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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.04.1991
Aktenzeichen: C-219/89
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine Ware, die aus 39,4 % Orangensaft und 60,6 % Zucker besteht, ist als "Fruchtsaft mit Zusatz von Zucker" in die Position 2009 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 18. APRIL 1991. - WESERGOLD GMBH & CO KG GEGEN OBERFINANZDIREKTION MUENCHEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESFINANZHOF - DEUTSCHLAND. - GEMEINSAMER ZOLLTARIF - GESUESSTER ORAGENSAFT. - RECHTSSACHE C-219/89.

Entscheidungsgründe:

1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 6. Juni 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juli 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Gemeinsamen Zolltarifs [Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. L 256, S. 1] zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Firma WeserGold GmbH & Co. KG (im weiteren: WeserGold GmbH) und der Oberfinanzdirektion München über die Tarifierung einer Ware, die sich zu 39,4 % aus Orangensaft und zu 60,6 % aus Zucker zusammensetzt und durch Zugabe von Wasser und/oder Zugabe von Zucker zu Fertiggetränken weiterverarbeitet werden soll.

3 Am 9. Mai 1988 erteilte die Oberfinanzdirektion München der WeserGold GmbH eine verbindliche Zolltarifauskunft, in der sie die Ware der Position 2106 des Gemeinsamen Zolltarifs zuordnete. Bei dieser Position handelt es sich um die Auffangposition "Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch inbegriffen".

4 Die WeserGold GmbH erhob gegen diese Einordnung Klage beim Bundesfinanzhof. Ihrer Auffassung nach fällt der in Rede stehende "gesüsste Orangensaft" in die Position 2009. Diese gilt für "Fruchtsäfte (einschließlich Traubenmost) und Gemüsesäfte, nicht gegoren, ohne Zusatz von Alkohol, auch mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln".

5 Der Bundesfinanzhof hat Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Gemeinsamen Zolltarifs. Er hat deshalb dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist eine Ware, die aus 39,4 % Orangensaft und 60,6 % Zucker besteht, als "Fruchtsaft mit Zusatz von Zucker" in die Position 2009 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen?

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

6 Für die Entscheidung über die Tarifierung des streitigen Erzeugnisses ist daran zu erinnern, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Nummer des Gemeinsamen Zolltarifs und in den Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (siehe z. B. das Urteil vom 8. Dezember 1977 in der Rechtssache 62/77, Carlsen-Verlag, Slg. 1977, 2343).

7 Die Merkmale eines Erzeugnisses der hier fraglichen Art stimmen auf den ersten Blick mit denen überein, die im Text der Position 2009 beschrieben sind: "Orangensaft mit Zusatz von Zucker".

8 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts und der Kommission kommt diese Position nicht in Frage, da die Ware nicht mehr zum unmittelbaren Verbrauch geeignet sei und ihren ursprünglichen Charakter als Fruchtsaft verloren habe. Sie erfuelle somit nicht mehr die in den Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens für diese Position aufgestellte Voraussetzung.

9 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Zunächst darf, wie sich aus der erwähnten Rechtsprechung ergibt, auf den Verwendungszweck einer Ware bei deren Tarifierung nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Position oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (siehe zu diesem Punkt das Urteil vom 16. Dezember 1976 in der Rechtssache 38/76, Luma, Slg. 1976, 2027). Da dies bei der Position 2009 nicht der Fall ist, kann auf dieses Merkmal für die Einordnung eines Orangensafts der im Ausgangsrechtsstreit fraglichen Art nicht abgestellt werden. Im übrigen ist davon auszugehen, daß das Erzeugnis, da es in der verbindlichen Zolltarifauskunft München als gelbe Flüssigkeit mit dem Geruch und Geschmack eines Orangensafts bezeichnet wurde, seinen ursprünglichen Charakter als Fruchtsaft behalten hat.

10 Die Einordnung der Ware in die Position 2009 wird ausserdem durch den Wortlaut der Unterpositionen 2009-1191 und 2009-1991 gestützt, der im Zusammenhang mit der Zusätzlichen Anmerkung Nr. 5 zu Kapitel 20 zeigt, daß ein Orangensaft mit einem Zuckergehalt von 43 % und mehr in die Position 2009 fällt. Die beiden genannten Unterpositionen betreffen nämlich Orangensaft mit einem Gehalt an zugesetztem Zucker von mehr als 30 GHT, während nach der Zusätzlichen Anmerkung Nr. 5 bei jedem Orangensaft von einem natürlichen Zuckergehalt von 13 % auszugehen ist. Die Merkmale des gesüssten Orangensafts, um den es im vorliegenden Fall geht, weichen nicht grundlegend von einem solchen Erzeugnis ab.

11 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß in den erwähnten Erläuterungen im Hinblick auf das Ausmaß des Süssens zwischen Zucker und anderen Süßmitteln unterschieden wird. Während bei letzteren vorgeschrieben ist, daß "die zugesetzte Menge nicht grösser ist als zum normalen Süssen nötig" und daß "das Verhältnis der verschiedenen Inhaltsstoffe" erhalten bleibt, ist der Zusatz von Zucker keiner Einschränkung unterworfen.

12 Auf die Vorlagefrage ist demgemäß zu antworten, daß eine Ware, die aus 39,4 % Orangensaft und 60 % Zucker besteht, als "Fruchtsaft mit Zusatz von Zucker" in die Position 2009 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluß vom 6. Juni 1989 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Eine Ware, die aus 39,4 % Orangensaft und 60,6 1% Zucker besteht, ist als "Fruchtsaft mit Zusatz von Zucker" in die Position 2009 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen.

Ende der Entscheidung

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