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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.10.1990
Aktenzeichen: C-210/89
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 804/68 vom 27.06.1968


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 169
EWG-Vertrag Art. 30
Verordnung Nr. 804/68 vom 27.06.1968 Art. 22 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 30 EWG-Vertrag und Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68 verwehren es einem Mitgliedstaat, die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Käse aus anderen Mitgliedstaaten, wo er rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, davon abhängig zu machen, daß er einen Mindestfettgehalt aufweist. Sie verwehren es ihm auch, die Verwendung der Bezeichnung "Käse" für derartige Erzeugnisse von der Einhaltung dieser Voraussetzung abhängig zu machen, selbst wenn von dieser Bezeichnung im Herkunftsmitgliedstaat rechtmässig Gebrauch gemacht wird. Es genügt nämlich zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Handelsverkehrs, wenn der betreffende Mitgliedstaat eine angemessene Etikettierung vorschreibt, die eine zutreffende Unterrichtung über den tatsächlichen Fettgehalt der verschiedenen zum Verkauf angebotenen Käsesorten sicherstellt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 11. OKTOBER 1990. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN ITALIENISCHE REPUBLIK. - FREIER WARENVERKEHR - VERTRAGSVERLETZUNG - VERSTOSS GEGEN DAS INVERKEHRBRINGEN VON KAESE, DER NICHT DEN ITALIENISCHEN RECHTSVORSCHRIFTEN ENTSPRICHT. - RECHTSSACHE C-210/89.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 6. Juli 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag und Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 148, S. 13 ) verstossen hat, daß sie die Einfuhr von Käse von der Einhaltung der Vorschriften des italienischen Gesetzes Nr. 396 vom 2. Februar 1939, insbesondere derjenigen Vorschriften abhängig macht, die es untersagen, zum Zweck des Inverkehrbringens Käse mit einem niedrigeren als dem in den italienischen Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Fettgehalt herzustellen.

2 Nach dem italienischen Gesetz Nr. 396 vom 2. Februar 1939 ist es untersagt, Käse zum Zweck des Verkaufs herzustellen und in den Verkehr zu bringen, dessen Fettgehalt in der Trockenmasse unterhalb einer im Anhang des Gesetzes enthaltenen Tabelle festgesetzten, je nach Käsesorte unterschiedlichen Mindestgrenze liegt.

3 Da die Kommission der Auffassung war, daß diese Vorschriften die Einfuhr von Käse mit niedrigem Fettgehalt, der in den anderen Mitgliedstaaten rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, behinderten und somit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine nach Artikel 30 EWG-Vertrag verbotene mengenmässige Beschränkung seien, leitete sie das Verfahren nach Artikel 169 EWG-Vertrag ein.

4 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs sowie des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

5 Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts gibt es keine gemeinsamen oder harmonisierten Vorschriften über die Herstellung und das Inverkehrbringen von Käse. Es ist deshalb Sache der Mitgliedstaaten, jeweils in ihrem Hoheitsgebiet die Voraussetzungen der Herstellung und des Inverkehrbringens dieses Erzeugnisses zu regeln.

6 Die Mitgliedstaaten können jedoch von dieser Befugnis nur in den Grenzen Gebrauch machen, die ihnen insbesondere durch die Vorschriften des Vertrages über den freien Warenverkehr gezogen sind.

7 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 30 EWG-Vertrag, dem im übrigen Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68 vom 27. Juni 1968 in seinem Wortlaut entspricht, zwischen den Mitgliedstaaten mengenmässige Einfuhrbeschränkung und alle Maßnahmen gleicher Wirkung verbietet.

8 Die nationalen Rechtsvorschriften über das Inverkehrbringen von Erzeugnissen können wegen ihrer Unterschiedlichkeit ein Hemmnis für den innergemeinschaftlichen Handel darstellen, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, auf Erzeugnisse angewandt werden, die aus einem Mitgliedstaat eingeführt werden, wo sie rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind.

9 Die Kommission sieht in den fraglichen italienischen Rechtsvorschriften zu Recht eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 30 EWG-Vertrag, da sie ein Verbot der Einfuhr von Käse mit einem niedrigeren als dem in diesen Vorschriften festgelegten Fettgehalt aus anderen Mitgliedstaaten, wo er rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, bewirken.

10 Die Italienische Republik macht zwar geltend, daß die streitigen Rechtsvorschriften die Einfuhr oder den Verkauf derartiger Erzeugnisse nicht untersagten, sofern sie nicht unter der Bezeichnung "Käse" in den Verkehr gebracht würden.

11 Selbst wenn man jedoch unterstellt, daß die italienischen Rechtsvorschriften eine derart beschränkte Bedeutung haben, müssten sie gleichwohl als eine nach Artikel 30 EWG-Vertrag verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Einfuhrbeschränkung angesehen werden.

12 Wie der Gerichtshof insbesondere in seinem Urteil vom 22. September 1988 in der Rechtssache 286/86 ( Deserbais, Slg. 1988, 4907 ) festgestellt hat, kann den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht die Befugnis abgesprochen werden, Vorschriften zu erlassen, die den einheimischen Erzeugern die Verwendung der Gattungsbezeichnung "Käse" nur unter der Voraussetzung gestatten, daß das betroffene Erzeugnis einen Mindestfettgehalt aufweist.

13 Wie der Gerichtshof jedoch ebenfalls in diesem Urteil ausgeführt hat, wäre es mit Artikel 30 EWG-Vertrag und den Zielen eines gemeinsamen Marktes unvereinbar, die Anwendung derartiger Vorschriften auf importierten Käse der gleichen Sorte zu erstrecken, wenn dieser in einem anderen Mitgliedstaat unter derselben Bezeichnung, aber mit einem geringeren Fettgehalt, rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht wurde. Der Einfuhrmitgliedstaat darf Einfuhr und Inverkehrbringen solcher Erzeugnisse unter der Gattungsbezeichnung "Käse" nicht behindern, wenn die Unterrichtung der Verbraucher gewährleistet ist.

14 Die Italienische Republik beruft sich weiter auf das Fehlen jeder gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf dem Gebiet der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Bezeichnung von Käse und auf die Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften, die sich auf diesem Gebiet in inkohärenten und widersprüchlichen Bezeichnungen niederschlügen. Angesichts dieser Lage führe die Anwendung des Grundsatzes, daß Erzeugnisse, die den Vorschriften des Herstellungsstaates, nicht aber denjenigen des Staates, in den sie eingeführt und in dem sie in den Verkehr gebracht würden, entsprächen, im letztgenannten Staat uneingeschränkt verkehrsfähig sein müssten, zu schwerwiegenden Irrtümern zum Nachteil der Verbraucher in einem Fall wie dem Italiens, wo die nationalen Rechtsvorschriften die Bezeichnung Käse Erzeugnissen mit einem Mindestfettgehalt vorbehielten.

15 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

16 Zwar kann eine Regelung, die den innergemeinschaftlichen Handel behindert und die, wie im vorliegenden Fall, unterschiedslos für inländische und eingeführte Erzeugnisse gilt, nach Artikel 30 EWG-Vertrag gerechtfertigt sein, wenn sie notwendig ist, um zwingenden Erfordernissen unter anderem des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Handelsverkehrs zu genügen.

17 Im vorliegenden Fall kann eine derartige Rechtfertigung jedoch nicht zugelassen werden, da es zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Handelsverkehrs genügte, wenn die italienischen Stellen eine angemessene Etikettierung vorschrieben, die eine zutreffende Unterrichtung über den tatsächlichen Fettgehalt sicherstellt und es den Verbrauchern erlaubt, ihre Wahl in Kenntnis aller Umstände zu treffen.

18 Deshalb ist festzustellen, daß die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag und Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse entweder dadurch verstossen hat, daß sie die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Käse aus anderen Mitgliedstaaten, wo er rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, davon abhängig macht, daß er einen Mindestfettgehalt aufweist, oder - ausgehend von der Auslegung der italienischen Rechtsvorschriften durch die italienische Regierung - dadurch, daß sie die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Käse, der diesen Mindestfettgehalt nicht aufweist und aus anderen Mitgliedstaaten stammt, wo er unter der Bezeichnung Käse rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, unter dieser Bezeichnung verbietet.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Italienische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag und Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse entweder dadurch verstossen, daß sie die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Käse aus anderen Mitgliedstaaten, wo er rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, davon abhängig macht, daß er einen Mindestfettgehalt aufweist, oder - ausgehend von der Auslegung der italienischen Rechtsvorschriften durch die italienische Regierung - dadurch, daß sie die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Käse, der diesen Mindestfettgehalt nicht aufweist und aus anderen Mitgliedstaaten stammt, wo er unter der Bezeichnung Käse rechtmässig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, unter dieser Bezeichnung verbietet.

2 ) Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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