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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.09.2007
Aktenzeichen: C-177/06
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 88 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

20. September 2007

"Staatliche Beihilfen - Beihilferegelung - Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt - Entscheidung der Kommission - Durchführung - Aufhebung der Beihilferegelung - Aussetzung noch nicht gezahlter Beihilfen - Rückforderung zur Verfügung gestellter Beihilfen - Vertragsverletzung - Verteidigungsmittel - Rechtswidrigkeit der Entscheidung - Absolute Unmöglichkeit der Durchführung"

Parteien:

In der Rechtssache C-177/06

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 88 Abs. 2 EG, eingereicht am 4. April 2006,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Richters K. Schiemann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richter L. Bay Larsen (Berichterstatter), J.-C. Bonichot und T. von Danwitz sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2007,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2 und 3 der Entscheidungen

- 2003/28/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 über eine spanische Beihilferegelung aus dem Jahr 1993 zugunsten neu gegründeter Unternehmen in Álava (Spanien) (ABl. 2003, L 17, S. 20),

- 2003/86/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 über eine spanische Beihilferegelung aus dem Jahr 1993 zugunsten neu gegründeter Unternehmen in Vizcaya (Spanien) (ABl. 2003, L 40, S. 11),

- 2003/192/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 über eine spanische Beihilferegelung aus dem Jahr 1993 zugunsten neu gegründeter Unternehmen in Guipúzcoa (Spanien) (ABl. 2003, L 77, S. 1) (im Folgenden zusammen: streitige Entscheidungen),

verstoßen hat, dass es nicht innerhalb der gesetzten Frist alle Maßnahmen, die notwendig waren, um diesen Bestimmungen nachzukommen, ergriffen oder der Kommission jedenfalls nicht gemäß den Art. 4 dieser Entscheidungen mitgeteilt hat.

I - Vorgeschichte des Rechtsstreits

2 1993 erließen die baskischen Provinzen Álava, Vizcaya und Guipúzcoa Steuermaßnahmen zur Förderung von Unternehmensgründungen.

3 Die Art. 14 der Normas Forales (Gesetze der Provinzen) Nrn. 18/1993 der Provinz Álava vom 5. Juli, 5/1993 der Provinz Vizcaya vom 24. Juni und 11/1993 der Provinz Guipúzcoa vom 26. Juni ("Dringende Steuermaßnahmen zur Investitions- und Wirtschaftsförderung" [Medidas Fiscales Urgentes de Apoyo a la Inversión e impulso de la Actividad Económica]) befreien Unternehmen, die zwischen dem Inkrafttreten der Norma Foral und dem 31. Dezember 1994 gegründet werden, für die Dauer von zehn Steuerjahren von der Körperschaftsteuer, vorausgesetzt, dass sie u. a.

- zum Zeitpunkt ihrer Gründung über ein voll eingezahltes Kapital von mindestens 20 Millionen ESP verfügen,

- zwischen dem Tag der Gründung der Gesellschaft und dem 31. Dezember 1995 Investitionen in Höhe von mindestens 80 Millionen ESP tätigen und

- in den ersten sechs Monaten nach der Gründung mindestens zehn Arbeitsplätze schaffen.

4 Mit Schreiben vom 28. November 2000 leitete die Kommission gegen das Königreich Spanien das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG hinsichtlich aller drei Steuerregelungen (im Folgenden zusammen: streitige Steuermaßnahmen) ein.

5 Mit Klageschriften vom 9. Februar 2001 erhoben die Diputación Foral de Álava (Rechtssache T-30/01), die Diputación Foral de Guipúzcoa (Rechtssache T-31/01) und die Diputación Foral de Vizcaya (Rechtssache T-32/01) beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften drei Nichtigkeitsklagen gegen den sie jeweils betreffenden Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens.

6 Nach Abschluss der förmlichen Prüfverfahren erließ die Kommission die streitigen Entscheidungen.

7 In den Art. 1 dieser Entscheidungen wird die fragliche Steuerregelung als Beihilfe eingeordnet und für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt.

8 Die Art. 2 bis 4 dieser Entscheidungen lauten:

"Artikel 2

Spanien setzt die in Artikel 1 genannte Beihilferegelung, soweit sie fortwirkt, außer Kraft.

Artikel 3

(1) Spanien ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannten rechtswidrig zur Verfügung gestellten Beihilfen vom Empfänger zurückzufordern. Noch ausstehende Beihilfen werden von Spanien nicht mehr gewährt.

(2) Die Rückforderung erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. ...

Artikel 4

Spanien teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen."

9 Die drei Entscheidungen wurden dem Königreich Spanien mit Schreiben vom 28. Dezember 2001 bekannt gegeben.

10 Nach Ansicht der Kommission war die in Art. 4 dieser Entscheidungen vorgesehene Zweimonatsfrist sodann abgelaufen, ohne dass ihr der Erlass von Durchführungsmaßnahmen mitgeteilt worden wäre.

11 Mit Klageschriften vom 26. März 2002 legten die Diputación Foral de Álava (Rechtssache T-86/02), die Diputación Foral de Vizcaya (Rechtssache T-87/02) und die Diputación Foral de Guipúzcoa (Rechtssache T-88/02) drei Nichtigkeitsklagen gegen die sie jeweils betreffende Negativentscheidung ein.

12 Die Rechtssachen T-30/01 bis T-32/01 und T-86/02 bis T-88/02 wurden vom Gericht verbunden und sind derzeit bei ihm anhängig.

13 Nach weiteren Schriftwechseln und mehreren Erinnerungen nach dem 1. März 2002 hat die Kommission, da sie der Auffassung war, dass das Königreich Spanien ihr noch immer keine Angaben über die Durchführung der streitigen Entscheidungen übermittelt habe, die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben.

II - Verfahren vor dem Gerichtshof

14 Am 27. Februar 2007 hat der Gerichtshof einen Antrag des Königreichs Spanien nach Art. 82a der Verfahrensordnung auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Verkündung der Urteile in den sechs beim Gericht anhängigen Rechtssachen zurückgewiesen.

III - Zur Klage

A - Vorbringen der Parteien

1. Vorbringen der Kommission

15 Die Kommission beruft sich auf die Art. 249 EG und 88 Abs. 2 EG.

16 Sie vertritt die Auffassung, dass bei Ablauf der in den Art. 4 der streitigen Entscheidungen gesetzten Frist das Königreich Spanien entgegen den Art. 2 und 3 dieser Entscheidungen die Beihilferegelungen, soweit fortwirkend, nicht außer Kraft gesetzt, ausstehende Beihilfen weiter gewährt und bereits zur Verfügung gestellte Beihilfen nicht zurückgefordert habe.

17 Selbst zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage seien die Entscheidungen trotz mehrfacher Erinnerungen noch nicht durchgeführt worden.

18 Ein Mitgliedstaat könne zur Verteidigung gegen eine von der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG erhobene Vertragsverletzungsklage nur geltend machen, dass es absolut unmöglich gewesen sei, die Entscheidung durchzuführen. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

19 Das Königreich Spanien könne sich jedenfalls nicht auf die Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidungen berufen, da es keine Klage auf deren Nichtigerklärung erhoben habe.

2. Vorbringen der spanischen Regierung

20 Die spanische Regierung erhebt die Einrede der Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidungen. Hilfsweise bestreitet sie, dass ihr bei der Durchführung dieser Entscheidungen eine Vertragsverletzung vorgeworfen werden könne.

a) Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidungen

21 Aus einem Umkehrschluss aus dem Urteil vom 1. April 2004, Kommission/Italien (C-99/02, Slg. 2004, I-3353, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung), folgert die spanische Regierung, sie könne sich auf die Rechtswidrigkeit von Negativentscheidungen der Kommission berufen, auch wenn sie selbst keine Nichtigkeitsklage erhoben habe. Die Entscheidungen seien nämlich nicht endgültig, da sie Gegenstand anhängiger Nichtigkeitsklagen seien, die von den betreffenden Regierungen der Provinzen beim Gericht erhoben worden seien.

22 Die erhobene Einrede besteht aus sechs Teilen, die sich auf einen Ermessensmissbrauch, die Anwendung von Leitlinien, die bei Erlass der streitigen Steuermaßnahmen nicht in Kraft gewesen seien, einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1), eine Verletzung der Verteidigungsrechte im Vorprüfungsverfahren, eine Verletzung der Verteidigungsrechte im förmlichen Prüfverfahren und eine Verletzung der Begründungspflicht beziehen.

b) Keine Vertragsverletzung

23 Die spanische Regierung bestreitet, im Hinblick auf die Verpflichtungen, die Beihilferegelungen außer Kraft zu setzen, soweit sie fortwirkten, noch ausstehende Beihilfen nicht mehr zu gewähren und bereits zur Verfügung gestellte Beihilfen zurückzufordern, eine Vertragsverletzung begangen zu haben.

i) Verpflichtungen, die Beihilferegelungen außer Kraft zu setzen, soweit sie fortwirken, und noch ausstehende Beihilfen nicht mehr zu gewähren

24 Die spanische Regierung trägt vor, dass es sich bei den streitigen Steuermaßnahmen um Befreiungen von der Körperschaftsteuer für die Dauer von zehn Steuerjahren ab dem Steuerjahr der Gründung der neuen Gesellschaft gehandelt habe.

25 Obwohl diese Maßnahmen nicht formell aufgehoben worden seien, hätten sie nur für begrenzte Zeit gegolten, da sie auf Gesellschaften anwendbar gewesen seien, die zwischen dem Inkrafttreten der Normas Forales Nrn. 18/1993, 5/1993 und 11/1993 im Jahr 1993 und dem 31. Dezember 1994 gegründet worden seien, und so nur bis zur Beantragung spätestens im Juli 2005 zu Befreiungen hätten führen können.

26 Unter diesen Umständen hätten die fraglichen Steuerregelungen aufgehört, Wirkungen zu entfalten.

ii) Verpflichtung, bereits zur Verfügung gestellte Beihilfen zurückzufordern

27 Die spanische Regierung macht geltend, dass die Kommission ihr zu Unrecht vorgeworfen habe, sich für die Rückforderung bereits zur Verfügung gestellter Beihilfen für das Verfahren des innerstaatlichen Rechts der Erklärung der Schädlichkeit rücknehmbarer Verwaltungsakte (declaración de lesividad de los actos anulables) entschieden zu haben, ein Verfahren, das nach Ansicht der Kommission die Rückforderung außerordentlich erschwert habe.

28 Tatsächlich sei das Verfahren der Revision nichtiger Verwaltungsakte (revisión de los actos nulos) gewählt worden, das für die ordnungsgemäße Durchführung der streitigen Entscheidungen das passende Verfahren sei.

29 Da es folglich auf einem Fehler beruhe, dass die Kommission dem Königreich Spanien vorgeworfen habe, ein Verfahren für die Rückforderung gewählt zu haben, das die Durchführung der streitigen Entscheidungen gar nicht ermögliche, könne Spanien keine Vertragsverletzung zur Last gelegt werden.

B - Würdigung durch den Gerichtshof

1. Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidungen

30 Das Klagesystem des EG-Vertrags unterscheidet zwischen den in den Art. 226 EG und 227 EG vorgesehenen Klagen, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, und den in den Art. 230 EG und 232 EG vorgesehenen Klagen, mit denen die Rechtmäßigkeit von Handlungen oder Unterlassungen der Gemeinschaftsorgane überprüft werden soll. Diese Klagemöglichkeiten haben unterschiedliche Zwecke und unterliegen unterschiedlichen Voraussetzungen. Ein Mitgliedstaat kann sich daher mangels einer Vorschrift des EG-Vertrags, die ihn dazu ausdrücklich ermächtigte, zur Verteidigung gegenüber einer auf die Nichtdurchführung einer an ihn gerichteten Entscheidung gestützten Vertragsverletzungsklage nicht mit Erfolg auf die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung berufen (vgl. u. a. Urteile vom 22. März 2001, Kommission/Frankreich, C-261/99, Slg. 2001, I-2537, Randnr. 18, und vom 26. Juni 2003, Kommission/Spanien, C-404/00, Slg. 2003, I-6695, Randnr. 40).

31 Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der fragliche Rechtsakt mit besonders schweren und offensichtlichen Fehlern behaftet wäre, so dass er als inexistenter Rechtsakt qualifiziert werden könnte (Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 19, und Kommission/Spanien, Randnr. 41).

32 Diese Feststellung muss auch im Rahmen einer auf Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 2 EG gestützten Vertragsverletzungsklage gelten (Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 20, und Kommission/Spanien, Randnr. 42).

33 Das Königreich Spanien hat in seinen Schriftsätzen nicht vorgetragen, dass die streitigen Entscheidungen mit einem Fehler behaftet seien, der ihr Bestehen als solches in Frage stellen könnte.

34 Jedenfalls kann sich die spanische Regierung nicht unter Hinweis auf das Urteil Kommission/Italien mit Erfolg auf die beim Gericht anhängigen Nichtigkeitsklagen berufen, die die betreffenden Provinzen erhoben haben.

35 Der Umstand allein, dass der Gerichtshof in jenem Urteil wie auch in anderen Urteilen darauf hinweisen wollte, dass in den konkreten Fällen, mit denen er befasst war, keine Nichtigkeitsklage innerhalb der vorgesehenen Frist erhoben oder eine solche Klage abgewiesen worden war, berechtigt nicht zu der Annahme, dass umgekehrt die Rechtswidrigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts nur deshalb, weil eine gegen diesen Rechtsakt eingelegte Nichtigkeitsklage anhängig ist, im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage als Verteidigungsmittel vorgebracht werden könnte.

36 Für die streitigen Entscheidungen gilt nämlich eine Vermutung der Rechtmäßigkeit, und sie bleiben ungeachtet der anhängigen Nichtigkeitsklagen in allen ihren Teilen für das Königreich Spanien verbindlich (vgl. Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 26).

37 Abgesehen von dem Fall, dass der Rechtsakt inexistent ist, kann daher ein Mitgliedstaat im Rahmen einer auf Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 2 EG gestützten Vertragsverletzungsklage nicht die Rechtswidrigkeit einer Negativentscheidung der Kommission einwenden, wenn gegen diese Entscheidung eine direkte Klage beim Gemeinschaftsrichter anhängig ist (vgl. für Rechtssachen, in denen Nichtigkeitsklagen anhängig waren, Urteile vom 27. Juni 2000, Kommission/Portugal, C-404/97, Slg. 2000, I-4897, und vom 1. Juni 2006, Kommission/Italien, C-207/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

38 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Einrede als unzulässig zu verwerfen ist.

2. Zum Vorliegen der Vertragsverletzung

a) Zu den Rügen im Zusammenhang mit den Verpflichtungen, die Beihilferegelungen außer Kraft zu setzen, soweit sie fortwirken, und noch ausstehende Beihilfen nicht mehr zu gewähren

39 Die Art. 2 der streitigen Entscheidungen verpflichten das Königreich Spanien, die fragliche Beihilferegelung, soweit sie fortwirkt, außer Kraft zu setzen. Die Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der streitigen Entscheidungen schreiben vor, dass noch ausstehende Beihilfen nicht mehr gewährt werden.

40 Wie die spanische Regierung ausführt, galten die Beihilferegelungen nur für Gesellschaften, die bis zum 31. Dezember 1994 gegründet worden waren.

41 Jedoch sollten sie ihre Wirkungen über einen Zeitraum von zehn Steuerjahren entfalten, also mehrere Jahre über die streitigen Entscheidungen hinaus.

42 Zur Durchführung der Art. 2 und 3 Abs. 1 Satz 2 der streitigen Entscheidungen hatte daher das Königreich Spanien die Aufhebung der Beihilferegelungen sicherzustellen und die noch nicht verwirklichten Ansprüche auf Steuerbefreiung auszusetzen.

43 Die spanische Regierung bestreitet nicht, dass die Beihilferegelungen nicht aufgehoben und die zum Zeitpunkt der streitigen Entscheidungen noch nicht verwirklichten Ansprüche auf Steuerbefreiung nicht ausgesetzt wurden.

44 Daher sind die Rügen der Kommission, die sich auf die Art. 2 und 3 Abs. 1 Satz 2 der streitigen Entscheidungen beziehen, begründet.

b) Zu den Rügen, die die Verpflichtung zur Rückforderung bereits zur Verfügung gestellter Beihilfen betreffen

45 Im Fall von Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen erfolgt die von der Kommission angeordnete Rückforderung der Beihilfe nach den Bedingungen des Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999, der bestimmt:

"... [D]ie Rückforderung [erfolgt] unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen."

46 Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mitgliedstaat zur Verteidigung gegen eine von der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG erhobene Vertragsverletzungsklage nur geltend machen, dass es absolut unmöglich gewesen sei, die Entscheidung ordnungsgemäß durchzuführen (vgl. u. a. Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 23, Kommission/Spanien, Randnr. 45, und vom 12. Mai 2005, Kommission/Griechenland, C-415/03, Slg. 2005, I-3875, Randnr. 35).

47 In der vorliegenden Rechtssache ist die Rückforderungsverpflichtung in den Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der streitigen Entscheidungen vorgesehen.

48 Das Königreich Spanien macht nicht geltend, die Durchführung dieser Bestimmungen sei absolut unmöglich gewesen.

49 Es trägt lediglich vor, dass das für die Rückforderung der bereits zur Verfügung gestellten Beihilfen gewählte Verfahren das für die ordnungsgemäße Durchführung der Entscheidungen passende sei.

50 Jedoch legt es keine Nachweise etwa zu der Identität der Beihilfeempfänger, der Höhe der gezahlten Beihilfen oder den für die Beihilfenrückforderung tatsächlich angewandten Verfahren vor.

51 Es hat somit nicht belegt, dass innerhalb der in den Art. 4 der streitigen Entscheidungen gesetzten Frist tatsächlich Maßnahmen ergriffen wurden, die im Sinne von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der streitigen Entscheidungen hinsichtlich der bereits zur Verfügung gestellten Beihilfen ermöglichten.

52 Daher sind die Rügen der Kommission betreffend Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der streitigen Entscheidungen begründet.

53 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klage begründet ist, soweit die Kommission dem Königreich Spanien vorwirft, nicht alle Maßnahmen ergriffen zu haben, die notwendig waren, um die Beihilferegelungen außer Kraft zu setzen, ausstehende Beihilfen nicht mehr zu gewähren und bereits zur Verfügung gestellte Beihilfen zurückzufordern.

54 Der Gerichtshof braucht den Antrag auf Verurteilung des Königreichs Spanien, weil es die Kommission nicht über die in der vorstehenden Randnummer genannten Maßnahmen informiert hat, nicht zu prüfen, da dieser Mitgliedstaat seine Verpflichtungen gerade nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen erfüllt hat (vgl. Urteile vom 4. April 1995, Kommission/Italien, C-348/93, Slg. 1995, I-673, Randnr. 31, und vom 1. Juni 2006, Kommission/Italien, Randnr. 53).

55 Demnach ist festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2 und 3 der streitigen Entscheidungen verstoßen hat, dass es nicht innerhalb der gesetzten Frist alle Maßnahmen ergriffen hat, die notwendig waren, um diesen Bestimmungen nachzukommen.

Kostenentscheidung:

IV - Kosten

56 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2 und 3 der Entscheidungen

- 2003/28/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 über eine spanische Beihilferegelung aus dem Jahr 1993 zugunsten neu gegründeter Unternehmen in Álava (Spanien),

- 2003/86/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 über eine spanische Beihilferegelung aus dem Jahr 1993 zugunsten neu gegründeter Unternehmen in Vizcaya (Spanien) und

- 2003/192/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 über eine spanische Beihilferegelung aus dem Jahr 1993 zugunsten neu gegründeter Unternehmen in Guipúzcoa (Spanien)

verstoßen, dass es nicht innerhalb der gesetzten Frist alle Maßnahmen ergriffen hat, die notwendig waren, um diesen Bestimmungen nachzukommen.

2. Das Königreich Spanien trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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