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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.05.2005
Aktenzeichen: C-20/03
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 28
EG Art. 39
EG Art. 49
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 26. Mai 2005. - Strafverfahren gegen Marcel Burmanjer, René Alexander Van Der Linden und Anthony De Jong. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank van eerste aanleg te Brugge - Belgien. - Freier Warenverkehr - Artikel 28 EG - Maßnahmen gleicher Wirkung - Ambulanter Verkauf - Abschluss von Zeitschriftenabonnements - Vorherige Genehmigung. - Rechtssache C-20/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-20/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Rechtbank van eerste aanleg Brügge (Belgien) mit Entscheidung vom 17. Januar 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2003, in dem Strafverfahren gegen

Marcel Burmanjer,

René Alexander Van Der Linden,

Anthony De Jong

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter), K. Lenaerts, S. von Bahr und K. Schiemann,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Herrn Burmanjer, Herrn Van Der Linden und Herrn De Jong, vertreten durch A. Van Der Graesen, advocaat,

- des Openbaar Ministerie, vertreten durch G. Billiouw, premier substituut-procureur des Konings,

- der belgischen Regierung, vertreten durch D. Haven als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Dezember 2004

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 28 EG, 39 EG und 49 EG.

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die niederländischen Staatsangehörigen Burmanjer, Van Der Linden und De Jong, denen vorgeworfen wird, in Ostende (Belgien) auf einer öffentlichen Straße ohne vorherige Genehmigung Zeitschriftenabonnements für Rechnung der Alpina GmbH (nachstehend: Alpina), einer Gesellschaft deutschen Rechts, verkauft zu haben.

Rechtlicher Rahmen

3. Nach Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes vom 25. Juni 1993 über die Ausübung des Wandergewerbes und die Veranstaltung öffentlicher Märkte ( Belgisch Staatsblad vom 30. September 1993, S. 21526, nachstehend: Gesetz über die Ausübung des Wandergewerbes), das am 18. Juni 1995 in Kraft getreten ist, ist für die Ausübung eines Wandergewerbes im Gebiet des Königreiches [Belgien]... eine vorherige Zulassung des Ministers oder des von ihm beauftragten Beamten der Stufe 1 erforderlich. Diese Zulassung [nachstehend: Genehmigung] ist befristet, persönlich und nicht übertragbar.

4. Nach Artikel 2 Absatz 1 dieses Gesetzes werden [j]eder Verkauf, jedes Anbieten zum Kauf und jedes Ausstellen im Hinblick auf den Verkauf von Waren an den Verbraucher, die von einem Kaufmann außerhalb der in seiner Handelsregistereintragung erwähnten Niederlassungen oder von einer Person, die nicht über eine solche Niederlassung verfügt, vorgenommen werden,... als Wandergewerbe angesehen.

5. Gemäß Artikel 5 Nummer 3 des Gesetzes sind von dessen Bestimmungen ausgenommen der Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften und [Abschluss] von Zeitungsabonnements, sofern es sich um die regelmäßige Bedienung einer festen örtlichen Kundschaft, um Versandhandelsverkäufe und um Verkäufe anhand von Automaten handelt.

6. Artikel 13 § 1 Nummern 1 und 3 des Gesetzes droht demjenigen, der ein Wandergewerbe ohne vorherige Genehmigung ausübt oder sich nicht an die in der Genehmigung genannten Bedingungen oder Verbote hält, eine Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe oder eine dieser beiden Strafen an.

7. Die Durchführungsbestimmungen zu dem Gesetz wurden mit der Königlichen Verordnung vom 3. April 1995 ( Belgisch Staatsblad vom 3. April 1995, S. 16398) erlassen. Danach muss in den Genehmigungen der Gegenstand des Wandergewerbes ausdrücklich angegeben sein. Eine Genehmigung gilt höchstens für sechs Jahre. Sie muss bei der Ausübung des Gewerbes mitgeführt werden. Sie muss auf Aufforderung der Polizei, der Gendarmerie und den mit der Aufsicht und der Kontrolle des Wandergewerbes beauftragten Beamten vorgelegt werden.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8. Herrn Burmanjer, Herrn Van Der Linden und Herrn De Jong wird in einem Strafverfahren vorgeworfen, in Ostende auf einer öffentlichen Straße Zeitschriftenabonnements für Rechnung der Alpina verkauft zu haben. Aus den Antworten auf die schriftlichen Fragen, die der Gerichtshof gemäß Artikel 54 der Verfahrensordnung an die Beteiligten des Ausgangsverfahrens und an die belgische Regierung gerichtet hat, geht hervor, dass die Angeklagten für diese Firma als selbständige Vertreter tätig waren und dass es um den ambulanten Verkauf von Abonnements niederländischer und deutscher Zeitschriften ging, die von Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden und in Deutschland herausgegeben werden.

9. Herr De Jong besaß keine Genehmigung für ein Wandergewerbe. Die Genehmigung von Herrn Burmanjer betraf nur den Verkauf von Papier- und Bürowaren, und die von Herrn Van Der Linden galt nur für den Verkauf in der Wohnung des Verbrauchers. Das Openbaar Ministerie (Staatsanwaltschaft) war der Auffassung, dass sie gegen mehrere Bestimmungen des Gesetzes über die Ausübung des Wandergewerbes verstoßen hätten, und leitete gegen sie bei der Rechtbank van eerste aanleg Brügge ein Strafverfahren ein. Durch Urteil vom 8. Mai 2002 erkannte dieses Gericht die Angeklagten in Abwesenheit für schuldig, ein Wandergewerbe ohne vorherige Genehmigung ausgeübt zu haben.

10. Auf den Einspruch der Angeklagten hob die Rechtbank van eerste aanleg Brügge dieses Urteil auf und führte zusätzliche Ermittlungen durch.

11. Nach Auffassung der Rechtbank van eerste aanleg Brügge sind zur Anwendung der Bestimmungen des nationalen Rechts, die die Grundlage für die Strafverfolgung der Angeklagten bilden, mehrere Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen. Dieses Gericht hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verstoßen die Artikel 2, 3, 5 Nummer 3 und 13 des Gesetzes über die Ausübung des Wandergewerbes für sich allein oder zusammen betrachtet und in der Auslegung dahin, dass sie den Verkauf von Zeitschriftenabonnements in Belgien als Wandergewerbe sowohl für belgische Staatsangehörige als auch für andere Angehörige der Europäischen Union von einer vorherigen Genehmigung durch den Minister oder den von diesem bevollmächtigten Beamten ersten Grades abhängig machen und Zuwiderhandlungen mit Strafe bedrohen, gegen die Artikel 28 EG bis 30 EG, die Artikel 39 EG ff. und die Artikel 49 EG ff., soweit sie dazu führen, dass eine deutsche Gesellschaft, die über Verkäufer, die in den Niederlanden ansässig sind, in Belgien Zeitschriftenabonnements verkauft oder verkaufen will, a priori verpflichtet ist, vorher eine befristete Genehmigung einzuholen, und dass ein Verstoß gegen diese Vorschriften strafbar ist, wobei die Belange, die der Gesetzgeber hierdurch schützen will, auf eine andere, weniger restriktive Weise gewahrt werden können?

2. Ist es für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, dass das genannte Gesetz demgegenüber den Verkauf von Zeitungen, Zeitschriften und sogar von Zeitungsabonnements nicht dieser vorherigen Genehmigung unterwirft?

Zu den Vorlagefragen

12. Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 28 EG, 39 EG und 49 EG einer nationalen Regelung wie der des Gesetzes über die Ausübung des Wandergewerbes entgegenstehen, nach der der ambulante Verkauf von Zeitschriftenabonnements im Inland ohne vorherige Genehmigung strafbar ist (nachstehend: nationale Regelung über den ambulanten Verkauf).

13. Das vorlegende Gericht hat insbesondere Zweifel hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit zwischen dieser Regelung und dem verfolgten Zweck, da sich nach seiner Auffassung die Interessen, die der nationale Gesetzgeber mit dieser Regelung wahren wolle, auf andere, weniger einschneidende Weise schützen ließen. Es verweist u. a. auf den Umstand, dass nach Artikel 5 Nummer 3 des Gesetzes über die Ausübung des Wandergewerbes der Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften sowie der Abschluss von Zeitungsabonnements, sofern es sich um die regelmäßige Bedienung einer festen örtlichen Kundschaft handele, keiner vorherigen Genehmigung bedürften.

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

14. Nach Auffassung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist die Regelung des Wandergewerbes ausschließlich nach den Artikeln 28 EG bis 30 EG zu beurteilen. Diese Regelung betreffe eine Verkaufsmodalität im Sinne des Urteils vom 24. November 1993 in den Rechtssachen C267/91 und C268/91 (Keck und Mithouard, Slg. 1993, I6097) und falle unter den in diesem Urteil festgelegten Voraussetzungen möglicherweise nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 28 EG.

15. Die Kommission hält die Vorlageentscheidung nicht für substanziiert genug, um beurteilen zu können, ob die genannten Voraussetzungen im Ausgangsverfahren erfüllt seien. Sie führt jedoch einige für diese Beurteilung maßgebliche Gesichtspunkte an. Im Allgemeinen seien Zeitschriften aus anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Belgien auf dem inländischen Markt viel weniger präsent als belgische Zeitschriften, die dem Verbraucher viel vertrauter seien. Der ambulante Verkauf von Zeitschriftenabonnements sei eine ideale Methode, um die Verbraucher mit Zeitschriften aus dem Ausland vertraut zu machen, und erleichtere ihnen die Formalitäten des Abonnierens. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf den Marktzugang für Produkte aus anderen Mitgliedstaaten stärker beeinträchtige als für einheimische Produkte. Es sei jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob dies in dem bei ihm anhängigen Verfahren der Fall sei.

16. Falls das vorlegende Gericht der Ansicht sein sollte, dass die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf unter Artikel 28 EG falle, so hätte es festzustellen, ob mit dieser Regelung ein Ziel des Allgemeininteresses im Sinne der auf das Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 (Rewe-Zentral, Cassis de Dijon, Slg. 1979, 649) zurückgehenden Rechtsprechung verfolgt werde und ob sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche. Insoweit sei die durch das Gesetz über die Ausübung des Wandergewerbes getroffene Unterscheidung zwischen dem ambulanten Verkauf von Zeitschriftenabonnements einerseits und von Zeitungsabonnements andererseits kaum nachvollziehbar.

Antwort des Gerichtshofes

17. Zur sachdienlichen Beantwortung der Vorlagefrage ist festzustellen, welche Bestimmungen des EGVertrags auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar sind, sodann ist die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf anhand dieser Bestimmungen zu prüfen.

18. Erstens ist zur Anwendbarkeit von Artikel 39 EG festzustellen, dass Herr Burmanjer, Herr Van Der Linden und Herr De Jong als selbständige Vertreter für Rechnung der Alpina handelten. Diese zahlte ihnen als Gegenleistung für ihre Leistungen eine Provision.

19. Nach ständiger Rechtsprechung besteht das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. u. a. Urteile vom 3. Juli 1986 in der Rechtssache 66/85, Lawrie-Blum, Slg. 1986, 2121, Randnrn. 16 und 17, vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C85/96, Martínez Sala, Slg. 1998, I2691, Randnr. 32, und vom 31. Mai 2001 in der Rechtssache C43/99, Leclere und Deaconescu, Slg. 2001, I4265, Randnr. 55). Es steht fest, dass im Ausgangsverfahren zwischen den Angeklagten und der Alpina kein Arbeitsverhältnis im Sinne dieser Rechtsprechung bestand.

20. Daher ist Artikel 39 EG in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren nicht anwendbar.

21. Was zweitens die Anwendbarkeit von Artikel 28 EG angeht, so gilt das Gesetz über die Ausübung des Wandergewerbes nach seinem Artikel 2 Absatz 1 für jeden Verkauf, jedes Anbieten zum Kauf und jedes Ausstellen im Hinblick auf den Verkauf von Waren an den Verbraucher, die von einem Kaufmann außerhalb der in seiner Handelsregistereintragung erwähnten Niederlassungen oder von einer Person, die nicht über eine solche Niederlassung verfügt, vorgenommen werden. Die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf betrifft, was Zeitschriftenabonnements angeht, eine bestimmte Verkaufsmodalität, nämlich den Vertrieb im Wege des ambulanten Gewerbes. Diese Zeitschriften sind unstreitig Waren. Dem Ausgangsverfahren liegt eine Situation zugrunde, in der ein deutsches Unternehmen mittels selbständiger Verkäufer, die niederländische Staatsangehörige sind, in Belgien Abonnements von Zeitschriften verkauft oder verkaufen will, die von Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden und in Deutschland herausgegeben werden.

22. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf den freien Warenverkehr betrifft. Der Gerichtshof hat sich bereits zu der Vereinbarkeit verschiedener nationaler Bestimmungen über Vertriebsmethoden mit den Artikeln 28 EG bis 30 EG geäußert (vgl. insbesondere Urteile vom 16. Mai 1989 in der Rechtssache 382/87, Buet u. a., Slg. 1989, 1235, Randnrn. 7 bis 9, vom 30. April 1991 in der Rechtssache C239/90, Boscher, Slg. 1991, I2023, Randnrn. 13 bis 21, vom 13. Januar 2000 in der Rechtssache C254/98, TK-Heimdienst, Slg. 2000, I151, Randnrn. 29 bis 31, und vom 25. März 2004 in der Rechtssache C71/02, Karner, Slg. 2004, I3025, Randnr. 39).

23. Zur Frage, ob die genannte Regelung unter das Verbot nach Artikel 28 EG fällt, ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen und deshalb nach diesem Artikel verboten ist (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, vom 19. Juni 2003 in der Rechtssache C420/01, Kommission/Italien, Slg. 2003, I6445, Randnr. 25, und Karner, Randnr. 36).

24. Der Gerichtshof hat jedoch in Randnummer 16 des Urteils Keck und Mithouard ausgeführt, dass nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten und die zum einen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und zum anderen den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren, nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne der Dassonville-Rechtsprechung unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.

25. Im Anschluss daran hat der Gerichtshof Vorschriften über bestimmte Vertriebsmethoden als Bestimmungen über Verkaufsmodalitäten im Sinne des Urteils Keck und Mithouard eingestuft (vgl. u. a. Urteile vom 15. Dezember 1993 in der Rechtssache C292/92, Hünermund u. a., Slg. 1993, I6787, Randnrn. 21 und 22, vom 2. Juni 1994 in den Rechtssachen C401/92 und C402/92, Tankstation 't Heukske und Boermans, Slg. 1994, I2199, Randnrn. 12 bis 14, sowie TK-Heimdienst, Randnr. 24).

26. Wie sich aus Randnummer 21 des vorliegenden Urteils ergibt, betrifft die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf eine Vertriebsmethode. Sie bezweckt unstreitig nicht eine Regelung des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Sie fällt aber nur dann nicht unter das Verbot des Artikels 28 EG, wenn sie die beiden Voraussetzungen erfüllt, die oben in Randnummer 24 aufgeführt sind.

27. Was die erste Voraussetzung angeht, so geht aus der Vorlageentscheidung und den Angaben der belgischen Regierung vor dem Gerichtshof hervor, dass das Verfahren der vorherigen Genehmigung ohne Unterscheidung nach der Herkunft der fraglichen Waren für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, die ihre Tätigkeit in Belgien ausüben, und dass Inländer und Angehörige anderer Mitgliedstaaten gleichen Zugang zum ambulanten Gewerbe haben.

28. Daher ist festzustellen, dass die erste Voraussetzung des Urteils Keck und Mithouard unter den Umständen des Ausgangsverfahrens erfüllt ist.

29. Zur zweiten Voraussetzung ist festzustellen, dass die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf kein vollständiges Verbot einer Verkaufsmodalität in einem Mitgliedstaat für eine dort rechtmäßig in den Verkehr gebrachte Ware darstellt. Diese Regelung beschränkt sich darauf, den ambulanten Verkauf von Zeitschriftenabonnements, der ohne vorherige Genehmigung erfolgt, unter Strafe zu stellen, und zwar, wie die belgische Regierung vorträgt, insbesondere aus Gründen des Verbraucherschutzes. Zudem wird nicht jeder ambulante Verkauf von Abonnements erfasst. Nach Angaben der belgischen Regierung besteht weder beim Verkauf von Zeitschriftenabonnements insbesondere auf Jahrmärkten und Ausstellungen noch beim Abschluss von Zeitungsabonnements, sofern es sich um die regelmäßige Bedienung einer festen örtlichen Kundschaft handelt, ein besonderes Schutzbedürfnis.

30. Es steht fest, dass eine nationale Regelung wie die über den ambulanten Verkauf in dem betreffenden Mitgliedstaat grundsätzlich eine Beschränkung des gesamten Absatzvolumens des fraglichen Erzeugnisses und damit auch eine Verringerung des Absatzvolumens von Waren aus anderen Mitgliedstaaten bedeuten kann. Außerdem ist es unbestreitbar, dass der ambulante Verkauf von Abonnements sich als gute Methode erweisen kann, um die Verbraucher mit Zeitschriften gleich welcher Herkunft vertraut zu machen. Die Kommission trägt hierzu vor, diese letztere Feststellung treffe vor allem auf ausländische Zeitschriften zu.

31. Der Gerichtshof kann jedoch anhand der ihm vorliegenden Angaben nicht mit Sicherheit feststellen, ob durch die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf der Absatz von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten stärker beeinträchtigt wird als der von Erzeugnissen aus dem Königreich Belgien. Aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten scheint aber hervorzugehen, dass eine solche Wirkung, falls die fragliche Regelung sie haben sollte, zu unbedeutend und zufällig wäre, als dass sie für geeignet gehalten werden könnte, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern oder auf andere Weise zu stören.

32. Unter solchen Umständen hat das mit dem Ausgangsverfahren befasste vorlegende Gericht, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, zu prüfen, ob angesichts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens und insbesondere im Licht der oben in den Randnummern 29 bis 31 ausgeführten Überlegungen die Anwendung des nationalen Rechts sicherstellt, dass die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berührt. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte das vorlegende Gericht zu prüfen, ob diese Regelung durch ein Ziel des Allgemeininteresses im Sinne der auf das Urteil Cassis de Dijon zurückgehenden Rechtsprechung gerechtfertigt ist und ob sie in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Ziel steht.

33. Drittens ist zur Anwendbarkeit von Artikel 49 EG festzustellen, dass, wie bereits oben in Randnummer 21 erwähnt, die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf die Bedingungen betrifft, die beim Vertrieb einer bestimmten Art von Waren einzuhalten sind. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes unterliegt eine solche Regelung grundsätzlich den Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr und nicht denjenigen über den freien Dienstleistungsverkehr (vgl. in diesem Sinne Urteil Boscher, Randnrn. 8 bis 10).

34. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass mit dem Verkauf einer Ware etwa eine Tätigkeit einhergeht, die Aspekte einer Dienstleistung aufweist. Dieser Umstand reicht jedoch für sich allein nicht aus, um einen wirtschaftlichen Vorgang wie den ambulanten Verkauf, um den es im Ausgangsverfahren geht, als Dienstleistung im Sinne von Artikel 49 EG einzustufen. Es muss nämlich jeweils im konkreten Fall geprüft werden, ob diese Leistung gegenüber den Bezügen zum freien Warenverkehr einen völlig zweitrangigen Aspekt darstellt oder nicht. Unter den Umständen des Ausgangsverfahrens erweist sich der Bezug zum freien Warenverkehr als stärker als der zur Dienstleistungsfreiheit.

35. Insoweit ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass der Gerichtshof eine nationale Maßnahme, die sowohl den freien Warenverkehr als auch den freien Dienstleistungsverkehr betrifft, grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser beiden Grundfreiheiten prüft, wenn sich herausstellt, dass im konkreten Fall eine der beiden Freiheiten der anderen zugeordnet werden kann und ihr gegenüber völlig zweitrangig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1994 in der Rechtssache C275/92, Schindler, Slg. 1994, I1039, Randnr. 22, vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C390/99, Canal Satélite Digital, Slg. 2002, I607, Randnr. 31, und Karner, Randnr. 46).

36. Daher ist die nationale Regelung über den ambulanten Verkauf nicht nach Artikel 49 EG zu beurteilen.

37. Nach alledem sind die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

- Artikel 28 EG steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, mit der ein Mitgliedstaat den ambulanten Verkauf von Zeitschriftenabonnements im Inland ohne vorherige Genehmigung unter Strafe stellt, wenn diese Regelung ohne Unterscheidung nach der Herkunft der fraglichen Waren für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und soweit sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berührt.

- Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob angesichts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens die Anwendung des nationalen Rechts sicherstellt, dass die genannte Regelung den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berührt und, falls dies nicht der Fall sein sollte, ob diese Regelung durch ein Ziel des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes gerechtfertigt ist und ob sie in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Ziel steht.

Kosten

38. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Artikel 28 EG steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, mit der ein Mitgliedstaat den ambulanten Verkauf von Zeitschriftenabonnements im Inland ohne vorherige Genehmigung unter Strafe stellt, wenn diese Regelung ohne Unterscheidung nach der Herkunft der fraglichen Waren für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und soweit sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berührt.

Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob angesichts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens die Anwendung des nationalen Rechts sicherstellt, dass die genannte Regelung den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berührt und, falls dies nicht der Fall sein sollte, ob diese Regelung durch ein Ziel des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes gerechtfertigt ist und ob sie in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Ziel steht.

Ende der Entscheidung

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