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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.12.1995
Aktenzeichen: C-17/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag sowie der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 206, S. 8), Richtlinie 78/1026/EWG vom 18. Dezember 1978, Richtlinie 78/1027/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Tierarztes (ABl. L 362, S. 7), Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht (ABl. L 167, S. 54)


Vorschriften:

EG-Vertrag sowie der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 206, S. 8) Art. 37
EG-Vertrag sowie der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 206, S. 8) Art. 52
EG-Vertrag sowie der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 206, S. 8) Art. 59
Richtlinie 78/1026/EWG vom 18. Dezember 1978 Art. 2
Richtlinie 78/1027/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Tierarztes (ABl. L 362, S. 7) Art. 1
Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht (ABl. L 167, S. 54) Art. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die in den Vorlageentscheidungen erteilten Informationen sollen den Gerichtshof nicht nur in die Lage versetzen, sachdienliche Antworten zu geben, sondern sie sollen auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, Erklärungen abzugeben.

Die Notwendigkeit, zu einer für das nationale Gericht sachdienlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, gebietet es, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen umreisst, in den sich die gestellten Fragen einfügen, oder daß es zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen.

2. Die Artikel 52 und 59 EG-Vertrag, die Richtlinie 78/1026 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Tierarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr und die Richtlinie 78/1027 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Tierarztes gelten nicht für Sachverhalte, die sich ausschließlich innerhalb eines Mitgliedstaats abspielen, wie etwa die Fälle von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in dessen Gebiet die Tätigkeit des Besamungstechnikers ausüben wollen, ohne zuvor in einem anderen Mitgliedstaat eine entsprechende Ausbildung erworben zu haben oder diese Tätigkeit ausgeuebt zu haben.

3. Die Richtlinie 77/504 über reinrassige Zuchtrinder und die Richtlinie 87/328 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht stehen nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die erstens ein Gebietsmonopol für die Ausübung der künstlichen Besamung zugunsten von Besamungsstationen vorsehen und die zweitens den Zugang zur Tätigkeit des Besamungstechnikers von der Erteilung einer Lizenz als Leiter einer Besamungsstation oder als Besamungstechniker und die Erteilung einer solchen Lizenz von der Vorlage einer vom Direktor einer zugelassenen Besamungsstation ausgestellten Bescheinigung abhängig machen. Solche Vorschriften fallen nämlich nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinien, die die Harmonisierung der Voraussetzungen für die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder und ihres Samens zur Zucht bezwecken, um die aus tierzuechterischen Gründen bestehenden Beschränkungen des freien Handels mit Rindersamen zu beseitigen.

4. Artikel 37 des Vertrages bezieht sich nicht auf ein Dienstleistungsmonopol, auch wenn ein solches Monopol jede Einbringung von Samen durch Personen, die dafür ordnungsgemäß qualifiziert und dazu ermächtigt sind, ausschließt, wenn diese Personen nicht zum Personal der Besamungsstationen, zu deren Gunsten das Monopol besteht, gehören, sofern es nicht dadurch gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstösst, daß die eingeführten Erzeugnisse zugunsten einheimischer Erzeugnisse diskriminiert werden. Eine solche Diskriminierung liegt nicht vor, wenn es jedem einzelen Tierzuechter freisteht, bei der Besamungsstation, zu der er gehört, die Lieferung von Samen aus einer Samenproduktionsstation seiner Wahl in Frankreich oder im Ausland zu beantragen. Die Frage, ob der Betrieb der zugelassenen Stationen in der Praxis auf eine Diskriminierung zum Nachteil der eingeführten Erzeugnisse hinausläuft, ist im Lichte des Artikels 30 des Vertrages aufgrund des Sachverhalts vom vorlegenden Gericht zu beurteilen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 7. Dezember 1995. - Strafverfahren gegen Denis Gervais, Jean-Louis Nougaillon, Christian Carrard und Bernard Horgue. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal de grande instance de Bergerac - Frankreich. - Besamung von Rindern - Gebietsmonopol - Beschränkungen der Ausübung des Berufs des Tierarztes. - Rechtssache C-17/94.

Entscheidungsgründe:

1 Der Ermittlungsrichter beim Tribunal de grande instance Bergerac (Frankreich) hat dem Gerichtshof mit Beschluß vom 14. Januar 1994, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 17. Januar 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag fünf Fragen nach der Auslegung der Artikel 37, 52 und 59 EG-Vertrag sowie der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 206, S. 8), der Richtlinie 78/1026/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Tierarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr (ABl. L 362, S. 1), der Richtlinie 78/1027/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Tierarztes (ABl. L 362, S. 7) und der Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht (ABl. L 167, S. 54) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Denis Gervais, Jean-Louis Nougaillon, Christian Carrard und Bernard Horgü (nachstehend: die Beschuldigten).

3 Im März 1992 erstattete die Coopérative périgorde agenaise d' élevage et d' insémination artificielle (CPÄIA), die dem Verfahren am 18. März 1993 als Nebenkläger beigetreten ist, bei der Staatsanwaltschaft Bergerac Anzeige gegen die Beschuldigten wegen rechtswidriger Ausübung der künstlichen Besamung innerhalb des Bereichs ihres Gebietsmonopols.

4 Den Beschuldigten Gervais und Nougaillon wurde vorgeworfen, von 1989 bis 1992 gegen Artikel 5 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 66-1005 vom 28. September 1966 über die Tierzucht (JORF vom 23. Dezember 1966, S. 11619) verstossen zu haben, indem sie, ohne daß ihnen ein Zuständigkeitsgebiet eingeräumt worden sei, unter Verstoß gegen Artikel 9 dieses Gesetzes Besamungen vorgenommen hätten. Den Beschuldigten Carrard und Horgü wurde vorgeworfen, in demselben Zeitraum unter Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 1 dieses Gesetzes ohne Genehmigung eine Besamungsstation betrieben zu haben, was gemäß Artikel 9 dieses Gesetzes einen Straftatbestand darstellt.

Die nationalen Rechtsvorschriften

5 In Frankreich ist die künstliche Besamung von Tieren u. a. durch das Gesetz Nr. 66-1005 geregelt. Nach Artikel 5 Absätze 1 und 2 dieses Gesetzes bedarf der Betrieb einer Besamungsstation der Genehmigung durch den Minister für Landwirtschaft. Diese Vorschrift unterscheidet zwischen Stationen, die mit der Samenproduktion betraut sind, und solchen, die die Besamung vornehmen, schließt aber nicht aus, daß ein und dieselbe Station beide Tätigkeitsarten gleichzeitig ausübt.

6 Die Besamungsstationen können die Genehmigung erhalten, einen Bestand an Zuchttieren zu halten, der von zugelassenen Produktionsstationen beliefert wird; in diesem Fall nehmen sie selbst die Gewinnung, die Aufbereitung und die Aufbewahrung des Samens der zu diesen Beständen gehörenden Rinder vor.

7 Gemäß Artikel 5 Absatz 4 dieses Gesetzes versorgt jede Besamungsstation ein Gebiet, innerhalb dessen nur sie tätig werden darf; gemäß Artikel 9 des Gesetzes wird jeder Verstoß gegen Artikel 5 Absätze 1 und 4 mit einer Geldbusse von 6 000 bis 20 000 FF geahndet.

8 Gemäß Artikel 4 des Gesetzes dürfen die Gewinnung und die Aufbereitung des Samens nur von Inhabern einer Lizenz als Leiter einer Besamungsstation oder unter deren Aufsicht durchgeführt werden. Ebenso darf die Besamung nur von den Inhabern einer Lizenz als Leiter einer Besamungsstation oder eines Besamungstechnikers durchgeführt werden.

9 Gemäß Artikel 1 des Dekrets Nr. 69-258 vom 22. März 1969 über die künstliche Besamung (JORF vom 23. März 1969, S. 2948) dürfen die Tätigkeiten der künstlichen Besamung, wenn sie die Verwendung von Zuchttieren vorsehen, die für die öffentliche Zucht verwendet werden, nur unter der Leitung oder der Aufsicht zugelassener Besamungsstationen und von Personen vorgenommen werden, die Inhaber entweder einer Lizenz als Leiter einer Besamungsstation oder als Besamungstechniker sind, oder unter deren Aufsicht.

10 Nach Artikel 14 der Verordnung vom 17. April 1969 über die Genehmigung für den Betrieb der Stationen für künstliche Besamung (JORF vom 30. April 1969, S. 4349) muß die Besamung durch Personen vorgenommen werden, die Inhaber einer Lizenz als Besamungstechniker sind und die unter Verantwortung des Leiters der Station handeln, die für den Bestand zuständig ist, aus dem die Besamungstechniker beliefert werden.

11 Artikel 9 des Dekrets Nr. 69-258 bestimmt, daß die Lizenzen als Leiter einer Besamungsstation oder als Besamungstechniker vom Landwirtschaftsminister erteilt werden. Gemäß Artikel 2 der Verordnung vom 21. November 1991 über die Ausbildung der Besamungstechniker und der Stationsleiter und über die Vergabe der entsprechenden Lizenzen (JORF vom 6. Dezember 1991 S.15936), können diese Lizenzen für die jeweilige Tierart auf Vorlage einer Befähigungsbescheinigung und einer vom Leiter einer Besamungsstation unterzeichneten Bescheinigung ausgestellt werden.

Die Gemeinschaftsvorschriften

12 Zur Freizuegigkeit der Tierärzte und der Freiheit der Erbringung tierärztlicher Dienstleistungen sieht Artikel 2 der Richtlinie 78/1026 folgendes vor:

"Jeder Mitgliedstaat erkennt die in Artikel 3 aufgeführten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nach Artikel 1 der Richtlinie 78/1027/EWG ausstellen, an und verleiht ihnen in seinem Hoheitsgebiet die gleiche Wirkung in bezug auf die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten des Tierarztes wie den von ihm ausgestellten Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen."

13 Artikel 1 der Richtlinie 78/1027 sieht vor, daß die Mitgliedstaaten die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten des Tierarztes vom Besitz eines tierärztlichen Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen tierärztlichen Befähigungsnachweises in Übereinstimmung mit den in der Richtlinie vorgesehenen Erfordernissen abhängig machen.

14 Was die Harmonisierung der tierzuechterischen Normen angeht, sorgen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 der Richtlinie 77/504 dafür, daß u. a. der innergemeinschaftliche Handel mit reinrassigen Zuchtrindern oder mit deren Samen nicht aus tierzuechterischen Gründen verboten, beschränkt oder behindert wird.

15 Artikel 2 der in Durchführung des Artikels 3 der Richtlinie 77/504 erlassenen Richtlinie 87/328 sieht vor, daß ein Mitgliedstaat u. a. die Zulassung reinrassiger Bullen zur künstlichen Besamung in seinem Gebiet oder die Verwendung ihres Samens nicht verbieten, beschränken oder behindern kann, wenn diese Bullen in einem Mitgliedstaat nach gemäß der Entscheidung 86/130/EWG vom 11. März 1986 über die Methoden der Leistungs- und Zuchtwertprüfung bei reinrassigen Zuchtrindern (ABl. L 101, S. 37) durchgeführten Prüfungen zur künstlichen Besamung zugelassen worden sind.

16 Artikel 4 der Richtlinie 87/328 verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, daß der für den innergemeinschaftlichen Handel bestimmte Samen in einem amtlich anerkannten Zentrum für künstliche Besamung gewonnen, behandelt und aufbewahrt wird.

Die Vorlagefragen

17 Nach Auffassung des Ermittlungsrichters beim Tribunal de grande instance Bergerac hängt die Entscheidung in den Strafverfahren von der Auslegung der Artikel 37, 52 und 59 EG-Vertrag sowie der Richtlinien 77/504, 78/1026, 78/1027 und 87/328 ab; er hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1) Stehen Artikel 59 EWG-Vertrag und die Richtlinien 78/1026/EWG und 78/1027/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978, die zur Durchführung auf dem Gebiet der tierärztlichen Tätigkeiten erlassen wurden, der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften entgegen, die hinsichtlich der künstlichen Besamung von Rindern die Erteilung einer Besamungsgenehmigung an Tierärzte von der Vorlage einer vom Direktor des zugelassenen Zentrums für künstliche Besamung ausgestellten Bescheinigung, daß der Antragsteller hinsichtlich der Durchführung von Besamungen dem Direktor unterstehe, abhängig machen und damit dem Tierarzt unter Strafandrohung die freie Dienstleistung verbieten und zugleich sein Tätigkeitsfeld mittels der Anerkennung eines Gebietsmonopols für die Ausübung dieser Tätigkeit zugunsten von Personen erheblich einschränken, die in sogenannten "Zentren" für künstliche Besamung zusammengeschlossen und nicht notwendig zum Führen der Berufsbezeichnung des Tierarztes berechtigt sind?

2) Stehen Artikel 52 EWG-Vertrag und die Richtlinien 78/1026/EWG und 78/1027/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978, die zur Durchführung auf dem Gebiet der tierärztlichen Tätigkeiten erlassen wurden, der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften entgegen, die hinsichtlich der künstlichen Besamung von Rindern unter bestimmten Bedingungen die Erteilung einer Besamungsgenehmigung an Tierärzte vorsehen, aber diesen unter Strafandrohung die Ausübung dieser Tätigkeit untersagen und damit zugleich ihre Niederlassungsfreiheit nehmen, sofern sie sich hierfür nicht einem sogenannten Zentrum für künstliche Besamung unterstellen, das von Personen, die nicht notwendig zum Führen der Berufsbezeichnung des Tierarztes berechtigt sind, gebildet wird und dem für die Ausübung dieser Tätigkeit ein Gebietsmonopol in der Weise zuerkannt ist, daß im gesamten französischen Hoheitsgebiet die Niederlassungsfreiheit für Tierärzte ohne die Anbindung an ein Zentrum nicht rechtmässig ausgeuebt werden kann?

3) Sind die Richtlinien 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder und die Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht, die aus viehseuchenrechtlichen Gründen erlassen worden und ausdrücklich auf den Schutz der Freiheit des innergemeinschaftlichen Handels gerichtet sind, dahin auszulegen, daß sie nationale Rechtsvorschriften zulassen, durch die für die Tätigkeit der künstlichen Besamung ein Gebietsmonopol rein wirtschaftlicher Natur zugunsten von "Zentren" geschaffen wird, in denen Personen zusammengeschlossen sind, die nicht notwendig zum Führen der Berufsbezeichnung des Tierarztes berechtigt sind?

4) Ist mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien 77/504/EWG und 87/328/EWG des Rates, die für die Niederlassung und die Tätigkeit der Tierärzte keine Beschränkung vorsehen, eine nationale Regelung vereinbar, die den Zugang zur Durchführung von Besamungen an die Erteilung einer Genehmigung für die künstliche Besamung von Rindern bindet und die Erteilung der Genehmigung von der Vorlage einer vom Direktor des zugelassenen Zentrums für künstliche Besamung ausgestellten Bescheinigung, daß der Antragsteller hinsichtlich der Durchführung von Besamungen dem Direktor unterstehe, abhängig macht und damit die Ausübung dieser Tätigkeit durch Tierärzte untersagt oder einschränkt, weil diese Tätigkeit unter der Aufsicht des Direktors eines sogenannten Zentrums für künstliche Besamung ausgeuebt werden muß, dem ein Gebietsmonopol für die Ausübung dieser Tätigkeit zuerkannt ist?

5) Ist ein Monopol für Dienstleistungen, wie es durch das Gesetz vom 28. Dezember 1966 über die Tierzucht und durch die zu dessen Durchführung erlassenen Vorschriften festgelegt wird, insoweit mit den Artikeln 37 und 59 EWG-Vertrag vereinbar, als es jede Durchführung von Besamungen durch Personen, die dafür ordnungsgemäß qualifiziert und dazu ermächtigt sind, ausschließt, sofern diese Personen nicht zum Personal der Zentren für künstliche Besamung, zu deren Gunsten das Monopol besteht, gehören?

Zulässigkeit

18 Die Kommission und die französische Regierung machen einleitend geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, da sich das vorlegende Gericht darauf beschränkt habe, die Fragen, die der Rechtsbeistand der Beschuldigten ihm übersandt habe, zu übernehmen und sie dem Gerichtshof ohne vorherige Darlegung des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens des Rechtsstreits vorzulegen.

19 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes sollen die in den Vorlageentscheidungen erteilten Informationen den Gerichtshof nicht nur in die Lage versetzen, sachdienliche Antworten zu geben, sondern sie sollen auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, Erklärungen abzugeben (vgl. u. a. den Beschluß vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-458/93 (Saddik, Slg. 1995, I-511, Randnr. 13).

20 Die Notwendigkeit, zu einer für das nationale Gericht sachdienlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, gebietet es, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen umreisst, in den sich die gestellten Fragen einfügen, oder daß es zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. zuletzt den Beschluß vom 7. April 1995 in der Rechtssache C-164/94, Grau Gomis, u. a., Slg. 1995, I-1023, Randnr. 8).

21 Im vorliegenden Fall sind jedoch die erforderlichen Angaben im Vorlagebeschluß und in den dem Gerichtshof vom nationalen Gericht zugeleiteten Akten enthalten und durch die Antworten auf die Fragen ergänzt worden, die der Gerichtshof den Beschuldigten zu ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Qualifikation und zum Ort ihrer beruflichen Niederlassung gestellt hat.

22 Die Fragen sind somit zulässig.

Zur ersten und zur zweiten Frage

23 Die erste und die zweite Frage des nationalen Gerichts geht dahin, ob zum einen die Artikel 52 und 59 EG-Vertrag anwendbar sind und ob zum anderen die Richtlinien 78/1026 und 78/1027 verbieten, daß ein Mitgliedstaat den Zugang zu der Tätigkeit des Besamungstechnikers von Bedingungen wie den in den französischen Rechtsvorschriften vorgesehenen abhängig macht.

24 Nach ständiger Rechtsprechung gelten die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nicht für Sachverhalte, die sich ausschließlich innerhalb eines Mitgliedstaats abspielen (vgl. zuletzt das Urteil vom 16. November 1995 in der Rechtssache C-152/94, Van Buynder, noch nicht in der amtlichen Sammlung der Rechtsprechung veröffentlicht, Randnr. 10).

25 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß die Strafverfahren französische Staatsangehörige betreffen, die die erforderlichen Diplome und Prüfungszeugnisse für den Zugang zum Beruf des Tierarztes in Frankreich erlangt haben. Sie sind auch in Frankreich durch ordnungsgemässe Einschreibung bei der nationalen Kammer niedergelassen und üben dort ausschließlich ihre berufliche Tätigkeit aus.

26 Die Sachverhalte weisen also keinerlei Bezug zu einem vom Gemeinschaftsrecht erfassten Sachverhalt auf, so daß die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit und über den freien Dienstleistungsverkehr nicht anwendbar sind.

27 Die Richtlinien 78/1096 und 78/1027 betreffen die Ausbildung der Tierärzte und die Anerkennung der Diplome. Sie sind also nicht auf einen Sachverhalt anwendbar, bei dem der Inhaber eines von dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger er ist, ausgestellten Diploms sich dieses Diploms bedienen möchte, um in diesem Mitgliedstaat die Tätigkeiten eines Tierarztes auszuüben.

28 Die erste und die zweite Frage sind demgemäß dahin zu beantworten, daß die Artikel 52 und 59 EG-Vertrag sowie die Richtlinien 78/1026 und 78/1027 nicht für Sachverhalte gelten, die sich ausschließlich innerhalb eines Mitgliedstaats abspielen, wie etwa die Fälle von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in dessen Gebiet die Tätigkeit des Besamungstechnikers ausüben wollen, ohne zuvor in einem anderen Mitgliedstaat eine entsprechende Ausbildung erworben oder diese Tätigkeit ausgeuebt zu haben.

Zur dritten und zur vierten Frage

29 Die dritte und die vierte Frage des nationalen Gerichts gehen dahin, ob die Richtlinien 77/504 und 87/328 nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die erstens ein Gebietsmonopol für die Ausübung der künstlichen Besamung zugunsten von Besamungszentren vorsehen und die zweitens den Zugang zu der Tätigkeit des Besamungstechnikers von der Erteilung einer Lizenz als Leiter einer Besamungsstation oder als Besamungstechniker und die Erteilung einer solchen Lizenz von der Vorlage einer vom Direktor einer zugelassenen Besamungsstation ausgestellten Bescheinigung abhängig machen.

30 Die Beschuldigten machen geltend, die Richtlinien 77/504 und 87/328 stuenden den französischen Rechtsvorschriften entgegen, die bestimmten Unternehmen oder Personen das ausschließliche Recht einräumten, Besamungstätigkeiten vorzunehmen, und die das Recht auf Ausübung solcher Tätigkeiten beschränkten, indem sie eine Genehmigungspflicht vorsähen.

31 Dieses Argument ist zurückzuweisen.

32 Sowohl aus dem Inhalt als auch aus der Zielsetzung der Richtlinien 77/504 und 87/328 ergibt sich nämlich, daß sie die Harmonisierung der Voraussetzungen für die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder und ihres Samens zur Zucht bezwecken, um die aus tierzuechterischen Gründen bestehenden Beschränkungen des freien Handels mit Rindersamen zu beseitigen. Diese Richtlinien regeln jedoch weder die Bedingungen der Einbringung des Samens oder der Ausbildung der Besamungstechniker noch im übrigen die Außstellung von Bescheinigungen oder Lizenzen für den Zugang zu den gesetzlich geregelten Tätigkeiten der Besamungstechniker.

33 Die dritte und die vierte Frage sind demgemäß dahin zu beantworten, daß die Richtlinien 77/504 und 87/328 nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, die erstens ein Gebietsmonopol für die Ausübung der künstlichen Besamung zugunsten von Besamungsstationen vorsehen und die zweitens den Zugang zur Tätigkeit des Besamungstechnikers von der Erteilung einer Lizenz als Leiter einer Besamungsstation oder als Besamungstechniker und die Erteilung einer solchen Lizenz von der Vorlage einer vom Direktor einer zugelassenen Besamungsstation ausgestellten Bescheinigung abhängig machen.

Zur fünften Frage

34 Die fünfte Frage des nationalen Gerichts geht dahin, ob ein Dienstleistungsmonopol wie das durch die französischen Rechtsvorschriften vorgesehene insoweit mit den Artikeln 37 und 59 des Vertrages vereinbar ist, als es jede Durchführung von Besamungen durch Personen, die dafür ordnungsgemäß qualifiziert und dazu ermächtigt sind, ausschließt, wenn diese Personen nicht zum Personal der Besamungsstationen, zu deren Gunsten das Monopol besteht, gehören.

35 Artikel 37 des Vertrages betrifft, wie der Gerichtshof schon im Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Slg. 1974, 409) für Recht erkannt hat, den Handel mit Waren und kann sich nicht auf ein Dienstleistungsmonopol beziehen.

36 Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß ein Dienstleistungsmonopol eine mittelbare Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben kann. Der Gerichtshof hat im Urteil vom 28. Juni 1983 in der Rechtssache 271/81 (Société coopérative d' amélioration de l' élevage et d' insémination artificielle du Béarn, Slg. 1983, 2057, nachstehend: Urteil Mialocq), in dem er die im Ausgangsverfahren streitigen Rechtsvorschriften schon einmal untersucht hat, für Recht erkannt, daß Artikel 37 des Vertrages sich nicht auf ein Dienstleistungsmonopol bezieht, auch wenn ein solches Monopol dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglicht, einen Zweig der einheimischen Volkswirtschaft zu lenken, sofern es nicht dadurch gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstösst, daß die eingeführten Erzeugnisse zugunsten einheimischer Erzeugnisse diskriminiert werden.

37 In den Randnummern 11 und 12 des Urteils Mialocq hat der Gerichtshof zu derselben Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen festgestellt, daß die von dem vorlegenden Gericht dargestellten und die dem Gerichtshof während des Verfahrens bekanntgewordenen Umstände nicht für die Feststellung ausreichten, daß Rechtsvorschriften wie die in Frankreich für die künstliche Besamung von Rindern geltenden mittelbar eine Monopolisierung schaffen, die den freien Warenverkehr behindert, da es nämlich jedem einzelnen Tierzuechter freisteht, bei der Besamungsstation, zu der er gehört, die Lieferung von Samen aus einer Samenproduktionsstation seiner Wahl in Frankreich oder im Ausland zu beantragen.

38 Allerdings ist die Frage, ob der Betrieb der zugelassenen Stationen in der Praxis auf eine Diskriminierung zum Nachteil der eingeführten Erzeugnisse hinausläuft, im Lichte des Artikels 30 EG-Vertrag zu beurteilen. Die Beurteilung des Sachverhalts ist Sache des vorlegenden Gerichts (vgl. hierzu das Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-323/93, Centre d' insémination de la Crespelle, Slg. 1994, I-5077, Randnr. 39).

39 Was Artikel 59 des Vertrages betrifft, so ist angesichts der Antwort auf die erste Frage dieser Aspekt der fünften Frage nicht zu beantworten.

40 Die fünfte Frage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß Artikel 37 des Vertrages sich nicht auf ein Dienstleistungsmonopol bezieht, auch wenn ein solches Monopol jede Einbringung von Samen durch Personen, die dafür ordnungsgemäß qualifiziert und dazu ermächtigt sind, ausschließt, wenn diese Personen nicht zum Personal der Besamungsstationen, zu deren Gunsten das Monopol besteht, gehören, sofern es nicht dadurch gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstösst, daß die eingeführten Erzeugnisse zugunsten einheimischer Erzeugnisse diskriminiert werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

41 Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal de grande instance Bergerac mit Beschluß vom 14. Januar 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Artikel 52 und 59 EG-Vertrag, die Richtlinie 78/1026/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Tierarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr und die Richtlinie 78/1027/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Tierarztes gelten nicht für Sachverhalte, die sich ausschließlich innerhalb eines Mitgliedstaats abspielen, wie etwa die Fälle von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in dessen Gebiet die Tätigkeit des Besamungstechnikers ausüben wollen, ohne zuvor in einem anderen Mitgliedstaat eine entsprechende Ausbildung erworben zu haben oder diese Tätigkeit ausgeuebt zu haben.

2) Die Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder und die Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht stehen nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die erstens ein Gebietsmonopol für die Ausübung der künstlichen Besamung zugunsten von Besamungsstationen vorsehen und die zweitens den Zugang zur Tätigkeit des Besamungstechnikers von der Erteilung einer Lizenz als Leiter einer Besamungsstation oder als Besamungstechniker und die Erteilung einer solchen Lizenz von der Vorlage einer vom Direktor einer zugelassenen Besamungsstation ausgestellten Bescheinigung abhängig machen.

3) Artikel 37 EG-Vertrag bezieht sich nicht auf ein Dienstleistungsmonopol, auch wenn ein solches Monopol jede Einbringung von Samen durch Personen, die dafür ordnungsgemäß qualifiziert und dazu ermächtigt sind, ausschließt, wenn diese Personen nicht zum Personal der Besamungsstationen, zu deren Gunsten das Monopol besteht, gehören, sofern es nicht dadurch gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstösst, daß die eingeführten Erzeugnisse zugunsten einheimischer Erzeugnisse diskriminiert werden.

Ende der Entscheidung

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