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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: C-220/02
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz (Österreich)


Vorschriften:

EGV Art. 141
Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen Art. 1
Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz (Österreich) § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Große) vom 8. Juni 2004. - Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten gegen Wirtschaftskammer Österreich. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberster Gerichtshof - Österreich. - Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen - Begriff des Entgelts - Berücksichtigung der im Rahmen des Militärdienstes zurückgelegten Zeiten bei der Berechnung der Abfertigung - Möglichkeit, die Gruppe der Arbeitnehmer, die einen Militärdienst leisten, mit der Gruppe der Arbeitnehmerinnen zu vergleichen, die nach Ablauf ihres Mutterschaftsurlaubs einen Karenzurlaub nehmen, dessen Dauer bei der Berechnung der Abfertigung nicht berücksichtigt wird. - Rechtssache C-220/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-220/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Obersten Gerichtshof (Österreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten,

gegen

Wirtschaftskammer Österreich

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 141 EG und des Artikels 1 der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues, des Richters R. Schintgen, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric, des Richters S. von Bahr sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen:

- des Österreichischen Gewerkschaftsbunds, Gewerkschaft der Privatangestellten, vertreten durch K. Mayr, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich,

- der Wirtschaftskammer Österreich, vertreten durch O. Körner als Bevollmächtigten,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. Yerell und H. Kreppel als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Österreichischen Gewerkschaftsbunds, Gewerkschaft der Privatangestellten, vertreten durch K. Mayr, der Wirtschaftskammer Österreich, vertreten durch O. Körner, der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch H. Kreppel, in der Sitzung vom 3. Februar 2004,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom

12. Februar 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Mai 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juni 2002, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 141 EG und des Artikels 1 der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten (im Folgenden: Gewerkschaftsbund), und der Wirtschaftskammer Österreich wegen einer Forderung nach gleichen Abfertigungen für männliche und weibliche Arbeitnehmer.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Artikel 141 Absätze 1 und 2 EG bestimmt:

(1) Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.

(2) Unter Entgelt im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

4. Artikel 1 der Richtlinie 75/117 sieht vor:

Der in Artikel 119 des Vertrages [jetzt Artikel 141 EG] genannte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, im Folgenden als Grundsatz des gleichen Entgelts bezeichnet, bedeutet bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, die Beseitigung jeder Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und Bedingungen.

Insbesondere muss dann, wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, dieses System auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, dass Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen werden.

Nationales Recht

5. Das einschlägige nationale Recht stellt sich nach dem Vorlagebeschluss wie folgt dar.

Berücksichtigung der durch Schwangerschaft und Entbindung bedingten Urlaubszeiten bei der Berechnung der Abfertigung

6. Nach § 23 Angestelltengesetz (BGBl 292/1921, in der Fassung BGBl I 100/2002) (im Folgenden: AngG), der gemäß § 2 Abs. 1 Arbeiter-Abfertigungsgesetz auch für Arbeiter gilt, haben Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Abfertigung. Die Höhe dieser Abfertigung hängt insbesondere von der Dauer des Dienstverhältnisses ab.

7. Nach § 3 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes 1979 (BGBl 221/1979, in der Fassung BGBl I 100/2002) (im Folgenden: MSchG) dürfen werdende Mütter in den letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung nicht beschäftigt werden. Nach § 3 Abs. 3 MSchG darf eine werdende Mutter über die Achtwochenfrist hinaus auch dann nicht beschäftigt werden, wenn Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet wäre.

8. Nach § 5 Abs. 1 MSchG dürfen Dienstnehmerinnen bis zum Ablauf von acht Wochen nach ihrer Entbindung nicht beschäftigt werden. Bei Frühgeburten, Mehrlingsgeburten oder Kaiserschnittentbindungen beträgt diese Frist mindestens zwölf Wochen.

9. Der Oberste Gerichtshof hat in der Sache 9 ObA 199/00f entschieden, dass die Zeiten dieser Beschäftigungsverbote bei der Berechnung der Dauer des Dienstverhältnisses im Hinblick auf die Festsetzung der Höhe der Abfertigung zu berücksichtigen sind. Er hat dies insbesondere damit begründet, dass eine gegenteilige gesetzliche Bestimmung nicht existiere.

10. Im Anschluss an diese Fristen ist der Dienstnehmerin nach § 15 Abs. 1 MSchG auf ihr Verlangen Karenz gegen Entfall des Arbeitsentgelts bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes zu gewähren, wenn sie mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt. Nach § 15 Abs. 2 MSchG muss die Karenz mindestens drei Monate betragen. Während der Karenzzeit kann der Dienstnehmerin nicht gekündigt und kann sie nicht entlassen werden. Nach § 15 Abs. 4 MSchG erstreckt sich dieser Schutz bis zum Ablauf von vier Wochen nach Beendigung der Karenz.

11. § 15f MSchG lautet: Soweit nicht anderes vereinbart ist, bleibt die Zeit der Karenz bei Rechtsansprüchen der Dienstnehmerin, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, außer Betracht.

Berücksichtigung der Dauer des Militärdienstes bei der Berechnung der Abfertigung

12. § 8 Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz (BGBl 683/1991, in der Fassung BGBl I 30/1998) (im Folgenden: APSG) lautet: Soweit sich Ansprüche eines Arbeitnehmers nach der Dauer der Dienstzeit richten, sind Zeiten

1. des Präsenzdienstes gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 bis 4 und 6 bis 8 WG [Wehrgesetz] [jetzt § 19 Abs. 1 Z 1 bis 4 und 6 bis 8 des Wehrgesetzes 2001],

2. des Wehrdienstes als Zeitsoldat gemäß § 27 Abs. 1 Z 5 WG [jetzt § 19 Abs. 1 Z 5 des Wehrgesetzes 2001] bis zu zwölf Monaten,

3. des Ausbildungsdienstes und

4. des Zivildienstes,

während derer das Arbeitsverhältnis bestanden hat, auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen.

13. § 12 APSG sieht für die betroffenen Arbeitnehmer während dieser Zeiten einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz vor. Dieser Schutz beginnt mit dem Zeitpunkt der Mitteilung über die Zustellung des Einberufungsbefehls für den Präsenzdienst, den Frauen vorbehaltenen Ausbildungsdienst oder den Zivildienst und endet in der Regel gemäß § 13 Abs. 1 Z 3 APSG einen Monat nach Beendigung des Dienstes.

14. Nach § 20 Abs. 1 des Wehrgesetzes 2001 sind alle Wehrpflichtigen zur Leistung des Grundwehrdienstes verpflichtet, der sechs Monate dauert. Sofern militärische Interessen es erfordern, können sie für eine zusätzliche, den jeweiligen militärischen Erfordernissen entsprechende Zeit, höchstens jedoch in der Dauer von acht Monaten, herangezogen werden.

15. Zu dieser Dauer kommen die Truppenübungen hinzu, die nach § 19 Abs. 1 Z 2 des Wehrgesetzes 2001 von den Wehrpflichtigen zur Erhaltung des Ausbildungsstands und zur Unterweisung in Einsatzaufgaben zu leisten sind. Die Dauer der einzelnen Truppenübungen ist nach den jeweiligen militärischen Erfordernissen festzulegen und soll in der Regel im Kalenderjahr 15 Tage nicht überschreiten.

16. Auch andere Zeiten können insoweit berücksichtigt werden, wie z. B. Kaderübungen gemäß § 19 Abs. 1 Z 3 des Wehrgesetzes 2001. Diese Zeiten werden aufgrund freiwilliger Meldung oder einer Verpflichtung sowie nach den jeweiligen militärischen Erfordernissen geleistet. Sie haben der Heranbildung von Wehrpflichtigen für Kaderfunktionen sowie der Erhaltung und Vertiefung der erworbenen Befähigungen zu dienen. Die Gesamtdauer dieser Kaderübungen beträgt gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 für Offiziersfunktionen 90 Tage und gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 für die übrigen Kaderfunktionen 60 Tage.

17. Nach § 23 Abs. 1 des Wehrgesetzes 2001 können Wehrpflichtige, die den achtmonatigen Grundwehrdienst vollständig geleistet haben, aufgrund freiwilliger Meldung nach den jeweiligen militärischen Erfordernissen zum Wehrdienst als Zeitsoldat in der Gesamtdauer von höchstens sechs Monaten herangezogen werden. Eine weitere Heranziehung für insgesamt höchstens vier Monate ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

18. Nach § 37 Abs. 1 des Wehrgesetzes 2001 können auch Frauen aufgrund freiwilliger Meldung nach den jeweiligen militärischen Erfordernissen einen Ausbildungsdienst gemäß § 8 Z 3 APSG in der Dauer von zwölf Monaten leisten. Nach Maßgabe zwingender militärischer Interessen darf eine Verlängerung des Ausbildungsdienstes um bis zu sechs Monate verfügt werden. Gemäß § 37 Abs. 4 sind auf Frauen im Ausbildungsdienst die §§ 3 bis 9 MSchG betreffend den Schutz werdender und stillender Mütter anzuwenden.

19. Nach § 2 Abs. 1 (Verfassungsbestimmung) des Zivildienstgesetzes 1986 leisten Wehrpflichtige, die zum Wehrdienst tauglich befunden wurden, jedoch erklären, die Wehrpflicht nicht erfuellen zu können, weil sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen Menschen anzuwenden, Zivildienst. Die Dauer dieses Dienstes wird bei der Berechnung der Dauer der zuvor ausgeübten Beschäftigung genauso berücksichtigt wie der Präsenzdienst.

20. Daneben kennt das nationale Recht bestimmte Zeiten der Beurlaubung, deren Dauer bei der Berechnung der Abfertigung zu berücksichtigen ist. Dazu gehört z. B. die Bildungsfreistellung für Betriebsratsmitglieder gemäß § 119 Abs. 1 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG).

21. Die Dauer anderer Zeiten der Beurlaubung wird hingegen nicht berücksichtigt. Dazu gehören zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Bildungskarenzen gemäß § 11 Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) oder eine zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Freistellung eines Arbeitnehmers gegen Entfall des Arbeitsentgelts, für die eine Förderung aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung oder des Arbeitsmarktservice in Anspruch genommen wird, gemäß § 12 AVRAG.

Das Ausgangsverfahren

22. Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens, der Gewerkschaftsbund, stellte beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Feststellung, dass der erste Karenzurlaub von Arbeitnehmern in einem Dienstverhältnis bei der Bemessung der Höhe der Abfertigung auf die Dauer dieses Dienstverhältnis gleich dem Präsenz- oder Zivildienst in einem zeitlichen Ausmaß von acht Monaten angerechnet wird.

23. Nach Ansicht des Gewerkschaftsbunds stellt es eine nach Artikel 141 EG verbotene mittelbare Diskriminierung dar, dass nach § 15f MSchG die Zeiten des Karenzurlaubs nicht bei der Berechnung der Abfertigung nach § 23 AngG berücksichtigt werden, während die im Rahmen eines Präsenz- oder Zivildienstes zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen seien.

24. Karenzurlauber seien nämlich in 98,253 % der Fälle Frauen und in 1,747 % der Fälle Männer. Nur eine Minderzahl von Kollektivverträgen sehe eine Anrechnung dieser Karenzurlaubszeiten auf die Dauer des Dienstverhältnisses vor.

25. Dagegen werde der für Männer obligatorische Präsenzdienst bzw. der an dessen Stelle tretende Zivildienst für Ansprüche, die sich insbesondere nach der Dauer des Dienstverhältnisses richteten, zur Gänze angerechnet. Diese Dienste beträfen jedoch ausschließlich Männer. Im Jahr 2000 etwa hätten nur ungefähr 100 Frauen den ihnen vorbehaltenen militärischen Ausbildungsdienst in Anspruch genommen.

26. Dieser Unterschied in der Behandlung der Arbeitnehmer, die Karenzurlaub nähmen - in der Mehrzahl Frauen -, und der Arbeitnehmer, die Präsenz- oder Zivildienst leisteten - in der Mehrzahl Männer -, stelle eine mittelbare Diskriminierung dar.

27. Der Oberste Gerichtshof führt aus, dass in der Regel eine Anrechnung von Karenzzeiten auf die Abfertigungsanwartschaften von Gesetzes wegen ausgeschlossen sei, wenn diese Karenzierung auf Initiative des Arbeitnehmers erfolge, es sei denn, die Gründe, aus denen der Arbeitnehmer Urlaub nehme, stellten einen wichtigen Grund dar, der unter den im nationalen Recht vorgesehenen Bedingungen den Arbeitnehmer selbst zur abfertigungswahrenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

28. Was die Entscheidung des Arbeitnehmers angehe, das eigene Kind auch nach Ablauf der 16 Wochen Mutterschaftsurlaub noch weiter selbst zu betreuen, so habe der Gerichtshof bereits im Urteil vom 14. September 1999 in der Rechtssache C-249/97 (Gruber, Slg. 1999, I-5295, Randnrn. 32 f.) klargestellt, dass die in § 26 AngG und in § 82a der Gewerbeordnung 1859 angeführten wichtigen Gründe für eine vorzeitige Beendigung durch den Arbeitnehmer sich von dem Bedürfnis, das eigene Kind selbst zu betreuen, unterschieden. Es handele sich nach den Ausführungen des Gerichtshofes um einen Grund, der keinen Bezug zu den Arbeitsbedingungen in dem Unternehmen oder dem Verhalten des Arbeitgebers aufweise und der das Weiterarbeiten nicht unmöglich mache.

29. Der Oberste Gerichtshof schließt daraus, dass die Gruppe der Eltern, die im eigenen Interesse allein nach ihrem Willen zusätzliche Karenzzeit zur Betreuung ihres Kindes in Anspruch genommen hätten, mit der Gruppe der Arbeitnehmer zu vergleichen sei, die sich aus anderen in ihrer Sphäre liegenden Gründen, die sie nicht an der Arbeit hinderten - etwa die Pflege kranker Angehöriger -, dazu entschlössen, die Arbeitsleistung für längere Zeit einzustellen.

30. Dass der Gesetzgeber Eltern insoweit besser stelle, als er ihnen statt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit des einseitigen Antritts eines Karenzurlaubs zur Verfügung stelle und ihnen auch noch einen besonderen Kündigungsschutz zuerkenne, könne nicht als Diskriminierung der weiblichen Arbeitnehmer angesehen werden.

31. Das vorlegende Gericht stellt jedoch fest, dass der Gewerkschaftsbund einen anderen Ansatz verfolge, indem er die Diskriminierung prüfe, die sich angeblich aus dem Vergleich zwischen der Gruppe der Personen im Karenzurlaub, bei denen die Zeit, während deren sie ihre Beschäftigung nicht ausübten, bei der Berechnung der Abfertigung nicht berücksichtigt werde, und der Gruppe der Personen ergebe, deren Präsenz- oder Zivildienstzeiten bei der Berechnung berücksichtigt würden.

Die Vorabentscheidungsfragen

32. Da der Oberste Gerichtshof der Ansicht ist, dass die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits von der Auslegung der betreffenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts abhänge, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Begriff des Entgelts in Artikel 141 EG sowie Artikel 1 der Richtlinie 75/117/EWG dahin auszulegen, dass er auch allgemein geltende gesetzliche Regelungen wie jene des § 8 APSG umfasst, bei denen aus öffentlichen Interessen Dienstzeiten im Rahmen der dort definierten Bereiche der Erfuellung öffentlicher Aufgaben, während deren die Erfuellung privater Dienstverrichtungen regelmäßig nicht möglich ist, für die nach der Dauer privater Dienstverhältnisse berechneten arbeitsrechtlichen Ansprüche heranzuziehen sind?

2. Ist 141 EG sowie Artikel 1 der Richtlinie 75/117 dahin auszulegen, dass unter dem Aspekt des gleichen Entgelts die Gruppe der von § 8 APSG erfassten Arbeitnehmer/Innen (Gruppe A) bei einem Entgeltsystem, das im Wesentlichen aufgrund der Betriebstreue in der Vergangenheit den Arbeitnehmern zur Überbrückung bei einer konkreten Beendigung, die nicht vom Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund ausgeht oder von diesem verschuldet wurde, gestaffelt nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Abfertigung zuerkennt, wobei den einzelnen Zeitperioden der Dauer des Dienstverhältnisses durchaus eigenständiger Charakter zukommt, und den Ausschluss von Karenzierungszeiten zulässt, wenn diese Karenzierung aus Gründen im Interesse des Arbeitnehmers und über dessen Initiative erfolgt und diese Gründe keinen wichtigen Grund darstellen, der den Arbeitnehmer selbst zur abfertigungswahrenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde, vergleichbar ist mit der Gruppe der Arbeitnehmerinnen, die sich unter Inanspruchnahme der Regelungen des § 15 Mutterschutzgesetz entschließen, nach Ablauf des regelmäßig 16-wöchigen Mutterschaftsurlaubs zur Betreuung ihres Kindes einen Karenzurlaub (Erziehungsurlaub) unter Entfall der laufenden Bezüge bis - maximal - zum Ablauf des 2. Lebensjahres des Kindes zu nehmen (Gruppe B)?

3. Ist Artikel 141 EG sowie Artikel 1 der Richtlinie 75/117 dahin auszulegen, dass die Unterschiede zwischen den in der Frage 2 dargestellten Arbeitnehmer/Innengruppen, die vor allem darin liegen, dass bei der Gruppe A der Präsenzdiener

- regelmäßig eine Pflicht des Dienstantritts besteht, zumindest aber auch bei freiwilliger Meldung der

- Dienstantritt nur nach Maßgabe des öffentlichen Interesses daran möglich ist und

- die Erbringung von Arbeitsleistungen im Rahmen eines - sei es auch eines anderen - privatrechtlichen Dienstverhältnisses regelmäßig nicht möglich ist,

während bei der Arbeitnehmer/Innengruppe B Karenzurlaub

- es allein der Wahl der Arbeitnehmer überlassen bleibt, ob sie in einem bestimmten Arbeitsverhältnis zur Betreuung ihres Kindes Karenzurlaub in Anspruch nehmen und

- sie während dieses Karenzurlaubs in der trotz der Betreuung des Kindes verbleibenden Zeit auch weiter in beschränktem Umfang einer Beschäftigung im Rahmen eines privaten Dienstverhältnisses nachgehen können,

als objektive Rechtfertigung für die unterschiedliche Anrechnung dieser Zeiten für dienstzeitabhängige Ansprüche ausreichen?

Zur ersten Frage

33. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Vorteil, der für Personen, die einen obligatorischen Militärdienst oder an dessen Stelle einen obligatorischen Zivildienst mit der Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung leisten, darin besteht, dass die Dauer dieser Dienste bei der Berechnung einer ihnen möglicherweise später zustehenden Abfertigung berücksichtigt wird, als Bestandteil ihres Entgelts im Sinne von Artikel 141 EG anzusehen ist.

Beim Gerichtshof eingereichte schriftliche Erklärungen

34. Der Gewerkschaftsbund, die österreichische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vertreten die Auffassung, dass eine Erhöhung des Anspruchs auf Abfertigung, wie sie sich aus § 8 APSG ergebe, zugunsten der Personen, die Präsenzdienst oder einen gleichwertigen Dienst leisteten, ebenso wie die Abfertigung selbst (vgl. Urteil Gruber, Randnr. 22, und Urteil vom 27. Januar 2000 in der Rechtssache C-190/98, Graf, Slg. 2000, I493, Randnr. 14) als Bestandteil des Entgelts anzusehen sei.

35. Die Wirtschaftskammer Österreich ist dagegen der Ansicht, dass die Verpflichtung des privaten Arbeitgebers, die Zeiten, während deren das Arbeitsverhältnis geruht habe, bei der Berechnung der Abfertigung zu berücksichtigen, nicht unter den Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 141 EG oder der Richtlinie 75/117 falle.

Würdigung durch den Gerichtshof

36. Weder von den Parteien des Ausgangsverfahrens noch von der österreichischen Regierung oder der Kommission wird in Abrede gestellt, dass es im Ausgangsverfahren um die Dauer von Arbeitsverhältnissen mit einem Arbeitgeber geht und dass diese Dauer bei der Berechnung der Höhe der Abfertigung zu berücksichtigen ist, wobei die Abfertigung unter den Begriff des Entgelts fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil Gruber, Randnr. 22).

37. Dass sich diese Dauer aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung verlängern kann, indem die Dauer des Militär- oder Zivildienstes berücksichtigt wird, der im öffentlichen Interesse und ohne Bezug zu der Beschäftigung geleistet wird, aufgrund deren die Abfertigung gewährt wird, ändert nichts daran, dass die Abfertigung ihrem Wesen nach Entgelt ist.

38. Da somit die Regelung der Abfertigung in den Anwendungsbereich des Artikels 141 EG fällt, können die einzelnen Fallgestaltungen, die sich für verschiedene Arbeitnehmer nach dieser Regelung ergeben, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Artikels geprüft werden.

39. Folglich ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass der Vorteil, der für Personen, die einen obligatorischen Militärdienst oder an dessen Stelle einen obligatorischen Zivildienst mit der Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung leisten, darin besteht, dass die Dauer dieser Dienste bei der Berechnung einer ihnen möglicherweise später zustehenden Abfertigung berücksichtigt wird, als Bestandteil ihres Entgelts im Sinne von Artikel 141 EG anzusehen ist.

Zur zweiten und zur dritten Frage

40. Mit der zweiten und der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 141 EG und die Richtlinie 75/117 dem entgegenstehen, dass bei der Berechnung der Abfertigung die Dauer des Militärdienstes oder des entsprechenden Zivildienstes, die hauptsächlich von Männern geleistet werden, als Dienstzeit berücksichtigt wird, die Dauer des zumeist von Frauen genommenen Karenzurlaubs dagegen nicht.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

41. Der Gewerkschaftsbund trägt vor, dass nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes entgeltfreie Zeiten generell für die Höhe der Abfertigung zu berücksichtigen seien, solange das Arbeitsverhältnis bestehe.

42. Es gebe keine wirklichen Unterschiede zwischen den beiden in der zweiten und der dritten Vorabentscheidungsfrage beschriebenen Gruppen, d. h. der Gruppe A der Arbeitnehmer, die Präsenz- oder Zivildienst leisteten, und der Gruppe B der Arbeitnehmer im Karenzurlaub.

43. Es könne nämlich nicht gesagt werden, dass im Unterschied zum Präsenzdienst, dessen Ableistung eine im öffentlichen Interesse liegende Pflicht darstelle, der Karenzurlaub, da er den Wunsch, das eigene Kind... noch weiter selbst zu betreuen, zum Ausdruck bringe, auf Freiwilligkeit beruhe und somit ausschließlich im privaten Interesse des oder der Betroffenen liege.

44. Zum einen könne der Präsenzdienst freiwillig verlängert werden. Zum anderen seien Frauen gezwungen, Karenzurlaub zu nehmen, wenn die Plätze in Kinderbetreuungseinrichtungen rar seien, Männer einen solchen Urlaub wenig interessant fänden, und Verstöße gegen die Verpflichtung zur Kinderbetreuung unter Strafsanktion gestellt seien.

45. Außerdem befänden sich die beiden Gruppen hinsichtlich der Möglichkeit, im fraglichen Zeitraum zu arbeiten, in der gleichen Situation.

46. Der Gewerkschaftsbund kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass unter dem Aspekt des gleichen Entgelts im Sinne von Artikel 141 EG oder Artikel 1 der Richtlinie 75/117 die von § 8 APSG erfasste Gruppe von Arbeitnehmern mit der § 15 MSchG unterliegenden Gruppe von Arbeitnehmerinnen vergleichbar sei und dass nur die Feststellung bleibe, dass die zweite Gruppe gegenüber der ersten ungerechtfertigt benachteiligt werde.

47. Nach Ansicht der Wirtschaftskammer Österreich ist es nicht möglich, die Gruppe A der Präsenzdiener und die Gruppe B der Personen im Karenzurlaub zu vergleichen, da der Gesetzgeber mit den die beiden Gruppen betreffenden Regelungen einen jeweils unterschiedlichen Zweck verfolge und daher nicht von einer Vergleichbarkeit ihrer Situationen ausgegangen werden könne.

48. Der Oberste Gerichtshof lege in seinem Vorlagebeschluss dar, dass es mit dem System des österreichischen Abfertigungsrechts vereinbar sei, die Dauer des Karenzurlaubs nicht zu berücksichtigen, da dieser Urlaub aus im Interesse des Arbeitnehmers liegenden Gründen und auf dessen Initiative genommen werde.

49. Dagegen werde bei den obligatorischen Diensten im Sinne von § 8 APSG auf die Interessen der Arbeitnehmer keine Rücksicht genommen. Bei den Diensten aufgrund freiwilliger Meldung, zu denen der auch Frauen offen stehende Ausbildungsdienst zähle, seien nur die militärischen Erfordernisse des Staates das Kriterium für die Zulassung. In diesem Fall diene die Unterbrechung des Arbeitsvertrags öffentlichen, vorwiegend militärischen Interessen.

50. Unter diesen Umständen sei die unterschiedliche Behandlung der Gruppen A und B mit Artikel 141 EG und Artikel 1 der Richtlinie 75/117 vereinbar.

51. Eine Vergleichbarkeit der Gruppen A und B sei aber auch vor allem deshalb nicht gegeben, weil die Präsenzdiener durch die Wehrpflicht eine Ungleichbehandlung erführen, die direkt auf der Geschlechtszugehörigkeit beruhe. Diese Ungleichheit bestehe darin, dass diese Personen für die Dauer des Präsenz- oder Zivildienstes nicht nur vom Zugang zur Beschäftigung, sondern auch von der Berufsausbildung und vom beruflichen Aufstieg ausgeschlossen seien, was sie gegenüber Arbeitnehmerinnen benachteilige. Dass Vorteile, die Männern gewährt würden, um diese Ungleichheit auszugleichen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar seien, sei in den Urteilen vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache C-79/99 (Schnorbus, Slg. 2000, I-10997) und vom 11. März 2003 in der Rechtssache C-186/01 (Dory, Slg. 2003, I2479) ausgesprochen worden.

52. Auch nach Ansicht der österreichischen Regierung befinden sich Arbeitnehmerinnen, die Karenz nach dem Mutterschutzgesetz in Anspruch nehmen, und Präsenzdiener nicht in einer vergleichbaren Lage.

53. Die unterschiedliche Berücksichtigung der Zeiten, während deren die Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag ruhten, bei der Bemessung des Abfertigungsanspruchs beruhe auf objektiven Gründen, und dieser Unterschied habe nichts mit einer nach Artikel 141 EG verbotenen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun.

54. Nach Auffassung der Kommission ist es nicht erforderlich, die beiden vorstehend geprüften Abfertigungsregelungen zu vergleichen. Der Oberste Gerichtshof wolle lediglich wissen, ob Artikel 141 EG und Artikel 1 der Richtlinie 75/117 dahin auszulegen seien, dass sie unter dem Gesichtpunkt der mittelbaren Diskriminierung einer nationalen Regelung wie der des § 15f MSchG entgegenstuenden.

55. Zudem lasse sich möglicherweise eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts feststellen, da es im Ausgangsverfahren um die Nichtanrechnung eines Urlaubs angehe, der in Wirklichkeit nur Dienstnehmerinnen betreffe, denn der Ausschluss nach § 15f Abs. 1 MSchG erfasse nur Frauen. Die Kommission folgt jedoch der Annahme des vorlegenden Gerichts und prüft, ob eine mittelbare Diskriminierung vorliegt.

56. Die vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage, ob aufgrund der verschiedenen Regelungen über den Karenzurlaub und über die Zeit des Präsenz oder Zivildienstes im Hinblick auf die Abfertigung eine mittelbare Diskriminierung vorliege, kann nach Ansicht der Kommission dahingestellt bleiben. Der Vergleich zwischen diesen beiden Regelungen trage nichts weiter zur Feststellung der bereits aufgrund der Einschränkungsregel des § 15f MSchG ermittelten Diskriminierung bei; auch ein objektiver Grund, der nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun habe, lasse sich daraus nicht ableiten, um so die betreffende Diskriminierung zu rechtfertigen.

57. Jedenfalls sei kein objektiv gerechtfertigter Faktor gegeben, der nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun habe und der die durch § 15f MSchG bedingte Ungleichbehandlung von Frauen rechtfertigen könne

Würdigung durch den Gerichtshof

58. Die von der Kommission angesprochene unmittelbare Diskriminierung soll daraus folgen, dass für männliche Arbeitnehmer keine Verweisung auf § 15f MSchG besteht, der die Nichtberücksichtigung der Karenzurlaubszeiten vorsieht. Weder von den Parteien des Ausgangsverfahrens noch von der österreichischen Regierung oder der Kommission wird jedoch in Abrede gestellt, dass die geltenden Rechtsvorschriften genügen, um hinsichtlich des von Männern und des von Frauen genommenen Karenzurlaubs Gleichbehandlung zu gewährleisten.

59. Was die Frage des vorlegenden Gerichts nach der unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer, die Karenzurlaub nehmen, und der Arbeitnehmer, die Militär- oder Zivildienst leisten, im Hinblick auf die Abfertigung angeht, so ist daran zu erinnern, dass der in Artikel 141 EG und der Richtlinie 75/117 verankerte Grundsatz des gleichen Entgelts ebenso wie das Diskriminierungsverbot, von dem er eine besondere Ausformung darstellt, voraussetzt, dass sich die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in einer vergleichbaren Lage befinden (vgl. Urteile vom 16. September 1999 in der Rechtssache C-218/98, Abdoulaye u. a., Slg. 1999, I-5723, Randnr. 16, und vom 29. November 2001 in der Rechtssache C-366/99, Griesmar, Slg. 2001, I-9383, Randnr. 39).

60. Im vorliegenden Fall ist der Karenzurlaub ein Urlaub, den ein Arbeitnehmer freiwillig nimmt, um sein Kind aufzuziehen. Dieser Charakter der Freiwilligkeit geht nicht deswegen verloren, weil es schwierig ist, geeignete Einrichtungen zur Betreuung von Kleinkindern zu finden, so bedauerlich eine solche Situation auch sein mag. Dieser Urlaub dient nicht demselben Zweck wie der Mutterschaftsurlaub; er wird durch andere Rechtsvorschriften geregelt und kann auch zu anderen Zeiten als denen genommen werden, die auf den Mutterschaftsurlaub folgen.

61. Dagegen erfuellt der Arbeitnehmer mit der Ableistung eines Wehr oder Zivildienstes eine im Gesetz vorgesehene staatsbürgerliche Pflicht und verfolgt damit kein privates Interesse. Dieser im öffentlichen Interesse erfolgende Eingriff in das Arbeitsverhältnis hat unabhängig von der Größe des Unternehmens und dem Dienstalter des dort beschäftigten Arbeitnehmers allgemeinen Charakter.

62. Im Rahmen des Wehrdienstes steht der Einberufene den Streitkräften in einem von ihm nicht gewählten Zeitraum zur Verfügung. Der besondere Charakter der Verpflichtung zur Ableistung eines Wehrdienstes hat den Gerichtshof im Übrigen veranlasst, für Recht zu erkennen, dass das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Wehrpflicht nur für Männer nicht entgegensteht (Urteil Dory).

63. Dass dieser Dienst freiwillig verlängert werden kann, nimmt ihm nicht seine Natur und ändert nicht seinen Gegenstand. Auch wenn die Verlängerung des Präsenzdienstes auf Freiwilligkeit beruht, erfolgt sie nämlich zur Deckung eines öffentlichen Bedarfs nach dem Arbeitsplatzsicherungsgesetz, das die Möglichkeit einer Verlängerung von militärischen Erfordernissen abhängig macht (§ 8 APSG, §§ 19, 20, 23 und 37 Wehrgesetz).

64. Die Suspendierung des Arbeitsvertrags beruht somit in jedem der Fälle auf je eigenen Gründen, dem Interesse insbesondere des Arbeitnehmers und seiner Familie im Fall des Karenzurlaubs und dem Interesse der nationalen Gemeinschaft im Fall des Wehr oder Zivildienstes. Da diese Gründe ihrer Art nach verschieden sind, befinden sich die Arbeitnehmer, denen sie zugute kommen, nicht in einer vergleichbaren Lage.

65. Folglich ist auf die zweite und die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 141 EG und die Richtlinie 75/117 dem nicht entgegenstehen, dass bei der Berechnung der Abfertigung die Dauer des Militärdienstes oder des entsprechenden Zivildienstes, die hauptsächlich von Männern geleistet werden, als Dienstzeit berücksichtigt wird, die Dauer des zumeist von Frauen genommenen Karenzurlaubs dagegen nicht.

Kostenentscheidung:

Kosten

66. Die Auslagen der österreichischen Regierung und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

auf die ihm vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 22. Mai 2002 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Der Vorteil, der für Personen, die einen obligatorischen Militärdienst oder an dessen Stelle einen obligatorischen Zivildienst mit der Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung leisten, darin besteht, dass die Dauer dieser Dienste bei der Berechnung einer ihnen möglicherweise später zustehenden Abfertigung berücksichtigt wird, ist als Bestandteil ihres Entgelts im Sinne von Artikel 141 EG anzusehen.

2. Artikel 141 EG und die Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen stehen dem nicht entgegen, dass bei der Berechnung der Abfertigung die Dauer des Militärdienstes oder des entsprechenden Zivildienstes, die hauptsächlich von Männern geleistet werden, als Dienstzeit berücksichtigt wird, die Dauer des zumeist von Frauen genommenen Karenzurlaubs dagegen nicht.

Ende der Entscheidung

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