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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.01.2000
Aktenzeichen: C-164/98 P
Rechtsgebiete: Beschluß 90/685/EWG, EFDO


Vorschriften:

Beschluß 90/685/EWG
EFDO
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Im Rahmen der Durchführung des Aktionsprogramms zur Förderung der Entwicklung der europäischen audiovisuellen Industrie (MEDIA) gemäß dem Beschluß 90/685 des Rates werden die Voraussetzungen für gemeinschaftliche Zuschüsse durch die Leitlinien einer Vereinigung festgelegt, die die Kommission bei der finanziellen Umsetzung des Programms unterstützt; es handelt sich dabei um das European Film Distribution Office (EFDO).

Daß es diese vom EFDO festgelegten Förderbedingungen gibt und daß sie von der Kommission genehmigt wurden, genügt für sich allein nicht, um jedes Ermessen der Kommission hinsichtlich der Förderungswürdigkeit von Vorhaben, für die Zuschüsse beantragt wurden, auszuschließen.

Um einen Zuschuß für den Filmverleih zu erlangen, mußten gemäß Punkt III.1. Buchstabe a der Leitlinien mindestens drei verschiedene Verleiher aus wenigstens drei verschiedenen Ländern der Europäischen Union oder aus Ländern, mit denen Verträge über eine Zusammenarbeit geschlossen wurden, über die Vorführung eines Films in den Kinos übereinkommen und ihre Anträge für denselben Termin einreichen.

Da die Leitlinien keine Definition des Begriffes "verschiedene Verleiher" enthielten, sind die Bedeutung und Tragweite dieses Begriffes unter Berücksichtigung des allgemeinen Zusammenhangs, in dem er verwendet wird, und entsprechend dem Sinn, den er nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch hat, zu bestimmen.

Das Gericht hat deshalb zu Recht festgestellt, daß die Kommission das Erfordernis der drei verschiedenen Verleiher anhand der Ziele des MEDIA-Programms, die aus der Mitteilung der Kommission über die Medienpolitik und dem Beschluß 90/685 hervorgehen, auslegen und anwenden und demgemäß festlegen durfte, daß Anträge auf Zuschüsse für den Filmverleih nur förderungswürdig sind, wenn sie von mindestens drei Verleihern gestellt werden, die vorher nicht dauernd in erheblichem Umfang zusammengearbeitet haben.

(vgl. Randnrn. 22-27)

2 Aus denselben Gründen der Kohärenz, aus denen die Kommission eine staatliche Beihilfe im Verfahren gemäß Artikel 93 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) nicht genehmigen darf, ohne zu prüfen, ob sich deren Empfänger nicht in einer Lage befindet, die den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG) zuwiderläuft, darf eine Gemeinschaftsbeihilfe zur Durchführung des MEDIA-Programms gemäß dem Beschluß 90/685 des Rates nicht an ein Gemeinschaftsunternehmen gewährt werden, ohne daß zuvor dessen Vereinbarkeit mit Artikel 85 EG-Vertrag geprüft würde.

(vgl. Randnrn. 29, 30)

3 Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) sind der Gerichtshof und das Gericht für Klagen zuständig, die wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des EG-Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmißbrauchs erhoben werden. Ist die Klage begründet, so ist die angefochtene Handlung nach Artikel 174 EG-Vertrag (jetzt Artikel 231 EG) für nichtig zu erklären. Der Gerichtshof und das Gericht dürfen somit in keinem Fall die vom Verfasser der angefochtenen Handlung gegebene Begründung durch ihre eigene ersetzen.

Auch wenn sich das Gericht im Rahmen einer Nichtigkeitsklage veranlaßt sehen kann, die Begründung einer angefochtenen Handlung anders auszulegen als ihr Verfasser oder sie unter bestimmten Umständen sogar zu verwerfen, kann es dies jedoch nur aufgrund sachlicher Gesichtspunkte tun.

Ein Urteil des Gerichts, das infolge einer unrichtigen Wiedergabe der angefochtenen Entscheidung die von deren Verfasser gegebene Begründung durch seine eigene ersetzt, ist deshalb aufzuheben.

(vgl. Randnrn. 38, 42, 48-49)


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 27. Januar 2000. - DIR International Film Srl, Nostradamus Enterprises Ltd, Union PN Srl, United International Pictures BV, United International Pictures AB, United International Pictures APS, United International Pictures A/S, United International Pictures EPE, United International Pictures OY und United International Pictures y Cía SRC gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - MEDIA-Programm - Darlehensbedingungen - Ermessen - Begründung. - Rechtssache C-164/98 P.

Parteien:

In der Rechtssache C-164/98 P

DIR International Film Srl mit Sitz in Rom (Italien),

Nostradamus Enterprises Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich),

Union PN Srl mit Sitz in Rom,

United International Pictures BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

United International Pictures AB mit Sitz in Stockholm (Schweden),

United International Pictures ApS mit Sitz in Kopenhagen (Dänemark),

United International Pictures A/S mit Sitz in Oslo (Norwegen),

United International Pictures EPE mit Sitz in Athen (Griechenland),

United International Pictures OY mit Sitz in Helsinki (Finnland),

United International Pictures y Cía SRC mit Sitz in Madrid (Spanien),

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Vandencasteele und O. Speltdoorn, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts E. Arendt, 8-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg,

Rechtsmittelführerinnen,

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Erste Kammer) vom 19. Februar 1998 in den verbundenen Rechtssachen T-369/94 und T-85/95 (DIR International Film u. a./Kommission, Slg. 1998, II-357) wegen Aufhebung dieses Urteils,

anderer Verfahrensbeteiligter:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Banks, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erläßt

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer R. Schintgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter G. Hirsch (Berichterstatter) und H. Ragnemalm,

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 6. Mai 1999,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Juli 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die DIR International Film Srl, die Nostradamus Enterprises Ltd, die Union PN Srl, die United International Pictures BV, die United International Pictures AB, die United International Pictures APS, die United International Pictures A/S, die United International Pictures EPE, die United International Pictures OY und die United International Pictures y Cía SRC haben mit Rechtsmittelschrift, die am 27. April 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 19. Februar 1998 in den verbundenen Rechtssachen T-369/94 und T-85/95 (DIR International Film u. a./Kommission, Slg. 1998, II-357; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der den Rechtsmittelführerinnen mit Schreiben vom 10. Januar 1995 mitgeteilten Entscheidung des European Film Distribution Office - Europäisches Filmbüro e. V. (im folgenden: EFDO) über die Ablehnung ihres Finanzierungsantrags abgewiesen hat (im folgenden: streitige Entscheidung).

Rechtlicher Rahmen, Sachverhalt und Verfahren

2 Der rechtliche Rahmen und der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt werden im angefochtenen Urteil folgendermaßen zusammengefaßt:

"1 Der Rat erließ am 21. Dezember 1990 den Beschluß 90/685/EWG über die Durchführung eines Aktionsprogramms zur Förderung der Entwicklung der europäischen audiovisuellen Industrie (MEDIA) (1991-1995) (ABl. L 380, S. 37). Die Abkürzung MEDIA steht für "mesures pour encourager le développement de l'industrie audiovisuelle" (Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung der audiovisuellen Industrie). Der Rat stellt in diesem Beschluß zunächst fest, daß der Europäische Rat die Steigerung der audiovisuellen Kapazität Europas als von höchster Bedeutung angesehen habe (erste Begründungserwägung). Er weist sodann darauf hin, daß er die Mitteilung der Kommission mit zwei Vorschlägen für einen Beschluß des Rates über ein Aktionsprogramm zur Förderung der Entwicklung der audiovisuellen Industrie in Europa "MEDIA" 1991-1995 (KOM [90] 132 endg. vom 4. Mai 1990, nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht; im folgenden Mitteilung über die Medienpolitik) zur Kenntnis genommen habe (8. Begründungserwägung). Er stellt ferner fest, daß die europäische audiovisuelle Industrie die Segmentierung der Märkte überwinden und ihre zu engen und zu wenig rentablen Produktions- und Vertriebsstrukturen anpassen müsse (vierzehnte Begründungserwägung) und daß in diesem Zusammenhang die kleinen und mittleren Unternehmen besonders zu berücksichtigen seien (fünfzehnte Begründungserwägung).

2 In Artikel 2 des Beschlusses 90/685 werden folgende Ziele des MEDIA-Programms angeführt:

- Beitrag zur Schaffung eines günstigen Umfelds, in dem die Unternehmen der Gemeinschaft neben denen der anderen europäischen Länder eine maßgebende Rolle spielen;

- Stimulierung und Steigerung der wettbewerbsfähigen Angebotskapazität europäischer audiovisueller Produkte, insbesondere unter Berücksichtigung der Rolle und des Bedarfs der kleinen und mittleren Unternehmen, der berechtigten Interessen aller an der Schöpfung audiovisueller Produkte beteiligten Berufskreise und der Lage der Länder mit geringer audiovisueller Produktionskapazität und/oder geographisch und sprachlich begrenztem Bereich in Europa;

- verstärkter innereuropäischer Austausch von Filmen und audiovisuellen Programmen und maximale Nutzung der in Europa bestehenden oder zu schaffenden Vertriebsmöglichkeiten im Hinblick auf eine höhere Rentabilität der Investitionen, eine weitere Verbreitung und eine größere Öffentlichkeitswirkung;

- Verbesserung der Stellung der europäischen Produktions- und Vertriebsfirmen auf den Weltmärkten;

- Förderung des Zugangs zu neuen, insbesondere europäischen Kommunikationstechnologien bei der Produktion und dem Vertrieb audiovisueller Werke sowie Nutzung dieser Technologien;

- Förderung eines globalen Konzepts für den audiovisuellen Bereich, das es ermöglicht, der Interdependenz seiner einzelnen Sektoren Rechnung zu tragen;

- Sicherstellung der Komplementarität der europäischen gegenüber den einzelstaatlichen Maßnahmen;

- im Zusammenwirken mit den in den Mitgliedstaaten vorhandenen Einrichtungen Beitrag zur Schaffung von Rahmenbedingungen, die es den Unternehmen der Branche ermöglichen, die Möglichkeiten des einheitlichen Marktes voll zu nutzen, insbesondere durch Verbesserung der Management- und Marketingkenntnisse der in der Gemeinschaft im Mediensektor Tätigen.

3 Ferner stellte die Kommission in ihrer Mitteilung über die Medienpolitik (S. 9) fest, daß das European Film Distribution Office - Europäisches Filmbüro e. V. (im folgenden: EFDO), ein Verein mit Sitz in Hamburg (Deutschland), "zur Schaffung von Kovertriebsnetzen bei[trägt], indem es die Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften fördert, die vorher isoliert in ihrer Heimat ihre Verleihgeschäfte betrieben".

4 Gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses 90/685 ist die Kommission für die Durchführung des MEDIA-Programms verantwortlich. Nach Punkt 1.1. des Anhangs des Beschlusses 90/685 besteht einer der Mechanismen, die bei der Durchführung des MEDIA-Programms anzuwenden sind, in einem signifikanten Ausbau der Tätigkeit des EFDO zur Förderung des transnationalen Verleihs und der Vorführung europäischer Filme in Kinos.

5 In diesem Rahmen schloß die Kommission mit dem EFDO Vereinbarungen über die finanzielle Durchführung des MEDIA-Programms. Eine Abschrift der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Vereinbarung für 1994 ist zu den Akten gegeben worden (im folgenden: Vereinbarung von 1994).

6 In Artikel 3 Absatz 2 dieser Vereinbarung wird auf die Bestimmungen zur Regelung der Zusammenarbeit in deren Anhang 3 Bezug genommen, die Bestandteil der Vereinbarung sind. Auch diese Bestimmungen sind von der Kommission zu den Akten gegeben worden. Sie sehen u. a. vor, daß bei Fragen, die die Durchführung des MEDIA-Programms betreffen, stets die vorherige Zustimmung der Kommissionsvertreter einzuholen ist und zwar insbesondere "grundsätzlich bei allen Verhandlungen, die Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der Kommission und politischen Stellen und/oder Berufsverbänden haben können" (Absatz 1 Buchstabe g).

7 Die Arbeit des EFDO wird ferner durch Leitlinien geregelt, die von ihm selbst festgelegt und von der Kommission nach einem nicht näher erläuterten Verfahren genehmigt werden. Die Fassung dieser Leitlinien vom 15. Februar 1994 ist ebenfalls vorgelegt worden. Nach diesen Leitlinien verwaltet das EFDO einen Fonds, aus dem Filmverleihern zinslose Darlehen in Höhe von 50 % der voraussichtlichen Verleihkosten gewährt werden, die nur zurückgezahlt zu werden brauchen, wenn der Film in dem Land, für das das Darlehen gewährt wurde, Einnahmen in Höhe der voraussichtlichen Kosten erbringt. Das Darlehen dient zur Verringerung des mit dem Filmverleih verbundenen Risikos und fördert die Verbreitung von Filmen, die ohne eine solche Finanzierung kaum Aussicht auf Vorführung in den Kinos hätten. Die Entscheidungen über die Darlehensanträge werden vom Selektionsausschuß des EFDO getroffen.

...

12 Gemäß Punkt VI.3. der Leitlinien schließlich kann ein Zuschußantrag ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden, wenn das EFDO direkt oder indirekt von einem Umstand Kenntnis erlangt, der dafür spricht, daß das Darlehen nicht ordnungsgemäß zurückgezahlt werden wird oder kann.

13 Die Klägerinnen zu 1 und zu 3, die DIR International Film Srl und die Union PN Srl, sind die Produzenten des italienischen Films "Maniaci Sentimentali" und die Klägerin zu 2, die Nostradamus Enterprises Ltd, ist die Produzentin des Films "Nostradamus", einer englisch-deutschen Koproduktion. Die Klägerin zu 4, die United International Pictures BV (im folgenden: UIP), ist eine gemeinsame Tochtergesellschaft der amerikanischen Gesellschaft Paramount Communications Inc., der japanischen Gesellschaft MCA Inc. und der französischen Gesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer Inc., an der diese zum Zeitpunkt der Klageerhebung zu gleichen Teilen beteiligt waren. Ihre Tätigkeit besteht in erster Linie im Verleih von Spielfilmen in allen Ländern außer den Vereinigten Staaten, Puerto Ricos und Kanadas. Die Klägerinnen zu 5 bis zu 10, die United International Pictures AB (Schweden), die United International Pictures APS (Dänemark), die United International Pictures A/S (Norwegen), die United International Pictures EPE (Griechenland), die United International Pictures OY (Finnland) und die United International Pictures y Cía SRC (Spanien), sind Tochtergesellschaften der UIP und werden in ihren jeweiligen Ländern als örtliche Verleiher tätig (im folgenden: Tochtergesellschaften).

14 Auf Ersuchen der Produzenten des Films "Maniaci Sentimentali" übermittelte die UIP dem EFDO am 28. Juli 1994 Finanzierungsanträge für den Verleih dieses Films durch ihre Tochtergesellschaften in Norwegen, Finnland, Schweden, Dänemark, Griechenland und Spanien (und für Portugal im Namen der nicht mit ihr verbundenen Gesellschaft Filmes Lusomundo SARL).

15 Am gleichen Tag stellte die UIP auf Ersuchen des Produzenten des Films "Nostradamus" bei der EFDO einen Finanzierungsantrag für den Verleih dieses Films in Norwegen, Finnland, Schweden und Dänemark durch ihre dortigen Tochtergesellschaften.

16 Aus dem auf Bitten des Gerichts vorgelegten Briefwechsel zwischen dem EFDO und der Kommission ergibt sich, daß sich die Kommission gegenüber dem EFDO mit Telefax vom 7. September 1994 dagegen aussprach, über die Finanzierungsanträge der Tochtergesellschaften der UIP zu entscheiden, bevor sie über den Antrag der UIP auf Verlängerung der Freistellung entschieden habe. Mit einem weiteren Telefax vom selben Tag forderte sie das EFDO erneut auf, "nicht [an dem betreffenden Tag] über diese Bewerbungen zu entscheiden, sondern damit abzuwarten, bis die Kommission in dem von ihr zur Zeit geprüften Fall der UIP eine endgültige Entscheidung getroffen hat".

17 Am 12. September 1994 erhielten die Tochtergesellschaften der UIP per Telefax Schreiben des EFDO, nach denen der "Ausschuß des EFDO seine Entscheidung über [ihren] Antrag betreffend die Filme "Nostradamus" und "Maniaci Sentimentali" ausgesetzt hat... bis die Europäische Kommission ihre allgemeine Entscheidung über den Status der [UIP] in Europa getroffen hat" (im folgenden: streitige Schreiben). Die genannte allgemeine Entscheidung war nach dem Vortrag der Parteien die Entscheidung der Kommission über den Antrag der UIP auf Verlängerung der Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag für die Vereinbarung zwischen den drei Muttergesellschaften über die Gründung der gemeinsamen Tochtergesellschaft UIP und die Zusatzvereinbarungen, die hauptsächlich die Herstellung und den Verleih von Spielfilmen betrafen. Die Freistellung, die die Kommission mit der Entscheidung 89/467/EWG vom 12. Juli 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/30.566 - UIP) gewährt hatte, galt bis zum 26. Juli 1993 (ABl. L 226, S. 25).

18 Nach Erhalt der streitigen Schreiben teilten die Klägerinnen zu 1 bis zu 4 dem EFDO und der Kommission mit, daß sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden seien, und baten um bestimmte Informationen und Unterlagen sowie um eine erneute Prüfung der Anträge zu erreichen. Die UIP wendete sich ferner an das u. a. für Kulturfragen zuständige Mitglied der Kommission J. de Deus Pinheiro mit der Bitte, auf eine erneute Prüfung der Anträge hinzuwirken. Nachdem der UIP mitgeteilt worden war, daß das Verfahren an die Generaldirektion für Wettbewerb abgegeben worden sei, ersuchte ihr Rechtsanwalt ferner das für Wettbewerbsfragen zuständige Mitglied der Kommission K. van Miert um bestimmte Informationen. Van Miert wies in seiner Antwort darauf hin, daß kein Zusammenhang zwischen dem Verfahren über den Antrag der UIP auf Verlängerung ihrer Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages und dem Verfahren über die Gewährung von Subventionen durch das EFDO bestehe. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß diese Feststellung von van Miert nur bedeute, daß sich die UIP für ihren Antrag auf Verlängerung der Freistellung keinesfalls auf eine Entscheidung des EFDO, ihr ein Darlehen zu gewähren, berufen könne.

19 Da die genannten Kontakte nicht zu dem gewünschten Ergebnis führten, haben die Klägerinnen am 16. November 1994 gegen die streitigen Schreiben Klage erhoben.

20 Am 5. Dezember 1994 prüfte der Vorstand des EFDO "auf die Beanstandungen der UIP" die genannten Finanzierungsanträge und beschloß ihre Ablehnung. Diese Entscheidung wurde der UIP vom EFDO mit Schreiben vom 10. Januar 1995 mitgeteilt (im folgenden: streitige Entscheidung).

21 Aus dem von der Kommission auf Bitten des Gerichts vorgelegten Briefwechsel zwischen dem EFDO und der Kommission ergibt sich, daß die Kommission dem EFDO zu einem nicht genannten Zeitpunkt vorgeschlagen hatte, die Anträge der Klägerinnen als nicht förderungswürdig abzulehnen, weil mehrere Tochtergesellschaften derselben Verleihgesellschaft keine "verschiedenen Verleiher" im Sinne der Leitlinien des EFDO seien.

22 Nach der vom EFDO verfaßten streitigen Entscheidung wurden die Anträge abgelehnt, weil "die Kommission der Europäischen Union noch nicht über den künftigen Status der UIP in Europa entschieden hatte. Da in den Darlehensverträgen des EFDO davon ausgegangen wird, daß die geförderten Filme während eines Zeitraums von fünf Jahren an Kinos verliehen werden, war es nicht möglich, anders zu entscheiden, ohne dem von der UIP gegen die Kommission der Europäischen Union angestrengten Gerichtsverfahren vorzugreifen. Der Vorstand des EFDO ist ferner der Auffassung, daß die UIP nicht in jeder Hinsicht den nachstehend dargestellten Zielen des MEDIA-Programms entspricht, die gemäß ihrer Umschreibung in der "Schaffung von Kovertriebsnetzen [bestehen], indem [das EFDO] die Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften fördert, die vorher isoliert in ihrer Heimat ihre Verleihgeschäfte betrieben" (Aktionsprogramm zur Förderung der audiovisuellen Industrie in Europa "MEDIA" 1991-1995)"."

3 Am 16. März 1995 haben die Rechtsmittelführerinnen eine Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben.

4 Sie haben ihre Klage vor dem Gericht auf drei Klagegründe gestützt: Erstens seien die in den Leitlinien des EFDO festgelegten Auwahlkriterien verletzt worden, denn ihre Finanzierungsanträge hätten in jeder Hinsicht die in den Leitlinien genannten Voraussetzungen erfuellt und das EFDO habe kein Ermessen besessen, aufgrund dessen es zur Ablehnung der Anträge befugt gewesen wäre. Zweitens laufe die streitige Entscheidung Sinn und Zweck des MEDIA-Programms zuwider und verletze deshalb den Beschluß 90/685. Könnte ein Verleiher keine Zuschüsse vom EFDO erhalten, solange die Kommission nicht über eine Verlängerung der Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 3 EG) entschieden habe, so würde der Filmverleih in Europa weniger effizient. Drittens sei die streitige Entscheidung unzureichend begründet. Weder das Bestreben des EFDO, nicht den von der UIP gegen die Kommission angestrengten Gerichtsverfahren im Rahmen des Artikels 85 des Vertrages vorzugreifen, noch der Hinweis, das MEDIA-Programm ziele auf die Schaffung von Kovertriebsnetzen, indem die Zusammenarbeit zwischen zuvor in ihrer Heimat isoliert tätigen Unternehmen gefördert werde, seien eine angemessene, klare und zutreffende Begründung im Sinne von Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG).

Das angefochtene Urteil

5 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Rechtssache T-369/94 in der Hauptsache für erledigt erklärt, die Klage in der Rechtssache T-85/95 abgewiesen und den Rechtsmittelführerinnen sämtliche Kosten auferlegt.

6 Das Gericht hat zunächst festgestellt, daß die Entscheidungen des EFDO über die im Rahmen des MEDIA-Programms gestellten Finanzierungsanträge der Kommission zuzurechnen seien, da sie gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Beschluß 90/685 für die Durchführung des MEDIA-Programms verantwortlich sei, da weiterhin nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juni 1958 in der Rechtssache 9/56 (Meroni/Hohe Behörde, Slg. 1958, 11, 47) eine Übertragung von Befugnissen unter Einräumung eines weiten Ermessens nicht zulässig sei und da schließlich jede Entscheidung des EFDO einer vorherigen Zustimmung der Kommission bedürfe (Randnrn. 52 f. des angefochtenen Urteils).

7 Die Kommission und das EFDO hätten ihr Ermessen nicht überschritten, indem sie angenommen hätten, daß die Mittelgewährung durch die Gemeinschaft für den Verleih von Filmen die Schaffung zuvor nicht bestehender Verleihnetze in Europa fördern müsse (Randnr. 91 des angefochtenen Urteils). Sie seien deshalb berechtigt gewesen, im Rahmen des MEDIA-Programms nur Finanzierungsanträge für den Verleih von Filmen als förderungswürdig anzusehen, die von mindestens drei Verleihern gestellt worden seien, die vorher nicht dauernd in erheblichem Umfang zusammengearbeitet hätten (Randnr. 94 des angefochtenen Urteils).

8 Für den Verleih des Films "Nostradamus" seien die in den Leitlinien gestellten Anforderungen zwar erfuellt gewesen (Randnr. 100 des angefochtenen Urteils). Aber auch wenn sich die Kommission im Verfahren dahin geäußert habe, daß das EFDO die Anträge nicht wegen der Beteiligung der UIP an einem Verfahren der Freistellungsverlängerung nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag als solcher abgelehnt, daß vielmehr eine gewisse mit dem unsicheren Status der UIP zusammenhängende Unsicherheit über die Rückzahlungsfähigkeit der Tochtergesellschaften der UIP die Ablehnung gerechtfertigt habe, sei doch in der Tat der unsichere Status der UIP und ihrer Tochtergesellschaften für die Ablehnung der Darlehensanträge ausschlaggebend gewesen, der im Verfahren nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag seinen Grund habe (Randnr. 101 des angefochtenen Urteils).

9 Was schließlich die Begründung der streitigen Entscheidung angehe, so sei sie als hinreichend anzusehen (Randnr. 122 des angefochtenen Urteils).

Das Rechtsmittel

10 Die Rechtsmittelführerinnen machen drei Rechtsmittelgründe geltend.

11 Erstens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es angenommen habe, die Kommission verfüge bei der Beurteilung, ob Finanzierungsanträge an das EFDO förderungswürdig seien, über ein Ermessen.

12 Zweitens habe das Gericht gegen die Artikel 173 (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) und 190 EG-Vertrag verstoßen, indem es die Begründung, mit der die Kommission ihre Entscheidung über die Finanzierung des Films "Nostradamus" gerechtfertigt habe, durch seine eigene Begründung ersetzt habe.

13 Drittens sei die Begründung des Gerichts, wonach Unternehmensformationen, die möglicherweise mit den Wettbewerbsregeln unvereinbar seien und nicht unter eine Freistellungsentscheidung fielen, einen "unsicheren" und "sehr prekären" rechtlichen Status hätten, mit der Verordnung Nr. 17, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), unvereinbar.

14 Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

15 Die Rechtsmittelführerinnen beziehen sich zunächst auf die Randnummer 82 des angefochtenen Urteils, wo es heißt, es sei "unstreitig..., daß die Leitlinien des EFDO von der Kommission im Rahmen der Durchführung des durch den Beschluß 90/685 geregelten MEDIA-Programms genehmigt wurden. In Anbetracht der Bedeutung dieser Leitlinien innerhalb des Systems des MEDIA-Programms und der Tatsache, daß die Kommission die Leitlinien, auf die sie sich zur Rechtfertigung der streitigen Entscheidung beruft, als verbindlich und als eine Rechtsquelle für die Durchführung dieses Programms ansieht, stellen sie ebenso wie der Beschluß 90/685 Rechtsnormen dar, deren Beachtung der Gemeinschaftsrichter sicherzustellen hat."

16 Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, die Leitlinien führten abschließend die Voraussetzungen für eine Finanzierung durch das EFDO auf und gestatteten die Ablehnung von Finanzierungsanträgen, die im übrigen förderungswürdig seien, nur, wenn das EFDO unmittelbar oder mittelbar von Umständen erfahre, die vermuten ließen, daß das Darlehen nicht ordnungs- und fristgemäß zurückgezahlt würde oder werden könnte.

17 Das Gericht habe deshalb zu Unrecht entschieden, daß die Kommission über ein Ermessen verfüge, in dessen Rahmen sie zum einen die Finanzierung durch das EFDO davon abhängig machen dürfe, daß die Anträge von mindestens drei Verleihern gestellt würden, die vorher nicht dauernd in erheblichem Umfang zusammengearbeitet hätten, und zum anderen förderungswürdige Anträge ablehnen dürfe, die von mit den Wettbewerbsregeln unvereinbaren Unternehmensformationen gestellt würden.

18 Nach Ansicht der Kommission besteht der erste Rechtsmittelgrund aus zwei Teilen.

19 Was die Beteiligung von drei Verleihern, die vorher nicht dauernd in erheblichem Umfang zusammengearbeitet hätten, angehe, so hätten die Rechtsmittelführerinnen zur Begründung ihrer Rüge nichts vorgetragen.

20 Was den zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrunds betreffe, so habe das Gericht seine Feststellung, daß die Kommission Finanzierungsanträge von Unternehmensformationen ablehnen dürfe, die möglicherweise mit den Wettbewerbsregeln unvereinbar seien, aus dem Hauptzweck des MEDIA-Programms hergeleitet, den Aufbau einer leistungsfähigen audiovisuellen Industrie zu fördern.

21 Zudem habe die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bei der Anwendung einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung auch auf die fehlerfreie Anwendung der anderen Vertragsbestimmungen zu achten (Urteil vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnrn. 41 f.). Zwar hätte die Bewilligung eines Zuschusses für die Tochtergesellschaften der UIP die Kommission rechtlich nicht daran gehindert, den Antrag der drei Muttergesellschaften auf Freistellung ihrer Vereinbarung über eine gemeinsame Tochtergesellschaft gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag zu einem späteren Zeitpunkt abzulehnen. Trotzdem müsse es der Kommission grundsätzlich möglich sein, mögliche künftige Unstimmigkeiten bei der Anwendung der verschiedenen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu vermeiden.

22 Was erstens die Anwendung der Bedingungen angeht, nach denen sich die Förderungswürdigkeit durch das EFDO bestimmt, so genügt der Umstand, daß es solche Bedingungen gibt und sie von der Kommission genehmigt wurden, für sich allein nicht, um jedes Ermessen der Kommission auszuschließen.

23 Es ist allerdings zu prüfen, ob das Gericht aufgrund dieser Bedingungen annehmen konnte, daß das Ermessen der Kommission so weit geht, daß sie Anträge auf Finanzierung durch das EFDO ablehnen durfte, wenn sie nicht von mindestens drei Verleihern gestellt wurden, die vorher nicht dauernd in erheblichem Umfang zusammengearbeitet hatten.

24 Gemäß Punkt III.1. Buchstabe a der Leitlinien müssen mindestens drei verschiedene Verleiher aus wenigstens drei verschiedenen Ländern der Europäischen Union oder aus Ländern, mit denen Verträge über eine Zusammenarbeit geschlossen wurden, über die Vorführung eines Films in den Kinos übereinkommen und ihre Anträge für denselben Termin einreichen.

25 Die Leitlinien enthielten keine Definition des Begriffes "verschiedene Verleiher".

26 Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Gemeinschaftsrecht nicht definiert, unter Berücksichtigung des allgemeinen Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und entsprechend dem Sinn, den sie nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch haben, zu bestimmen (vgl. z. B. Urteil vom 27. Januar 1988 in der Rechtssache 349/85, Dänemark/Kommission, Slg. 1988, 169, Randnr. 9).

27 Das Gericht hat deshalb zu Recht festgestellt, daß die Kommission das Erfordernis der drei verschiedenen Verleiher anhand der Ziele des MEDIA-Programms, die aus der Mitteilung der Kommission über die Medienpolitik und dem Beschluß 90/685 hervorgehen und in den Randnummern 86 bis 93 des angefochtenen Urteils wiedergegeben sind, auslegen und anwenden und demgemäß festlegen durfte, daß Anträge auf Zuschüsse für den Filmvertrieb nur förderungswürdig sind, wenn sie von mindestens drei Verleihern gestellt werden, die vorher nicht dauernd in erheblichem Umfang zusammengearbeitet haben.

28 Was zweitens die Befugnis zur Ablehnung von Finanzierungsanträgen angeht, die von möglicherweise mit den Wettbewerbsregeln unvereinbaren Unternehmensformationen gestellt werden, so beschränken die Leitlinien die Befugnis, förderungswürdige Finanzierungsanträge abzulehnen, entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht auf den Fall, daß das EFDO direkt oder indirekt von bestimmten Tatsachen erfährt, die vermuten lassen, daß das Darlehen nicht ordnungsgemäß zurückgezahlt werden würde oder könnte. Punkt VI.3 der Leitlinien bestimmt nämlich nur, daß das EFDO unter solchen Umständen Anträge ohne Angabe von Gründen ablehnen kann.

29 Im übrigen hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, daß sie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes aus Gründen der Kohärenz eine staatliche Beihilfe im Verfahren gemäß Artikel 93 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) nicht genehmigen darf, ohne zu prüfen, ob sich deren Empfänger nicht in einer Lage befindet, die den Artikeln 85 EG-Vertrag und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) zuwiderläuft (vgl. z. B. Urteil Matra/Kommission, Randnr. 42).

30 Aus denselben Gründen darf eine Gemeinschaftsbeihilfe nicht an ein Gemeinschaftsunternehmen gewährt werden, ohne daß zuvor dessen Vereinbarkeit mit Artikel 85 EG-Vertrag geprüft würde.

31 Der erste Rechtsmittelgrund ist demnach als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

32 Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, das Gericht habe einen im Rahmen von Artikel 173 EG-Vertrag unzulässigen Austausch der Begründung vorgenommen, indem es festgestellt habe, der Grund dafür, daß die UIP und ihre Tochtergesellschaften für einen Zuschuß des EFDO nicht in Betracht kämen, liege nicht darin, daß sie möglicherweise das Darlehen nicht zurückzahlen könnten, sondern darin, daß seinerzeit ihr rechtlicher Status vollkommen unsicher gewesen sei, weil für die Genehmigung einer Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag zuwiderlaufenden Vereinbarung eine Freistellung erforderlich gewesen sei.

33 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes beruhe Artikel 190 EG-Vertrag, wonach die Kommission ihre Entscheidungen zu begründen habe, nicht lediglich auf formalen Erwägungen, sondern solle den Parteien die Wahrnehmung ihrer Rechte, dem Gerichtshof die Ausübung seiner Rechtskontrolle und den Mitgliedstaaten sowie deren etwa beteiligten Angehörigen die Unterrichtung darüber ermöglichen, in welcher Weise die Kommission den EG-Vertrag angewandt habe (Urteil vom 4. Juli 1963 in der Rechtssache 24/62, Deutschland/Kommission, Slg. 1963, 141, 155).

34 Für den Adressaten eines Rechtsakts verlöre aber die Unterrichtung darüber, in welcher Weise die Kommission den EG-Vertrag angewandt habe, jede Bedeutung, wenn das Gericht hierüber frei verfügen dürfte; zugleich würde er in der Wahrnehmung seiner Rechte behindert.

35 Die Kommission vertritt dagegen die Auffassung, das Gericht habe die Begründung keineswegs ersetzt, sondern die streitige Entscheidung lediglich ausgelegt und damit nicht gegen Artikel 173 EG-Vertrag verstoßen.

36 Was die behauptete Verletzung von Artikel 190 EG-Vertrag angehe, so hätten die Rechtsmittelführerinnen die Auslegung der streitigen Entscheidung durch die Kommission fortwährend zurückgewiesen; sie könnten nun nicht geltend machen, sie hätten sich auf eine Auslegung gestützt, die sich später als irrig erwiesen habe.

37 Hilfsweise macht die Kommission geltend, auch wenn das Gericht nach Auffassung des Gerichtshofes einen Rechtsfehler begangen haben sollte, indem es seine eigene Auslegung der streitigen Entscheidung eingesetzt habe, sei diese Entscheidung gleichwohl auf der Grundlage jener Auslegung aufrechtzuerhalten, die die Kommission im Verfahren vor dem Gericht dargelegt habe.

38 Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Artikel 173 EG-Vertrag sind der Gerichtshof und das Gericht für Klagen zuständig, die wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des EG-Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmißbrauchs erhoben werden. Ist die Klage begründet, so ist die angefochtene Handlung nach Artikel 174 EG-Vertrag (jetzt Artikel 231 EG) für nichtig zu erklären. Der Gerichtshof und das Gericht dürfen somit in keinem Fall die vom Verfasser der angefochtenen Handlung gegebene Begründung durch ihre eigene ersetzen.

39 Das Gericht hat in Randnummer 105 des angefochtenen Urteils ausgeführt, daß "die Anträge der Tochtergesellschaften der UIP für den Verleih des Films "Nostradamus" trotz ihrer Förderungswürdigkeit abgelehnt werden [konnten], weil die Rechtslage der UIP und ihrer Tochtergesellschaften unsicher blieb, solange die Kommission nicht über die Verlängerung der Freistellung der UIP nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages entschieden hatte. Insbesondere konnten die Kommission und das EFDO in Ausübung ihres Ermessens davon ausgehen, daß diese Gesellschaften wegen der genannten Unsicherheit auch dann nicht als zu unterstützende [Unternehmensformationen] anerkannt werden konnten, wenn sie, speziell für den Fall der Ablehnung der Freistellungsverlängerung, umfassende Sicherheiten für die Erstattung der beantragten Darlehen angeboten hatten".

40 Wie jedoch insbesondere der Randnummer 79 des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, hat die Kommission im Verfahren vor dem Gericht ausgeführt, daß "die Beteiligung der UIP an einem Verfahren zur Verlängerung einer Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages... das EFDO als solche nicht zur Ablehnung der Anträge veranlaßt [habe]".

41 Soweit in der streitigen Entscheidung auf den unsicheren Status der UIP in Europa Bezug genommen wurde, stand dies der Kommission zufolge mit Zweifeln an der Fähigkeit der UIP in Zusammenhang, ihr vom EFDO gewährte Darlehen zurückzuzahlen. Demgemäß rechtfertigte die Kommission die Ablehnung der Finanzierung, wie der Randnummer 79 des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, mit dem Hinweis, es habe, "da nur die Tochtergesellschaften der UIP und nicht ihre Muttergesellschaften Empfänger der Darlehen des EFDO gewesen wären,... einige Unsicherheit über die Fähigkeit dieser Tochtergesellschaften bestanden, erforderlichenfalls die Rückzahlungen zu leisten".

42 Auch wenn sich das Gericht im Rahmen einer Nichtigkeitsklage veranlaßt sehen kann, die Begründung einer angefochtenen Handlung anders auszulegen als ihr Verfasser oder sie unter bestimmten Umständen sogar zu verwerfen, kann es dies jedoch nur aufgrund sachlicher Gesichtspunkte tun.

43 Das Gericht hat sich in der Randnummer 101 des angefochtenen Urteils auf ein Zitat aus der streitigen Entscheidung gestützt, wonach es "Hauptgrund für die Ablehnung der Anträge [gewesen sei], daß die Kommission noch nicht "über den künftigen Status der UIP in Europa entschieden hatte... [und] es nicht möglich war, anders zu entscheiden, ohne dem [die Freistellung betreffenden] Gerichtsverfahren vorzugreifen"".

44 Dieses Zitat ist jedoch unzutreffend.

45 In der streitigen Entscheidung selbst heißt es nämlich: "... the Committee of EFDO turned down the applications of UIP for the films Maniaci Sentimentali and Nostradamus as it has not yet been decided by the Commission of the European Union what UIP's status will be in Europe in the future. Since EFDO's loan contracts are based on a five year period of theatrical release for the supported films, no other decision could be made in order not to interfere with the legal proceedings instituted by UIP against the Commission of the European Union".

46 Die streitige Entscheidung enthielt demnach keine ausdrückliche Bezugnahme auf das Freistellungsverfahren, sondern nahm auf die von der UIP gegen die Kommission angestrengten Gerichtsverfahren Bezug. Wie sich aus den Akten ergibt, hatten die UIP und ihre Tochtergesellschaften am 16. November 1994 Klagen gegen die streitigen Schreiben vom 12. September 1994 erhoben, mit denen das EFDO sie darüber unterrichtet hatte, daß es seine Entscheidung über ihren Antrag für die Filme "Nostradamus" und "Maniaci Sentimentali" ausgesetzt hatte.

47 Somit bezog sich die Gefahr einer vorgreifenden Wirkung, auf die die streitige Entscheidung verwies, nicht auf das Freistellungsverfahren, sondern auf die vor dem Gericht anhängigen Nichtigkeitsklagen.

48 Folglich wurde der Inhalt der streitigen Entscheidung unrichtig wiedergegeben. Gerade diese unrichtige Wiedergabe hat es dem Gericht jedoch ermöglicht, die Auslegung der Kommission zu verwerfen, die auf den Zusammenhang zwischen dem unsicheren Status der UIP in Europa und der Gefahr, daß die gewährten Darlehen nicht zurückgezahlt werden könnten, abstellte, obgleich diese Auslegung dem Sinngehalt von Punkt VI.3. der Leitlinien entsprach, wonach, wie in Randnummer 12 des angefochtenen Urteils ausgeführt, ein Finanzierungsantrag ohne Angabe von (besonderen) Gründen abgelehnt werden kann, wenn das EFDO erfährt, daß das Darlehen nicht ordnungsgemäß zurückgezahlt werden würde oder könnte.

49 Das Gericht hat somit einen Rechtsfehler begangen, indem es die Begründung der streitigen Entscheidung durch seine eigene Begründung ersetzt hat. Der zweite Rechtsmittelgrund greift daher durch, und das angefochtene Urteil ist demgemäß aufzuheben.

Zur Zurückverweisung der Sache an das Gericht

50 Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof gemäß Artikel 54 Absatz 1 seiner EG-Satzung die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Im vorliegenden Fall verfügt der Gerichtshof über keine Angaben, anhand deren er beurteilen könnte, ob die Gefahr bestand, daß ein vom EFDO für den Verleih des Films "Nostradamus" gewährtes Darlehen nicht hätte zurückgezahlt werden können. Da der Rechtsstreit somit nicht zur Entscheidung reif ist, ist die Sache an das Gericht zurückzuverweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 19. Februar 1998 in den verbundenen Rechtssachen T-369/94 und T-85/95 (DIR International Film u. a./Kommission) wird in den Punkten 2 und 3 aufgehoben.

2. Die Sache wird an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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