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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.03.1991
Aktenzeichen: C-205/89
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 169
EWG-Vertrag Art. 30
EWG-Vertrag Art. 36
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat verstösst gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag, wenn er die Einfuhr von laut Etikett oder Verpackungsaufschrift pasteurisierter Butter von der Vorlage eines Gesundheitszeugnisses abhängig macht, obwohl dies nicht aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit gerechtfertigt ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 19. MAERZ 1991. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN REPUBLIK GRIECHENLAND. - FREIER WARENVERKEHR - PASTEURISIERTE BUTTER - GESUNDHEITSBEHOERDLICHE BESCHEINIGUNG. - RECHTSSACHE C-205/89.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 29. Juni 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Griechische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13) sowie aus den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie die Einfuhr von Milcherzeugnissen einer physischen Kontrolle jeder einzelnen Warenpartie unterwirft und für die Einfuhr von laut Etikett oder Verpackungsaufschrift pasteurisierter Butter die gleiche Kontrollregelung vorsieht und ein tierärztliches Zeugnis verlangt.

2 Nachdem die Griechische Republik durch Verordnung des Präsidenten Nr. 550/1989 (Amtsblatt der griechischen Regierung A Nr. 232 vom 11. Oktober 1989) die Vorschriften aufgehoben hatte, die die physische Kontrolle jeder Partie von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Milcherzeugnissen vorsahen, hat die Kommission in ihrer Erwiderung diese Rüge zurückgenommen. Sie hat jedoch ihre Klage insoweit aufrechterhalten, als diese das Erfordernis der Vorlage eines tierärztlichen Zeugnisses bei der Einfuhr pasteurisierter Butter betrifft.

3 Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung des Präsidenten Nr. 40/1977 über die tierärztliche Untersuchung von Schlachtvieh und Erzeugnissen tierischen Ursprungs (Amtsblatt der griechischen Regierung A Nr. 18 vom 21. Januar 1977) sieht in seiner jetzigen Fassung vor, daß allen eingeführten Lebensmitteln die Urschrift eines tierärztlichen Gesundheitszeugnisses oder eines von der zuständigen Behörde des Herkunftslandes ausgestellten, in griechischer, englischer oder französischer Sprache abgefassten Gesundheitszeugnisses beizufügen und daß dieses Zeugnis innerhalb der zwei der Abfahrt des Beförderungsmittels vorausgegangenen Wochen auszustellen ist.

4 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

5 Für die Prüfung der Begründetheit der Klage ist zunächst festzustellen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe v. a. Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5) das in Artikel 30 EWG-Vertrag ausgesprochene Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmässige Beschränkungen jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten erfasst, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.

6 Die Verpflichtung zur Vorlage eines Gesundheitszeugnisses, der die Einfuhr von pasteurisierter Butter aus anderen Mitgliedstaaten in die Griechische Republik unterliegt, ist geeignet, die Einfuhr dieser Erzeugnisse zu behindern, und fällt daher unter Artikel 30 EWG-Vertrag.

7 Es ist jedoch zu prüfen, ob, wie die Griechische Republik geltend macht, die Anwendung dieser Maßnahme nach Artikel 36 EWG-Vertrag aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit gerechtfertigt werden kann.

8 Wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, ist es mangels einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene Sache der Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen (siehe insbesondere das Urteil vom 12. März 1987 in der Rechtssache 178/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1987, 1227).

9 Hierzu ist daran zu erinnern, daß Artikel 36 EWG-Vertrag eine eng auszulegende Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft enthält, der zu den wesentlichen

Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes gehört. Die staatlichen Behörden, die unter Berufung auf diese Vorschrift eine den innergemeinschaftlichen Handel beschränkende Maßnahme treffen wollen, müssen daher in jedem konkreten Fall untersuchen, ob die geplante Maßnahme den Kriterien dieser Vorschrift gerecht wird (Urteil vom 14. Juli 1983 in der Rechtssache 174/82, Sandoz, Slg. 1983, 2445).

10 Die Griechische Republik macht hierzu geltend, bei pasteurisierter Butter bestehe das Risiko einer gesundheitsschädlichen Verschlechterung der Qualität. Sie weist darauf hin, daß der Rat in der Richtlinie 85/397/EWG vom 5. August 1985 zur Regelung gesundheitlicher und tierseuchenrechtlicher Fragen im innergemeinschaftlichen Handel mit wärmebehandelter Milch (ABl. L 226, S. 13) die Mitgliedstaaten ausdrücklich dazu ermächtigt habe, Gesundheitszeugnisse zu fordern.

11 Zu diesem letzten Punkt ist festzustellen, daß die pasteurisierte Butter, um die es im vorliegenden Rechtsstreit geht, den von der Richtlinie 85/397 erfassten Erzeugnissen nicht gleichgestellt werden kann, da ihre Zusammensetzung eine andere ist. Wie die Kommission im übrigen überzeugend dargelegt hat, ist pasteurisierte Butter durch ihre mikrobiologische Beständigkeit sowie dadurch gekennzeichnet, daß bei ihr nicht die gleiche Gefahr einer Qualitätsverschlechterung besteht wie bei Milcherzeugnissen, die lediglich eine Wärmebehandlung erfahren haben.

12 Das Bestehen der übrigen Gesundheitsrisiken, die von der griechischen Regierung im übrigen nur behaupten werden, wird durch eine von der Kommission bei den Behörden der Mitgliedstaaten veranstaltete Umfrage widerlegt, aus der hervorgeht, daß die Vermarktung pasteurisierter Butter in keinem dieser Staaten zu gesundheitlichen Problemen geführt hat.

13 Da der Verstoß der Griechischen Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag somit feststeht, erübrigt sich die Prüfung der Rügen, mit denen eine Verletzung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 804/68 geltend gemacht wird, die nur die in Artikel 30 EWG-Vertrag niedergelegten Grundsätze des freien Warenverkehrs für den Bereich der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse übernimmt.

14 Nach alledem hat die Griechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag verstossen, daß sie die Einfuhr von laut Etikett oder Verpackungsaufschrift pasteurisierter Butter von der Vorlage eines Gesundheitszeugnisses abhängig macht.

Kostenentscheidung:

Kosten

15 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung ist die Partei, die die Klage oder einen Antrag zurücknimmt, zur Tragung der Kosten zu verurteilen, es sei denn, daß die Rücknahme durch das Verhalten der anderen Partei gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall ist die Rücknahme der Rüge, mit der die Kommission die Durchführung physischer Kontrollen bei jeder aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Partie Milcherzeugnisse beanstandet hat, durch das Verhalten der Griechischen Republik gerechtfertigt, die ihre Rechtsvorschriften erst nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist geändert hat. Da die Griechische Republik mit ihrem Vorbringen zu der Klage, so wie diese sich nach der von der

Kommission erklärten Teilrücknahme darstellte, unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Griechische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag verstossen, daß sie die Einfuhr von laut Etikett oder Verpackungsaufschrift pasteurisierter Butter von der Vorlage eines Gesundheitszeugnisses abhängig macht.

2) Die Griechische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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