmung die Aufnahme des betreffenden Berufes oder dessen Ausübung regelt, treten tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt in der Regel nur Inhaber des Titels eines "Diplom-Geologen" in Erscheinung. Zudem suchen nach dem Vorbringen des Klägers die deutschen Arbeitgeber nur Bewerber mit dem Titel "Diplom-Geologe". Daher besitzen nahezu alle Personen, die den Beruf des Geologen ausüben, dieses Diplom.

23 Der Umstand, daß auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats nur die Inhaber eines besonderen Hochschulabschlusses in Erscheinung treten und praktisch keine anderen Personen dort diesen Beruf ausüben, genügt nicht, um diesen Beruf als reglementiert anzusehen. Die Frage, ob ein Beruf reglementiert ist, hängt von der im Aufnahmestaat bestehenden Rechtslage und nicht von den dort herrschenden Arbeitsmarktbedingungen ab.

24 Nach den Akten gibt es im Aufnahmemitgliedstaat keine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift, die die Aufnahme des Berufes des Geologen indirekt regelt. Daher kann ein Beruf wie der des Geologen in Deutschland nicht als indirekt reglementiert im Sinne der Richtlinie angesehen werden.

25 Die italienische Regierung vertritt die Ansicht, daß die Entscheidung des Arbeitsamtes, den Kläger als ungelernte Hilfskraft einzustufen, hinreichend beweise, daß der deutsche Arbeitsmarkt in bezug auf die Tätigkeit des Geologen indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, die sich im Verhalten einer öffentlichen Stelle widerspiegelten, in der Weise reglementiert sei, daß diese Vorschriften jemanden, der nicht über einen in Deutschland erworbenen Titel (Diplom-Geologe) verfüge, von diesem Beruf ausschlössen oder ihn bei der Aufnahme dieses Berufes behinderten.

26 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

27 Eine Entscheidung wie die des Arbeitsamtes, den Kläger als "ungelernte Hilfskraft" einzustufen, erlaubt nicht den Schluß, daß der betreffende Beruf indirekt reglementiert sei. Obwohl die Gründe für diese Entscheidung niemals genannt worden sind, deutet nichts darauf hin, daß die Entscheidung im Rahmen einer indirekten rechtlichen Kontrolle der Aufnahme dieses Berufes oder seiner Ausübung in Deutschland ergangen ist.

28 Zudem zeigt die Entscheidung der Senatsverwaltung, dem Kläger die Führung seines Titels in der griechischen Form mit der wörtlichen Übersetzung "Diplomierter Geologe" als Klammerzusatz in der entsprechenden Bescheinigung zu genehmigen, daß es in Deutschland keine indirekte Reglementierung des Berufes des Geologen gibt.

29 Da es im Aufnahmestaat keine Rechtsvorschriften gibt, die den Rahmen eines Berufes für diesen Staat direkt oder indirekt festlegen, können die Bestimmungen der Richtlinie keine Anwendung finden.

30 Zur vollständigen Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts ist jedoch hinzuzufügen, daß ungeachtet der Nichtanwendbarkeit der Richtlinie Artikel 7 EWG-Vertrag, nunmehr Artikel 6 EG-Vertrag, den Mitgliedstaaten Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet. Ferner müssen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 48 EG-Vertrag die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft und gemäß Artikel 52 EG-Vertrag ihre Niederlassungsfreiheit herstellen.

31 Nach ständiger Rechtsprechung müssen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, wenn bei ihnen die Genehmigung zur Ausübung eines Berufes beantragt wird, dessen Aufnahme nach den nationalen Rechtsvorschriften an den Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation gebunden ist, die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die der Betroffene für die Ausübung dieses Berufes in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, in der Weise berücksichtigen, daß sie die in diesen Diplomen bescheinigte Befähigung mit den nach den nationalen Vorschriften verlangten Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen (vgl. insbesondere Urteile vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-340/89, Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357, Randnr. 16, und vom 7. Mai 1992 in der Rechtssache C-104/91, Aguirre Borrell u. a., Slg. 1992, I-3003, Randnr. 11).

32 Das gleiche gilt für berufliche Tätigkeiten, deren Aufnahme oder Ausübung nicht kraft rechtlicher Regelung den Besitz eines Diploms voraussetzt. Unter solchen Umständen haben die für die Einstufung von arbeitsuchenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zuständigen Behörden des Aufnahmestaats bei dieser Einstufung, die sich auf die Möglichkeit für diese Personen auswirkt, im Aufnahmestaat Arbeit zu finden, die Diplome, Kenntnisse, Fähigkeiten und sonstigen Befähigungsnachweise zu berücksichtigen, die der Betroffene zum Zweck der Ausübung eines Berufes in seinem Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat erworben hat.

33 Nach alledem ist festzustellen, daß Artikel 1 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie so auszulegen ist, daß ein Beruf nicht als reglementiert eingestuft werden kann, wenn im Aufnahmestaat keine Rechts- oder Verwaltungsvorschriften die Aufnahme, die Ausübung oder eine der Arten der Ausübung dieses Berufes regeln, selbst wenn die einzige Ausbildung für diesen Beruf ein mit einem Diplom abschließendes, mindestens viereinhalbjähriges Hochschulstudium ist und deshalb in der Regel nur Inhaber dieses Hochschulabschlusses auf dem Arbeitsmarkt als Bewerber für diesen Beruf in Erscheinung treten und diesen Beruf ausüben.

Die zweite Frage

34 Angesichts der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Die Auslagen der deutschen, der griechischen und der italienischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Oberverwaltungsgericht Berlin mit Beschluß vom 25. April 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 1 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, ist so auszulegen, daß ein Beruf nicht als reglementiert eingestuft werden kann, wenn im Aufnahmestaat keine Rechts- oder Verwaltungsvorschriften die Aufnahme, die Ausübung oder eine der Arten der Ausübung dieses Berufes regeln, selbst wenn die einzige Ausbildung für diesen Beruf ein mit einem Diplom abschließendes, mindestens viereinhalbjähriges Hochschulstudium ist und deshalb in der Regel nur Inhaber dieses Hochschulabschlusses auf dem Arbeitsmarkt als Bewerber für diesen Beruf in Erscheinung treten und diesen Beruf ausüben.

Ende der Entscheidung

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