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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.07.1999
Aktenzeichen: C-189/97
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 408/97, EGV


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 408/97
EGV Art. 43 (jetzt EGV Art. 37)
EGV Art. 228 Abs. 3 Unterabs. 2 (jetzt Art. 300 Abs. 3 Unterabs. 2 EGV)
EGV Art. 190 (jetzt EGV Art. 253)
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Das Parlament kann beim Gerichtshof Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung des Rates oder der Kommission erheben, sofern diese Klage auf die Wahrung seiner Rechte abzielt. Diese Voraussetzung ist erfuellt, wenn das Parlament den Gegenstand seines zu schützenden Rechts und die behauptete Verletzung dieses Rechts schlüssig darlegt.

In Anwendung dieser Kriterien ist eine auf einen Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages (jetzt Artikel 253 EG) gestützte Klage unzulässig, wenn das Parlament im Rahmen seines Vorbringens, die angefochtenen Bestimmungen seien im Hinblick auf die Anforderungen dieses Artikels unzureichend oder falsch begründet, nicht schlüssig darlegt, inwiefern ein solcher Verstoß gegebenenfalls seine Rechte verletzen könnte. Das ist der Fall, wenn das Parlament sich auf die Behauptung beschränkt, die Änderung der von der Kommission für den Erlaß des angefochtenen Rechtsakts vorgeschlagenen Rechtsgrundlage durch den Rat habe seine Befugnisse berührt, ohne daß es deutlich macht, inwiefern der Umstand, daß dieser Rechtsakt insoweit keine besondere Begründung enthält, zu einer eigenständigen Beeinträchtigung seiner Rechte geführt haben soll.

2 Für die Feststellung, ob ein Abkommen zwischen der Gemeinschaft und einem Drittstaat erhebliche finanzielle Folgen im Sinne des Artikels 228 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages (nach Änderung jetzt Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG) hat und sein Abschluß daher der Zustimmung des Parlaments bedarf, erscheint ein Vergleich der durch das Abkommen verursachten jährlichen finanziellen Belastung mit dem Gesamthaushalt der Gemeinschaft kaum aussagekräftig, da die Mittel für aussenpolitische Maßnahmen der Gemeinschaft seit jeher nur einen unbedeutenden Teil des Gemeinschaftshaushalts ausmachen.

Dagegen ist der Vergleich der durch das Abkommen verursachten Ausgaben mit dem Gesamtbetrag der zur Finanzierung der aussenpolitischen Maßnahmen der Gemeinschaft bestimmten Mittel besser geeignet, um zu beurteilen, welche finanzielle Bedeutung das Abkommen tatsächlich für die Gemeinschaft hat. Handelt es sich um ein sektorbezogenes Abkommen, so kann die Analyse insbesondere durch einen Vergleich zwischen den Ausgaben im Zusammenhang mit dem Abkommen und dem Gesamtbetrag der im Haushaltsplan für den betreffenden Sektor - ohne Unterscheidung nach internen und externen Maßnahmen - eingesetzten Mittel ergänzt werden. Da jedoch die einzelnen Sektoren eine sehr unterschiedliche Bedeutung für den Haushalt haben, darf diese Betrachtung nicht dazu führen, die finanziellen Auswirkungen eines Abkommens als erheblich einzustufen, wenn diese nicht einen wesentlichen Teil der Mittel zur Finanzierung der aussenpolitischen Maßnahmen der Gemeinschaft ausmachen.


Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999. - Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union. - Fischereiabkommen Europäische Gemeinschaft/Mauretanien - Abkommen mit erheblichen finanziellen Folgen für die Gemeinschaft. - Rechtssache C-189/97.

Entscheidungsgründe:

1 Das Europäische Parlament hat mit Klageschrift, die am 16. Mai 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 408/97 des Rates vom 24. Februar 1997 über den Abschluß des Abkommens über die Zusammenarbeit in der Seefischerei zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Islamischen Republik Mauretanien und zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu diesem Abkommen (ABl. L 62, S. 1; im folgenden: streitige Verordnung).

2 Mit Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 2. Oktober 1997 ist das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

3 Am 18. Januar 1996 kündigte die Islamische Republik Mauretanien das Abkommen über die Fischerei vor der Küste Mauretaniens, das sie mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen hatte. Die beiden Parteien traten daraufhin in Verhandlungen ein, die am 20. Juni 1996 zur Paraphierung eines neuen Abkommens führten (im folgenden: Fischereiabkommen mit Mauretanien).

4 Dieses Abkommen, das für eine Dauer von fünf Jahren ab dem 1. August 1996 geschlossen wurde, sichert den Fischern der Europäischen Gemeinschaft Fangmöglichkeiten in den Gewässern unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit der Islamischen Republik Mauretanien. Es sieht in Artikel 7 zu deren Gunsten einen finanziellen Ausgleich und finanzielle Unterstützung durch die Gemeinschaft vor. Artikel 2 Absatz 1 des dem Fischereiabkommen mit Mauretanien beigefügten Protokolls zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten sowie des finanziellen Ausgleichs und der finanziellen Unterstützung im Zeitraum vom 1. August 1996 bis zum 31. Juli 2001 bestimmt:

"Der finanzielle Ausgleich gemäß Artikel 7 des Abkommens wird für den in Artikel 1 dieses Protokolls genannten Zeitraum auf 266,8 Mio. ECU festgesetzt.

Dieser finanzielle Ausgleich ist in folgenden Jahresraten zu zahlen: - 1. Jahr: 55 160 000 ECU, - 2. Jahr: 54 360 000 ECU, - 3. Jahr: 53 560 000 ECU, - 4. Jahr: 52 160 000 ECU, - 5. Jahr: 51 560 000 ECU."

5 Auf Vorschlag der Kommission erließ der Rat den Beschluß 96/731/EG vom 26. November 1996 über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels über die vorläufige Anwendung des Abkommens über die Zusammenarbeit in der Seefischerei zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Islamischen Republik Mauretanien (ABl. L 334, S. 16).

6 Die Kommission unterbreitete dem Rat ausserdem am 9. September 1996 einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens über die Zusammenarbeit in der Seefischerei zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Islamischen Republik Mauretanien und zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu diesem Abkommen (ABl. C 352, S. 5). Dieser Vorschlag war auf den EG-Vertrag, "insbesondere auf die Artikel 43 und 228 Absatz 3 Unterabsatz 2" gestützt und setzte die Zustimmung des Parlaments voraus.

7 Am 13. November 1996 beschloß der Rat, das Parlament zu diesem Verordnungsvorschlag anzuhören. Indem er jedoch das Anhörungsbegehren auf Artikel 43 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 37 EG) in Verbindung mit Artikel 228 Absatz 2 und Absatz 3 Unterabsatz 1 des Vertrages (nach Änderung jetzt Artikel 300 Absatz 2 und Absatz 3 Unterabsatz 1 EG) stützte, brachte der Rat zum Ausdruck, daß er lediglich eine Stellungnahme des Parlaments für erforderlich hielt.

8 Der zuständige Ausschuß des Parlaments billigte den Verordnungsvorschlag unter dem Vorbehalt der Rückkehr zu der von der Kommission vorgeschlagenen Rechtsgrundlage. Er machte insbesondere geltend, das Fischereiabkommen mit Mauretanien habe erhebliche finanzielle Folgen im Sinne des Artikels 228 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages und könne daher nur mit Zustimmung des Parlaments geschlossen werden.

9 Am 28. November 1996 verabschiedete das Parlament den Beschluß zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens über die Zusammenarbeit in der Seefischerei zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Islamischen Republik Mauretanien und zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu diesem Abkommen (ABl. C 380, S. 19). Das Parlament setzte darin Artikel 228 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages an die Stelle der vom Rat herangezogenen Rechtsgrundlage und gab seine Zustimmung zum Erlaß der streitigen Verordnung.

10 Am 24. Februar 1997 erließ der Rat die streitige Verordnung, die auf den Vertrag, insbesondere auf Artikel 43 in Verbindung mit Artikel 228 Absatz 2 und Absatz 3 Unterabsatz 1, gestützt ist. Sie nimmt Bezug auf die "Stellungnahme des Europäischen Parlaments".

11 Das Parlament macht eine Verletzung seiner Rechte geltend und bringt zwei Klagegründe vor. Der erste bezieht sich auf die Verletzung des Artikels 228 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages. Da das Fischereiabkommen mit Mauretanien erhebliche finanzielle Folgen für die Gemeinschaft habe, hätte die streitige Verordnung auf der Grundlage dieses Unterabsatzes erlassen werden müssen. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) gerügt. Der Rat habe es versäumt, die Gründe anzugeben, aus denen er die von der Kommission vorgeschlagene Rechtsgrundlage geändert habe.

12 Der Rat, unterstützt durch die spanische Regierung, hält die Klage für unzulässig, soweit sie auf einen Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag gestützt wird, da das Parlament nicht schlüssig dargelegt habe, inwiefern ein solcher Verstoß seine Rechte verletzen könne. Im übrigen sei Artikel 228 Absatz 3 Unterabsatz 1 des Vertrages die zutreffende Rechtsgrundlage für den Erlaß der streitigen Verordnung, da das Fischereiabkommen mit Mauretanien keine erheblichen finanziellen Folgen im Sinne des zweiten Unterabsatzes dieser Bestimmung habe.

Zur Zulässigkeit der Klage

13 Gemäß Artikel 173 Absatz 3 des Vertrages kann das Parlament beim Gerichtshof Klage auf Nichtigerklärung der Handlung eines anderen Organs erheben, sofern diese Klage auf die Wahrung seiner Rechte abzielt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist diese Voraussetzung erfuellt, wenn das Parlament den Gegenstand seines zu schützenden Rechts und die behauptete Verletzung dieses Rechts schlüssig darlegt (vgl. insbesondere Urteil vom 18. Juni 1996 in der Rechtssache C-303/94, Parlament/Rat, Slg. 1996, I-2943, Randnr. 17).

14 In Anwendung dieser Kriterien hat der Gerichtshof bisher Klagen des Parlaments für unzulässig erklärt, soweit sie auf einen Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag gestützt wurden. Das Parlament hatte nämlich im Rahmen seines Vorbringens, die streitigen Bestimmungen seien im Hinblick auf die Anforderungen dieses Artikels unzureichend oder falsch begründet, nicht schlüssig dargelegt, inwiefern ein solcher Verstoß gegebenenfalls seine Rechte verletzt haben könnte (vgl. Urteile vom 13. Juli 1995 in der Rechtssache C-156/93, Parlament/Kommission, Slg. 1995, I-2019, Randnr. 11, und vom 18. Juni 1996, Parlament/Rat, a. a. O., Randnr. 18).

15 Das Parlament vertritt allerdings die Auffassung, es habe im vorliegenden Fall dargelegt, inwiefern der Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag seine Rechte verletzen könne, indem es vorgetragen habe, daß der vom Rat ohne Begründung vorgenommene Wechsel der Rechtsgrundlage zu einer Änderung der Bedingungen seiner Beteiligung an dem Verfahren zum Abschluß des Fischereiabkommens mit Mauretanien geführt habe.

16 Das Parlament beschränkt sich damit auf die Behauptung, die Änderung der von der Kommission vorgeschlagenen Rechtsgrundlage durch den Rat habe seine Befugnisse berührt. Es macht jedoch nicht deutlich, inwiefern der Umstand, daß die streitige Verordnung insoweit keine besondere Begründung enthält, zu einer eigenständigen Beeinträchtigung seiner Rechte geführt haben soll.

17 Die Klage ist daher unzulässig, soweit sie auf die Verletzung des Artikels 190 EG-Vertrag gestützt wird.

Zur Begründetheit

18 Artikel 228 Absatz 3 des Vertrages bestimmt:

"Mit Ausnahme der Abkommen im Sinne des Artikels 113 Absatz 3 schließt der Rat die Abkommen nach Anhörung des Europäischen Parlaments, und zwar auch in den Fällen, in denen das Abkommen einen Bereich betrifft, bei dem für die Annahme interner Vorschriften das Verfahren des Artikels 189b oder des Artikels 189c anzuwenden ist...

Abweichend von Unterabsatz 1 bedarf der Abschluß von Abkommen im Sinne des Artikels 238 sowie sonstiger Abkommen, die durch Einführung von Zusammenarbeitsverfahren einen besonderen institutionellen Rahmen schaffen, von Abkommen mit erheblichen finanziellen Folgen für die Gemeinschaft und von Abkommen, die eine Änderung eines nach dem Verfahren des Artikels 189b angenommenen Rechtsakts bedingen, der Zustimmung des Europäischen Parlaments.

..."

19 Das Parlament macht geltend, der Vertrag über die Europäische Union habe, vor allem durch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Zustimmungsverfahrens, seine Beteiligung beim Abschluß internationaler Abkommen erheblich verstärkt. Seine Stellung nähere sich damit der eines Parlaments der Mitgliedstaaten, an dessen entsprechenden Befugnissen sich die Auslegung des Artikels 228 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages zu orientieren habe.

20 Nach Auffassung des Parlaments soll diese Bestimmung die ihm intern als Teil der Haushaltsbehörde zustehenden Befugnisse schützen, indem sie den Abschluß von Abkommen mit erheblichen finanziellen Folgen von seiner Zustimmung abhängig mache. Angesichts dieser Zielsetzung spricht es sich dafür aus, im Rahmen der Kriterien, nach denen bestimmt werde, ob ein Abkommen erhebliche finanzielle Folgen habe, den mehrjährigen Charakter der sich daraus ergebenden Ausgaben, deren relativen Anteil gemessen an den in der entsprechenden Haushaltslinie eingesetzten gleichartigen Ausgaben sowie die Steigerungsrate der mit dem Abkommen verbundenen Ausgaben gegenüber der Finanzausstattung des vorangegangenen Abkommens zu berücksichtigen.

21 Das Fischereiabkommen mit Mauretanien erfuellt nach Auffassung des Parlaments unbestreitbar die drei genannten Kriterien. Es sehe einen finanziellen Ausgleich vor, der in fünf Jahresraten zu zahlen sei, deren Höhe sich zwischen 51 560 000 und 55 160 000 ECU bewege. Dieser finanzielle Ausgleich mache in jedem betroffenen Haushaltsjahr mehr als 20 % der in der entsprechenden Haushaltslinie (Linie B7-8000 "Internationale Fischereiabkommen") eingesetzten Mittel aus. Ausserdem habe sich das finanzielle Engagement zugunsten der Islamischen Republik Mauretanien gegenüber dem vorangegangenen Abkommen mehr als verfünffacht oder, bezogen auf das Jahr 1995, in dem ausnahmsweise ein zusätzlicher Ausgleich gezahlt worden sei, mehr als verdoppelt.

22 Der Rat, unterstützt durch die spanische Regierung, trägt vor, Artikel 228 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrags sei eng auszulegen, da er eine Ausnahme von der in Unterabsatz 1 aufgestellten Regel enthalte, nach der der Rat die Abkommen nach Anhörung des Parlaments schließe.

23 Nach Auffassung des Rates sind die vom Parlament vorgeschlagenen Kriterien nicht stichhaltig. Erstens komme es auf den mehrjährigen Charakter der Ausgaben nicht an, da sich der Haushaltsplan per definitionem nur auf ein Jahr beziehe. Zweitens sei die Bedeutung der finanziellen Auswirkungen des Abkommens im Verhältnis zu den in der entsprechenden Haushaltslinie eingesetzten gleichartigen Ausgaben unerheblich, da der Eingliederungsplan im Haushaltsverfahren geändert werden könne und der Betrag der zur Verfügung stehenden Mittel stets durch Übertragungen oder Nachtragshaushalte angepasst werden könne. Schließlich sei auch die Steigerungsrate der Ausgaben kaum aussagekräftig, da eine hohe Steigerungsrate sehr wohl mit einer geringfügigen Ausgabe verbunden sein könne.

24 Der Rat vertritt daher die Auffassung, die Erheblichkeit der finanziellen Folgen eines Abkommens sei anhand des Gesamthaushalts der Gemeinschaft zu beurteilen. Wenn er für ein Fischereiabkommen, dessen jährliche Ausgaben nur 0,07 % dieses Haushalts ausmachten, lediglich um die Stellungnahme des Parlaments nachgesucht habe, so habe er nicht offensichtlich fehlerhaft und willkürlich gehandelt.

25 Im Rahmen des Zuständigkeitssystems der Gemeinschaft muß sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen (vgl. insbesondere Urteile vom 26. März 1987 in der Rechtssache 45/86, Kommission/Rat, Slg. 1987, 1493, Randnr. 11, vom 28. Mai 1998 in der Rechtssache C-22/96, Parlament/Rat, Slg. 1998, I-3231, Randnr. 23, und vom 25. Februar 1999 in den Rechtssachen C-164/97 und C-165/97, Parlament/Rat, Slg. 1999, I-1139, Randnr. 12).

26 Für die Feststellung, ob ein Abkommen erhebliche finanzielle Folgen im Sinne des Artikels 228 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages hat, hat sich der Rat auf den Gesamthaushalt der Gemeinschaft bezogen. Dazu ist allerdings zu bemerken, daß die Mittel für aussenpolitische Maßnahmen der Gemeinschaft seit jeher nur einen unbedeutenden Teil des Gemeinschaftshaushalts ausmachen. So beliefen sich die entsprechenden Mittel, die im Teileinzelplan B7 "Aussenpolitische Maßnahmen" ausgewiesen sind, 1996 und 1997 auf kaum mehr als 5 % des Gesamthaushalts. Unter diesen Umständen erscheint ein Vergleich der durch ein Abkommen verursachten jährlichen finanziellen Belastung mit dem Gesamthaushalt der Gemeinschaft kaum aussagekräftig. Die Anwendung eines solchen Kriteriums könnte zudem die in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale des Artikels 228 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages jeder praktischen Wirksamkeit berauben.

27 Der Rat ist dennoch der Auffassung, das von ihm vertretene Kriterium bewirke nicht, daß ein Rückgriff auf diese Rechtsgrundlage in jedem Fall ausgeschlossen wäre. Zum Beweis verweist er auf das Abkommen über die Zusammenarbeit in der Seefischerei zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko (ABl. 1997, L 30, S. 5), dessen finanzielle Folgen, die sich jährlich auf 0,15 % des Haushalts der Gemeinschaft belaufen, nach seiner Auffassung als erheblich anzusehen sind.

28 Der Rat hat jedoch in keiner Weise erklärt, warum ein derart niedriger Prozentsatz den finanziellen Folgen eines Abkommens einen solchen Charakter beilegen sollte, während der kaum geringfügigere Prozentsatz von 0,07 % hierfür nicht ausreichen soll.

29 Hinsichtlich der drei vom Parlament vorgeschlagenen Kriterien ist festzustellen, daß das erste in der Tat zur Definition eines Abkommens mit erheblichen finanziellen Folgen beitragen kann. Relativ geringe jährliche Ausgaben können nämlich, über viele Jahre verteilt, eine erhebliche Haushaltsanstrengung darstellen.

30 Das zweite und das dritte Kriterium des Parlaments erscheinen demgegenüber nicht relevant. Die Haushaltslinien, die zudem geändert werden können, haben sehr unterschiedliche Bedeutung, so daß der relative Anteil der mit einem Abkommen verbundenen Ausgaben, gemessen an den in der entsprechenden Haushaltslinie eingesetzten gleichartigen Mitteln, bedeutend sein kann, obwohl die fraglichen Ausgaben nur geringfügig sind. Auch kann die Steigerungsrate der durch ein Abkommen verursachten Ausgaben gegenüber denen des vorangegangenen Abkommens durchaus hoch sein, obwohl es sich nur um geringfügige Beträge handelt.

31 Wie in Randnummer 26 des vorliegenden Urteils ausgeführt, erscheint ein Vergleich der mit einem internationalen Abkommen verbundenen jährlichen finanziellen Belastung mit dem Gesamthaushalt kaum aussagekräftig. Dagegen erlaubt es der Vergleich der durch ein Abkommen verursachten Ausgaben mit dem Gesamtbetrag der zur Finanzierung der aussenpolitischen Maßnahmen der Gemeinschaft bestimmten Mittel, die im Teileinzelplan B7 des Haushaltsplans ausgewiesen sind, das Abkommen in den Zusammenhang der von der Gemeinschaft für ihre Aussenpolitik vorgesehenen Haushaltsanstrengung zu stellen. Dieser Vergleich ist damit ein geeigneteres Mittel, um zu beurteilen, welche finanzielle Bedeutung das Abkommen tatsächlich für die Gemeinschaft hat.

32 Handelt es sich, wie in der vorliegenden Rechtssache, um ein sektorbezogenes Abkommen, so kann die vorstehende Analyse unter Umständen, und ohne die Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte auszuschließen, ergänzt werden durch einen Vergleich zwischen den Ausgaben im Zusammenhang mit dem Abkommen und dem Gesamtbetrag der im Haushaltsplan für den betreffenden Sektor - ohne Unterscheidung nach internen und externen Maßnahmen - eingesetzten Mittel. Eine solche Gegenüberstellung erlaubt es nämlich, die von der Gemeinschaft mit dem Abschluß des Abkommens vorgesehene Haushaltsanstrengung unter einem anderen Blickwinkel und in einem ebenfalls kohärenten Rahmen zu beurteilen. Da jedoch die einzelnen Sektoren eine sehr unterschiedliche Bedeutung für den Haushalt haben, darf diese Betrachtung nicht dazu führen, die finanziellen Auswirkungen eines Abkommens als erheblich einzustufen, wenn diese nicht einen wesentlichen Teil der Mittel zur Finanzierung der aussenpolitischen Maßnahmen der Gemeinschaft ausmachen.

33 Vorliegend wurde das Fischereiabkommen mit Mauretanien für fünf Jahre geschlossen, eine Laufzeit, die nicht besonders lang erscheint. Ausserdem ist der darin vorgesehene finanzielle Ausgleich in Jahresraten zu zahlen, deren Höhe sich zwischen 51 560 000 ECU und 55 160 000 ECU bewegt. In den abgelaufenen Haushaltsjahren beliefen sich diese Beträge, selbst wenn sie 5 % der Ausgaben im Bereich der Fischerei überschritten, auf kaum mehr als 1 % der gesamten Zahlungsermächtigungen für aussenpolitische Maßnahmen der Gemeinschaft und damit auf einen Anteil, der zwar nicht unbedeutend ist, aber schwerlich als erheblich bezeichnet werden kann. Unter diesen Umständen wäre der Rat, hätte er diese Vergleichsmaßstäbe berücksichtigt, zu der Annahme berechtigt gewesen, daß das Fischereiabkommen mit Mauretanien keine erheblichen finanziellen Folgen für die Gemeinschaft im Sinne des Artikels 228 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages hat.

34 Im übrigen wird die Tragweite dieser Bestimmung, so wie sie sich aus dem Vertrag ergibt, entgegen dem Vorbringen des Parlaments nicht durch den Umfang der Befugnisse berührt, die den nationalen Parlamenten bei der Billigung internationaler Abkommen mit finanziellen Auswirkungen zustehen mögen.

35 Nach alledem hat der Rat das Fischereiabkommen mit Mauretanien zu Recht auf der Grundlage u. a. des Artikels 228 Absatz 3 Unterabsatz 1 des Vertrages geschlossen. Die vorliegende Klage ist daher abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Der Rat hat beantragt, die Kosten dem Parlament aufzuerlegen. Da dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, hat es die Kosten zu tragen. Gemäß Artikel 69 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung trägt das Königreich Spanien, das dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten ist, seine eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Das Europäische Parlament trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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