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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: C-212/02
Rechtsgebiete: Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25.


Vorschriften:

Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge Art. 1 Abs. 3
Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge Art. 2 Abs. 1 Buchst. a
Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge Art. 2 Abs. 1 Buchst. b
Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

24. Juni 2004(1)

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG - Unzureichende Umsetzung - Verpflichtung, in den Rechtsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge ein Verfahren vorzusehen, in dem die übergangenen Bieter die Aufhebung der Zuschlagsentscheidung erwirken können"

Parteien:

In der Rechtssache C-212/02

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Nolin als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt R. Roniger, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer und M. Fruhmann als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Feststellung, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) und der Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 76, S. 14) verstoßen hat, indem die Landesvergabegesetze der Länder Salzburg, Steiermark, Niederösterreich und Kärnten die Entscheidung über den Zuschlag nicht in jedem Fall einem Verfahren zugänglich machen, in dem ein übergangener Bieter deren Aufhebung erwirken kann,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und R. Schintgen und der Richterinnen F. Macken und N. Colneric,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 5. Juni 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) und der Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 76, S. 14) verstoßen hat, indem die Landesvergabegesetze der Länder Salzburg, Steiermark, Niederösterreich und Kärnten die Entscheidung über den Zuschlag nicht in jedem Fall einem Verfahren zugänglich machen, in dem ein übergangener Bieter deren Aufhebung erwirken kann.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

2 Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 89/665 bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jedem zur Verfügung steht, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Liefer- oder Bauauftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Die Mitgliedstaaten können insbesondere verlangen, dass derjenige, der ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber zuvor von dem behaupteten Rechtsverstoß und von der beabsichtigten Nachprüfung unterrichten muss."

3 Nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 89/665 stellen die Mitgliedstaaten außerdem sicher, dass für den Fall einer Streitigkeit über die Vergabe eines Auftrags die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden,

"a) damit so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen und weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören Maßnahmen, um das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen oder Maßnahmen der Durchführung jeder sonstigen Entscheidung der öffentlichen Auftraggeber;

b) damit die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann".

4 Artikel 1 Absatz 3 und Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 92/13 enthalten im Wesentlichen die gleichen Bestimmungen.

Nationale Regelung

5 Das Bundesvergabegesetz 2002, kundgemacht am 28. Juni 2002 (BGBl I 99/2002), sieht u. a. eine Begriffsbestimmung der Zuschlagsentscheidung, eine Verpflichtung zur Bekanntgabe dieser Entscheidung an die Bieter und eine Stillhaltefrist vor, innerhalb deren der Auftraggeber den Zuschlag, der sonst nichtig wäre, nicht einem Bieter erteilen darf.

6 Das Bundesvergabegesetz 2002 sieht eine einheitliche Regelung für Bund, Länder und Gemeinden auf dem Gebiet des Vergabewesens vor.

7 Auf Bundesebene ist das Bundesvergabegesetz 2002 am 1. September 2002 in Kraft getreten. Für die Länder stellt sich die entsprechende Regelung in den Landesvergabegesetzen wie folgt dar:

- Steiermark: Die Novelle LGBl 41/2002 ist am 16. März 2002 in Kraft getreten und am 1. Juli 2002 der Kommission notifiziert worden.

- Niederösterreich: Die Novelle LGBl 7200-5 ist am 31. Januar 2002 in Kraft getreten und unstreitig der Kommission notifiziert worden.

- Kärnten: Am 23. Mai 2002 ist eine Novelle beschlossen worden, deren Inkrafttreten für Oktober 2002 vorgesehen war.

- Salzburg: Ähnliche Bestimmungen sollten mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes am 1. Januar 2003 in diesem Land eingeführt werden.

8 Vor dem Inkrafttreten dieser Texte sah ein Rundschreiben des österreichischen Bundeskanzleramtes vor, dass eine Frist zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem Abschluss des Vertrages einzuhalten war und die Auftraggeber alle Bieter über die Zuschlagsentscheidungen in Kenntnis zu setzen hatten.

Vorverfahren

9 Da die Kommission der Auffassung war, dass die österreichischen Behörden nicht die Anforderungen beachtet hätten, die der EG-Vertrag an eine korrekte Umsetzung der Richtlinien 89/665 und 92/13 über die Rechtsbehelfe der übergangenen Bieter gegen die Zuschlagsentscheidungen stelle, hat sie die österreichische Regierung mit Schreiben vom 22. November 1999 aufgefordert, sich innerhalb von zwei Monaten hierzu zu äußern. Die Regierung antwortete mit Schreiben vom 8. Februar 2000, in dem sie weitgehend die von der Kommission vorgebrachten Beschwerdepunkte in der Sache akzeptierte, aber auf inzwischen erfolgte Gesetzesänderungen auf Bundesebene und Gesetzgebungsvorhaben auf Landesebene verwies.

10 Die Kommission gab am 18. Juli 2001 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, mit der sie die Republik Österreich aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen. Die Kommission berücksichtigte dabei die inzwischen erfolgten Gesetzesänderungen auf Bundes- oder Landesebene und erhielt nur die Beschwerdepunkte aufrecht, die nach ihrer Ansicht noch nicht gegenstandslos geworden waren.

11 Die österreichische Regierung antwortete mit Schreiben vom 26. September 2001 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und teilte mit, dass in der Zwischenzeit Gesetzesänderungen in den Ländern Burgenland und Tirol erfolgt seien.

12 Die Kommission war jedoch der Auffassung, dass die Richtlinien 89/665 und 92/13 auch nach Ablauf der in der begründeten Stellungnahme gesetzten zweimonatigen Frist, die am 26. September 2001 endete, noch nicht vollständig in österreichisches Recht umgesetzt worden seien. Die Landesvergabegesetze der Länder Salzburg, Steiermark, Niederösterreich und Kärnten sähen nämlich kein Nachprüfungsverfahren vor, in dem ein übergangener Bieter vor Abschluss des Vertrages über die Auftragsvergabe die Aufhebung der Zuschlagsentscheidung erwirken könne. Die Kommission hat deshalb beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

13 Die Kommission beruft sich zur Begründung ihrer Vertragsverletzungsklage auf die Position, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 28. Oktober 1999 in der Rechtssache C-81/98 (Alcatel Austria u. a., Slg. 1999, I-7671, Randnr. 43) eingenommen habe. Der Gerichtshof habe die Auffassung vertreten, dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 89/665 verpflichtet seien, in jedem Fall die dem Vertragsabschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag schließe, einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen, in dem der Antragsteller die Aufhebung dieser Entscheidung erwirken könne. Dieses Recht der Bieter sei unabhängig von der für sie bestehenden Möglichkeit, nach Vertragsschluss eine Schadensersatzklage zu erheben.

14 Die Kommission stellt fest, dass das österreichische System die Zuschlagsentscheidung aus zwei Gründen unanfechtbar mache. Zum einen nehme das Zusammenfallen von Zuschlagserteilung und Vertragsabschluss den Beteiligten jede Möglichkeit, im Wege der Nachprüfung die Aufhebung einer rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung zu erreichen oder den Vertragsabschluss zu verhindern. Zum anderen könne die Entscheidung des Auftraggebers, die demjenigen zugestellt werde, dem der Auftrag erteilt werde, in der Regel nicht angefochten werden, weil die übergangenen Bieter nicht Adressaten dieser Entscheidung seien. Das geltende nationale Recht schließe daher die Möglichkeit einer Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung aus. Eine solche Situation sei mit den Anforderungen der in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar.

15 Die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie müssten mit unbestreitbarer Verbindlichkeit und mit der erforderlichen Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit umgesetzt werden, um den Erfordernissen der Rechtssicherheit zu genügen (vgl. Urteile vom 15. Oktober 1986 in der Rechtssache 168/85, Kommission/Italien, Slg. 1986, 2945, Randnrn. 11 und 13, vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-433/93, Kommission/Deutschland, Slg. 1995, I-2303, Randnr. 18, und vom 19. Mai 1999 in der Rechtssache C-225/97, Kommission/Frankreich, Slg. 1999, I-3011, Randnr. 37).

16 Die österreichische Regierung macht hauptsächlich geltend, es existiere in den Ländern kein Verbot, die Zuschlagsentscheidung den Bietern bekannt zu geben. Es bestehe also, um die Gemeinschaftsregelung einzuhalten, auch keine Verpflichtung, besondere Bestimmungen zu erlassen, nach denen die Zuschlagsentscheidung bekannt gegeben werden müsse. Die Regierung verweist auf Randnummer 49 des Urteils Alcatel Austria u. a., wonach zu prüfen sei, ob die nationalen Bestimmungen nicht in einer mit der Richtlinie 89/665 zu vereinbarenden Weise ausgelegt werden könnten.

17 Die österreichische Regierung trägt vor, dass die Auftraggeber und Nachprüfungsinstanzen bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in den Ländern über einen Spielraum verfügten, um auf interpretativem Wege eventuelle Regelungslücken zu schließen. Sie folgert daraus, dass nationale Bestimmungen, die dieser richtlinienkonformen Anwendung nicht entgegenstünden, eine ausreichende Umsetzung der Richtlinie darstellten, so dass kein Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich sei.

18 Die österreichische Regierung räumt jedoch ein, dass das Bundeskanzleramt infolge des Urteils Alcatel Austria u. a. ein Rundschreiben versandt habe, das bis zur Verabschiedung gesetzlicher Bestimmungen ein mit diesem Urteil in Einklang stehendes Verfahren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge habe gewährleisten sollen. Dieses Rundschreiben habe auch als Grundlage für die entsprechenden Erlässe der Landesregierungen von Salzburg und Kärnten gedient.

19 Auch wenn die österreichische Regierung anerkennt, dass dieses Rundschreiben und die in den Ländern ergangenen Erlässe keinen legislativen Charakter hätten, so ist sie doch der Auffassung, dass diese Erlässe der Verwaltung die Verpflichtung auferlegten, die geltenden Normen nur im bestehenden gesetzlichen Rahmen des Gemeinschaftsrechts, aber keinesfalls contra oder praeter legem auszulegen, so dass eine ausreichende Umsetzung der Richtlinie gewährleistet sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

20 Die Bestimmungen der Richtlinien 89/665 und 92/13, die die Bieter vor der Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen sollen, zielen darauf ab, die vorhandenen Mechanismen zur Gewährleistung der effektiven Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu verstärken, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 23). Ein solcher Schutz kann nicht effektiv sein, wenn sich der Bieter gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber nicht auf diese Vorschriften berufen kann.

21 Ein umfassender rechtlicher Schutz setzt zunächst die Verpflichtung voraus, die Bieter über die Zuschlagsentscheidung zu informieren. Rechtsvorschriften über den Zugang zu Unterlagen der Verwaltung, nach denen die Bieter nur über die sie unmittelbar betreffenden Entscheidungen informiert werden, können nicht das Fehlen einer Verpflichtung ausgleichen, sämtliche Bieter vor dem Vertragsabschluss über die Zuschlagsentscheidung zu informieren, damit sie die tatsächliche Möglichkeit haben, einen Rechtsbehelf einzulegen.

22 Dass eine solche Information nicht untersagt ist, befreit die Republik Österreich nicht von ihrer Verpflichtung, Rechtsvorschriften zu erlassen, um den Anforderungen an die praktische Wirksamkeit der Richtlinien 89/665 und 92/13 nachzukommen. Dieser Mitgliedstaat kann nicht behaupten, eine richtlinienkonforme Anwendung gewährleistet zu haben, indem er geltend macht, dass nichts den öffentlichen Auftraggeber daran hindere, die Zuschlagsentscheidungen einige Zeit vor dem Vertragsabschluss bekannt zu geben. Diese Möglichkeit liefe darauf hinaus, dem öffentlichen Auftraggeber anheim zu stellen, ob er die Bieter über die Zuschlagsentscheidung informieren will oder nicht, obwohl diese Richtlinien die Bieter vor der Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen sollen.

23 Dieser rechtliche Schutz erfordert sodann, dass für den übergangenen Bieter die Möglichkeit vorgesehen wird, rechtzeitig die Frage der Gültigkeit der Zuschlagsentscheidung zu prüfen. Angesichts der Anforderungen an die praktische Wirksamkeit der Richtlinie folgt daraus, dass zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Zuschlagsentscheidung den übergangenen Bietern bekannt gegeben wird, und dem Vertragsabschluss ein angemessener Zeitraum liegen muss, insbesondere damit bis zum Vertragsabschluss ein Antrag auf vorläufige Maßnahmen gestellt werden kann.

24 Die Republik Österreich war somit verpflichtet, geeignete Verfahren einzuführen, um die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen zu ermöglichen, und nach den Artikeln 1 Absatz 3 der Richtlinien 89/665 und 92/13 sicherzustellen, dass das Nachprüfungsverfahren zumindest jedem zur Verfügung steht, der ein Interesse an einem öffentlichen Auftrag hat. Diese Wirkung hängt nicht nur vom Vorhandensein einer hinreichenden Frist, die es den Bietern erlaubt, auf die Zuschlagsentscheidung zu reagieren, sondern auch von der Verpflichtung ab, die Bieter von der Zuschlagsentscheidung in Kenntnis zu setzen.

25 Das nach dem Urteil Alcatel Austria u. a. ergangene Rundschreiben des Bundes, auf das sich die österreichische Regierung beruft, kann nicht als eine ausreichende Umsetzung angesehen werden, selbst wenn sein Inhalt möglicherweise bestimmte Erlässe in zwei Ländern beeinflusst hat, zumal diese erst nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist ergingen. Da die Rundschreiben nämlich Verwaltungspraktiken darstellen, die naturgemäß von der Verwaltung beliebig geändert werden können und die nur unzureichend bekannt gemacht werden, können sie weder als eine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Vertrag noch als ausreichendes Mittel angesehen werden, um gegebenenfalls der Unvereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht abzuhelfen (vgl. Urteile Kommission/Italien, Randnrn. 11 und 13, Kommission/Deutschland, Randnr. 18, und Kommission/Frankreich, Randnr. 37). Diese Rundschreiben haben nur vorläufigen Charakter, wie im Übrigen auch die österreichische Regierung in ihren Ausführungen zu der mit Gründen versehenen Stellungnahme und zum Mahnschreiben der Kommission eingeräumt hat.

26 Die Umsetzung einer Richtlinie in die interne Rechtsordnung verlangt, dass die Unvereinbarkeit endgültig durch verbindliche nationale Vorschriften, die den gleichen rechtlichen Wert haben wie die zu ändernden Vorschriften, beseitigt wird (in diesem Sinne Urteil vom 12. September 2002 in der Rechtssache C-152/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-6973, Randnr. 19). Der Mitgliedstaat muss auf dem betreffenden Gebiet einen präzisen rechtlichen Rahmen schaffen, wobei die Umsetzung der Gemeinschaftsrichtlinien durch geeignete Anwendungsmaßnahmen zu sichern ist (Urteil vom 15. März 1990 in der Rechtssache C-339/87, Kommission/Niederlande, Slg. 1990, I-851).

27 Zwar trägt die österreichische Regierung schließlich vor, dass inzwischen Änderungsgesetze ergangen seien, doch ergibt sich klar aus ihren Schriftsätzen, dass diese Gesetze nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Zweimonatsfrist in Kraft getreten sind.

28 Das Vorliegen einer Vertragsverletzung ist aber anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde. Später eingetretene Veränderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (Urteile vom 15. März 2001 in der Rechtssache C-147/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-2387, Randnr. 26, und vom 18. Oktober 2001 in der Rechtssache C-354/99, Kommission/Irland, Slg. 2001, I-7657, Randnr. 45).

29 Demnach ist festzustellen, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 89/665 und der Richtlinie 92/13 verstoßen hat, indem die Landesvergabegesetze der Länder Salzburg, Steiermark, Niederösterreich und Kärnten die Entscheidung über den Zuschlag nicht in jedem Fall einem Verfahren zugänglich machen, in dem ein übergangener Bieter deren Aufhebung erwirken kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Österreich beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge und der Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor verstoßen, indem die Landesvergabegesetze der Länder Salzburg, Steiermark, Niederösterreich und Kärnten die Entscheidung über den Zuschlag nicht in jedem Fall einem Verfahren zugänglich machen, in dem ein übergangener Bieter deren Aufhebung erwirken kann.

2. Die Republik Österreich trägt die Kosten des Verfahrens.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. Juni 2004.

Ende der Entscheidung

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