Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 30.11.1994
Aktenzeichen: C-222/92
Rechtsgebiete: VerfO Gerichtshof


Vorschriften:

VerfO Gerichtshof Art. 73
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Gerichtshof hat im Rahmen des Artikels 74 der Verfahrensordnung nicht die von den Parteien ihren eigenen Anwälten geschuldeten Vergütungen festzusetzen, sondern den Betrag zu bestimmen, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann. Gemäß Artikel 73 der Verfahrensordnung gelten als erstattungsfähige Kosten die Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren notwendig waren, wobei dieser Begriff ° wie sich insbesondere aus Artikel 72 der Verfahrensordnung ergibt ° nur das Verfahren vor dem Gerichtshof meint, unter Ausschluß des Vorverfahrens.

Da das Gemeinschaftsrecht keine Gebührenordnung kennt, hat der Gerichtshof die Gegebenheiten des Einzelfalls frei zu würdigen und dabei den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits, seine Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie seinen Schwierigkeitsgrad, den Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren und das wirtschaftliche Interesse zu berücksichtigen, das die Parteien am Ausgang des Rechtsstreits hatten.

Da der Gerichtshof bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten alle Umstände der Rechtssache bis zum Zeitpunkt dieser Festsetzung berücksichtigt, ist über die durch dieses Nachverfahren entstehenden Kosten nicht gesondert zu entscheiden.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 30. NOVEMBER 1994. - SYNDICAT FRANCAIS DE L'EXPRESS INTERNATIONAL, DHL INTERNATIONAL SA, SERVICE CRIE SA UND MAY COURIER SARL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - KOSTENFESTSETZUNG. - RECHTSSACHE C-222/92.

Entscheidungsgründe:

1 Das Syndicat français de l' Expreß international (SFEI) sowie die Firmen DHL International, Service CRIE und May Courier haben mit Klageschrift, die am 16. Mai 1992 beim Gerichtshof eingegangen ist, beantragt, die Entscheidung der Kommission vom 10. März 1992 aufzuheben, durch die das Verfahren eingestellt wurde, das auf die u. a. vom SFEI gegen die Französische Republik und die Société française de messagerie internationale gerichtete Beschwerde wegen Verstosses gegen die Artikel 92 ff. EWG-Vertrag hin eingeleitet worden war.

2 Mit Schreiben, das am 14. Juli 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission mitgeteilt, sie habe beschlossen, die angefochtene Entscheidung zurückzunehmen, und gehe davon aus, daß die Klage damit gegenstandslos geworden sei.

3 Mit ergänzendem Schriftsatz, der am 24. Juli 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, haben die Antragsteller beantragt, die Erledigung der Hauptsache festzustellen und über die Kosten gemäß Artikel 69 § 6 der Verfahrensordnung zu entscheiden, unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles.

4 Mit Schreiben, das am 14. August 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission mitgeteilt, sie erhebe keine Einwendungen gegen den von den Antragstellern eingereichten Schriftsatz.

5 Mit Beschluß vom 18. November 1992 in der Rechtssache C-222/92 (SFEI u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) hat der Gerichtshof die Erledigung der Hauptsache festgestellt und der Kommission die Kosten des Verfahrens auferlegt.

6 Da die Parteien keine Einigung über die erstattungsfähigen Kosten erzielten, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz, der am 19. September 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 74 der Verfahrensordnung beantragt, die erstattungsfähigen Kosten auf 9 402 130 BFR festzusetzen.

7 Die beantragten Kosten umfassen zwei Posten, nämlich 3 199 062 BFR für die Kosten eines Wirtschaftsgutachtens und 6 203 668 BFR für Anwaltskosten und -honorare.

Das Wirtschaftsgutachten war im Hinblick auf die Einlegung der ursprünglichen Beschwerde bei der Kommission erstellt worden. Die Anwaltskosten und -honorare betreffen Leistungen, die sich zum Teil auf das Vorverfahren und zum Teil auf die Vorbereitung der Nichtigkeitsklage beziehen.

Die von den Antragstellern geltend gemachten Beträge für das Wirtschaftsgutachten und einen Teil der Anwaltskosten und -honorare machen 50 % der gesamten in Rechnung gestellten Kosten aus; die andere Hälfte findet nach Angaben der Antragsteller in der beim Gericht erster Instanz anhängigen Rechtssache T-36/92 Berücksichtigung.

8 In ihrer schriftlichen Stellungnahme, die am 21. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht wurde, macht die Kommission geltend, die das Vorverfahren betreffenden Kosten und Honorare seien nicht erstattungsfähig. Wenn man auf die mit der Vorbereitung der Klage verbundenen Kosten abstelle, könne nur ein Betrag von 760 403,50 BFR berücksichtigt werden. Weder der Gegenstand und die Art des Rechtsstreits noch seine Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht, sein Schwierigkeitsgrad, der Arbeitsaufwand oder die mit dem Rechtsstreit verbundenen wirtschaftlichen Interessen rechtfertigten jedoch diesen Betrag, um so weniger, als die Antragsteller keine genauen Angaben zu den Leistungen und dem Umfang der geleisteten Arbeit gemacht hätten. Aufgrund dessen schlägt die Kommission vor, den Betrag der erstattungsfähigen Kosten auf höchstens 300 000 BFR festzusetzen.

9 Die Kommission hat ihrer schriftlichen Stellungnahme ein Schreiben des Anwalts der Antragsteller beigefügt, das sich auf die Kostenabrechnung bezieht; wegen seines vertraulichen Charakters hat der Gerichtshof es nicht berücksichtigt.

10 Nach ständiger Rechtsprechung hat der Gerichtshof im Rahmen des Artikels 74 der Verfahrensordnung nicht die von den Parteien ihren eigenen Anwälten geschuldeten Vergütungen festzusetzen, sondern den Betrag zu bestimmen, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann (vgl. u. a. Beschluß vom 4. Februar 1993 in der Rechtssache C-191/86 DEP, Tokyo Electric/Rat, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 8).

11 Gemäß Artikel 73 der Verfahrensordnung "gelten als erstattungsfähige Kosten:... Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren notwendig waren".

12 "Verfahren" im Sinne dieser Vorschrift ist nur das Verfahren vor dem Gerichtshof, unter Ausschluß des Vorverfahrens. Dies ergibt sich insbesondere aus Artikel 72 der Verfahrensordnung, der vom "Verfahren vor dem Gerichtshof" spricht (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 21. Oktober 1970 in der Rechtssache 75/69, Hake/Kommission, Slg. 1970, 901).

13 Der Antrag der Antragsteller ist daher zurückzuweisen, soweit er darauf gerichtet ist, Kosten und Honorare, die mit dem Vorverfahren zusammenhängen, als erstattungsfähige Kosten zugesprochen zu bekommen.

14 Was die Aufwendungen der Parteien angeht, die für das Verfahren notwendig waren, ist daran zu erinnern, daß das Gemeinschaftsrecht keine Gebührenordnung kennt. Der Gerichtshof hat die Gegebenheiten des Einzelfalls daher frei zu würdigen und dabei den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits, seine Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie seinen Schwierigkeitsgrad, den Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren und das wirtschaftliche Interesse zu berücksichtigen, das die Parteien am Ausgang des Rechtsstreits hatten (siehe u. a. den Beschluß vom 4. Februar 1993, Tokyo Electric/Rat, a. a. O., Randnr. 8).

15 Unter Berücksichtigung dieser Beurteilungskriterien erscheint es angemessen, die erstattungsfähigen Kosten auf insgesamt 600 000 BFR festzusetzen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

beschlossen:

Der Gesamtbetrag der von der Kommission den Antragstellern zu erstattenden Kosten wird auf 600 000 BFR festgesetzt.

Luxemburg, den 30. November 1994

Ende der Entscheidung

Zurück