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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: C-215/96
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 85
EG-Vertrag Art. 86
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Im Rahmen des in Artikel 177 des Vertrages vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahrens ist es allein Sache der nationalen Gerichte, die mit einem Rechtsstreit befaßt sind und die die zu treffende Entscheidung verantworten müssen, unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der von ihnen dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Das Ersuchen eines nationalen Gerichts kann nur zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder der Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, um die das Gericht ersucht, und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht.

2 Einheitliche Bankbedingungen, die eine Bankenvereinigung ihren Mitgliedern vorschreibt, bezwecken oder bewirken keine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages, soweit sie es den Banken gestatten, in Verträgen über die Gewährung eines Kontokorrentkredits vorzusehen, daß der Zinssatz jederzeit aufgrund der Entwicklung auf dem Geldmarkt geändert werden kann, wobei die Änderung durch Aushang in den Geschäftsräumen der Niederlassungen der Bank oder in einer anderen ihnen zweckmäßig erscheinenden Weise bekanntzumachen ist.

3 Vom allgemeinen Bürgschaftsrecht abweichende einheitliche Bankbedingungen, die eine Bankenvereinigung ihren Mitgliedern vorschreibt und die die Generalbürgschaft zur Sicherung der Gewährung eines Kontokorrentkredits regeln, sind in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages zu beeinträchtigen, wenn feststeht, daß die betreffende Bankdienstleistung nur einen sehr beschränkten Einfluß auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten hat und der Abschluß von Verträgen, für die solche Bedingungen gelten, durch die Hauptkundschaft der ausländischen Banken keine ausschlaggebende Bedeutung für die Entscheidung dieser Banken hat, sich in dem betreffenden Land niederzulassen.

4 Die Anwendung von einheitlichen Bankbedingungen, die eine Bankenvereinigung ihren Mitgliedern für die Verträge über die Eröffnung eines Kontokorrentkredits vorschreibt, stellt keine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 des Vertrages dar, wenn erstens feststeht, daß die in diesen Bedingungen gestattete Änderung des Zinssatzes dieses Kredits von objektiven Gesichtspunkten wie der Entwicklung auf dem Geldmarkt abhängt, und wenn zweitens die vom allgemeinen Bürgschaftsrecht abweichenden Bedingungen, die die Generalbürgschaft zur Sicherung dieses Vertrages regeln, nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 21. Januar 1999. - Carlo Bagnasco u. a. gegen Banca Popolare di Novara soc. coop. arl. (BNP) (C-215/96) und Cassa di Risparmio di Genova e Imperia SpA (Carige) (C-216/96). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale civile e penale di Genova - Italien. - Wettbewerb - Artikel 85 und 86 EG-Vertrag - Einheitliche Bankbedingungen für die Gewährung eines Kontokorrentkredits und zur Generalbürgschaft. - Verbundene Rechtssachen C-215/96 und C-216/96.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-215/96 und C-216/96

betreffend zwei dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Tribunale Genua (Italien) in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten

Carlo Bagnasco u. a.

gegen

Banca Popolare di Novara soc. coop. arl (BPN) (C-215/96), Cassa di Risparmio di Genova e Imperia SpA (Carige) (C-216/96)

vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag im Hinblick auf bestimmte einheitliche Bankbedingungen, die die Associazione Bancaria Italiana ihren Mitgliedern für den Abschluß von Verträgen über die Gewährung eines Kontokorrentkredits und über die Generalbürgschaft vorschreibt,

erläßt

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer G. Hirsch in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten (Berichterstatter) sowie der Richter G. F. Mancini, J. L. Murray, H. Ragnemalm und K. M. Ioannou,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer

Kanzler: R. Grass

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von Carlo Bagnasco u. a., vertreten durch Rechtsanwältin Anna Collivadino, Genua,

- der Banca Popolare di Novara soc. coop. arl (BPN), vertreten durch Rechtsanwalt Giacomo Traverso, Genua,

- der Cassa di Risparmio di Genova e Imperia SpA (Carige), vertreten durch Rechtsanwältin Laura Granata, Genua,

- der italienischen Regierung, vertreten durch Professor Umberto Leanza, Leiter des Servizio del contenzioso diplomatico des Außenministeriums, als Bevollmächtigten, im Beistand von Avvocato dello Stato Oscar Fiumara,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Fabiola Mascardi und Wouter Wils, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Januar 1998,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale Genua hat mit zwei Beschlüssen vom 15. Mai 1996, die am 21. Juni 1996 beim Gerichtshof eingegangen sind, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag im Hinblick auf bestimmte einheitliche Bankbedingungen ("Norme bancarie uniformi"; nachstehend: NBU), die die Associazione Bancaria Italiana (nachstehend: ABI) ihren Mitgliedern für den Abschluß von Verträgen über die Gewährung eines Kontokorrentkredits und über eine Generalbürgschaft vorschreibt, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen den Klägern Bagnasco u. a. und der Banca Popolare di Novara soc. coop. arl (nachstehend: BPN) (Rechtssache C-215/96) bzw. der Cassa di Risparmio di Genova e Imperia SpA (nachstehend: Carige) (Rechtssache C-216/96) wegen der Rückzahlung von Krediten, die diese Bankinstitute eingeräumt hatten.

3 Die Kläger der Ausgangsverfahren, der Hauptschuldner Bagnasco und seine Bürgen als Gesamtschuldner, haben gegen zwei Vollstreckungsbescheide vom 1. Juni 1992 Einspruch eingelegt, mit denen ihnen der Präsident des Tribunale Genua auf Antrag der BPN und der Carige aufgegeben hatte, diesen Banken folgende Beträge zu zahlen:

der BPN den Betrag von 222 440 332 LIT, der sich wie folgt zusammensetzt:

- 170 440 332 LIT als Schuldsaldo eines Kontokorrents, das aufgrund eines am 8. Oktober 1991 geschlossenen Vertrages auf den Namen des Klägers Bagnasco eröffnet worden war, zuzüglich Zinsen ab 1. April 1992 zum Zinssatz von 17 %;

- 9 400 000 LIT als Schuldsaldo eines Kontokorrents, das aufgrund eines am 27. Dezember 1991 geschlossenen Vertrages auf den Namen des Klägers Bagnasco eröffnet worden war, zuzüglich Zinsen ab 1. April 1992 zum Zinssatz von 17,5 %;

- 21 600 000 LIT als Betrag von vier Eigenwechseln, die von der BPN diskontiert und von der Einzelfirma Fidaurum des Klägers Bagnasco ausgestellt worden waren und für die die anderen Kläger am 22. Januar 1992 Bürgschaften in Höhe von jeweils 5 400 000 LIT gestellt hatten, zuzüglich Zinsen ab 22. Mai 1992 zum gesetzlichen Zinssatz von 10 %, sowie

- 21 000 000 LIT für Wechsel zu Lasten von Anna Sbardella, die diskontiert und dem Kontokorrent unter dem Vermerk "Eingang der Zahlung des Hauptschuldners vorbehalten" gutgeschrieben worden waren, wie sich aus den vom Kläger Bagnasco unterzeichneten Vordrucken zur Diskontierung ergibt, sowie für verpfändete Wechsel, ebenfalls zu Lasten von Anna Sbardella, die vom Kläger Bagnasco diskontiert wurden, wobei sämtliche Wechsel zu Lasten des Protestgegners gingen, so daß kraft Vertrag auch die Wechsel, die nicht fällig geworden waren, verfielen, zuzüglich Zinsen ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Vollstreckungsbescheids zum Satz von 15 %;

der Carige den Betrag von 124 119 497 LIT, der sich wie folgt zusammensetzt:

- 48 798 664 LIT als Schuldsaldo eines Kontokorrents, das aufgrund eines am 28. August 1989 geschlossenen Vertrages auf den Namen des Klägers Bagnasco eröffnet worden war, zuzüglich Zinsen ab 11. Juni 1992 zum Zinssatz von 17,5 %;

- 75 320 833 LIT zuzüglich Zinsen ab 11. Juni 1992 zum Zinssatz von 15 % für einen am 12. November 1991 vereinbarten "Bankvorschuß" von 95 000 000 LIT, für den der Kläger Bagnasco 19 Eigenwechsel gegeben hatte.

4 Der Vollstreckungsbescheid gegen diejenigen Kläger, die Gesamtschuldner sind, wurde aufgrund der Bürgschaft, die sie für die nicht eingelösten Wechsel gestellt hatten, und aufgrund der "Generalbürgschaft" (fidejussione omnibus) erlassen, die sie in Höhe des Betrages von 300 000 000 LIT (Rechtssache C-215/96) bzw. 195 000 000 LIT (Rechtssache C-216/96) übernommen hatten.

5 Diese Kläger haben beim vorlegenden Gericht beantragt, die betreffenden Vollstreckungsbescheide für ungültig und/oder unanwendbar zu erklären, hilfsweise, den Betrag festzulegen, der tatsächlich den beiden Banken geschuldet wird. Sie berufen sich insbesondere auf die Unvereinbarkeit der NBU, auf die die Beklagten ihre Ansprüche stützen, mit den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag.

6 Das Tribunale Genua führt aus, es stehe fest, daß die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag den einzelnen Rechte verliehen, auf die sie sich vor den nationalen Gerichten berufen könnten. Außerdem stellten die NBU, die die ABI ihren Mitgliedsbanken vorschreibe und die von allen italienischen Banken in ihren Beziehungen zu ihren Kunden "unmittelbar" verwendet würden, ein Kartell, genauer: einen Beschluß von Unternehmensvereinigungen im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag dar.

7 Nach Auffassung des nationalen Gerichts werfen bestimmte Klauseln der Verträge über die Gewährung eines Kontokorrentkredits und über die Generalbürgschaft die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag auf.

8 Die vom Kläger Bagnasco mit der BPN geschlossenen Verträge über die Gewährung eines Kontokorrentkredits sähen in Klausel 2 die Anwendung eines Jahreszinssatzes von 17 % bzw. von 17,5 % zuzüglich einer Provision von 0,125 % auf den höchsten im jeweiligen Quartal oder auch nur zeitweise erreichten Schuldenstand vor.

9 In dieser Klausel 2 sei im übrigen vorgesehen, daß die "Zinssätze... aufgrund der Entwicklung auf dem Geldmarkt erhöht oder gesenkt werden" könnten. Die Klausel 12 des Vertrages sehe vor: "Nach dem Ermessen der Bank können die Zinssätze jederzeit... geändert werden; die Änderung ist durch Aushang in den Geschäftsräumen ihrer Niederlassungen oder in einer anderen der Bank zweckmäßig erscheinenden Weise bekanntzumachen." Solche dem Mustervertrag der ABI entnommene Klauseln fänden sich auch in dem vom Kläger Bagnasco mit der Carige geschlossenen Vertrag.

10 Nur die anfängliche Festlegung des Zinssatzes beruhe auf einer unmittelbaren Aushandlung zwischen den Vertragsparteien; die spätere Erhöhung des Zinssatzes aufgrund späterer Entwicklung auf dem Geldmarkt sei vom durchschnittlichen Bankkunden nicht oder nur schwer vorhersehbar. Auf diese Weise werde die Befugnis der Bank, über die Wahl des Zeitpunkts der Änderungen dieses Satzes und die Einzelheiten ihrer Mitteilung an den Kunden zu entscheiden, erweitert.

11 Zur Generalbürgschaft führt das Tribunale Genua aus, die im Musterbürgschaftsvertrag der ABI und in den streitgegenständlichen Verträgen enthaltenen einschlägigen Klauseln beträfen folgendes:

- die Verpflichtung, eine Bürgschaft auch "für Zinsen der gesicherten Forderung [zu stellen], wobei der Satz keinesfalls geringer als banküblich sein darf," "zur Erfuellung sämtlicher Forderungen der Bank aus Geschäften jeglicher Art, die bereits geschlossen sind oder die unter dem genannten Namen (oder vom jeweiligen Nachfolger) geschlossen werden"; die Generalbürgschaft sichere im übrigen "jede andere Verpflichtung des Hauptschuldners gegenüber der Bank aufgrund der Stellung von (künftigen) Sicherheiten zugunsten Dritter" (wobei es zu einer "Bürgschaft für die Bürgschaft" komme, so daß eine praktisch unbegrenzte und unkontrollierbare persönliche Haftung möglich sei);

- in Klausel 5 die Verpflichtung des Bürgen, sich über die Vermögensverhältnisse des Schuldners ständig auf dem laufenden zu halten, und insbesondere sich bei diesem über die Entwicklung seiner Beziehungen zur Bank zu informieren, die von der Verpflichtung befreit sei, beim Bürgen die in Artikel 1956 CC vorgesehene besondere Genehmigung einzuholen (Artikel 1956 CC: "Der Bürge einer zukünftigen Schuld wird frei, wenn der Gläubiger ohne besondere Genehmigung des Bürgen dem Dritten ein Darlehen gewährt hat, obwohl er weiß, daß dessen Vermögensverhältnisse sich so entwickelt haben, daß die Rückzahlung des Darlehens bedeutend schwieriger geworden ist");

- in Klausel 6 die Befreiung der Bank von der Obliegenheit, innerhalb der in Artikel 1957 CC vorgesehenen Frist (Artikel 1957 CC: "Der Bürge bleibt auch nach der Fälligkeit der Hauptschuld verpflichtet, sofern der Gläubiger innerhalb von sechs Monaten Klage gegen den Schuldner erhoben und das Verfahren sorgfältig betrieben hat") Klage zu erheben, so daß der Bürge abweichend von dieser Bestimmung, "auch wenn die Bank gegen den Schuldner und die etwaigen Mitschuldner keine Klage erhoben und das Verfahren nicht betrieben habe", und "bis zum vollständigen Erlöschen der Schuld unbedingt und zeitlich unbegrenzt" gesamtschuldnerisch hafte;

- in Klausel 7, erster Absatz, die vom Bürgen übernommene Verpflichtung, "der Bank unverzüglich auf einfache schriftliche Anforderung ungeachtet etwaiger Einwendungen des Schuldners, Zahlung in bezug auf Kapital, Zinsen, Kosten, Steuern, Abgaben und alle weiteren Zusatzkosten zu leisten";

- in Klausel 7, dritter Absatz, folgende Erklärung: "In bezug auf die Höhe der gesicherten Schuld erbringen die Bücher der Bank gegenüber dem Bürgen, seinen Erben und sonstigen Rechtsnachfolgern vollen Beweis; die Bank ist nicht verpflichtet, von sich aus dem Bürgen Mitteilungen über den Stand der Konten und allgemein die Beziehungen zum Schuldner zu machen";

- in Klausel 7, fünfter Absatz, die Ausnahme von Artikel 1939 CC (Artikel 1939 CC: "Die Bürgschaft ist unwirksam, wenn die Hauptschuld nicht besteht, es sei denn, sie wird für die von einem Geschäftsunfähigen übernommene Schuld gestellt"), mit der Folge, daß "die Verpflichtung... ihre volle Wirksamkeit [behält], auch wenn die Hauptschuld, aus welchen Gründen auch immer, nicht besteht,... so daß der Bürge im Falle einer Feststellung der Nichtigkeit oder einer Annullierung der Hauptschuld so haftet, als ob er diese selbst übernommen hätte".

12 Hinsichtlich dieser Klauseln hält das nationale Gericht eine Entscheidung des Gerichtshofes in bezug auf die Beträge, die die BPN und die Carige aus den mit dem Kläger Bagnasco abgeschlossenen Kontokorrentkreditverträgen und den von den übrigen Klägern gestellten Bürgschaften fordern, für erheblich. Es hat demgemäß die Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden vier Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind die Einheitlichen Bankbedingungen für die Gewährung eines Kontokorrentkredits, die die ABI ihren Mitgliedern vorschreibt, soweit sie von den in der ABI zusammengeschlossenen Banken einheitlich und zwingend verwendet werden und die Gewährung des Kredits einer Regelung unterwerfen, nach der der Zinssatz weder von vornherein festgesetzt noch vom Kunden feststellbar ist, mit Artikel 85 EG-Vertrag vereinbar, sofern sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken?

2. Welche Auswirkungen kann die etwaige Feststellung der Unvereinbarkeit im Sinne der ersten Frage auf die entsprechenden Klauseln in Verträgen über die Gewährung von Kontokorrentkrediten, die von den Mitgliedsbanken mit den einzelnen Kunden geschlossen werden, haben, wenn die Gesamtheit der in der ABI zusammengeschlossenen Banken im Sinne und mit Wirkung für Artikel 86 EG-Vertrag als Inhaber einer kollektiven beherrschenden Stellung auf dem nationalen Kreditmarkt anzusehen ist und sich die Verwendung der streitigen Regelung (in bezug auf die Festsetzung des Schuldzinssatzes) als mißbräuchliche Ausnutzung dieser Stellung erweist?

3. Sind die von der ABI ihren Mitgliedern vorgeschriebenen Einheitlichen Bankbedingungen für den "General"bürgschaftsvertrag zur Sicherung der Kreditgewährung - soweit sie von den Mitgliedern einheitlich und zwingend verwendet werden - hinsichtlich der einzelnen Klauseln, die in den Gründen des vorliegenden Beschlusses dargestellt sind, und in ihrer Gesamtheit mit Artikel 85 EG-Vertrag vereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken?

4. Welche Auswirkungen kann die etwaige Feststellung der Unvereinbarkeit im Sinne der dritten Frage auf die entsprechenden Klauseln des "General"bürgschaftsvertrags und auf die Verträge, die von den einzelnen Banken geschlossen wurden, haben, wenn die Gesamtheit der in der ABI zusammengeschlossenen Banken im Sinne und mit Wirkung für Artikel 86 EG-Vertrag als Inhaber einer kollektiven beherrschenden Stellung auf dem nationalen Kreditmarkt anzusehen ist und sich die Verwendung der streitigen Regelung als mißbräuchliche Ausnutzung dieser Stellung erweist?

13 Nach Abschluß der streitigen Verträge wurden die italienischen Rechtsvorschriften über die Gewährung eines Kontokorrentkredits und über die Generalbürgschaft geändert. Durch das Gesetz Nr. 154/92 wurden die Banken verpflichtet, den Hoechstbetrag der Generalbürgschaft im voraus festzulegen.

14 Außerdem legte die ABI ihre Einheitlichen Bankbedingungen mit Schreiben vom 22. Februar 1993 der Kommission zur Prüfung im Licht des Artikels 85 EG-Vertrag vor. Die Bankbedingungen wurden auch der Banca d'Italia als der für die Anwendung der Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs auf dem Kreditmarkt zuständigen nationalen Behörde vorgelegt.

15 Mit Schreiben vom 7. Juli 1993 teilte die Kommission der Banca d'Italia mit, daß sie nur drei der 26 angemeldeten Vereinbarungen prüfen werde. Ohne zu der Frage einer möglichen Wettbewerbsbeschränkung Stellung zu nehmen, teilte die Kommission mit, die meisten Vereinbarungen, darunter diejenigen über die Gewährung eines Kontokorrentkredits und über die Generalbürgschaft, erschienen jedenfalls nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Zum einen seien die betreffenden Bankdienstleistungen auf das Staatsgebiet beschränkt und beträfen wirtschaftliche Tätigkeiten, die aufgrund vertraglicher Festlegung oder naturgemäß nur auf dem italienischen Staatsgebiet ausgeübt würden oder einen sehr geringen Einfluß auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten hätten; zum anderen sei die Beteiligung der Tochtergesellschaften oder Zweigstellen nichtitalienischer Finanzinstitute beschränkt. Die Kommission wolle daher diese Vereinbarungen nicht weiter überprüfen, weil Artikel 85 EG-Vertrag auf sie nicht anwendbar sei.

16 Nur hinsichtlich von Vereinbarungen über die Bedingungen für die Gewährung von Kontokorrentkrediten in Fremdwährungen und für Dienste im Rahmen der Einlösung und Annahme von in- und ausländischen Effekten oder sonstigen Papieren bejahte die Kommission ihre Zuständigkeit.

17 Am 23. November 1993 eröffnete die Banca d'Italia ein Verfahren nach dem Gesetz Nr. 287/90, dessen Artikel 2 Absatz 2 Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag entspricht, zur Prüfung der 23 Vereinbarungen, die von der Kommission nicht geprüft worden waren. Das Verfahren wurde mit Entscheidung Nr. 12 vom 3. Dezember 1994 (Bolletino dell'Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato vom 19. Dezember 1994, Jahr IV, Nr. 48, S. 75) abgeschlossen, in der die Banca d'Italia feststellte, daß die NBU über die Bürgschaften für die Gewährung eines Kredits ebenso wie die über die Gewährung eines Kontokorrentkredits geeignet seien, den Wettbewerb zu beeinträchtigen. In dieser Entscheidung wurde die ABI aufgefordert, die Vereinbarungen zu ändern und diese Änderung ihren Mitgliedern mitzuteilen. Die ABI wurde außerdem aufgefordert, den Banken mitzuteilen, daß die NBU nur eine Leitlinie ohne jeden zwingenden Charakter darstellten, sie auch nicht den Wert einer Empfehlung hätten, und es somit jedem Mitglied freistehe, sie zu übernehmen, nicht zu verwenden oder beliebig abzuändern.

18 In der Folge dieser Entscheidung änderte die ABI die NBU in dem von der Banca d'Italia geforderten Sinn. Diese Änderungen wirken jedoch nicht auf frühere Verträge zurück.

Zur Zulässigkeit der Vorlage

19 Die BPN macht zunächst geltend, die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen seien für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erheblich. Aus den vertraglichen Unterlagen und dem Vollstreckungsbescheid ergebe sich hinsichtlich der Kreditgewährung eindeutig, daß die Klauseln und demgemäß die von der ABI vorgeschriebenen Regelungen keine variablen oder von den Marktbedingungen abhängigen Zinssätze vorsähen, sondern im Gegenteil feste Zinssätze, sowie hinsichtlich der Bürgschaft, daß es sich um einen Vertrag handele, bei dem ein möglicher Verstoß einer Klausel gegen die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag ohne Belang sei.

20 Nach ständiger Rechtsprechung ist es allein Sache der nationalen Gerichte, die mit einem Rechtsstreit befaßt sind und die die zu treffende Entscheidung verantworten müssen, unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der von ihnen dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. Urteile vom 7. Dezember 1995 in der Rechtssache C-472/93, Spano u. a., Slg. 1995, I-4321, Randnr. 15, und vom 10. Juli 1997 in der Rechtssache C-373/95, Maso u. a., Slg. 1997, I-4051, Randnr. 26). Das Ersuchen eines nationalen Gerichts kann nur zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder der Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, um die das Gericht ersucht, und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht (vgl. insbesondere Urteile Spano u. a., Randnr. 15, und vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 61).

21 Im vorliegenden Fall enthalten die zwischen den Parteien der Ausgangsverfahren geschlossenen Verträge Klauseln, die denen der NBU entsprechen; das nationale Gericht hat es für erforderlich gehalten, den Gerichtshof um eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu ersuchen, um die Vereinbarkeit dieser NBU mit den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag beurteilen zu können.

22 Damit kann den von der BPN erhobenen Einwänden gegen die Zulässigkeit der Vorlagefragen nicht gefolgt werden; diese sind zu beantworten.

Zur ersten Frage

23 Die erste Frage des nationalen Gerichts geht dahin, ob die NBU eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken oder geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag zu beeinträchtigen, soweit sie es den Banken gestatten, in den Verträgen über die Gewährung eines Kontokorrentkredits vorzusehen, daß der Zinssatz jederzeit aufgrund der Entwicklung auf dem Geldmarkt geändert werden kann, wobei die Änderung durch Aushang in den Geschäftsräumen der Niederlassungen der Bank oder in einer anderen ihnen zweckmäßig erscheinenden Weise, bekanntzumachen ist.

24 Die Kläger machen geltend, in Italien bestehe ein Kartell für die Festsetzung der Zinssätze, die die Banken von ihren Schuldnern fordern; es gebe sogar Vereinbarungen oder Absprachen über die allgemeinen Vertragsbedingungen, die die ABI mittels der NBU ausarbeite und die die Banken systematisch in die Musterverträge aufnähmen, die sie ihren Kunden vorlegten. Aufgrund dieser Klauseln werde die Position des Hauptschuldners und des Bürgen, die Verpflichtungen bei einer italienischen Bank hätten, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit, gegenüber der Stellung jedes anderen Schuldners und/oder Bürgen geschwächt, der mit einer Bank in einem anderen Mitgliedstaat Verhandlungen führe.

25 Selbst der Anfangszins sei nicht das Ergebnis einer freien Aushandlung zwischen den Parteien, weil die Mitgliedsbanken der ABI verpflichtet seien, die Kartellentscheidungen zu beachten; der Kunde könne deswegen keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Zinssätzen der verschiedenen Kreditinstitute feststellen.

26 Zudem hätten die Banken die Möglichkeit, die Zinssätze, die Gebühren und die anderen Bedingungen einseitig zu ändern. Der einzige Schutz für den Kunden bestehe in der Kündigung des Vertrages. Diese Möglichkeit sei jedoch rein theoretisch, weil der Kunde aufgrund des Bankenkartells nur mit großen Schwierigkeiten ein Kreditinstitut finde, das andere Zinssätze anwende. Der Kunde, der einen Kontokorrentkredit in Anspruch nehmen wolle, sei daher von den Mitgliedsbanken der ABI vollkommen abhängig.

27 Die BPN macht geltend, die Annahme, ihre Verträge beruhten auf von der ABI ausgeübten Zwängen und auferlegten Verpflichtungen, wie im Vorlagebeschluß beschrieben, sei rein fiktiv und wirklichkeitsfremd. Außerdem zeige die Untersuchung des relevanten Marktes - sowohl hinsichtlich der angebotenen Leistungen als auch geographisch -, daß die Tätigkeit der Banken keinen hinreichend weiten Spielraum lasse, um eine einheitliche "Bankenpolitik" zu verfolgen, durch die der Wettbewerb verhindert, beschränkt oder verfälscht werden könnte.

28 Die Carige führt aus, die Regelung, die die nicht bestimmten und feststellbaren Zinssätze betreffe, verstoße nicht gegen Artikel 85 EG-Vertrag, da sie nicht das Ergebnis von Vereinbarungen zwischen Unternehmen sei, die geeignet seien, den Wettbewerb auf dem Markt der Leistungen hinsichtlich des Kapitaltransfers spürbar zu beeinträchtigen.

29 Die italienische Regierung führt aus, die ABI habe der Kommission mit Schreiben vom 22. Februar 1993 die die NBU enthaltenden Rundschreiben, die sie an ihre Mitglieder versandt habe, zur Kenntnis gebracht, damit diese sie im Lichte des Artikels 85 EG-Vertrag prüfe. Die Bankbedingungen seien auch der Banca d'Italia als der für die Anwendung der Regelung im Bereich des Schutzes des Wettbewerbs und des Marktes auf dem Kreditsektor zuständigen nationalen Behörde vorgelegt worden.

30 Nur hinsichtlich von Vereinbarungen über die Bedingungen für die Gewährung von Kontokorrentbarkrediten, von Kontokorrentkrediten in Fremdwährungen und für Dienste im Rahmen der Einlösung und Annahme von in- und ausländischen Effekten und sonstigen Papieren habe die Kommission ihre Zuständigkeit bejaht. Um diese Vereinbarungen gehe es in der vorliegenden Rechtssache nicht.

31 Die Kommission führt aus, es sei zwar nicht ausgeschlossen, daß die betreffenden Klauseln wettbewerbsbeschränkende Wirkungen hätten, weil sie zu einer Beschränkung der Vertragsfreiheit der Mitgliedsbanken der ABI führten, sie seien jedoch nicht mit Artikel 85 EG-Vertrag unvereinbar, weil eine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nicht vorliege.

32 Nach Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verboten, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken.

33 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Vereinbarung wegen der durch sie bewirkten Wettbewerbsstörungen als verboten anzusehen ist, der Wettbewerb so zu betrachten, wie er ohne die fragliche Vereinbarung bestehen würde (vgl. die Urteile vom 28. Mai 1998 in der Rechtssache C-7/95 P, Deere/Kommission, Slg. 1998, I-3111, Randnr. 76, und in der Rechtssache C-8/95 P, New Holland Ford/Kommission, Slg. 1998, I-3175, Randnr. 90).

34 Auch wenn Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag diese Betrachtung nicht auf die tatsächlichen Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beschränkt, sondern auch potentielle Auswirkungen zu berücksichtigen sind, wird eine Vereinbarung nicht von der Verbotsvorschrift des Artikels 85 erfaßt, wenn sie den Markt nur geringfügig beeinträchtigt (Urteile Deere/Kommission, Randnr. 77, und New Holland Ford/Kommission, Randnr. 91).

35 Die Gewährung eines Kontokorrentkredits hängt naturgemäß von der Befugnis der Bank ab, den zunächst vereinbarten Zinssatz nach Maßgabe von Referenzgesichtspunkten, insbesondere der Bedingungen der Refinanzierung des Kredits, zu ändern. Zwar birgt diese Befugnis für den Bankkunden das Risiko einer Zinserhöhung während der Vertragsdauer, sie eröffnet ihm jedoch auch die Möglichkeit einer Zinssenkung. Wenn demnach wie im vorliegenden Fall die Änderung des Zinssatzes von objektiven Gesichtspunkten wie der Entwicklung auf dem Geldmarkt abhängt, so kann ein Kartell, das die Möglichkeit ausschließt, einen festen Zinssatz zu vereinbaren, keine spürbaren wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen haben.

36 Was die Klausel betrifft, nach der die Banken Änderungen des Zinssatzes durch Aushang in ihren Geschäftsräumen oder in einer anderen ihnen zweckmäßig erscheinenden Weise bekanntzumachen haben, so wird ihnen damit keine geeignetere Form der Mitteilung an ihre Kunden untersagt.

37 Die erste Frage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß die NBU keine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag bezwecken oder bewirken, soweit sie es den Banken gestatten, in Verträgen über die Gewährung eines Kontokorrentkredits vorzusehen, daß der Zinssatz jederzeit aufgrund der Entwicklung auf dem Geldmarkt geändert werden kann, wobei die Änderung durch Aushang in den Geschäftsräumen der Niederlassungen der Bank oder in einer anderen ihnen zweckmäßig erscheinenden Weise bekanntzumachen ist.

Zur dritten Frage

38 Die dritte Frage des nationalen Gerichts geht dahin, ob die NBU, soweit sie die Generalbürgschaft zur Sicherung der Gewährung eines Kontokorrentkredits, wie in Randnummer 11 beschrieben, regeln, in ihrer Gesamtheit eine Einschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken oder geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag zu beeinträchtigen.

39 Die Kläger führen aus, nach der italienischen Rechtsprechung sei derjenige, der bei einer in Italien tätigen Bank eine Bürgschaft übernehme, verpflichtet, alle Beträge zu zahlen, die die Bank aufgrund gegenwärtiger oder zukünftiger Geschäfte mit dem Hauptschuldner fordere, gleichgültig, ob es sich dabei um übliche, untergeordnete oder gelegentliche Geschäfte handele, selbst wenn sich dadurch im Laufe der Geschäftsbeziehungen aufgrund des Ermessens der Bank die Schuld des Kunden in unvorhergesehener Weise erhöhte.

40 Die Kläger berufen sich auf Punkt 7 Absatz 5 des Bürgschaftsvertrags, wonach die Verpflichtung ihre volle Wirksamkeit behalte, auch wenn die Hauptschuld, aus welchen Gründen auch immer, nicht bestehe, so daß der Bürge im Falle einer Feststellung der Nichtigkeit oder einer Annullierung der Hauptschuld so hafte, als ob er diese selbst übernommen hätte.

41 Die Carige führt demgegenüber aus, die von der ABI für den Generalbürgschaftsvertrag zur Sicherung einer Kreditgewährung vorgeschriebenen NBU seien mit Artikel 85 EG-Vertrag vereinbar, weil sie aufgrund der Art der erbrachten Dienstleistungen nicht geeignet seien, den Wettbewerb auf dem Markt spürbar zu beeinflussen.

42 Die Kommission führt aus, soweit ihr gegenwärtig bekannt sei, hätten grenzüberschreitende Angebote und Nachfragen von Bankdienstleistungen, die die Gewährung eines Kontokorrentkredits mit Generalbürgschaft beträfen, keine entscheidende Bedeutung für das Tätigwerden von Banken anderer Mitgliedstaaten auf dem italienischen Finanzmarkt. Sie verweist auf ihre Erwägungen in dem Schreiben vom 7. Juli 1993 und macht geltend, die NBU, aufgrund deren die beiden in den Ausgangsverfahren streitigen Verträge geschlossen worden seien, erfuellten eine der Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag nicht: Sie seien nicht geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.

43 Die Bürgschaft stellt eine klassische Sicherungsform dar, durch die u. a. der Schuldsaldo eines Kontokorrents gesichert werden kann. Im italienischen Recht ist die Bürgschaft Gegenstand einer eigenen Regelung im Zivilgesetzbuch, die in bestimmtem Umfang abdingbar ist.

44 Die in den NBU enthaltenen "Bedingungen für die Bürgschaft für Bankgeschäfte", die von der Regelung des Zivilgesetzbuchs abweichen, sollen die Forderungen der Banken möglichst wirksam schützen.

45 Andererseits beschränken diese Bedingungen, da sie nach den Feststellungen des nationalen Gerichts für die Mitglieder der ABI bindend sind, die Vertragsfreiheit der Banken und hindern sie, ihren Kunden bei der Kreditgewährung günstigere Bedingungen für den lediglich akzessorischen Bürgschaftsvertrag einzuräumen, der jedoch in der Praxis häufig Voraussetzung für den Abschluß des Hauptvertrags ist (vgl. Urteil vom 17. März 1998 in der Rechtssache C-45/96, Dietzinger, Slg. 1998, I-1199, Randnr. 18).

46 Unter diesen Umständen ist vor der Frage, ob diese Einschränkung der Vertragsfreiheit spürbare Auswirkungen auf den Wettbewerb hat, die Frage zu untersuchen, welche möglichen Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten Klauseln wie die haben, die in den Ausgangsverfahren in den streitigen Generalbürgschaftsverträgen enthalten sind.

47 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Vereinbarung zwischen Unternehmen geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß sie den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell in einem der Erreichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteiligen Sinn beeinflussen kann (Urteil vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84, Remia u. a./Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 22). Somit ergibt sich eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels regelmäßig aus dem Zusammenwirken mehrerer Umstände, die für sich genommen nicht in jedem Fall erheblich wären (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-250/92, DLG, Slg. 1994, I-5641, Randnr. 54).

48 Nach ständiger Rechtsprechung fordert Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ferner nicht, daß die dort genannten Vereinbarungen den innergemeinschaftlichen Handel tatsächlich spürbar beeinträchtigen, sondern verlangt nur den Nachweis ihrer Eignung, eine derartige Wirkung zu entfalten (vgl. Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 19).

49 Im vorliegenden Fall könnte sich die Regelung der Generalbürgschaft in der Weise auf den innergemeinschaftlichen Handel auswirken, daß sich in Italien niedergelassene Tochtergesellschaften oder Zweigstellen von Banken anderer Mitgliedstaaten verpflichtet sähen, die NBU zu verwenden und damit auf die Anwendung günstigerer Bedingungen zu verzichten, um in den Genuß der Vorteile der Zugehörigkeit zur ABI zu gelangen. Auch könnte die Freiheit von Kunden zum Abschluß eines Vertrages über die Gewährung eines Kontokorrentkredits bei einer Bank ihrer Wahl wegen der Zugehörigkeit der meisten italienischen Banken zur ABI eingeschränkt sein, wenn der Abschluß von der Stellung einer Bürgschaft abhängig ist, die den im wesentlichen bindenden NBU unterworfen ist.

50 Grundsätzlich ist die Beantwortung der Frage, ob der Tatbestand des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag erfuellt ist, von komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen abhängig, die das nationale Gericht, gegebenenfalls anhand der in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten Kriterien, vorzunehmen hat. Unter gewissen Voraussetzungen erscheint eine solche Prüfung angesichts der vom Gerichtshof gegebenen Hinweise jedoch nicht erforderlich (vgl. Urteil DLG, Randnr. 55). Dies ist hier der Fall.

51 Die Kommission, der die ABI die Frage der Vereinbarkeit der Klauseln über die Generalbürgschaft mit Artikel 85 EG-Vertrag vorgelegt hatte, stellte fest, daß die betreffende Bankdienstleistung nur einen sehr beschränkten Einfluß auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten habe und daß auch die Beteiligung von Tochtergesellschaften und Zweigstellen nichtitalienischer Finanzinstitute gering sei (vgl. Randnr. 15). Außerdem hat die Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichtshofes ausgeführt, die mögliche Verwendung von mit einer Generalbürgschaft verbundenen Kreditverträgen durch die Hauptkundschaft der ausländischen Banken, bei der es sich um Großunternehmen und ausländische Wirtschaftsteilnehmer handele, habe für die Entscheidung ausländischer Banken, sich in Italien niederzulassen, keine große, jedenfalls aber keine ausschlaggebende Bedeutung. Denn Verträge wie die in den Ausgangsverfahren streitigen würden von diesem Kundenkreis nur selten geschlossen. Diese Feststellungen der Kommission wurden im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entkräftet.

52 Im übrigen enthalten die Akten keinen Hinweis, aus dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf spürbare Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel geschlossen werden könnte, wenn Kunden, die einen Vertrag über die Gewährung eines Kontokorrentkredits abschließen möchten, aufgrund der NBU zur Generalbürgschaft bei der Entscheidung für eine Bank Zurückhaltung üben.

53 Die dritte Frage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß vom allgemeinen Bürgschaftsrecht abweichende NBU, die die Generalbürgschaft zur Sicherung der Gewährung eines Kontokorrentkredits regeln, wie die in den Ausgangsverfahren streitigen, in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag zu beeinträchtigen.

Zur zweiten und zur vierten Frage

54 Die zweite und die vierte Frage des vorlegenden Gerichts gehen zunächst dahin, ob die Verwendung der NBU die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung durch die Mitgliedsbanken der ABI im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag darstellt. Weiter stellt es die Frage, welche Auswirkungen eine mögliche Unvereinbarkeit der NBU mit den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag auf die entsprechenden Klauseln der Verträge haben könnte, die die Banken mit ihren Kunden geschlossen haben.

55 Die BPN sieht nicht, inwieweit die streitigen Klauseln Ausdruck einer beherrschenden Stellung sein könnten, weil die Selbstbeschränkung, die sich aus der Überziehungshöchstgrenze und aus den Klauseln, durch die für die Bürgschaft spezifische Kündigungs-, Informations- und ähnliche Rechte eingeräumt würden, ergebe, der Annahme widerspreche, daß durch einheitliche oder "Kartell-"Klauseln ein vertraglicher Wille von unbeteiligten Dritten zur Beschränkung des freien Wettbewerbs umgesetzt werden solle.

56 Die Kommission verweist zunächst auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-140/94 bis C-142/94, DIP u. a., Slg. 1995, I-3257, Randnrn. 26 und 27) und macht geltend, allein der Umstand, daß die ABI fast alle italienischen Banken erfasse, erlaube noch nicht die Annahme, ihre Mitglieder hätten in ihrer Gesamtheit eine kollektive beherrschende Stellung inne.

57 Selbst unterstellt, die Mitgliedsbanken der ABI nähmen in ihrer Gesamtheit eine kollektive beherrschende Stellung ein, könnte nicht davon ausgegangen werden, daß die vom nationalen Gericht beschriebenen Verhaltensweisen einen Mißbrauch dieser Stellung darstellten.

58 Nach Artikel 86 EG-Vertrag ist die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar oder verboten, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

59 Es kann dahinstehen, ob die Mitgliedsbanken der ABI eine kollektive beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag innehaben. Hängt die Änderung des Zinssatzes eines Kontokorrentkredits, wie sich aus der Prüfung der ersten Frage ergibt, von objektiven Gesichtspunkten wie der Entwicklung auf dem Geldmarkt ab, dann stellt diese Verhaltensweise jedenfalls keine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag dar.

60 Hinsichtlich der NBU, die die Generalbürgschaft zur Sicherung der Gewährung eines Kontokorrentkredits regeln, folgt aus der Prüfung der dritten Frage, daß ihre Verwendung insgesamt nicht geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.

61 Die zweite und die vierte Frage sind demgemäß dahin zu beantworten, daß die Verwendung der genannten NBU keine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag darstellt.

62 Angesichts der Antworten auf die vorangehenden Fragen erübrigt sich die Beantwortung der Frage, welche Auswirkungen eine mögliche Unvereinbarkeit der NBU mit den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag auf die entsprechenden Klauseln der Verträge haben könnte, die die Banken mit ihren Kunden geschlossen haben.

Kostenentscheidung:

Kosten

63 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Tribunale Genua mit Beschlüssen vom 15. Mai 1996 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Einheitliche Bankbedingungen bezwecken oder bewirken keine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag, soweit sie es den Banken gestatten, in Verträgen über die Gewährung eines Kontokorrentkredits vorzusehen, daß der Zinssatz jederzeit aufgrund der Entwicklung auf dem Geldmarkt geändert werden kann, wobei die Änderung durch Aushang in den Geschäftsräumen der Niederlassungen der Bank oder in einer anderen ihnen zweckmäßig erscheinenden Weise bekanntzumachen ist.

2. Vom allgemeinen Bürgschaftsrecht abweichende Einheitliche Bankbedingungen, die die Generalbürgschaft zur Sicherung der Gewährung eines Kontokorrentkredits regeln, wie die in den Ausgangsverfahren streitigen, sind in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag zu beeinträchtigen.

3. Die Verwendung der genannten Einheitlichen Bankbedingungen stellt keine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag dar.

Ende der Entscheidung

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