Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 31.07.1989
Aktenzeichen: C-206/89 R
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat, EWG-Vertrag, Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensten der Europäischen Gemeinschaften


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 91
EWG-Vertrag Art. 185
EWG-Vertrag Art. 83
Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensten der Europäischen Gemeinschaften Art. 12 Abs. 2
Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensten der Europäischen Gemeinschaften Art. 13
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Damit der Vollzug gemäß Artikel 185 EWG-Vertrag ausgesetzt werden kann, müssen nach Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung in den entsprechenden Anträgen die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht und die Umstände angeführt werden, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, die im Hinblick auf die Gefahr des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens zu beurteilen ist. Der Antragsteller muß ausserdem sein Rechtsschutzinteresse beweisen, das die wesentliche Grundvoraussetzung für jede Klage darstellt.


BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DER ZWEITEN KAMMER DES GERICHTSHOFES VOM 31. JULI 1989. - M. S. GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - AUSSETZUNG DES VOLLZUGS - OEFFENTLICHER DIENST. - RECHTSSACHE C-206/89 R.

Entscheidungsgründe:

1 Herr S. hat mit Klageschrift, die am 4. Juli 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 91 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 6. Juni 1989, mit der seine Einstellung als Bediensteter auf Zeit wegen mangelnder körperlicher Eignung abgelehnt wurde.

2 Mit Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat der Antragsteller gemäß Artikel 185 EWG-Vertrag und Artikel 83 der Verfahrensordnung einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission vom 6. Juni 1989 im Wege der einstweiligen Anordnung eingereicht.

3 Mit Beschluß des Präsidenten der Zweiten Kammer vom 21. Juli 1989 ist der Gewerkschaftsbund Brüssel als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Antragstellers zugelassen worden.

4 Die Kommission hat am 17. Juli 1989 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Der Streithelfer, der Gewerkschaftsbund Brüssel, hat am 28. Juli 1989 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Die Parteien haben in der Sitzung vom 31. Juli 1989 mündlich verhandelt, für die der Präsident der Zweiten Kammer auf Antrag des Antragstellers den Ausschluß der Öffentlichkeit gemäß Artikel 56 § 2 der Verfahrensordnung und Artikel 28 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG angeordnet hat.

5 Der Antragsteller unterzog sich gemäß den Artikeln 12 Absatz 2 Buchstabe d und 13 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften im Hinblick auf seine Einstellung als Bediensteter auf Zeit bei der Kommission einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung seiner körperlichen Eignung für die Ausübung des Amtes. Bei dieser Untersuchung weigerte er sich, sich dem ihm vorgeschlagenen Test zum Nachweis von HIV-Antikörpern ( Aids-Test ) zu unterziehen. Im Anschluß an eine klinische Untersuchung, die durch biologische Tests ergänzt wurde, stellte der Ärztliche Dienst eine tiefgreifende Veränderung des Immunsystems des Antragstellers fest. Aufgrund dieses Ergebnisses teilte der Generaldirektor für Personal und Verwaltung der Kommission dem Antragsteller mit Schreiben vom 6. Juni 1989 mit, daß dieser nach Ansicht der Kommission nicht die erforderlichen Voraussetzungen der körperlichen Eignung erfuelle und deshalb nicht eingestellt werden könne.

6 Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller Anfechtungsklage erhoben und geltend gemacht, daß der Ärztliche Dienst der Kommission einen verdeckten Aids-Test vorgenommen habe.

7 Nach Artikel 185 EWG-Vertrag haben Klagen beim Gerichtshof keine aufschiebende Wirkung. Der Gerichtshof kann jedoch, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen.

8 Damit eine einstweilige Anordnung wie die beantragte erlassen werden kann, müssen nach Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung in den entsprechenden Anträgen die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht und die Umstände angeführt werden, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt. Der Antragsteller muß ausserdem sein Rechtsschutzinteresse beweisen, das die wesentliche Grundvoraussetzung für jede Klage darstellt.

9 Zur Glaubhaftmachung der Notwendigkeit einer Aussetzung trägt der Antragsteller, unterstützt durch den Gewerkschaftsbund Brüssel, vor, daß die Entscheidung rechtswidrig sei, weil der Ärztliche Dienst der Kommission einen verdeckten Aids-Test vorgenommen habe. Zur Begründung seiner Klage macht der Antragsteller folgende Anfechtungsgründe geltend : Verletzung von Artikel 25 des Statuts, Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, Verletzung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 und der Schlußfolgerungen des Rates der Gesundheitsminister der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 31. Mai und 15. Dezember 1988, Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Grundsatzes von Treu und Glauben sowie Verfahrensmißbrauch.

10 Die Kommission trägt vor, daß im Verlauf der ärztlichen Untersuchung kein Aids-Test, auch kein verdeckter, vorgenommen worden sei und daß es daher nicht darum gehe, diese Krankheit als Ursache für die geltend gemachte mangelnde Eignung anzuführen. Die vorgenommenen medizinischen Untersuchungen hätten das Vorliegen einer tiefgreifenden Immunschwäche ergeben, die, wo immer sie auch herrühre, die Feststellung der mangelnden körperlichen Eignung für die Arbeit rechtfertige.

11 Zur Dringlichkeit der beantragten einstweiligen Anordnung führt der Antragsteller, unterstützt durch den Gewerkschaftsbund Brüssel, aus, daß die streitige Entscheidung ihm einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden verursache.

12 Nach Ansicht der Kommission handelt es sich nicht um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden, weil die Kommission im Falle der Aufhebung der Entscheidung über die Ablehnung der Bewerbung dem Antragsteller bei der nächsten Gelegenheit eine neue Stelle als Bediensteter auf Zeit im Schreibdienst anbieten könne, nachdem eine ärztliche Untersuchung durchgeführt worden wäre, bei der nicht die Fehler vorgekommen wären, die der Gerichtshof gegebenenfalls feststellen werde.

13 Vom Kammerpräsidenten nach seinem Rechtsschutzinteresse befragt, hat der Antragsteller vorgetragen, daß eine Aussetzung des Vollzugs ihn in die Lage zurückversetzen würde, die vor dem Erlaß der Entscheidung bestanden habe, und ihm erlauben würde, sich um eine andere freie Stelle bei den Europäischen Gemeinschaften zu bewerben, wobei er sich einer erneuten, ordnungsgemässen ärztlichen Untersuchung unterziehen werde. Ohne eine Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung über die mangelnde körperliche Eignung bestuende zudem bei der Kommission die Gefahr von Indiskretionen.

14 Hierzu ist festzustellen, daß die angefochtene Entscheidung eine ablehnende Verwaltungsentscheidung ist, gegen die ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nicht gegeben ist, weil die Anordnung einer Aussetzung keine Änderung der Lage des Antragstellers herbeiführen könnte, der nicht eingestellt werden kann, solange keine positive Entscheidung der Kommission ergangen ist.

15 Denn da mit dieser Entscheidung eine Einstellung des Antragstellers als Bediensteter auf Zeit für die gewünschte Stelle als Schreibkraft wegen seiner mangelnden körperlichen Eignung abgelehnt wird, ermöglicht eine Aussetzung des Vollzugs dieser ablehnenden Entscheidung dem Antragsteller nicht den Zugang zu dieser Stelle.

16 Ausserdem könnte, selbst wenn die angefochtene Entscheidung unabhängig von dem fraglichen Einstellungsverfahren als eine allgemeingültige Feststellung über den Gesundheitszustand des Antragstellers anzusehen wäre, ein Vollzug dieser Entscheidung nur darin bestehen, daß damit eine Einstellungsverweigerung für jede andere Stelle bei den Europäischen Gemeinschaften gerechtfertigt wäre. Eine einstweilige Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung ist nicht geeignet, den genannten Grund für die Einstellungsverweigerung zu beseitigen und annehmen zu lassen, daß der Antragsteller die erforderlichen Voraussetzungen der körperlichen Eignung erfuellt.

17 Soweit der Antragsteller vorbringt, daß ohne eine Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung die Gefahr von Indiskretionen bestuende, ist festzustellen, daß diese Gefahr, angenommen, sie besteht tatsächlich, eng mit dem Vorliegen der ärztlichen Befunde verbunden ist, die der Entscheidung über die Einstellungsverweigerung zugrunde liegen, und daß diese Gefahr nicht dadurch beseitigt würde, daß der Vollzug der erlassenen Entscheidung ausgesetzt würde, solange diese nicht aufgehoben ist.

18 Zudem ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, daß die vom Antragsteller vorgebrachten Anfechtungsgründe notwendigerweise dazu führen müssten, das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung hinsichtlich der Voraussetzungen der körperlichen Eignung zu entkräften, was auch immer die wesentlichen Ursachen der mangelnden körperlichen Eignung sein mögen. Der Antragsteller hat ausserdem nicht nachweisen können, inwiefern der aus der Aufrechterhaltung der angefochtenen Entscheidung resultierende Schaden, selbst wenn er besonders schwer wäre, nicht mehr wiedergutgemacht werden könnte, falls die Klage Erfolg hat. Die Kommission hat zu Recht bemerkt, daß, wenn letztlich davon auszugehen wäre, daß der Antragsteller die erforderlichen Voraussetzungen der körperlichen Eignung erfuelle, seiner Einstellung für eine andere, frei gewordene Stelle als Bediensteter auf Zeit nichts entgegenstuende.

19 Unter diesen Umständen ist der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

der Richter F. A. Schockweiler in Wahrnehmung

der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer

gemäß den Artikeln 9 § 4, 11 Absatz 2 und 96 § 1 der Verfahrensordnung

beschlossen :

1)Der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs wird als unzulässig zurückgewiesen.

2)Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 31. Juli 1989.

Ende der Entscheidung

Zurück