Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 28.06.1990
Aktenzeichen: C-174/89
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 1932/81/EWG vom 13.07.1981, Verordnung Nr. 2661/85/EWG vom 20.09.1985


Vorschriften:

Verordnung Nr. 1932/81/EWG vom 13.07.1981
Verordnung Nr. 2661/85/EWG vom 20.09.1985
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Gültigkeit einer Bestimmung einer allgemeinen Verordnung kann nicht vom späteren Erlaß einer speziellen Verordnung, die für bestimmte, ausdrücklich genannte Fälle Abweichungen von der allgemeinen Regelung vorsieht, abhängen.

2. Im Rahmen der Beihilferegelung für Butter und Butterfett zur Herstellung von Backwaren, Speiseeis und anderen Lebensmitteln kann die Tatsache, daß ein Unternehmen, das den Zuschlag für Marktbutter zur Verarbeitung zu Butterfett erhalten hat und aus wirtschaftlichen Gründen seine Verpflichtung nicht erfuellt, gemäß Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 die Ausschreibungskaution auch in dem Fall verliert, daß es zum Ersatz für das Erzeugnis, für das es den Zuschlag erhielt, Interventionsbutter angekauft und ordnungsgemäß verarbeitet hat, auch dann nicht als unverhältnismässig angesehen werden, wenn eine solche Substitution später durch die Verordnung Nr. 2661/85 zugelassen wurde.

Dieser Verfall der Kaution ist nämlich Bestandteil einer Regelung, für die der Wirtschaftsteilnehmer freiwillig und in seinem eigenen Interesse optiert hat, und er erfolgt gerade dann, wenn sich das Risiko, für das die Kaution gestellt wurde, realisiert.

Der Verfall der Ausschreibungskaution kann unter diesen Umständen auch nicht als diskriminierend angesehen werden, da die Verordnung Nr. 1932/81 alle Zuschlagsempfänger, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, gleich behandelt, insbesondere, was den Verfall der Ausschreibungskaution in einem der in Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung genannten Fälle betrifft.

Die Anwendung dieses Artikels kann im Einzelfall nicht aus Billigkeitsgründen ausgesetzt werden, um den Verfall der Kaution zu vermeiden, da das Gemeinschaftsrecht keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz objektiver Unbilligkeit kennt und da die Wirtschaftsteilnehmer, die aus freiem Entschluß und in ihrem eigenen Interesse an den Ausschreibungen teilnehmen, die mit diesem Vorgang verbundenen Risiken allein tragen müssen, solange die Kommission die wirtschaftliche Situation oder die geltenden Vorschriften nicht unerwartet und willkürlich ändert.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 28. JUNI 1990. - HOCHE GMBH GEGEN BUNDESANSTALT FUER LANDWIRTSCHAFTLICHE MARKTORDNUNG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: VERWALTUNGSGERICHT FRANKFURT AM MAIN - DEUTSCHLAND. - LANDWIRTSCHAFT - BEIHILFE FUER BUTTER ZUR HERSTELLUNG VON BACKWAREN - VERLUST DER AUSSCHREIBUNGSKAUTION - VERSTOSS GEGEN DIE GRUNDSAETZE DER VERHAELTNISMAESSIGKEIT UND DER GLEICHBEHANDLUNG. - RECHTSSACHE C-174/89.

Entscheidungsgründe:

1 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluß vom 20. April 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Mai 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, mit denen es wissen möchte, ob Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1932/81 der Kommission vom 13. Juli 1981 über die Gewährung einer Beihilfe für Butter und Butterfett zur Herstellung von Backwaren, Speiseeis und anderen Lebensmitteln ( ABl. L 191, S. 6 ) gültig ist, hilfsweise, ob diese Bestimmung in dem ihm vorliegenden Fall aus Billigkeitsgründen für unanwendbar erklärt werden kann.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Firma Hoche GmbH und der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung ( BALM ) über die Freigabe einer Ausschreibungskaution, die die Firma Hoche gestellt und die BALM gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1932/81 für verfallen erklärt hatte.

3 Durch diese Verordnung soll der Absatz von Marktbutter durch die Gewährung einer Beihilfe gefördert werden, deren Betrag im Ausschreibungsverfahren festgesetzt wird, an dem nur Unternehmen teilnehmen können, die entweder die Butter unmittelbar bei der Herstellung von Backwaren, Speiseeis oder anderen Lebensmitteln verwenden oder die Marktbutter zu Butterfett verarbeiten, das bei der Herstellung solcher Erzeugnisse verarbeitet werden soll. Im letzteren Fall wird das Erfordernis der Verarbeitung der Butter zu Butterfett durch eine Verarbeitungskaution sichergestellt. Bei Stellung dieser Kaution wird die Ausschreibungskaution, die der Bieter für die Teilnahme an der Ausschreibung stellen musste, für die betroffenen Mengen freigegeben. Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1932/81 verfällt die Ausschreibungskaution hingegen, ausser bei höherer Gewalt, für die Menge, für die der Bieter die Verarbeitungskaution nicht in der vorgeschriebenen Frist gestellt hat.

4 Wie aus den Akten des Ausgangsverfahrens hervorgeht, beteiligte sich die Firma Hoche, die eine Butterschmelze betreibt, im März, April und Mai 1985 an den gemäß der Verordnung Nr. 1932/81 durchgeführten Einzelausschreibungen Nrn. 76 bis 81 und erhielt für 1 672 t Marktbutter den Zuschlag. Sie verpflichtete sich, diese Butter zu Butterfett zu verarbeiten, und stellte dafür die entsprechende Ausschreibungskaution.

5 Aus marktpolitischen Gründen setzte die Kommission, um den Umfang der Interventionsbestände an Butter zu verringern, am 21. Mai 1985 den Mindestverkaufspreis für Interventionsbutter von 1,15 ECU auf 1,05 ECU herab und erhöhte die Verarbeitungskosten für das Schmelzen von 0,14 ECU auf 0,16 ECU. Diese Maßnahme führte zu einem erheblichen Preisunterschied zwischen Marktbutter und Interventionsbutter : Marktbutter wurde selbst bei Anrechnung der für ihre Verarbeitung zu gewährenden Beihilfe um 10,65 % teurer als Interventionsbutter.

6 Wegen dieses Preisunterschieds zwischen Marktbutter und Interventionsbutter war es nicht mehr wirtschaftlich, Marktbutter zu Butterfett zu verarbeiten. Die Firma Hoche beschloß demgemäß, ihre im Rahmen der Ausschreibungen Nrn. 76 bis 81 eingegangene Verpflichtung zur Verarbeitung von Marktbutter nicht zu erfuellen, und deckte ihren Bedarf mit Interventionsbutter. Sie nahm die Mengen Marktbutter, für die sie den Zuschlag erhalten hatte, auf Lager und stellte für diese Mengen keine Verarbeitungskaution.

7 Am 20. September 1985 erließ die Kommission die Verordnung ( EWG ) Nr. 2661/85 zur vorübergehenden Abweichung von den Verordnungen ( EWG ) Nrn. 262/79 und 1932/81 über Butter für die Herstellung von Backwaren, Speiseeis und anderen Lebensmitteln ( ABl. L 252, S. 13 ). Diese Verordnung, durch die die Wirtschaftsteilnehmer veranlasst werden sollten, Interventionsbutter zu kaufen, um den Absatz der Bestände zu fördern, sieht vor, daß die Bieter der Ausschreibungen Nrn. 76 bis 81 von ihren Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 1932/81 freigestellt werden können, wenn die Verarbeitungsfrist noch nicht abgelaufen ist, sofern sie gemäß der Verordnung ( EWG ) Nr. 262/79 der Kommission vom 12. Februar 1979 über den Verkauf von Butter zu herabgesetzten Preisen für die Herstellung von Backwaren, Speiseeis und anderen Lebensmitteln ( ABl. L 41, S. 1 ) den Zuschlag für eine Interventionsbuttermenge erhalten haben, die um 25 % über der Menge liegt, für die sie von ihren Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 1932/81 freigestellt werden möchten.

8 Nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2661/85 am 21. September 1985 machte die Firma Hoche für einen Teil der gemäß der Verordnung Nr. 1932/81 zu verarbeitenden Menge Marktbutter von der durch die Verordnung Nr. 2661/85 geschaffenen Möglichkeit Gebrauch, die Verpflichtung zur Verarbeitung von Marktbutter in ein Angebot für den Ankauf von Interventionsbutter umzuwandeln.

9 Für den Teil der Marktbutter hingegen, für die die Firma Hoche weder eine Verarbeitungskaution gestellt hatte noch von ihren Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 1932/81 freigestellt worden war, da sie die in der Verordnung Nr. 2661/85 vorgesehene Umwandlungsmöglichkeit nicht wahrgenomen hatte, erklärte die BALM gemäß Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 die Ausschreibungskaution für verfallen. Die Firma Hoche klagte daraufhin beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main auf Freigabe dieser Kaution.

10 In den Gründen seines Vorlagebeschlusses stellt das nationale Gericht fest, die Entscheidung der BALM, die Ausschreibungskaution für verfallen zu erklären, sei durch Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 gedeckt, so daß es unter gewöhnlichen Umständen keine Bedenken hätte, die Klage der Firma Hoche abzuweisen. Im vorliegenden Fall sei jedoch eine besondere Situation gegeben, die die Kommission durch den Erlaß der Verordnung Nr. 2661/85 geschaffen habe. Unter den durch diese Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen stelle sich der Verfall der Ausschreibungskaution gemäß Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 für die Firma Hoche als eine Verletzung der Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Gleichbehandlung dar, so daß Zweifel an der Gültigkeit dieser Bestimmung der Verordnung Nr. 1932/81, zumindest aber an ihrer Anwendbarkeit im Ausgangsverfahren entstehen könnten.

11 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat demgemäß das Verfahren ausgesetzt, bis der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über folgende Fragen befunden hat :

"a ) Ist Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1932/81 der Kommission vom 13. Juli 1981 ungültig, weil er den Verfall der Ausschreibungskaution nicht für den Fall ausschließt, daß ein Unternehmen im Jahre 1985 im Rahmen der Einzelausschreibungen Nrn. 76 bis 81 den Zuschlag erhalten, aber keine Verarbeitungskaution gestellt hat und statt dessen im Umfang der Zuschlagsmenge noch vor Inkrafttreten der Verordnung ( EWG ) Nr. 2661/85 der Kommission vom 20. September 1985 Interventionsbutter nach der Verordnung ( EWG ) Nr. 262/79 der Kommission vom 12. Februar 1979 gekauft und ordnungsgemäß verarbeitet hat?

Falls diese Frage verneint wird :

b ) Ist Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1932/81 unter den unter Frage a beschriebenen Bedingungen im Einzelfall von der Anwendung suspendiert?"

12 Wegen weiter Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

13 Das vorlegende Gericht hat diese Frage gestellt, weil es unter Umständen wie denjenigen des Ausgangsverfahrens wegen einer möglichen Verletzung der Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Gleichbehandlung die Rechtmässigkeit von Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 bezweifelt.

14 Das vorlegende Gericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, in dem ihm vorliegenden Fall sei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt. Das mit dem Verfall der Ausschreibungskaution verfolgte Ziel, nämlich die Sicherstellung der Verarbeitung von Marktbutter zu Butterfett für die Herstellung von Lebensmitteln, habe in dem Zeitraum, für den die von der Firma Hoche gestellte Ausschreibungskaution von der BALM für verfallen erklärt worden sei, nicht mehr existiert. Vielmehr ergebe sich aus der Verordnung Nr. 2661/85 gerade, daß die Kommission nach der am 21. Mai 1985 beschlossenen Herabsetzung des Mindestverkaufspreises für Interventionsbutter auf die Verarbeitung von Marktbutter keinen Wert mehr gelegt, sondern versucht habe, die Nachfrage auf den Verbrauch von Interventionsbutter umzulenken. Die Firma Hoche habe diesem Ziel entsprechend gehandelt, als sie schon vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2661/85 Interventionsbutter gekauft habe, so daß der Verfall der Ausschreibungskaution bei ihr nicht gerechtfertigt sei.

15 Das vorlegende Gericht ist weiter der Auffassung, in dem ihm vorliegenden Fall sei der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, da die Verordnung Nr. 2661/85 nicht auf alle Bieter der Ausschreibungen Nrn. 76 bis 81 in gleicher Weise angewandt werde. Mitbewerber der Firma Hoche, die beim Inkrafttreten dieser Verordnung noch keine Interventionsbutter gekauft hätten, seien voll in den Genuß der in dieser Verordnung vorgesehenen Umwandlungsmöglichkeit gekommen und hätten damit keinen Kautionsverlust in Kauf nehmen müssen, während dies bei der Firma Hoche, die schon vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2661/85 Interventionsbutter gekauft habe, der Fall gewesen sei.

16 Zur Beantwortung der ersten Frage des vorlegenden Gerichts ist zunächst auf Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 zu verweisen, der folgendes bestimmt :

"Ausser im Fall höherer Gewalt verfällt die Ausschreibungskaution für die Menge, für die der Bieter

a ) das Angebot nach Ablauf der in Artikel 4 Absätze 2 und 3 genannten Frist für die Einreichung der Angebote zurückgezogen

oder

b ) im Falle von Butter :

nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die Verarbeitung zu Erzeugnissen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a vorgenommen hat,

c ) im Falle von Butterfett :

die in Artikel 7 Absatz 2 genannte Verarbeitungskaution nicht in der vorgeschriebenen Frist gestellt hat."

17 Die Prüfung dieser Vorschrift ergibt, daß in dieser abschließend die Gründe aufgezählt sind, die den Verfall der im Rahmen der Ausschreibungsverfahren für die Gewährung einer Beihilfe für Butter und Butterfett gestellten Ausschreibungskaution rechtfertigen.

18 Weiter ist festzustellen, daß der dem Ausgangsverfahren zugrundeliegende Fall von den in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1932/81 genannten Gründen für den Verfall der Ausschreibungskaution erfasst wird. Es wurde nämlich vor dem vorlegenden Gericht nicht bestritten, daß die Firma Hoche die Verarbeitungskaution für die im Rahmen der Ausschreibungen Nrn. 76 bis 81 erworbenen Mengen Marktbutter nicht gestellt hatte, da sie aus wirtschaftlichen Gründen von der Verarbeitung der Marktbutter, für die sie den Zuschlag erhalten hatte, zu Butterfett abgesehen hatte. Daher stellt die Entscheidung der BALM, die von der Firma Hoche gestellte Ausschreibungskaution für verfallen zu erklären, nur die Rechtsfolge des Verhaltens dieser Firma gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1932/81 dar.

19 Im übrigen könnte diese Rechtsfolge nur dann gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstossen, wenn das eingesetzte Mittel, im vorliegenden Fall die Verpflichtung zur Stellung einer Kaution, zur Erreichung des angestrebten Ziels nicht geeignet wäre oder über das dazu Erforderliche hinausginge ( siehe z. B. das Urteil vom 18. November 1987 in der Rechtssache 137/85, Maizena, Slg. 1987, 4587, Randnr. 15 ).

20 Aus Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 ergibt sich, daß mit der Stellung der Ausschreibungskaution die Ziele verfolgt werden, erstens zu gewährleisten, daß die an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmenden Unternehmen keine fiktiven Angebote einreichen und so die Berechnungsgrundlage der Beihilfe verfälschen, und zweitens sicherzustellen, daß die Wirtschaftsteilnehmer die Marktbutter innerhalb der festgesetzten Fristen gemäß den Vorschriften der Verordnung Nr. 1932/81 verwenden. Für die Fälle, in denen die Marktbutter nicht unmittelbar für die Herstellung von Backwaren, Speiseeis oder anderen Lebensmitteln verwendet wird, sondern zu Butterfett verarbeitet wird, aus dem die in der Verordnung Nr. 1932/81 genannten Erzeugnisse hergestellt werden sollen, sieht die Verordnung die Verpflichtung zur Stellung einer Verarbeitungskaution vor, durch die eine verordnungskonforme Verwendung des Butterfetts gewährleistet werden soll. Gemäß Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung wird die Ausschreibungskaution unverzueglich für die Mengen Butterfett freigegeben, für die die Verarbeitungskaution gestellt worden ist.

21 Da die Firma Hoche ausweislich der Akten des Ausgangsverfahrens ihre Verpflichtung zur Verarbeitung der im Rahmen der Ausschreibungen Nrn. 76 bis 81 erworbenen Marktbutter zu Butterfett und zur Stellung der Verarbeitungskaution für diese Buttermengen nicht erfuellt hat, kann der Verfall der Ausschreibungskaution, der Bestandteil einer Regelung ist, für die der Wirtschaftsteilnehmer freiwillig und in seinem eigenen Interesse optiert hat, nicht als unverhältnismässig angesehen werden, falls sich das Risiko, für das die Kaution gestellt wurde, verwirklicht.

22 Das nationale Gericht hat im übrigen in den Gründen seines Vorlagebeschlusses selbst erklärt, daß es unter gewöhnlichen Umständen keine Bedenken hätte, die Klage der Firma Hoche abzuweisen. Die besondere Situation, die es im Ausgangsverfahren veranlasst habe, in dem Verfall der Ausschreibungskaution eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit zu sehen, sei erst durch den Erlaß der Verordnung Nr. 2661/85 geschaffen worden.

23 Dazu ist jedoch festzustellen, daß die Gültigkeit einer Bestimmung einer allgemeinen Verordnung wie des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 nicht vom späteren Erlaß einer speziellen Verordnung wie der Verordnung Nr. 2661/85, die für bestimmte, ausdrücklich genannte Fälle Abweichungen von der allgemeinen Regelung vorsieht, abhängen kann.

24 Durch ähnliche Überlegungen lassen sich die Bedenken des vorlegenden Gerichts hinsichtlich eines möglichen Verstosses gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im Ausgangsverfahren ausräumen.

25 Nach ständiger Rechtsprechung ist dieser Grundsatz nur verletzt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, daß eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre ( siehe z. B. das Urteil vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28 ).

26 Es ist jedoch unbestritten, daß die Verordnung Nr. 1932/81 alle Zuschlagsempfänger, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, gleich behandelt, insbesondere, was den Verfall der Ausschreibungskaution betrifft. Dieser Verfall kann demgemäß nicht als diskriminierend angesehen werden.

27 Ein möglicher Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens könnte also nur die Folge des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 2661/85 sein.

28 Hierzu ist jedoch daran zu erinnern ( siehe oben Randnr. 23 ), daß eine allgemeine Bestimmung nicht aufgrund des späteren Erlasses einer speziellen Ausnahmebestimmung ungültig werden kann.

29 Nach alledem hat die Prüfung der ersten Frage des vorlegenden Gerichts nichts ergeben, was die Gültigkeit des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 deshalb beeinträchtigen könnte, weil diese Bestimmung den Verfall der Ausschreibungskaution nicht für den Fall ausschließt, daß ein Unternehmen im Jahre 1985 im Rahmen der Einzelausschreibungen Nrn. 76 bis 81 den Zuschlag erhalten, aber keine Verarbeitungskaution gestellt hat und statt dessen im Umfang der Zuschlagsmenge noch vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2661/85 Interventionsbutter nach der Verordnung Nr. 262/79 gekauft und ordnungsgemäß verarbeitet hat.

Zur zweiten Frage

30 In den Gründen seines Vorlagebeschlusses hat das nationale Gericht erklärt, es halte es nicht für befriedigend, wenn Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 für ungültig erklärt würde. Es hat deshalb für den Fall, daß die erste Frage verneint werden sollte, eine zweite Frage vorgelegt, die dahin geht, ob die Anwendung des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 im Einzelfall aus Billigkeitsgründen ausgesetzt werden kann.

31 Bei der Beantwortung dieser Frage ist zunächst daran zu erinnern, daß der Gerichtshof das Bestehen eines allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes objektiver Unbilligkeit bereits verneint hat. Er hat nämlich für Recht erkannt, daß das Gemeinschaftsrecht keine Rechtsgrundlage für den Erlaß von gemeinschaftsrechtlich begründeten Abgaben aus Billigkeitsgründen enthält ( Urteil vom 28. Juni 1977 in der Rechtssache 118/76, Balkan Import-Export, Slg. 1977, 1177, Randnrn. 8 und 10 ). Der Gerichtshof hat ausserdem entschieden, daß das Gemeinschaftsrecht keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz kennt, nach dem eine geltende Vorschrift des Gemeinschaftsrechts von einer innerstaatlichen Behörde nicht angewandt werden kann, wenn diese Vorschrift für den Betroffenen eine Härte darstellt, die der Verordnungsgeber der Gemeinschaft erkennbar zu vermeiden gesucht hätte, wenn er bei der Normsetzung an diesen Fall gedacht hätte ( Urteil vom 14. November 1985 in der Rechtssache 299/84, Neumann, Slg. 1985, 3663, Randnr. 33 ).

32 Soweit die Zweifel des nationalen Gerichts hinsichtlich der Anwendbarkeit von Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 im Ausgangsverfahren auf dem Erlaß der Verordnung Nr. 2661/85 beruhen, ist weiter festzustellen, daß aus ähnlichen Gründen wie den im Rahmen der Prüfung der ersten Vorlagefrage angeführten die Anwendbarkeit einer allgemeinen Bestimmung wie des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 im Einzelfall nicht vom späteren Erlaß einer speziellen Ausnahmeregelung wie der Verordnung Nr. 2661/85 abhängen kann.

33 Im übrigen ist festzustellen, daß das im Ausgangsverfahren in Frage stehende System der Ausschreibungen nicht zum Ziel hat, den Bietern das Fortbestehen eines Vorteils zu gewährleisten, der ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt zugute kam. Die Kommission, die verpflichtet war, die bestehenden Butterbestände sachgemäß zu verwalten, musste im Gegenteil ihre Politik an die wechselnden Marktbedingungen anpassen ( siehe zuletzt das Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-0000, Randnrn. 26 und 32 bis 34 ).

34 Wirtschaftsteilnehmer, die aus freiem Entschluß und in ihrem eigenen Interesse an Ausschreibungen wie den im Ausgangsrechtsstreit in Frage stehenden teilnehmen, müssen somit die mit diesem Vorgang verbundenen Risiken allein tragen, solange die Kommission die wirtschaftliche Situation oder die geltenden Vorschriften nicht unerwartet und willkürlich ändert.

35 Letzteres ist für den Ausgangsrechtsstreit jedoch nicht anzunehmen. Zum einen konnte die für die Verwaltung der Butterbestände verantwortliche Kommission angesichts der wachsenden Bestände an Interventionsbutter im Rahmen des Ermessens, das ihr in diesem Bereich zusteht, berechtigterweise zu der Auffassung gelangen, die Nachfrage müsse mittels einer Herabsetzung des Mindestverkaufspreises für Interventionsbutter umgeleitet werden. Andererseits war die Herabsetzung für die Firma Hoche als umsichtigen Wirtschaftsteilnehmer vorhersehbar, da die Kommission Anfang 1985 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichte Vorschläge zu einer erheblichen Herabsetzung des Interventionspreises für Butter für das Wirtschaftsjahr 1985/86 gemacht hatte.

36 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts ist somit dahin zu beantworten, daß die Anwendung des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1932/81 nicht im Einzelfall aus Billigkeitsgründen ausgesetzt werden kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Die Auslagen der Kommission, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren vor dem Gerichtshof ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )

auf die ihm vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluß vom 20. April 1989 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Die Prüfung der ersten Frage des vorlegenden Gerichts hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1932/81 der Kommission vom 13. Juli 1981 über die Gewährung einer Beihilfe für Butter und Butterfett zur Herstellung von Backwaren, Speiseeis und anderen Lebensmitteln deshalb beeinträchtigen könnte, weil diese Bestimmung den Verfall der Ausschreibungskaution nicht für den Fall ausschließt, daß ein Unternehmen im Jahre 1985 im Rahmen der Einzelausschreibungen Nrn. 76 bis 81 den Zuschlag erhalten, aber keine Verarbeitungskaution gestellt hat und statt dessen im Umfang der Zuschlagsmenge noch vor Inkrafttreten der Verordnung ( EWG ) Nr. 2661/85 der Kommission vom 20. September 1985 zur vorübergehenden Abweichung von den Verordnungen ( EWG ) Nrn. 262/79 und 1932/81 über Butter für die Herstellung von Backwaren, Speiseeis und anderen Lebensmitteln Interventionsbutter nach der Verordnung ( EWG ) Nr. 262/79 der Kommission vom 12. Februar 1979 über den Verkauf von Butter zu herabgesetzten Preisen für die Herstellung von Backwaren, Speiseeis und anderen Lebensmitteln gekauft und ordnungsgemäß verarbeitet hat.

2 ) Die Anwendung des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1932/81 kann nicht im Einzelfall aus Billigkeitsgründen ausgesetzt werden.

Ende der Entscheidung

Zurück