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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.06.1993
Aktenzeichen: C-213/91
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 1304/91/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 173
VO Nr. 1304/91/EWG Art. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Umstand, daß sich die Personen, für die eine Maßnahme gilt, der Zahl nach oder sogar namentlich mehr oder weniger genau bestimmen lassen, bedeutet keineswegs, daß diese Personen als durch diese Maßnahme individuell betroffen im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages anzusehen sind, sofern nur feststeht, daß die Maßnahme aufgrund eines objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist, den sie bestimmt.

Artikel 1 der Verordnung Nr. 1304/91, durch den einige Bestimmungen zur Durchführung der Beihilfe für die Verwirklichung von Verbesserungsplänen im Sektor Schalenfrüchte und Johannisbrot mit Wirkung für die Zukunft für sämtliche Erzeugerorganisationen geändert werden, indem die Anträge der Wirtschaftsteilnehmer auf Änderung dieser Pläne im Laufe ihrer Durchführung, auf Gewährung der jährlichen Beihilfetranchen und auf Auszahlung von Vorschüssen auf die Beihilfe strengeren Voraussetzungen unterworfen werden, betrifft daher die Erzeugerorganisationen, deren Pläne vor Erlaß dieser Vorschrift genehmigt wurden, nicht individuell.

Da diese Vorschrift nämlich nicht spezifisch auf diese Organisationen abzielt, da ihr keine konkreten Umstände zu entnehmen sind, die den Schluß erlauben würden, daß die durch sie eingeführten Maßnahmen eigens im Hinblick auf deren Pläne getroffen worden wären, und da sie in gleicher Weise auf alle Erzeugerorganisationen unabhängig vom Zeitpunkt der Genehmigung ihrer Pläne Anwendung findet, wendet sie sich mit abstrakten und allgemeinen Begriffen an unbestimmte Personengruppen und findet auf objektiv bestimmte Sachverhalte Anwendung.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 15. JUNI 1993. - ABERTAL SAT LTDA UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEIHILFEN FUER SCHALENFRUECHTE UND JOHANNISBROT - AENDERUNG DER DURCHFUEHRUNGSBESTIMMUNGEN - VON ERZEUGERORGANISATIONEN ERHOBENE NICHTIGKEITSKLAGE - ZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE C-213/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Abertal SAT Limitada und achtzehn weitere Organisationen spanischer Erzeuger von Schalenfrüchten und Johannisbrot (im folgenden: Klägerinnen) haben mit Klageschrift, die am 10. August 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung des Artikels 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1304/91 der Kommission vom 17. Mai 1991 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2159/89 mit Durchführungsbestimmungen zu den Sondermaßnahmen für Schalenfrüchte und Johannisbrot gemäß Titel IIa der Verordnung (EWG) Nr. 1035/72 des Rates (ABl. L 123, S. 27).

2 Mit Beschluß vom 18. Oktober 1991 hat der Präsident des Gerichtshofes den von den Klägerinnen eingereichten Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen, mit dem die Aussetzung des Vollzugs von Artikel 1 der erwähnten Verordnung Nr. 1304/91 bis zur Entscheidung des Gerichtshofes in der Hauptsache erreicht werden sollte.

3 Die Verordnung (EWG) Nr. 789/89 des Rates vom 20. März 1989 mit Sondermaßnahmen für Schalenfrüchte und Johannisbrot und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1035/72 über eine gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse (ABl. L 85, S. 3) fügte in die genannte Verordnung Nr. 1035/72 vom 18. Mai 1972 (ABl. L 118, S. 1) einen Titel IIa ein, der später geändert wurde.

4 In Titel IIa der Verordnung Nr. 1035/72 sind bestimmte Beihilfen für Schalenfrüchte und Johannisbrot vorgesehen, zu denen insbesondere eine Beihilfe für die Verwirklichung von Plänen zur Verbesserung der Qualität und Vermarktung zählt, die von den Erzeugerorganisationen vorgelegt und von den nationalen Behörden genehmigt werden (Artikel 14d der Verordnung Nr. 1035/72).

5 Die Pläne im Sinne dieser Bestimmung haben die Verbesserung der Qualität der Erzeugung durch Sortenumstellung und durch Anbauverbesserung auf homogenen, nicht verstreuten Anbauflächen und gegebenenfalls auch die Verbesserung der Vermarktung der Erzeugnisse zum Ziel.

6 Gemäß Artikel 14d der genannten Verordnung Nr. 1035/72 wird für die Durchführung der genehmigten Verbesserungspläne eine Gemeinschaftsbeihilfe von 45 % gewährt, wenn ihre Finanzierung zu 45 % von den Erzeugerorganisationen und zu 10 % vom Mitgliedstaat übernommen wird. Für die Gemeinschaftsbeihilfe und den Zuschuß des Mitgliedstaats gilt ein Hoechstbetrag; sie werden für einen Zeitraum von zehn Jahren gewährt. Der Beihilfehöchstbetrag ist degressiv ausgestaltet.

7 Die Voraussetzungen für die Genehmigung der Verbesserungspläne und die Einzelheiten der Gewährung der Beihilfe zum Zweck ihrer Durchführung wurden neben weiteren Regelungen in der Verordnung (EWG) Nr. 2159/89 der Kommission vom 18. Juli 1989 mit Durchführungsbestimmungen zu den Sondermaßnahmen für Schalenfrüchte und Johannisbrot gemäß Titel IIa der Verordnung Nr. 1035/72 (ABl. L 207, S. 19) festgelegt.

8 Durch die genannte Verordnung Nr. 1304/91 wurde eine zweite Änderung der Verordnung Nr. 2159/89 vorgenommen.

9 Artikel 1 der Verordnung Nr. 1304/91, der Gegenstand der vorliegenden Klage ist, fasst die Voraussetzungen enger, unter denen die Erzeugerorganisationen im Sektor Schalenfrüchte und Johannisbrot die Änderung bereits genehmigter Pläne beantragen können, um die eingeplante Einpflanzung zu vergrössern, beschränkt die Auszahlung von Vorschüssen auf die jährliche Beihilfetranche und verschärft zugleich die Bestimmungen über die administrativen Angaben, die diese Organisationen machen müssen, um die Gemeinschaftsbeihilfe für die Verbesserungspläne zu erhalten.

10 Gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 1304/91 traten diese Änderungen am 21. Mai 1991 in Kraft.

11 Mit besonderem Schriftsatz, der am 23. Oktober 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung gegen die Klage eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Der Gerichtshof hat gemäß Artikel 91 § 3 der Verfahrensordnung beschlossen, die mündliche Verhandlung über diese Einrede zu eröffnen.

12 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des rechtlichen Rahmens des Rechtsstreits, des Verfahrensablaufs sowie des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

13 Zur Begründung der Einrede der Unzulässigkeit trägt die Kommission vor, daß die Klägerinnen durch die angefochtene Verordnung weder unmittelbar noch individuell betroffen seien.

14 Dagegen behaupten die Klägerinnen zum einen, daß ihre Lage durch die angefochtene Verordnung unmittelbar berührt werde, da die zuständigen nationalen Behörden bei der Anwendung der streitigen Änderungen keinen Ermessensspielraum hätten. Zum anderen würden die Klägerinnen durch den Umstand, daß sie über Verbesserungspläne verfügten, die vor dem Erlaß der angefochtenen Verordnung vorgelegt und genehmigt worden seien, gegenüber allen anderen Wirtschaftsteilnehmern im Sektor Schalenfrüchte und Johannisbrot individualisiert. Sie bildeten somit einen geschlossenen Kreis von Wirtschaftsteilnehmern, deren Identität den Gemeinschaftsbehörden deshalb bekannt gewesen sei, weil die Klägerinnen vor einem bestimmten Zeitpunkt eine genau festgelegte Formalität erfuellt, nämlich vor dem Erlaß der streitigen Änderungen Verbesserungspläne vorgelegt hätten. Zudem hätten die Änderungen des Beihilfesystems durch die angefochtene Verordnung ihren Grund in der Lage der Klägerinnen gehabt, da die Kommission beabsichtigt habe, die Kosten der Maßnahmen wegen der Zahl der gebildeten Erzeugerorganisationen und des Betrages der beantragten Beihilfen zu reduzieren.

15 Für die Entscheidung über die Begründetheit der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages es den natürlichen oder juristischen Personen gestattet, die an sie ergangenen Entscheidungen sowie diejenigen Entscheidungen anzufechten, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

16 Da die vorliegende Klage die Nichtigerklärung einer Verordnungsbestimmung zum Gegenstand hat, ist zu prüfen, ob die Klägerinnen durch die angefochtene Maßnahme unmittelbar und individuell betroffen sind.

17 Zur Frage, ob die Klägerinnen individuell betroffen sind, ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung der Umstand, daß sich die Personen, für die eine Maßnahme gilt, der Zahl nach oder sogar namentlich mehr oder weniger genau bestimmen lassen, keineswegs bedeutet, daß diese Personen als durch diese Maßnahme individuell betroffen anzusehen sind, sofern nur feststeht, daß die Maßnahme aufgrund eines objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist, den sie bestimmt (vgl. z. B. Urteil vom 16. März 1978 in der Rechtssache 123/77, UNICME/Rat, Slg. 1978, 845, und Urteil vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 26/86, Deutz und Geldermann/Rat, Slg. 1987, 941).

18 Zu diesem Punkt ist festzustellen, daß durch die angefochtene Vorschrift der Verordnung Nr. 1304/91 einige Bestimmungen zur Durchführung der Beihilfe für die Verwirklichung von Verbesserungsplänen im Sektor Schalenfrüchte und Johannisbrot mit Wirkung für die Zukunft für sämtliche Erzeugerorganisationen geändert werden, indem die Anträge der Wirtschaftsteilnehmer auf Änderung dieser Pläne im Laufe ihrer Durchführung, auf Gewährung der jährlichen Beihilfetranchen und auf Auszahlung von Vorschüssen auf die Beihilfe strengeren Voraussetzungen unterworfen werden.

19 Somit erfasst diese Vorschrift keineswegs die Klägerinnen wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebender Umstände, sondern wendet sich mit abstrakten und allgemeinen Begriffen an unbestimmte Personengruppen und findet auf objektiv bestimmte Sachverhalte Anwendung.

20 Denn die angefochtene Verordnung zielt nicht spezifisch auf die Klägerinnen ab, sondern betrifft diese nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Erzeugerorganisationen in dem betreffenden Sektor und damit genauso wie jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer, der sich tatsächlich oder potentiell in der gleichen Lage befindet.

21 Insbesondere kann der von den Klägerinnen angeführte Umstand, daß die Pläne, über die sie verfügten, genehmigt worden seien, ohne daß die Kommission, wozu sie befugt gewesen wäre, Einwände erhoben hätte, die Klägerinnen nicht im Hinblick auf die angefochtene Vorschrift der streitigen Verordnung individualisieren, da diese Vorschrift die Klägerinnen nicht anders berührt als sämtliche Wirtschaftsteilnehmer des betreffenden Sektors.

22 Diese Vorschrift findet nämlich in gleicher Weise auf alle Erzeugerorganisationen Anwendung, deren Verbesserungspläne vor dem Erlaß dieser Verordnung genehmigt worden sind oder nach diesem Zeitpunkt genehmigt werden.

23 Ausserdem lassen sich der streitigen Verordnung keine konkreten Umstände entnehmen, die den Schluß erlauben würden, daß diese Maßnahmen eigens im Hinblick auf die Pläne der Klägerinnen getroffen worden wären.

24 Unter diesen Umständen betrifft die angefochtene Vorschrift die Klägerinnen nicht individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages, so daß die Klage als unzulässig abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

25 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrer Klage unterlegen sind, sind ihnen die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Ende der Entscheidung

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