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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: C-173/05
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EWG) Nr. 2210/78


Vorschriften:

EG Art. 23
EG Art. 25
EG Art. 26
EG Art. 133
EG Art. 226
Verordnung (EWG) Nr. 2210/78 Art. 4
Verordnung (EWG) Nr. 2210/78 Art. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

21. Juni 2007

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Art. 23 EG, 25 EG und 133 EG - Kooperationsabkommen EWG-Algerien - Umweltschutzabgabe auf im Gebiet der Region Sizilien installierte Gasfernleitungen - Abgabe zollgleicher Wirkung"

Parteien:

In der Rechtssache C-173/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 19. April 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und J. Hottiaux als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter R. Schintgen, P. Kuris, J. Makarczyk (Berichterstatter) und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Oktober 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 23 EG, 25 EG, 26 EG und 133 EG sowie aus den Art. 4 und 9 des am 26. April 1976 in Algier unterzeichneten und im Namen der Gemeinschaft durch die Verordnung (EWG) Nr. 2210/78 des Rates vom 26. September 1978 (ABl. L 263, S. 1) genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien (im Folgenden: Kooperationsabkommen) verstoßen hat, dass sie die "Umweltabgabe" gemäß Art. 6 des Sizilianischen Regionalgesetzes Nr. 2 mit programmatischen und finanziellen Bestimmungen für das Jahr 2002 (Legge n. 2, Disposizioni programmatiche e finanziarie per l'anno 2002) vom 26. März 2002 (GURS Nr. 14 vom 27. März 2002, Teil I, S. 1; im Folgenden: sizilianisches Gesetz) auf Gasfernleitungen eingeführt und beibehalten hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Das Kooperationsabkommen

2 Art. 1 des Kooperationsabkommens lautet:

"Ziel dieses Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Algerien ist es, eine globale Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien zu fördern, um zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Algeriens beizutragen und die Vertiefung ihrer Beziehungen zu erleichtern. Zu diesem Zweck werden Bestimmungen und Maßnahmen für den Bereich der wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Zusammenarbeit, für den Handel wie auch für den sozialen Bereich festgelegt und durchgeführt."

3 Gemäß Art. 4 Abs. 1 dieses Abkommens ist es Zweck der Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien, insbesondere folgende Ziele zu fördern:

"...

- die Vermarktung und Absatzförderung der von Algerien ausgeführten Waren;

- ...

- im Energiebereich die Beteiligung der Unternehmen der Gemeinschaft an den Forschungs-, Produktions- und Verarbeitungsprogrammen zur Erschließung der Energiequellen Algeriens und an allen auf die Valorisierung dieser Energiequellen an Ort und Stelle ausgerichteten Tätigkeiten sowie die einwandfreie Durchführung der langfristigen Lieferverträge für Erdöl, Erdgas und Erdölerzeugnisse zwischen den jeweiligen Unternehmen;

..."

4 Nach Art. 9 Abs. 1 des Kooperationsabkommens "unterliegen die nicht auf der Liste des Anhangs II des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aufgeführten Waren mit Ursprung in Algerien bei der Einfuhr in die Gemeinschaft weder mengenmäßigen Beschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung noch Zöllen oder Abgaben gleicher Wirkung".

5 Methangas gehört zu den Waren, die unter Art. 9 des Kooperationsabkommens fallen.

Nationales Recht

6 In Art. 6 des sizilianischen Gesetzes heißt es:

"...

1. Zur Finanzierung von Investitionen, die zur Verringerung von und Vorbeugung gegen Umweltgefahren bestimmt sind, die von den im Gebiet der Region Sizilien installierten Rohrleitungen, in denen Methangas enthalten ist, ausgehen, wird eine Umweltabgabe eingeführt, deren Einnahmen der Finanzierung von Initiativen zur Erhaltung, zum Schutz und zur Verbesserung der Umweltqualität insbesondere in den Zonen dienen, durch die diese Rohrleitungen führen.

...

3. ... Abgabetatbestand ist das Eigentum an den durch das Gebiet der Region Sizilien führenden Gasfernleitungen, in denen das Gas enthalten ist.

4. Abgabepflichtige sind die Eigentümer von Gasfernleitungen des Rohrleitungstyps 1 im Sinne von Abs. 3, die mindestens eine der folgenden Tätigkeiten ausüben: Beförderung, Verteilung, Verkauf und Kauf.

5. Für die Zwecke der Abgabe sind unter Gasfernleitung alle Rohre, Krümmer, Muffen, Ventile und anderen speziellen Bestandteile zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit der Beförderung und der Verteilung des Erdgases dienen.

6. Abgabebemessungsgrundlage ist das in Kubikmetern ausgedrückte Volumen der Gasfernleitungen des Rohrleitungstyps 1 im Sinne des Ministerialdekrets vom 24. November 1984 über die Sicherheit der Einrichtungen zur Beförderung und Verteilung von Erdgas durch Rohrleitungen.

7. Die Abgabe wird steuerjährlich anhand der Bemessungsgrundlage gemäß Abs. 6 festgesetzt.

...

10. Die Abgabe wird von den Abgabepflichtigen im Sinne des Abs. 4 je Kalenderjahr anteilig für die Monate des Jahres geschuldet, in denen sie Eigentümer waren; ...

..."

7 Nach Abschnitt 1 Ziff. 1. 3 des Ministerialdekrets vom 24. November 1984 (Ordentliche Beilage zur GURI Nr. 12 vom 15. Januar 1985) sind Rohrleitungen des Typs 1 solche mit einem Druck von mehr als 24 Bar.

Vorverfahren

8 In den Jahren 2002 und 2003 erbat die Kommission von den italienischen Behörden Erläuterungen zu den Anwendungsmodalitäten der mit dem sizilianischen Gesetz eingeführten Umweltabgabe.

9 Mit Schreiben vom 9. September 2003 teilten die italienischen Behörden der Kommission mit, dass die Abgabe in der italienischen Rechtsordnung keine konkrete Anwendung gefunden habe, da das regionale Verwaltungsgericht Lombardei das betreffende Gesetz für gemeinschaftsrechtswidrig gehalten habe.

10 Da die Kommission diese Erklärungen weder für tatsächlich ausreichend noch für rechtlich begründet hielt, wies sie die Italienische Republik mit Mahnschreiben vom 19. Dezember 2003 darauf hin, dass die fragliche Abgabe gegen die Art. 23 EG, 25 EG, 26 EG und 133 EG sowie gegen die Art. 4 und 9 des Kooperationsabkommens verstoße.

11 Da das Mahnschreiben trotz Gewährung einer Fristverlängerung unbeantwortet blieb, forderte die Kommission die Italienische Republik in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 9. Juli 2004 auf, die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen.

12 Da die Italienische Republik auf diese Stellungnahme nicht reagierte, hat die Kommission beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

13 Die Kommission macht erstens geltend, im Gebiet der Region Sizilien erfülle nur eine der Gasfernleitungsanlagen, die Erdgas beförderten, die im italienischen Recht vorgesehenen Abgabevoraussetzungen. Diese Anlage, die an die durch das Mittelmeer führenden Gasfernleitungen angeschlossen sei, befördere aus Algerien stammendes Erdgas, das zum einen zur Verteilung und zum Verbrauch in Italien und zum anderen zur Ausfuhr in andere Mitgliedstaaten bestimmt sei.

14 In Anbetracht der Fassung des sizilianischen Gesetzes solle in Wirklichkeit nicht die Anlage als solche, sondern das beförderte Erzeugnis, also Methangas, mit der fraglichen Abgabe belastet werden. Nach dem Wortlaut des sizilianischen Gesetzes sei nämlich Abgabetatbestand das Eigentum an den Gasfernleitungen, in denen das Gas enthalten sei, und Abgabepflichtige seien die Gasfernleitungseigentümer, die zumindest einer der Tätigkeiten der Beförderung, des Verkaufs oder des Kaufs von Gas nachgingen. Im Übrigen bestehe die Abgabebemessungsgrundlage im Volumen der Gasfernleitungen, in denen das Gas enthalten sei.

15 Folglich unterliege die Ware, die aus einem Drittland stamme und auf italienischem Gebiet in den zollrechtlich freien Verkehr oder in das Versandverfahren überführt werde, einer finanziellen Belastung, die eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll (wenn das Gas in die Gemeinschaft eingeführt werde) oder wie ein Ausfuhrzoll (wenn das Gas in andere Mitgliedstaaten befördert werde) darstelle. Nach ständiger Rechtsprechung sei aber die Einführung neuer Abgaben oder gleichwertiger Maßnahmen für unmittelbar aus Drittländern eingeführte Waren verboten (Urteile vom 13. Dezember 1973, Indiamex und De Belder, 37/73 und 38/73, Slg. 1973, 1609, Randnrn. 10 bis 18, und vom 16. März 1983, SIOT, 266/81, Slg. 1983, 731, Randnr. 18).

16 Außerdem ergebe sich aus dem System der Zollunion, dass Zölle und Abgaben gleicher Wirkung im Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unabhängig von dem Zweck, zu dem diese geschaffen worden seien, verboten seien, denn der Begriff der Abgabe zollgleicher Wirkung sei ein objektiver Rechtsbegriff des Gemeinschaftsrechts (Urteil vom 14. September 1995, Simitzi, C-485/93 und C-486/93, Slg. 1995, I-2655, Randnr. 14).

17 Die Einführung der Umweltabgabe verstoße gegen den Gemeinsamen Zolltarif und damit auch gegen die Art. 23 EG, 25 EG, 26 EG und 133 EG, da diese Abgabe der Angleichung der Zollbelastung von Importwaren aus Drittländern an den Außengrenzen der Gemeinschaft zuwiderlaufe und so Verkehrsverlagerungen in den Beziehungen mit diesen Ländern sowie Verzerrungen des freien Warenverkehrs oder der Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten hervorrufen könne (Urteil vom 22. April 1999, CRT France international, C-109/98, Slg. 1999, I-2237, Randnrn. 22 und 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18 Zweitens habe das Verbot von Abgaben zollgleicher Wirkung, wenn es in bilateralen oder multilateralen Abkommen zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Drittländern zur Beseitigung der Handelsschranken vorgesehen sei, dieselbe Tragweite, die ihm im innergemeinschaftlichen Handel zukomme (Urteil vom 5. Oktober 1995, Aprile, C-125/94, Slg. 1995, I-2919, Randnrn. 38 und 39).

19 Außerdem dürfe ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung keine Durchfuhrabgaben oder irgendwelche anderen Abgaben im Zusammenhang mit der Durchfuhr von Waren durch sein Hoheitsgebiet erheben, da diese Abgaben gleiche Wirkungen wie ein Ausfuhrzoll erzeugten (Urteile SIOT, Randnrn. 18, 19 und 23, und vom 27. Februar 2003, Kommission/Deutschland, C-389/00, Slg. 2003, I-2001, Randnrn. 50 und 51).

20 Die italienische Regierung macht geltend, die streitige Abgabe könne nicht als Abgabe zollgleicher Wirkung qualifiziert werden.

21 Ihrer Ansicht nach hat die Kommission nicht den Zweck der Umweltabgabe berücksichtigt, die die im EG-Vertrag enthaltenen Grundsätze im Bereich Umwelt, insbesondere den Vorsorgegrundsatz, umsetze.

22 Außerdem weise die streitige Abgabe typische und spezifische Merkmale auf, die mit der Beachtung des Vorsorgegrundsatzes zusammenhingen.

23 Die betreffende Abgabe müsse nur dann entrichtet werden, wenn das Gas tatsächlich in der Anlage vorhanden sei und wenn der Eigentümer einer der Tätigkeiten der Beförderung, der Verteilung, des Verkaufs oder des Kaufs von Gas nachgehe. Diese Regelung bringe mithin das Anliegen des regionalen Gesetzgebers zum Ausdruck, nur Tätigkeiten mit der Abgabe zu belegen, bei denen die potenzielle Gefahr eines Schadens für die Umwelt bestehe.

24 Die Abgabeeinnahmen seien zur Finanzierung von Investitionen bestimmt, mit denen die potenziellen Gefahren, die von den im Gebiet der Region Sizilien installierten Anlagen für die Umwelt ausgingen, verringert bzw. verhütet werden sollten. Somit sei der Umweltschutz, der zu den vom Gemeinschaftsrecht als grundlegend anerkannten Zielen gehöre, die einzige Zweckbestimmung der streitigen Abgabeerhebung. Dieser innere Zusammenhang zwischen der Abgabe und ihrem Umweltziel sei der unwiderlegbare Beweis dafür, dass sie keine Zollabgabe sei.

25 Im Übrigen werde die Umweltabgabe nicht auf die Ware, sondern ausschließlich auf die Beförderungsanlage erhoben, da das Verhältnis zwischen dem Abgabebetrag und dem Volumen des beförderten Gases ein einfacher technischer Parameter sei, mit dem eine Entsprechung zum tatsächlichen Ausmaß der Umweltgefährdung hergestellt werden solle. Zudem sei die Auswirkung der Abgabe auf den Preis des Erzeugnisses rein potenziell und hänge nicht von der Abgabe selbst, sondern vom Willen des Eigentümers der Gasfernleitung ab.

26 Nach alledem beantragt die italienische Regierung, die Klage als unbegründet abzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

Vorbemerkungen

27 Vor der Prüfung der vorliegenden Klage ist daran zu erinnern, dass nach Art. 23 Abs. 1 EG Grundlage der Gemeinschaft eine Zollunion ist, die sich auf den gesamten Warenaustausch erstreckt. Diese Union umfasst zum einen das Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle sowie Abgaben mit gleicher Wirkung wie solche Zölle zu erheben, und zum anderen die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern.

28 Jede einseitig auferlegte finanzielle Belastung, mit der Waren wegen des Überschreitens der Grenze belegt werden, ist unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, eine Abgabe gleicher Wirkung im Sinne der Art. 23 EG und 25 EG, selbst wenn sie nicht zugunsten des Staates erhoben wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2005, Jersey Produce Marketing Organisation, C-293/02, Slg. 2005, I-9543, Randnr. 55, und vom 8. Juni 2006, Koornstra, C-517/04, Slg. 2006, I-5015, Randnr. 15).

29 Der Gemeinsame Zolltarif zielt auf eine Angleichung der Zollbelastungen bei Importerzeugnissen aus dritten Ländern an den Grenzen der Gemeinschaft ab, um Verzerrungen des innergemeinschaftlichen freien Warenverkehrs und der Wettbewerbsbedingungen zu verhindern (Urteile Indiamex und De Belder, Randnr. 9, und vom 7. November 1996, Cadi Surgelés u. a., C-126/94, Slg. 1996, I-5647, Randnr. 14).

30 Sowohl die Einheit des gemeinschaftlichen Zollgebiets als auch die Einheitlichkeit der gemeinsamen Handelspolitik würden nämlich schwer beeinträchtigt, wenn es den Mitgliedstaaten gestattet wäre, einseitig Abgaben zollgleicher Wirkung auf Einfuhren aus Drittländern zu erheben (vgl. in diesem Sinne Urteil Aprile, Randnr. 34).

31 Die Zollunion verlangt außerdem zwingend, dass der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet ist. Der Warenverkehr könnte aber nicht vollkommen frei sein, wenn die Mitgliedstaaten die Durchfuhr der Waren in irgendeiner Weise be- oder verhindern könnten. Deshalb ist als Folge der Zollunion und im gegenseitigen Interesse der Mitgliedstaaten das Bestehen eines allgemeinen Grundsatzes der Freiheit der Warendurchfuhr innerhalb der Gemeinschaft anzuerkennen (Urteil SIOT, Randnr. 16).

32 Die Mitgliedstaaten würden dem Grundsatz des freien Durchfuhrverkehrs innerhalb der Gemeinschaft Abbruch tun, wenn sie auf Waren, die sich auf der Durchfuhr durch ihr Hoheitsgebiet befinden, einschließlich derjenigen, die unmittelbar aus einem Drittland eingeführt werden, Durchfuhrabgaben erheben oder sie mit irgendwelchen anderen Durchfuhrbelastungen belegen würden (vgl. in diesem Sinne Urteil SIOT, Randnrn. 18 und 19).

33 Darüber hinaus gibt es keinen Grund, das Verbot von Abgaben zollgleicher Wirkung unterschiedlich auszulegen, je nachdem, ob es um den innergemeinschaftlichen Handel oder um den Handel mit Drittländern geht, der in Abkommen wie dem Kooperationsabkommen geregelt ist (vgl. Urteil Aprile, Randnr. 39).

34 Anhand dieser Grundsätze ist die Begründetheit zu prüfen.

Begründetheit

35 Es steht fest, dass im vorliegenden Fall mit dem sizilianischen Gesetz eine Umweltabgabe zur Finanzierung von Investitionen eingeführt wird, die dazu bestimmt sind, die Gefahren zu verringern bzw. zu verhüten, die von den im Gebiet der Region Sizilien installierten und Methangas enthaltenden Gasfernleitungen für die Umwelt ausgehen. Die Beförderung und Verteilung dieses Methangases erfolgt über Gasfernleitungen des Rohrleitungstyps 1 im Sinne des Ministerialdekrets vom 24. November 1984, die an Rohrleitungen angeschlossen sind, die durch das Mittelmeer führen und Methangas aus Algerien befördern.

36 Nach Art. 6 Abs. 3 des sizilianischen Gesetzes ist Entstehungstatbestand der Umweltabgabe das Eigentum an den durch das Gebiet der Region Sizilien führenden Gasfernleitungen, in denen das Gas enthalten ist.

37 Dazu führt die italienische Regierung in ihren Erklärungen aus, dass die streitige Abgabe nicht auf die Ware, sondern ausschließlich auf die Beförderungsanlage erhoben werde. Nach ihrer eigenen Aussage wird diese Abgabe jedoch nur dann geschuldet, wenn tatsächlich Gas in der Anlage ist.

38 Außerdem bestreitet die italienische Regierung nicht, dass nur die Anlage, die an die durch das Mittelmeer führenden Gasfernleitungen angeschlossen ist und aus Algerien stammendes Erdgas befördert, die im sizilianischen Gesetz aufgestellten Abgabevoraussetzungen erfüllt.

39 Folglich ist festzustellen, dass die mit dem sizilianischen Gesetz eingeführte Abgabe eine aus einem Drittland importierte Ware, nämlich algerisches Methangas, finanziell belastet, die zur Verteilung und zum Verbrauch in Italien oder zur Durchfuhr in andere Mitgliedstaaten bestimmt ist.

40 Wie aber aus der in den Randnrn. 28 bis 33 dieses Urteils angeführten Rechtsprechung folgt, verstößt eine solche Abgabe auf eine aus einem Drittland, hier der Demokratischen Volksrepublik Algerien, eingeführte Ware sowohl gegen die Art. 23 EG und 133 EG als auch gegen Art. 9 des Kooperationsabkommens.

41 Soweit das nach dem sizilianischen Gesetz der Abgabe unterliegende algerische Gas nach Italien eingeführt und später in andere Mitgliedstaaten ausgeführt wird, ist die streitige Abgabeerhebung außerdem geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel unter Verstoß gegen Art. 25 EG zu beeinträchtigen.

42 Was schließlich das Vorbringen der italienischen Regierung angeht, wonach die Klage der Kommission der Grundlage entbehre, weil die streitige Abgabe unter Berücksichtigung insbesondere der Erfordernisse des Vorsorgegrundsatzes allein aus Umweltschutzgründen eingeführt worden sei, so genügt der Hinweis, dass das Verbot der Abgaben zollgleicher Wirkung unabhängig von dem Zweck, zu dem diese geschaffen wurden, sowie vom Verwendungszweck der mit ihnen erzielten Einnahmen gilt (vgl. Urteil vom 9. September 2004, Carbonati Apuani, C-72/03, Slg. 2004, I-8027, Randnr. 31).

43 Zu Art. 26 EG und Art. 4 des Kooperationsabkommens ist festzustellen, dass sich aus diesen Bestimmungen an sich kein rechtlicher Maßstab ergibt, der genau genug wäre, um die mit dem sizilianischen Gesetz eingeführte Abgabe insoweit beurteilen zu können.

44 Nach alledem ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 23 EG, 25 EG und 133 EG sowie aus Art. 9 des Kooperationsabkommens verstoßen hat, dass sie eine Umweltabgabe auf das aus Algerien stammende Methangas eingeführt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

45 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 23 EG, 25 EG und 133 EG sowie aus Art. 9 des am 26. April 1976 unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2210/78 des Rates vom 26. September 1978 genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien verstoßen, dass sie eine Umweltabgabe auf das aus Algerien stammende Methangas eingeführt hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Italienische Republik trägt die Kosten.



Ende der Entscheidung

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