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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.03.1993
Aktenzeichen: C-191/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Gemeinsame Zolltarif ist dahin auszulegen, daß Warenzusammenstellungen mit einem monoklonalen diagnostischen Reagens (Antikörper) als Hauptbestandteil in die Unterposition 3002 10 91 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen sind.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 10. MAERZ 1993. - ABBOTT GMBH GEGEN OBERFINANZDIREKTION KOELN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESFINANZHOF - DEUTSCHLAND. - GEMEINSAMER ZOLLTARIF - MONOKLONALE ANTIKOERPER. - RECHTSSACHE C-191/91.

Entscheidungsgründe:

1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 12. Juni 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juli 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag Fragen nach der Auslegung des Gemeinsamen Zolltarifs, wie er mit der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) eingeführt wurde, im Hinblick auf die Einreihung von Warenzusammenstellungen (sogenannte "Test-Kits"), die verschiedene Laborreagenzien enthalten, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Firma Abbott, der Klägerin des Ausgangsverfahrens, und der Oberfinanzdirektion Köln, der Beklagten des Ausgangsverfahrens, über die Tarifierung der genannten Erzeugnisse.

3 Aus den Akten geht hervor, daß die fraglichen Warenzusammenstellungen, die in gemeinschaftlichen Umschließungen für den Einzelverkauf aufgemacht sind, zur Verwendung als Immunoassay in der Diagnostik, also zum Nachweis und zur Bestimmung gewisser Stoffe in Humanserum und -plasma, bestimmt sind.

4 Da die Oberfinanzdirektion der Ansicht war, daß der Bestandteil, der der fraglichen Zusammenstellung ihren wesentlichen Charakter im Sinne der Nummer 3b der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87) verleiht, das darin enthaltene monoklonale diagnostische Reagens sei, wies sie in ihren Zolltarifauskünften vom Mai und Juni 1989 die fragliche Zusammenstellung ° angesichts der Beschaffenheit dieses Reagens ° als ein den Toxinen ähnliches Erzeugnis der Unterposition 3002 90 90, "andere", zu.

5 Abbott erhob Klage auf Aufhebung dieser Tarifauskünfte mit der Begründung, die Ware sei der Unterposition 3002 10 10, "Antisera", zuzuweisen.

6 Der Bundesfinanzhof, der über den Rechtsstreit im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, hält eine Entscheidung des Gerichtshofes über die Auslegung der Tarifbestimmungen für erforderlich, nach denen sich die Einreihung der fraglichen Erzeugnisse richtet. Er hat daher folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist der Gemeinsame Zolltarif ° Kombinierte Nomenklatur ° dahin auszulegen, daß Warenzusammenstellungen ("Test-Kits") mit einem monoklonalen diagnostischen Reagens ° Antikörper ° als Hauptbestandteil, wie in den Gründen beschrieben, in Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 3b als "ähnliche Erzeugnisse" im Sinne von Unterposition 3002 90 90 anzusehen sind?

2) Falls Frage 1 verneint wird: Ergibt die zolltarifliche Auslegung, daß die betreffenden Erzeugnisse als Antisera in die Unterposition 3002 10 10 einzureihen sind?

3) Falls auch Frage 2 verneint wird: Welcher anderen Unterteilung von Position 3002 oder welcher anderen Position des Zolltarifs (etwa 3822) sind die vorstehend bezeichneten Erzeugnisse zuzuweisen?

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Bericht des Berichterstatters verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Es steht fest, daß der Bestandteil, der den wesentlichen Charakter der fraglichen Zusammenstellungen bestimmt, das erwähnte monoklonale diagnostische Reagens ist und daß es sich dabei um ein Erzeugnis handelt, das unter die Tarifposition 3002 fällt; diese lautet wie folgt:

"3002 Menschliches Blut; tierisches Blut zu therapeutischen, prophylaktischen oder diagnostischen Zwecken zubereitet; Antisera und andere Blutfraktionen; Vaccine, Toxine, Kulturen von Mikroorganismen (ausgenommen Hefen) und ähnliche Erzeugnisse"

9 Bezueglich der Einreihung des fraglichen Erzeugnisses in eine der Unterpositionen der Position 3002 ist darauf hinzuweisen, daß die Unterposition 3002 90 90 als Auffangunterposition dann in Betracht kommt, wenn das Erzeugnis in keine andere Unterposition eingereiht werden kann.

10 Insoweit ergibt sich aus den Akten, daß das monoklonale diagnostische Reagens, das den in Rede stehenden Zusammenstellungen ihren wesentlichen Charakter verleiht, ein monoklonaler Antikörper ist. Die monoklonalen Antikörper werden von den B-Lymphozyten produziert. Die Herstellung der betreffenden Zusammenstellungen, die für immunologische Tests verwendet werden, beginnt mit der Entnahme einer Stammzelle des Typs B-Lymphozyt aus dem Plasma der Milz eines immunisierten Spendertiers, im vorliegenden Fall einer Maus.

11 Der so entnommene Lymphozyt, der den gewünschten monoklonalen Antikörper produziert, wird dann mit einer Krebszelle verschmolzen, die die Eigenschaft besitzt, sich unbegrenzt zu vermehren. Die aus der Verschmelzung hervorgegangene neue Zelle, ein Hybridom, wird anschließend in einem für ihre Vermehrung günstigen Milieu gezuechtet. Der von dem entnommenen Lymphozyten produzierte monoklonale Antikörper wird somit aufgrund der genannten Eigenschaft der Krebszelle vermehrt gebildet.

12 Weiter ist festzustellen, daß die B-Lymphozyten, die auch Blutlymphozyten genannt werden, Blutfraktionen sind. Die monoklonalen Antikörper, die im Blut von den B-Lymphozyten abgesonderte Immunglobuline sind, sind folglich selbst Blutfraktionen und fallen deshalb unter die Unterposition 3002 10, "Antisera und andere Blutfraktionen".

13 Daraus folgt, daß die monoklonalen Antikörper, die in den Labors im Hinblick auf die Zusammensetzung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zusammenstellungen mit der Hybridomatechnik gewonnen werden, ebenfalls Immunglobuline sind, da sie den im Blut von den B-Lymphozyten abgesonderten monoklonalen Antikörpern entsprechen, und daher als Blutfraktionen im Sinne der Unterposition 3002 10 anzusehen sind.

14 Bezueglich der Einreihung der fraglichen Erzeugnisse in eine der Unterteilungen dieser Unterposition ist darauf hinzuweisen, daß die betreffenden monoklonalen Antikörper keine "Antisera" im Sinne der Unterposition 3002 10 10 darstellen. Sie sind nämlich keine "fluessigen Blutfraktionen, die sich beim Gerinnen abscheiden", wie die Seren in den Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens zur Tarifposition 3002 definiert werden.

15 Die fraglichen Erzeugnisse sind daher als "andere Blutfraktionen" im Sinne des zweiten Teils der Unterposition 3002 10 anzusehen. Hinsichtlich ihrer Einreihung in eine der für diesen Begriff vorgesehenen Unterteilungen ist, wie die Kommission geltend macht, festzustellen, daß die betreffenden Antikörper, da es sich um Immunglobuline handelt, entweder als Blutglobuline oder als Serumglobuline im Sinne der Unterteilung 3002 10 91 zu betrachten sind, ohne daß es für die Antwort, die dem vorlegenden Gericht im Hinblick auf die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zu geben ist, erforderlich wäre, eine spezielle Auswahl zwischen diesen beiden Kategorien zu treffen.

16 Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß der Gemeinsame Zolltarif dahin auszulegen ist, daß Warenzusammenstellungen mit einem monoklonalen diagnostischen Reagens (Antikörper) als Hauptbestandteil in die Unterposition 3002 10 91 einzureihen sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

17 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluß vom 12. Juni 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Der Gemeinsame Zolltarif ist dahin auszulegen, daß Warenzusammenstellungen mit einem monoklonalen diagnostischen Reagens (Antikörper) als Hauptbestandteil in die Unterposition 3002 10 91 einzureihen sind.

Ende der Entscheidung

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