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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.04.1992
Aktenzeichen: C-166/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Richtlinie 85/384/EWG


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Richtlinie 85/384/EWG Art. 11
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 11 Buchstabe a dritter Gedankenstrich der Richtlinie 85/384 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr, der eine Übergangsregelung für die Anerkennung der Diplome und Befähigungsnachweise einführt, die den Zugang zu den Tätigkeiten des Architekten aufgrund wohlerworbener Rechte eröffnen, ist dahin auszulegen, daß eine Ausbildung von vier Jahren, in die zwei Praxissemester unter der Leitung der Lehranstalt integriert sind, als eine vier Jahre umfassende Ausbildung anzusehen ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 8. APRIL 1992. - GERHARD BAUER GEGEN CONSEIL NATIONAL DE L'ORDRE DES ARCHITECTES. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: CONSEIL D'APPEL D'EXPRESSION FRANCAISE DE L'ORDRE DES ARCHITECTES - BELGIEN. - ANERKENNUNG VON BEFAEHIGUNGSNACHWEISEN AUF DEM GEBIET DER ARCHITEKTUR. - RECHTSSACHE C-166/91.

Entscheidungsgründe:

1 Der Conseil d' appel d' expression française de l' ordre des architectes, Brüssel, hat mit Beschluß vom 19. Juni 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 11 der Richtlinie 85/384/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr (ABl. L 223, S. 15) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger des Ausgansverfahrens, Gerhard Bauer, und dem Conseil national de l' ordre des architectes.

3 Der Kläger, ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Belgien, beantragte, in das Verzeichnis der Architektenkammer der Provinz Brabant eingetragen zu werden. Er besitzt ein Diplom, das am 9. Februar 1989 von der Fachhochschule Stuttgart im Studiengang Architektur nach einem vierjährigen Studium ausgestellt worden ist, zu dem gemäß dem Gesetz über die Fachhochschulen des Landes Baden-Württemberg zwei Praxissemester gehörten. Der Antrag wurde vom Conseil de l' ordre des architectes der Provinz Brabant zurückgewiesen.

4 Diese Entscheidung ficht der Kläger beim Conseil d' appel d' expression française de l' ordre des architectes an. Der Conseil national de l' ordre des architectes ist dem Streit beigetreten, um die vom Conseil de l' ordre des architectes der Provinz Brabant gestellten Anträge zu unterstützen.

5 Der Kläger macht im Ausgangsverfahren geltend, auf ihn fänden die Vorschriften des Kapitels III der Richtlinie (Artikel 10 und 11) Anwendung, die eine Übergangsregelung für die Angehörigen der Gemeinschaft enthielten, die ihr Studium spätestens im dritten Studienjahr nach der Bekanntgabe der Richtlinie (August 1985) aufgenommen hätten. Das Studium, nach dessen Abschluß er ein Diplom erhalten habe, stelle ein Studium auf Vollzeitbasis dar und begründe einen Anspruch auf Anerkennung seines Diploms in Belgien nicht nur gemäß Artikel 11, sondern auch gemäß Artikel 4 der Richtlinie.

6 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts stellt sich die Frage, ob das Studium, nach dem der Kläger sein Diplom erhalten hat, "vier Studienjahre" im Sinne des Artikels 11 der Richtlinie umfasst, obwohl dazu zwei Praxissemester gehören, die nicht als Studienjahr theoretischen Zuschnitts anzusehen sind, sondern als notwendiges Praktikum.

7 Der Conseil d' appel d' expression française de l' ordre des architectes hat daher dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Artikel 11 Buchstabe a dritter Gedankenstrich der Richtlinie 85/384/EWG dahin auszulegen, daß eine vierjährige Ausbildung, in die zwei Praxissemester unter der Leitung der Fachhochschule Stuttgart integriert sind, als vier Studienjahre anzusehen ist?

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Nach Artikel 10 der Richtlinie erkennt jeder Mitgliedstaat die in Artikel 11 genannten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise an, die die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ausstellen, die bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie im Besitz dieser Qualifikationen sind oder die Studiengänge begonnen haben, die zum Erwerb solcher Diplome, Prüfungszeugnisse oder anderer Befähigungsnachweise spätestens am Ende des dritten Studienjahres nach dieser Bekanntgabe berechtigen, selbst wenn sie den Mindestanforderungen der in Kapitel II genannten Ausbildungsnachweise nicht genügen, und erkennt ihnen hinsichtlich des Zugangs zu den in Artikel 23 genannten Tätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet dieselbe Wirkung zu wie den Diplomen, Prüfungszeugnissen und Befähigungsnachweisen, die er selbst im Fachgebiet Architektur ausstellt. Die Mitgliedstaaten sind also verpflichtet, diese Diplome anzuerkennen, ohne zu prüfen, ob sie den in Kapitel II der Richtlinie festgelegten Kriterien entsprechen.

10 Zu den in Artikel 11 der Richtlinie genannten deutschen Diplomen gehören u. a. die von den Fachhochschulen im Studiengang für Architektur ausgestellten, wobei eine mindestens vierjährige Berufserfahrung verlangt wird, wenn das Diplom nach einem Studium von weniger als vier, mindestens aber drei Jahren ausgestellt wird. Bei einer Studiendauer von vier Jahren wird dagegen eine Berufserfahrung nicht verlangt.

11 Im Urteil vom 21. Januar 1992 in der Rechtssache C-310/90 (Egle, Slg. 1992, I-177) hat der Gerichtshof für Recht erkannt, daß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß eine Ausbildung von vier Jahren, zu der von einer Fachhochschule organisierte und begleitete Praxissemester gehören, als ein Vollzeitstudium von vier Jahren anzusehen ist.

12 Dieselbe Auslegung gilt, was die Dauer des in Rede stehenden Studiums angeht, für Artikel 11 Buchstabe a dritter Gedankenstrich der Richtlinie, der auf Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie Bezug nimmt. Folglich ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß Artikel 11 Buchstabe a dritter Gedankenstrich der Richtlinie 85/384/EWG dahin auszulegen ist, daß eine Ausbildung von vier Jahren, in die zwei Praxissemester unter der Leitung der Fachhochschule Stuttgart integriert sind, als eine vier Studienjahre umfassende Ausbildung anzusehen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Die Auslagen der deutschen Regierung, der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

auf die ihm vom Conseil d' appel d' expression française de l' ordre des architectes mit Beschluß vom 19. Juni 1991 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 11 Buchstabe a dritter Gedankenstrich der Richtlinie 85/384/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr ist dahin auszulegen, daß eine vierjährige Ausbildung, in die zwei Praxissemester unter der Leitung der Fachhochschule Stuttgart integriert sind, als eine vier Studienjahre umfassende Ausbildung anzusehen ist.

Ende der Entscheidung

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