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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: C-193/05
Rechtsgebiete: Richtlinie 98/5/EG


Vorschriften:

Richtlinie 98/5/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)

19. September 2006

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Niederlassungsfreiheit - Richtlinie 98/5/EG - Ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde - Voraussetzungen für die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaats - Vorherige Überprüfung der Kenntnis der Sprachen des Aufnahmemitgliedstaats - Verbot, Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften auszuüben - Verpflichtung zur jährlichen Vorlage einer Bescheinigung der Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsmitgliedstaats"

Parteien:

In der Rechtssache C-193/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 29. April 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Maidani und A. Bordes als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch S. Schreiner als Bevollmächtigten im Beistand von L. Dupong, avocat,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans und A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet, R. Schintgen, K. Lenaerts (Berichterstatter), E. Juhász, E. Levits, A. Ó Caoimh und L. Bay Larsen,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: K. Sztranc-Slawiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2006,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. Mai 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. L 77, S. 36), verstoßen hat, dass es gegenüber den Rechtsanwälten, die ihre Berufsqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben und sich im luxemburgischen Hoheitsgebiet unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung niederlassen möchten, Erfordernisse in Bezug auf die Sprachkenntnisse, ein Verbot der Ausübung der Tätigkeit eines Domizilhalters (domiciliataire) von Gesellschaften und die Verpflichtung zur jährlichen Vorlage einer Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsmitgliedstaats beibehalten hat.

Rechtlicher Rahmen

Die Richtlinie 98/5

2 Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 98/5 lautet:

"Jeder Rechtsanwalt hat das Recht, die in Artikel 5 genannten Anwaltstätigkeiten auf Dauer in jedem anderen Mitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben."

3 Artikel 3 der Richtlinie 98/5 trägt die Überschrift "Eintragung bei der zuständigen Stelle" und bestimmt:

"(1) Jeder Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, hat sich bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats eintragen zu lassen.

(2) Die zuständige Stelle des Aufnahmestaats nimmt die Eintragung des Rechtsanwalts anhand einer Bescheinigung über dessen Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats vor. Sie kann verlangen, dass diese von der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats erteilte Bescheinigung im Zeitpunkt ihrer Vorlage nicht älter als drei Monate ist. Sie setzt die zuständige Stelle des Herkunftsstaats von der Eintragung in Kenntnis.

..."

4 Artikel 5 der Richtlinie 98/5 trägt die Überschrift "Tätigkeitsfeld" und lautet:

"(1) Vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 übt der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwalt die gleichen beruflichen Tätigkeiten wie der unter der jeweiligen Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats niedergelassene Rechtsanwalt aus und kann insbesondere Rechtsberatung im Recht seines Herkunftsstaats, im Gemeinschaftsrecht, im internationalen Recht und im Recht des Aufnahmestaats erteilen. Er hat in jedem Fall die vor den nationalen Gerichten geltenden Verfahrensvorschriften einzuhalten.

(2) Mitgliedstaaten, die in ihrem Gebiet einer bestimmten Gruppe von Rechtsanwälten die Abfassung von Urkunden gestatten, mit denen das Recht auf Verwaltung des Vermögens verstorbener Personen verliehen oder Rechte an Grundstücken begründet oder übertragen werden und die in anderen Mitgliedstaaten anderen Berufen als dem des Rechtsanwalts vorbehalten sind, können den unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätigen Rechtsanwalt aus einem dieser anderen Mitgliedstaaten von diesen Tätigkeiten ausschließen.

(3) Für die Ausübung der Tätigkeiten, die mit der Vertretung und der Verteidigung von Mandanten vor Gerichten verbunden sind, kann der Aufnahmestaat, soweit er diese Tätigkeiten den unter der Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats tätigen Rechtsanwälten vorbehält, den unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätigen Rechtsanwälten als Bedingung auferlegen, dass sie im Einvernehmen mit einem bei dem angerufenen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt, der gegebenenfalls diesem Gericht gegenüber die Verantwortung trägt, oder mit einem bei diesem Gericht tätigen 'avoué' handeln.

Um das ordnungsgemäße Funktionieren der Rechtspflege sicherzustellen, können die Mitgliedstaaten jedoch besondere Regeln für den Zugang zu den höchsten Gerichten vorsehen und zum Beispiel nur spezialisierte Rechtsanwälte zulassen."

5 Artikel 7 der Richtlinie 98/5 trägt die Überschrift "Disziplinarverfahren" und bestimmt in seinem Absatz 2:

"Vor Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätigen Rechtsanwalt setzt die zuständige Stelle des Aufnahmestaats unverzüglich die zuständige Stelle des Herkunftsstaats unter Angabe aller zweckdienlichen Einzelheiten davon in Kenntnis.

Unterabsatz 1 gilt entsprechend, wenn die zuständige Stelle des Herkunftsstaats ein Disziplinarverfahren einleitet; diese setzt die zuständige Stelle des oder der Aufnahmestaaten davon in Kenntnis."

6 Artikel 10 der Richtlinie 98/5 trägt die Überschrift "Gleichstellung mit den Rechtsanwälten des Aufnahmestaats" und enthält folgende Bestimmungen:

"(1) Der Rechtsanwalt, der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig ist und eine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit im Aufnahmestaat im Recht dieses Mitgliedstaats, einschließlich des Gemeinschaftsrechts, nachweist, wird für den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmestaat von den in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/48/EWG [des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen] vorgesehenen Voraussetzungen freigestellt. Unter 'effektiver und regelmäßiger Tätigkeit' ist die tatsächliche Ausübung des Berufs ohne Unterbrechung zu verstehen; Unterbrechungen aufgrund von Ereignissen des täglichen Lebens bleiben außer Betracht.

...

(3) Der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwalt, der den Nachweis einer mindestens dreijährigen effektiven und regelmäßigen Tätigkeit im Aufnahmestaat erbringt, im Recht des Aufnahmestaats jedoch nur während eines kürzeren Zeitraums tätig war, kann bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats die Zulassung zum Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmestaat und das Recht erlangen, diesen unter der entsprechenden Berufsbezeichnung dieses Mitgliedstaats auszuüben, ohne dass die Voraussetzungen der Richtlinie 89/48... Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b auf ihn Anwendung finden. Dafür gilt Folgendes:

a) Die zuständige Stelle des Aufnahmestaats berücksichtigt die effektive und regelmäßige Tätigkeit während des genannten Zeitraums sowie sämtliche Kenntnisse und Berufserfahrungen im Recht des Aufnahmestaats, ferner die Teilnahme an Kursen und Seminaren über das Recht des Aufnahmestaats einschließlich des Berufs- und Standesrechts.

..."

7 Artikel 13 der Richtlinie 98/5 trägt die Überschrift "Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Stellen des Aufnahme- und des Herkunftsstaats und Vertraulichkeit" und bestimmt in seinem Absatz 1:

"Die zuständige Stelle des Aufnahmestaats und die zuständige Stelle des Herkunftsstaats arbeiten eng zusammen und leisten einander Amtshilfe, um die Anwendung dieser Richtlinie zu erleichtern und zu vermeiden, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie gegebenenfalls zwecks Umgehung der im Aufnahmestaat geltenden Regeln missbräuchlich angewendet werden."

Nationales Recht

8 Die Ausübung des Anwaltsberufs und die Tätigkeit der Domizilierung von Gesellschaften werden in Luxemburg durch das Gesetz vom 10. August 1991 über den Beruf des Rechtsanwalts (Memorial A 1991, S. 1110, im Folgenden: Gesetz vom 10. August 1991) und das Gesetz vom 31. Mai 1999 über die Domizilierung von Gesellschaften (Memorial A 1999, S. 1681, im Folgenden: Gesetz vom 31. Mai 1999) geregelt.

9 Diese Gesetze wurden durch das Gesetz vom 13. November 2002 über die Umsetzung der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, sowie zur Änderung 1. des Gesetzes vom 10. August 1991 über den Beruf des Rechtsanwalts in seiner geänderten Fassung und 2. des Gesetzes vom 31. Mai 1999 über die Domizilierung von Gesellschaften (Memorial A 2002, S. 3202, im Folgenden: Gesetz vom 13. November 2002) geändert.

10 Artikel 5 des Gesetzes vom 10. August 1991 lautet:

"Niemand kann den Beruf des Rechtsanwalts ausüben, wenn er nicht in das Anwaltsverzeichnis einer Rechtsanwaltskammer mit Sitz im Großherzogtum Luxemburg eingetragen worden ist."

11 Artikel 6 des Gesetzes vom 10. August 1991 bestimmt:

"(1) In ein Anwaltsverzeichnis kann nur eingetragen werden, wer

a) die erforderliche Garantie für seine Ehrenhaftigkeit bietet;

b) nachweist, dass er die Voraussetzungen für die Zulassung zum Praktikum (stage) erfüllt;

ausnahmsweise kann der Kammervorstand Bewerber, die ihr Berufspraktikum in ihrem Herkunftsstaat abgeleistet haben und eine Berufspraxis von mindestens fünf Jahren nachweisen können, von bestimmten Voraussetzungen für die Zulassung zum Praktikum befreien;

c) die luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzt oder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaften ist. Für Bewerber, die Staatsangehörige eines nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörenden Staates sind, kann der Kammervorstand nach Einholung einer Stellungnahme des Justizministers eine Befreiung von dieser Voraussetzung erteilen, wenn ihm der Nachweis der Gegenseitigkeit seitens dieses Staates erbracht wird. Gleiches gilt für Bewerber, die den Status eines politischen Flüchtlings haben und denen im Großherzogtum Luxemburg Asyl gewährt wird.

(2) Vor ihrer Eintragung in das Anwaltsverzeichnis leisten die Rechtsanwaltskandidaten nach Vorstellung durch den Kammerpräsidenten (Bâtonnier de l'ordre) oder dessen Vertreter vor der Cour de cassation folgenden Eid: 'Je jure fidélité au Grand-Duc, obéissance à la Constitution et aux lois de l'État; de ne pas m'écarter du respect dû aux tribunaux; de ne conseiller ou défendre aucune cause que je ne croirais pas juste en mon âme et conscience.' (Dem Großherzog schwöre ich Treue, der Verfassung und den Gesetzen des Staates Gehorsam; ich schwöre, den Gerichten den ihnen gebührenden Respekt zu zollen und in keiner Sache zu beraten oder Rechte zu vertreten, die ich nicht nach bestem Wissen und Gewissen für gerecht halte.)"

12 Diese Eintragungsvoraussetzungen wurden durch Artikel 14 des Gesetzes vom 13. November 2002 geändert. Mit diesem Artikel wurde insbesondere in Artikel 6 Absatz 1 des Gesetzes vom 10. August 1991 unter Buchstabe d die Eintragungsvoraussetzung hinzugefügt, dass "die Sprache der Rechtsvorschriften sowie die Verwaltungs- und Gerichtssprachen im Sinne des Gesetzes vom 24. Februar 1984 über die Sprachenregelung beherrscht" werden.

13 Die Sprache der Rechtsvorschriften wird durch Artikel 2 des Gesetzes vom 24. Februar 1984 über die Sprachenregelung (Memorial A 1984, S. 196) wie folgt geregelt:

"Die Rechtsakte des Gesetzgebers und ihre Durchführungsverordnungen werden auf Französisch verfasst. Wird ihnen eine Übersetzung beigegeben, ist allein der französische Text maßgebend.

Falls im vorstehenden Absatz nicht genannte Verordnungen durch ein staatliches Organ, Gemeinden oder öffentliche Einrichtungen in einer anderen Sprache als Französisch verfasst werden, so ist allein der Wortlaut in der von dieser Stelle verwandten Sprache maßgebend.

Der vorliegende Artikel lässt die auf dem Gebiet der internationalen Übereinkünfte geltenden Bestimmungen unberührt."

14 Für die Verwaltungs- und Gerichtssprachen gilt nach Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Februar 1984 über die Sprachenregelung:

"In streitigen oder nichtstreitigen Verwaltungsangelegenheiten und vor Gericht kann man sich vorbehaltlich spezieller Regelungen für bestimmte Sachgebiete der französischen, der deutschen oder der luxemburgischen Sprache bedienen."

15 Nach Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes vom 13. November 2002 muss ein Rechtsanwalt, der seine Qualifikation in einem anderen Mitgliedstaat als dem Großherzogtum Luxemburg erworben hat (im Folgenden: europäischer Rechtsanwalt), im Anwaltsverzeichnis einer der Rechtsanwaltskammern des Großherzogtums Luxemburg eingetragen sein, um dort unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig sein zu können.

16 Artikel 3 Absatz 2 dieses Gesetzes bestimmt:

"Im Anschluss an ein Gespräch, in dem der Vorstand derjenigen Rechtsanwaltskammer des Großherzogtums Luxemburg, die mit dem Antrag des europäischen Rechtsanwalts auf Ausübung anwaltlicher Tätigkeiten unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung befasst worden ist, überprüft, ob der europäische Rechtsanwalt mindestens die Sprachen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d des Gesetzes vom 10. August 1991 beherrscht, sowie unter Berücksichtigung der Vorlage der in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, c Satz 1 und d des Gesetzes vom 10. August 1991 bezeichneten Unterlagen und der Bescheinigung über die Eintragung des betreffenden europäischen Rechtsanwalts bei der zuständigen Stelle des Herkunftsmitgliedstaats trägt der Kammervorstand den europäischen Rechtsanwalt in das Verzeichnis der dieser Rechtsanwaltskammer angehörenden Rechtsanwälte ein. Die genannte Bescheinigung des Herkunftsmitgliedstaats ist jedes Jahr im Januar erneut vorzulegen und darf nicht älter als drei Monate sein.

..."

17 In seiner ursprünglichen Fassung sah Artikel 1 Absatz 1 des Gesetzes vom 31. Mai 1999 vor:

"Wenn eine Gesellschaft bei einem Dritten einen Sitz begründet, um dort einer im Rahmen ihres Gesellschaftszwecks liegenden Tätigkeit nachzugehen, und dieser Dritte Dienstleistungen gleich welcher Art im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit erbringt, haben die Gesellschaft und der 'domiciliataire' (Domizilhalter) genannte Dritte schriftlich eine Domizilierungsvereinbarung zu schließen.

Nur ein eingetragenes und im Großherzogtum Luxemburg niedergelassenes Mitglied der nachfolgend genannten reglementierten Berufe kann Domizilhalter sein: ein Kreditinstitut oder ein anderer im Finanz- und Versicherungssektor selbständig Tätiger; ein Rechtsanwalt, ein Wirtschaftsprüfer; ein Buchsachverständiger."

18 Unterabsatz 2 dieser Vorschrift wurde wie folgt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 13. November 2002 geändert:

"Nur ein eingetragenes und im Großherzogtum Luxemburg niedergelassenes Mitglied der nachfolgend genannten reglementierten Berufe kann Domizilhalter sein: ein Kreditinstitut oder ein anderer im Finanz- und Versicherungssektor selbständig Tätiger; ein in Liste I des in Artikel 8 Absatz 3 des geänderten Gesetzes vom 10. August 1991 ... genannten Anwaltsverzeichnisses eingetragener bei der Cour zugelassener Rechtsanwalt; ein Wirtschaftsprüfer; ein Buchsachverständiger."

19 Nach Artikel 8 Absatz 3 des Gesetzes vom 10. August 1991 in der Fassung von Artikel 14 Punkt V des Gesetzes vom 13. November 2002 umfasst das Anwaltsverzeichnis jeder Rechtsanwaltskammer vier Listen, nämlich:

"1. die Liste I der Anwälte, die die Voraussetzungen der Artikel 5 und 6 erfüllen und die die im Gesetz vorgesehene Prüfung am Ende des Praktikums bestanden haben;

2. die Liste II der Anwälte, die die Voraussetzungen der Artikel 5 und 6 erfüllen;

3. die Liste III der Ehrenanwälte;

4. die Liste IV der Anwälte, die die Tätigkeit unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung ausüben".

Vorverfahren

20 Im Jahr 2003 ging bei der Kommission eine Beschwerde ein, wonach für die ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs durch europäische Rechtsanwälte unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung im Großherzog Luxemburg Hindernisse bestehen. Die angezeigten Hindernisse bestanden erstens darin, dass das Gesetz vom 13. November 2002 die Eintragung europäischer Rechtsanwälte in das Anwaltsverzeichnis einer der Rechtsanwaltskammern in Luxemburg von einer Überprüfung der Sprachkenntnisse abhängig macht, zweitens darin, dass dieses Gesetz die Fortdauer dieser Eintragung davon abhängig macht, dass jährlich eine Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats vorgelegt wird, und drittens darin, dass es europäischen Rechtsanwälten verboten ist, in Luxemburg Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften auszuüben.

21 Am 17. Oktober 2003 sandte die Kommission dem Großherzogtum Luxemburg ein Mahnschreiben und forderte es auf, hierauf innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu antworten. Die luxemburgische Regierung antwortete mit Schreiben vom 23. Dezember 2003.

22 Am 9. Juli 2004 richtete die Kommission gemäß Artikel 226 EG eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Großherzogtum Luxemburg, in der sie diesem eine Frist von ebenfalls zwei Monaten setzte, um der Stellungnahme nachzukommen. Das Großherzogtum Luxemburg beantwortete die mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 23. September 2004.

23 Da die Kommission die Erklärungen des Großherzogtums Luxemburg zur Beantwortung dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme für nicht ausreichend hält, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Zur ersten Rüge, die die vorherige Überprüfung der Sprachkenntnisse betrifft

Vorbringen der Parteien

24 Die Kommission macht geltend, dass nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 98/5 die Eintragung eines europäischen Rechtsanwalts bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats nur von administrativen Formalitäten abhängig gemacht werden könne und nicht, wie es außerdem Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes vom 13. November 2002 vorsehe, von einer vorherigen Überprüfung der Sprachkenntnisse des Betreffenden.

25 Hierzu verweist sie auf das Urteil vom 7. November 2000 in der Rechtssache C-168/98 (Luxemburg/Parlament und Rat, Slg. 2000, I-9131) und insbesondere auf die Randnummer 43 dieses Urteils.

26 Die Kommission trägt weiter vor, dass die Eintragung der europäischen Rechtsanwälte, die unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig sein möchten, nicht den gleichen, insbesondere sprachlichen, Voraussetzungen unterworfen sein könne wie die Eintragung der Rechtsanwälte, die unter der Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats tätig sein wollten.

27 Schließlich betont sie, dass es unter Berücksichtigung der Art der Fälle, die im Allgemeinen von europäischen Rechtsanwälten betreut würden, nicht unerlässlich sei, dass diese die Sprachen des Aufnahmestaats beherrschten.

28 Das Großherzogtum Luxemburg macht zunächst geltend, dass das Erfordernis von Sprachkenntnissen ohne Unterschied für jeden Rechtsanwalt gelte, der sich bei einer der Rechtsanwaltskammern im luxemburgischen Hoheitsgebiet eintragen lassen wolle. Ein Rechtsanwalt könne nicht unter Berufung darauf, dass er Ausländer sei, für sich beanspruchen, sich gegenüber der luxemburgischen Verwaltung oder einem luxemburgischen Richter in einer anderen Sprache als den in Luxemburg geltenden Verwaltungs- und Gerichtssprachen auszudrücken.

29 Sodann macht der genannte Mitgliedstaat unter Hinweis auf das sich auf den Beruf des Zahnarzts beziehende Urteil vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-424/97 (Haim, Slg. 2000, I-5123) geltend, dass die in diesem Urteil vorgebrachten Gründe, die aus der erforderlichen Zuverlässigkeit der Verständigung mit den Kunden sowie den Verwaltungsbehörden und den berufsständischen Organisationen des Aufnahmestaats hergeleitet worden seien, dafür sprächen, dass man von europäischen Rechtsanwälten Sprachkenntnisse verlangen könne.

30 Insoweit führt die luxemburgische Regierung aus, dass es, da der europäische Rechtsanwalt berechtigt sei, Rechtsberatung im luxemburgischen Recht zu erteilen, gerechtfertigt sei, von ihm zu verlangen, dass er die Sprachen beherrsche, die es ihm erlaubten, die entsprechenden Rechtstexte zu lesen und zu verstehen.

31 In Strafsachen würden die Polizeiprotokolle über Verkehrsunfälle im Allgemeinen auf Deutsch verfasst. Ebenso verhalte es sich mit den in Luxemburg geltenden Steuergesetzen, was bedeute, dass eine in deutscher Sprache verfasste Rechtsprechung und deutschsprachige Kommentare konsultiert werden müssten.

32 Die luxemburgische Regierung unterstreicht außerdem, dass vor den Untergerichten, wo die Hinzuziehung eines bei der Cour zugelassenen Anwalts nicht verpflichtend sei, im Allgemeinen von der persönlich zur Wahrnehmung ihrer Verteidigung erschienenen luxemburgischen Partei die luxemburgische Sprache gebraucht werde und dass eine beträchtliche Anzahl luxemburgischer Staatsangehöriger sich ausschließlich in ihrer Muttersprache ausdrücke, wenn sie einen Rechtsanwalt konsultierten.

33 Die Regierung macht auch noch darauf aufmerksam, dass die in Luxemburg geltenden Berufs- und Standesregeln auf Französisch verfasst seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

34 Wie sich aus der sechsten Begründungserwägung der Richtlinie 98/5 ergibt, wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber mit dieser Richtlinie insbesondere die Unterschiedlichkeit der nationalen Vorschriften über die Voraussetzungen der Eintragung bei den zuständigen Stellen beenden, die den Ungleichheiten und Hindernissen für die Freizügigkeit zugrunde lagen (vgl. in diesem Sinne auch Urteil Luxemburg/Parlament und Rat, Randnr. 64).

35 In diesem Zusammenhang sieht Artikel 3 der Richtlinie 98/5 vor, dass der Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, sich bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats eintragen zu lassen hat, die diese Eintragung "anhand einer Bescheinigung über [die] Eintragung [des betreffenden Anwalts] bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats" vorzunehmen hat.

36 In Anbetracht des Zieles der Richtlinie 98/5, auf das in Randnummer 34 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, ist anzunehmen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in Artikel 3 dieser Richtlinie eine vollständige Harmonisierung der Voraussetzungen für die Ausübung des mit dieser Richtlinie verliehenen Rechts vorgenommen hat.

37 Dass der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats eine Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats vorgelegt wird, ist somit offenbar die einzige Voraussetzung für die Eintragung des Betreffenden im Aufnahmestaat, die es ihm ermöglicht, dort unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig zu sein.

38 Dies wird durch die Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (KOM[94] 572 endg.), bestätigt, wo im Kommentar zu Artikel 3 ausgeführt wird: "Die Eintragung [bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats] erfolgt von Rechts wegen, wenn der Antragsteller die Bescheinigung über seine Eintragung bei der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates vorlegt."

39 Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber, um einer bestimmten Kategorie zuwandernder Rechtsanwälte die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, einer Grundfreiheit, zu erleichtern, davon abgesehen, einem System der Vorabkontrolle der Kenntnisse der Betroffenen den Vorzug zu geben (vgl. Urteil Luxemburg/Parlament und Rat, Randnr. 43).

40 Die Richtlinie 98/5 lässt es somit nicht zu, dass die Eintragung eines europäischen Rechtsanwalts bei der zuständigen Stelle des Aufnahmestaats von einem Gespräch abhängig gemacht wird, das es der genannten Stelle zu bewerten ermöglichen soll, ob der Betreffende die Sprachen dieses Mitgliedstaats beherrscht.

41 Wie die Kommission betont hat, geht der Verzicht auf ein System der Vorabkontrolle der Kenntnisse, insbesondere der Sprachkenntnisse, des europäischen Rechtsanwalts jedoch in der Richtlinie 98/5 mit einer Reihe von Regeln einher, die darauf abzielen, auf einem in der Gemeinschaft akzeptablen Niveau den Schutz der Rechtsunterworfenen und eine geordnete Rechtspflege sicherzustellen (vgl. Urteil Luxemburg/Parlament und Rat, Randnrn. 32 und 33).

42 So zielt die den europäischen Rechtsanwälten durch Artikel 4 der Richtlinie 98/5 auferlegte Verpflichtung, ihre Anwaltstätigkeit in diesem Mitgliedstaat unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben, nach der neunten Begründungserwägung dieser Richtlinie darauf ab, eine Unterscheidung dieser Rechtsanwälte von den Rechtsanwälten, die in den Berufsstand des genannten Mitgliedstaat integriert sind, zu ermöglichen, damit der Rechtsunterworfene darüber informiert ist, dass der Anwalt, dem er die Wahrnehmung seiner Interessen anvertraut, seine Qualifikation nicht im Aufnahmestaat erworben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Luxemburg/Parlament und Rat, Randnr. 34) und nicht unbedingt über die Sprachkenntnisse verfügt, die für die Bearbeitung seines Falles angemessen sind.

43 Für die Ausübung der Tätigkeiten, die mit der Vertretung und der Verteidigung von Mandanten vor Gerichten verbunden sind, steht es dem Aufnahmestaat frei, den unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätigen europäischen Rechtsanwälten gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 98/5 als Bedingung aufzuerlegen, dass sie im Einvernehmen mit einem bei dem angerufenen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt, der gegebenenfalls diesem Gericht gegenüber die Verantwortung trägt, oder mit einem bei diesem Gericht tätigen "avoué" handeln. Diese Möglichkeit, von der das Großherzogtum Luxemburg für die Handlungen und Verfahren Gebrauch gemacht hat, die die Gesetze und Verordnungen dieses Mitgliedstaats, wie aus Artikel 5 Absatz 4 des Gesetzes vom 13. November 2002 hervorgeht, einem bei der Cour zugelassenen Rechtsanwalt vorbehalten, erlaubt es, eventuelle Unzulänglichkeiten des europäischen Rechtsanwalts bei der Beherrschung der Gerichtssprachen des Aufnahmestaats auszugleichen.

44 Gemäß den Artikeln 6 und 7 der Richtlinie 98/5 hat der europäische Rechtsanwalt nicht nur die Berufs- und Standesregeln des Herkunftsmitgliedstaats, sondern auch die des Aufnahmestaats zu beachten; im Fall eines Verstoßes drohen ihm disziplinarische Maßnahmen und die Inanspruchnahme aus seiner Berufshaftpflicht (vgl. Urteil Luxemburg/Parlament und Rat, Randnrn. 36 bis 41). Die für Rechtsanwälte geltenden Standesregeln enthalten meist wie die vom Rat der Anwaltschaften der Europäischen Union (CCBE) beschlossenen Standesregeln für den Anwalt eine disziplinarrechtlich abgesicherte Verpflichtung, keine Fälle zu bearbeiten, von denen er weiß oder wissen muss, dass er, z. B. mangels Sprachkenntnissen, nicht die erforderlichen Fähigkeiten besitzt (vgl. in diesem Sinne Urteil Luxemburg/Parlament und Rat, Randnr. 42). Der Kontakt zu den Mandanten, den Verwaltungsbehörden und berufsständischen Organisationen des Aufnahmestaats ist nämlich ebenso wie die Beachtung der von den Stellen des genannten Mitgliedstaats aufgestellten Standesregeln dazu angetan, vom europäischen Anwalt angemessene Sprachkenntnisse oder die Einschaltung eines Beistands, sollten diese Kenntnissen unzureichend sein, zu verlangen.

45 Mit der Kommission ist außerdem zu unterstreichen, dass eines der Ziele der Richtlinie 98/5, wie es in deren fünfter Begründungserwägung heißt, darin besteht, dass "dadurch, dass [den europäischen Anwälten] ermöglicht wird, ihren Beruf ständig unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung in einem Aufnahmestaat auszuüben, gleichzeitig den Erfordernissen der Rechtsuchenden entsprochen wird, die aufgrund des zunehmenden Geschäftsverkehrs insbesondere im Zuge der Verwirklichung des Binnenmarktes einer Beratung bei grenzübergreifenden Transaktionen bedürfen, bei denen das internationale Recht, das Gemeinschaftsrecht und nationale Rechtsordnungen häufig miteinander verschränkt sind." Solche internationalen Rechtssachen sowie Fälle, die unter das Recht eines anderen Mitgliedstaats als das des Aufnahmestaats fallen, erfordern möglicherweise eine weniger ausgeprägte Kenntnis der Sprachen des Aufnahmestaats, als dies bei der Bearbeitung von Rechtssachen der Fall ist, in denen das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar ist.

46 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Gleichstellung des europäischen Anwalts mit dem Anwalt des Aufnahmestaats, die die Richtlinie nach ihrer 14. Begründungserwägung erleichtern will, gemäß Artikel 10 dieser Richtlinie verlangt, dass der Betreffende eine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit im Recht dieses Mitgliedstaats nachweist oder bei kürzerer Dauer andere sich auf dieses Recht beziehende Kenntnisse, Fortbildung oder Berufserfahrung dartut. Eine solche Maßnahme ermöglicht es dem europäischen Anwalt, der sich in den Berufsstand des Aufnahmestaats integrieren möchte, sich mit der oder den Sprachen des genannten Mitgliedstaats vertraut zu machen.

47 Nach alledem ist festzustellen, dass die luxemburgische Regelung dadurch gegen Artikel 3 der Richtlinie 98/5 verstößt, dass sie die Eintragung eines europäischen Rechtsanwalts bei der zuständigen nationalen Stelle von einer vorherigen Überprüfung von Sprachkenntnissen abhängig macht.

48 Demnach ist die erste von der Kommission geltend gemachte Rüge begründet.

Zur zweiten Rüge, die das die europäischen Rechtsanwälte treffende Verbot betrifft, in Luxemburg Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften auszuüben

Vorbringen der Parteien

49 Die Kommission macht geltend, dass das die europäischen Rechtsanwälte treffende Verbot, Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften auszuüben, Artikel 5 der Richtlinie 98/5 zuwiderlaufe.

50 Sie fügt hinzu, dass der europäische Rechtsanwalt einem luxemburgischen Anwalt der Liste II des Anwaltsverzeichnisses nicht vergleichbar sei, dem derartige Tätigkeiten ebenfalls untersagt seien. Denn während die genannte Liste Rechtsanwälte betreffe, die zum Rechtsanwaltspraktikum zugelassen worden seien und deren endgültige Qualifikation vom Bestehen der Praktikumsabschlussprüfung abhänge, sei der europäische Rechtsanwalt ein vollständig qualifizierter Rechtsanwalt.

51 Die Kommission trägt außerdem vor, dass das Erfordernis der Kenntnis des innerstaatlichen luxemburgischen Rechts eine Beschränkung der Tätigkeiten des europäischen Anwalts nicht rechtfertigen könne.

52 Das Großherzogtum Luxemburg macht geltend, dass der luxemburgische Gesetzgeber in dem Bestreben, bestimmten dem Ruf des Luxemburger Marktes abträglichen Auswüchsen Einhalt zu gebieten, die mit Praktiken der fiktiven Domizilierung von Gesellschaften in Zusammenhang gestanden hätten, im Gesetz vom 31. Mai 1999 aus Gründen der öffentlichen Ordnung Tätigkeiten des Domizilhalters von Gesellschaften Fachleuten habe vorbehalten wollen, die mit den nationalen Rechtsvorschriften und den nationalen Praktiken auf diesem Gebiet vertraut seien.

53 Das Großherzogtum führt aus, dass der Domizilhalter nach dem Gesetz vom 31. Mai 1999 die Aufgabe habe, zu überprüfen, ob die bei ihm domizilierte Gesellschaft die rechtlichen Voraussetzungen für den Zugang zu den kaufmännischen Berufen sowie die nationalen Bestimmungen zur Einrichtung von Sozialkonten und zur Einberufung der Generalversammlung beachte, und dass die Ausübung von Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften eine berufliche Erfahrung und eine gute Kenntnis des Gesellschaftsrechts voraussetze, was den luxemburgischen Gesetzgeber dazu veranlasst habe, von dieser Tätigkeit die in Liste II des Anwaltsverzeichnisses eingetragenen 'avocats stagiaires' (Rechtsanwaltsanwärter) und die europäischen Rechtsanwälte auszunehmen.

54 Die luxemburgische Regierung macht außerdem geltend, dass die in ihrem Herkunftsstaat vollständig qualifizierten Anwälte, solange sie ihren Beruf unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung ausübten, denen des Aufnahmestaats nicht gleichgestellt seien, dass es ihnen aber gemäß der Richtlinie 98/5 möglich sei, sich nach einem für die Aneignung einer Berufserfahrung in diesem Mitgliedstaat als erforderlich erachteten Zeitraum und unter den in Artikel 10 der Richtlinie 98/5 vorgesehenen Voraussetzungen in den Berufsstand des Aufnahmestaats einzugliedern.

Würdigung durch den Gerichtshof

55 Wie aus der sechsten Begründungserwägung der Richtlinie 98/5 hervorgeht, besteht eines von deren Zielen darin, die Bedingungen, unter denen unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwälte ihren Beruf ausüben dürfen, insbesondere hinsichtlich ihres Tätigkeitsfelds festzulegen, und zwar um zum einen die Unterschiede zwischen den innerstaatlichen Situationen auf diesem Gebiet sowie die Ungleichheiten und die hieraus resultierenden Hindernisse für die Freizügigkeit zu beseitigen und zum anderen in allen Mitgliedstaaten den Rechtsanwälten und den Rechtsuchenden die gleichen Möglichkeiten zu bieten.

56 Hierzu stellt die Richtlinie 98/5 in ihren Artikeln 2 und 5 den Grundsatz auf, dass der europäische Rechtsanwalt vorbehaltlich der in Artikel 5 Absätze 2 und 3 vorgesehenen Ausnahmen den gleichen beruflichen Tätigkeiten nachgehen darf wie der unter der Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats praktizierende Rechtsanwalt.

57 Unter diesen Umständen sind die Mitgliedstaaten, wie die Kommission vorgetragen hat, nicht berechtigt, in ihrem nationalen Recht andere Ausnahmen von diesem Grundsatz vorzusehen, als ausdrücklich und abschließend in Artikel 5 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 98/5 aufgeführt sind.

58 Es steht fest, dass die Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften weder unter die in Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 98/5 noch unter die in Artikel 5 Absatz 3 genannte Ausnahme fallen können.

59 Was das von der luxemburgischen Regierung genannte Risiko von Auswüchsen betrifft, so kann dergleichen nicht zur Rechtfertigung der Einführung oder der Beibehaltung von nationalen Bestimmungen angeführt werden, die den Grundsatz beeinträchtigen, der in Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 98/5 aufgestellt wird und dessen Ausnahmen Gegenstand harmonisierter Regeln in Artikel 5 Absätze 2 und 3 sind (vgl. analog Urteil vom 25. Februar 2003 in der Rechtssache C-59/01, Kommission/Italien, Slg. 2003, I-1759, Randnr. 38).

60 Im Übrigen ist zu betonen, dass die Richtlinie 98/5 insbesondere eine Kumulierung der vom europäischen Rechtsanwalt zu beachtenden Berufs- und Standesregeln, eine Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung oder den Beitritt zu einer Berufsgarantiekasse und eine die zuständigen Stellen des Herkunftsstaats und des Aufnahmestaats einbeziehende Disziplinarregelung vorsieht (vgl. in diesem Sinne das oben angeführte Urteil Luxemburg/Parlament und Rat, Randnr. 43).

61 Nach alledem ist festzustellen, dass die luxemburgische Regelung dadurch gegen Artikel 5 der Richtlinie 98/5 verstößt, dass sie den europäischen Rechtsanwälten untersagt, Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften in Luxemburg auszuüben.

62 Demnach ist die zweite von der Kommission geltend gemachte Rüge begründet.

Zur dritten Rüge, die die Verpflichtung betrifft, jährlich eine Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle im Herkunftsstaat vorzulegen

Vorbringen der Parteien

63 Die Kommission trägt vor, dass dieses Erfordernis im Gesetz vom 13. November 2002 weiterhin vorgesehen sei, obwohl das Großherzogtum Luxemburg in seiner Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme angegeben habe, dass es die in dieser Stellungnahme dargelegte Argumentation, wonach das fragliche Erfordernis im Hinblick auf die Bestimmungen der Richtlinie 98/5 eine ungerechtfertigte administrative Belastung sei, zur Kenntnis genommen habe.

64 Das Großherzogtum Luxemburg beschränkt sich darauf, insoweit auf die genannte Antwort zu verweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

65 In ihrer Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und im Verfahren vor dem Gerichtshof hat die luxemburgische Regierung nichts vorgetragen, was die Stichhaltigkeit dieser dritten Rüge in Frage stellen könnte.

66 In ihrem Schreiben vom 23. Dezember 2003 zur Beantwortung des Mahnschreibens der Kommission vom 17. Oktober 2003 hatte sie geltend gemacht, dass die angefochtene Maßnahme erforderlich sei, um zu überprüfen, dass der europäische Rechtsanwalt ständig die Voraussetzung der Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats beachte.

67 Wie die Kommission im Lauf des Vorverfahrens betont hat, sieht die Richtlinie 98/5 zum einen in Artikel 7 Absatz 2 vor, dass die zuständige Stelle des Herkunftsstaats die zuständige Stelle des oder der Aufnahmestaaten in Kenntnis setzt, wenn ein Disziplinarverfahren gegen den außerhalb des erstgenannten Mitgliedstaats unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätigen Rechtsanwalt eingeleitet wird.

68 Zum anderen verpflichtet Artikel 13 der Richtlinie 98/5 die zuständigen Stellen des Herkunftsstaats und des Aufnahmestaats zu enger Zusammenarbeit und zu gegenseitiger Amtshilfe.

69 Derartige Maßnahmen ermöglichen es der Stelle des Aufnahmestaats, sich zu vergewissern, dass der europäische Rechtsanwalt die Voraussetzung der Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats ständig einhält.

70 Die durch die luxemburgische Regelung auferlegte Formalität ist daher offenkundig im Verhältnis zum angestrebten Ziel eine unverhältnismäßige administrative Maßnahme und daher im Hinblick auf die Richtlinie 98/5 ungerechtfertigt.

71 Nach alledem ist festzustellen, dass die luxemburgische Regelung gegen die Richtlinie 98/5 verstößt, indem sie dem europäischen Rechtsanwalt die Verpflichtung auferlegt, jährlich eine Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle seines Herkunftsstaats vorzulegen.

72 Demnach ist die dritte von der Kommission geltend gemachte Rüge begründet.

73 Aufgrund aller vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 98/5 verstoßen hat, dass es die Eintragung bei der zuständigen nationalen Stelle von europäischen Rechtsanwälten, die unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung in Luxemburg tätig sein möchten, von einer vorherigen Überprüfung von Sprachkenntnissen abhängig gemacht hat, dass es diesen Anwälten die Ausübung von Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften untersagt hat und dass es sie dazu verpflichtet hat, jährlich eine Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle ihres Herkunftsstaats vorzulegen.

Kostenentscheidung:

Kosten

74 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Großherzogtum Luxemburg mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, verstoßen, dass es die Eintragung bei der zuständigen nationalen Stelle von Rechtsanwälten, die ihre berufliche Qualifikation in einem anderen Mitgliedstaat als dem Großherzogtum Luxemburg erworben haben und unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung in diesem Mitgliedstaat tätig sein möchten, von einer vorherigen Überprüfung von Sprachkenntnissen abhängig gemacht hat, dass es diesen Anwälten die Ausübung von Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften untersagt hat und dass es sie dazu verpflichtet hat, jährlich eine Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle ihres Herkunftsstaats vorzulegen.

2. Das Großherzogtum Luxemburg trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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