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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.03.2002
Aktenzeichen: C-224/00
Rechtsgebiete: EGV, Decreto legislativo Nr. 285 Nuovo codice della strada (Gesetzesdekret Nr. 285 zur Einführung des neuen Straßenverkehrsgesetzes) (Italien)


Vorschriften:

EGV Art. 12
Decreto legislativo Nr. 285 Nuovo codice della strada (Gesetzesdekret Nr. 285 zur Einführung des neuen Straßenverkehrsgesetzes) (Italien) Art. 202
Decreto legislativo Nr. 285 Nuovo codice della strada (Gesetzesdekret Nr. 285 zur Einführung des neuen Straßenverkehrsgesetzes) (Italien) Art. 203
Decreto legislativo Nr. 285 Nuovo codice della strada (Gesetzesdekret Nr. 285 zur Einführung des neuen Straßenverkehrsgesetzes) (Italien) Art. 204
Decreto legislativo Nr. 285 Nuovo codice della strada (Gesetzesdekret Nr. 285 zur Einführung des neuen Straßenverkehrsgesetzes) (Italien) Art. 205
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat, der eine unterschiedliche und unverhältnismäßige Behandlung von Betroffenen aufgrund des Ortes der Zulassung ihrer Fahrzeuge beibehält, indem er vorsieht, dass der Betroffene im Falle einer mit einem in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung gegen das Straßenverkehrsgesetz für die Zahlung des vorgesehenen Mindestbetrags oder für einen Einspruch, wenn er den Mindestbetrag nicht bereits bezahlt hat, über eine Frist von 60 Tagen ab der Vorhaltung oder der Zustellung des Protokolls über die Zuwiderhandlung verfügt, während bei einer mit einem in einem anderen Staat zugelassenen Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung der Betroffene entweder sofort den vorgesehenen Mindestbetrag zahlen oder, insbesondere dann, wenn er Einspruch einlegen möchte, eine Kaution in der Höhe des Doppelten dieses Mindestbetrags stellen muss, andernfalls seine Fahrerlaubnis einbehalten oder sein Fahrzeug eingezogen wird, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 6 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 EG).

( vgl. Randnrn. 16, 29 und Tenor )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 19. März 2002. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Artikel 6 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 EG) - Unterschiedliche Behandlung von Personen, die dem Codice della strada zuwiderhandeln, aufgrund des Ortes der Zulassung ihrer Fahrzeuge - Verhältnismäßigkeit. - Rechtssache C-224/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-224/00

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. O' Reilly und G. Bisogni als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von O. Fiumara, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagte,

wegen Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 12 EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie eine Regelung (Artikel 207 des Codice della strada) beibehält, die eine unterschiedliche und unverhältnismäßige Behandlung von Betroffenen aufgrund des Ortes der Zulassung der Fahrzeuge vorschreibt,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin F. Macken, der Richterin N. Colneric sowie der Richter R. Schintgen, V. Skouris (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl

Kanzler: R. Grass

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Dezember 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 31. Mai 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 12 EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie eine Regelung (Artikel 207 des Codice della strada) beibehält, die eine unterschiedliche und unverhältnismäßige Behandlung von Betroffenen aufgrund des Ortes der Zulassung der Fahrzeuge vorschreibt.

Das nationale Recht

2 Die Artikel 202 bis 205 des Decreto legislativo Nr. 285, Nuovo codice della strada (Gesetzesdekret Nr. 285 zur Einführung des neuen Straßenverkehrsgesetzes), vom 30. April 1992 (GURI Nr. 114 vom 18. Mai 1992, suppl. ord., im Folgenden: Codice della strada) bestimmen:

Artikel 202 - Ermäßigter Betrag

Bei den Zuwiderhandlungen, für die dieser Codice ein Bußgeld vorsieht, kann der Betroffene, unbeschadet der Anwendung möglicher Nebensanktionen, binnen 60 Tagen von der Vorhaltung oder der Zustellung an einen Betrag in Höhe des in den einzelnen Bestimmungen vorgesehenen Mindestbetrags zahlen.

...

Artikel 203 - Einspruch beim Präfekten

1. Der Betroffene... [kann] binnen 60 Tagen von der Vorhaltung oder der Zustellung an, wenn keine Zahlung eines ermäßigten Betrages in den Fällen, in denen diese zulässig ist, erfolgt ist, beim Präfekten des Ortes der Begehung der Zuwiderhandlung Einspruch einlegen...

2....

3. Wird in der vorgesehenen Frist kein Einspruch eingelegt und erfolgt keine Zahlung in beschränktem Umfang, so stellt das Protokoll... einen Vollstreckungstitel für einen Betrag in Höhe der Hälfte des Hoechstbetrags des gesetzlichen Bußgeldes und für die Verfahrenskosten dar.

Artikel 204 - Maßnahmen des Präfekten

Erachtet der Präfekt nach Prüfung des Protokolls... die Ermittlungsergebnisse als zutreffend, so erlässt er binnen 60 Tagen einen mit Gründen versehenen Bescheid, mit dem er die Zahlung eines bestimmten Betrages... anordnet, der für jede einzelne Zuwiderhandlung mindestens dem Doppelten des gesetzlichen Mindestbetrags entsprechen muss...

Artikel 205 - Gerichtlicher Rechtsbehelf

1. Gegen den Bußgeldbescheid können die Betroffenen... [beim ordentlichen Gericht] Rechtsbehelf einlegen.

..."

3 Artikel 207 des Codice della strada, der anwendbar ist, wenn eine Zuwiderhandlung mit einem Fahrzeug begangen wurde, das in einem anderen Land als Italien zugelassen oder mit einem EE-Kennzeichen versehen ist, lautet wie folgt:

1. Wird eine Bestimmung des vorliegenden Codice mit einem Fahrzeug, das im Ausland zugelassen oder mit einem EE-Kennzeichen versehen ist, verletzt und wird diese Verletzung mit einem Bußgeld geahndet, so kann der Betroffene unmittelbar zu Händen des Ermittlungsbeamten die Zahlung eines ermäßigten Betrages im Sinne von Artikel 202 vornehmen...

2. Macht der Betroffene aus einem beliebigen Grund von der Möglichkeit der Zahlung eines ermäßigten Betrages keinen Gebrauch, so hat er dem Ermittlungsbeamten als Kaution einen Betrag in Höhe der Hälfte des Hoechstbetrags des für die Zuwiderhandlung vorgesehenen Bußgeldes zu zahlen. Anstelle der Zahlung dieser Kaution kann der Betroffene eine besondere Bürgschaftsurkunde beibringen, die die Zahlung der geschuldeten Beträge gewährleistet. Die Zahlung der Kaution oder die Ausstellung der Bürgschaftsurkunde ist im Protokoll über die Vorhaltung der Zuwiderhandlung zu vermerken. Beide werden bei dem Kommando oder der Dienststelle niedergelegt, der der Ermittlungsbeamte angehört.

3. Wird keine Kaution oder Bürgschaft im Sinne von Absatz 2 gestellt, verfügt der Ermittlungsbeamte als Sicherungsmaßnahme die sofortige Einbehaltung der Fahrerlaubnis. Fehlt es an einer Fahrerlaubnis, so wird das Fahrzeug sichergestellt, bis eine der Verpflichtungen im Sinne von Absatz 2 erfuellt ist, jedoch nur für einen Zeitraum, der 60 Tage nicht übersteigen darf."

4 Aus den Akten geht hervor, dass alle im Codice della strada vorgesehenen Bußgelder so festgesetzt sind, dass ihr Hoechstbetrag dem Vierfachen ihres Mindestbetrags entspricht. Daher ist die Hälfte des Hoechstbetrags" im Sinne der Artikel 203 und 307 gleich dem Doppelten des Mindestbetrags" im Sinne von Artikel 204, und die beiden Begriffe sind als gleichbedeutend zu betrachten.

Das Vorverfahren

5 Die Kommission war der Ansicht, dass Artikel 207 des Codice della strada entgegen Artikel 6 EG-Vertrag eine unterschiedliche und unverhältnismäßige Behandlung der Betroffenen nach Maßgabe des Ortes der Zulassung der Fahrzeuge einführe, und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Sie forderte die Italienische Republik zunächst zur Äußerung auf, richtete am 2. Oktober 1998 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an sie und forderte sie auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieser binnen zwei Monaten ab ihrer Zustellung nachzukommen.

6 Italien bestritt mit Schreiben vom 22. Oktober und vom 12. November 1998 die gerügte Vertragsverletzung und machte zur Begründung insbesondere geltend, die Gemeinschaft habe gegen Artikel 207 keinen Einwand erhoben, als ihr der Codice della strada notifiziert worden sei. Mit Schreiben vom 18. Januar 1999 an die Kommission führte Italien aus, es prüfe die Möglichkeit, in den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Codice della strada, der dem Parlament vorgelegt werde, weitere Änderungen einzufügen. Weiter hörte die Kommission jedoch nichts mehr von einer etwaigen Änderung des Artikels 207 des Codice della strada.

7 Daher hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

Vorbringen der Parteien

8 Die Kommission macht geltend, die italienische Regelung diskriminiere nach dem Ort der Zulassung des Fahrzeugs, was in der Praxis einer unterschiedlichen Behandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Betroffener entspreche. Die Letzteren würden gegenüber den Ersteren benachteiligt, da sie sofort den Mindestbetrag der Geldbuße zu zahlen oder eine Kaution in Höhe des Doppelten dieses Betrages zu stellen hätten, denn andernfalls werde ihre Fahrerlaubnis einbehalten oder ihr Fahrzeug eingezogen. Die Kategorie der gebietsfremden Betroffenen falle häufig mit derjenigen der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten zusammen; daher führe diese unterschiedliche Behandlung zu einer mittelbaren Diskriminierung der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit.

9 Zwar habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 23. Januar 1997 in der Rechtssache C-29/95 (Pastoors und Trans-Cap, Slg. 1997, I-285) entschieden, dass eine unterschiedliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden objektiv gerechtfertigt sein könne, wenn sie verhindern solle, dass gebietsfremde Betroffene kein Bußgeld zahlten, und wenn sie im rechten Verhältnis zu diesem Zweck stehe, doch sei die Regelung des Artikels 207 des Codice della strada offensichtlich unverhältnismäßig und diskriminierend und verstoße somit gegen Artikel 6 EG-Vertrag.

10 Um den italienischen Behörden alle erforderlichen Garantien zu geben, hätte es genügt, wenn die italienische Regelung die sofortige Zahlung einer Kaution in Höhe des vorgesehenen Mindestbetrags vorgesehen hätte; diese Regelung hätte im rechten Verhältnis zu dem angestrebten Zweck gestanden, die Zahlung des in Artikel 202 des Codice della strada vorgesehenen Betrages zu erreichen, ohne das Recht des Gebietsfremden auf eine Überlegungsfrist zu beeinträchtigen.

11 Die italienische Regierung räumt ein, dass das italienische Recht eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vornehme.

12 Unter Berufung auf die Randnummern 22 und 24 des Urteils Pastoors und Trans-Cap macht sie jedoch geltend, dass diese Diskriminierung unerlässlich sei, um die Zahlung der von gebietsfremden Betroffenen geschuldeten Bußgelder sicherzustellen, da es an gemeinschaftlichen Instrumenten oder zweiseitigen Übereinkünften zwischen der Italienischen Republik und anderen Mitgliedstaaten fehle, die die Vollstreckung dieser Sanktionen im Ausland gewährleiste.

13 Die von der Kommission vorgeschlagene Lösung sei unangemessen, denn sie beseitige zum einen nicht den schwerstwiegenden Gesichtspunkt der Diskriminierung, nämlich die Verpflichtung zur sofortigen Zahlung, und stelle zum anderen eine Begünstigung des Gebietsfremden dar, der gegen den Bußgeldbescheid vorgehe, indem er den gesetzlich vorgesehenen Einspruch beim Präfekten einlege, wenn dieser Einspruch letztlich zurückgewiesen werde. Denn in diesem Fall genüge eine Kaution in Höhe des Mindestbetrags des Bußgelds nicht, um die im italienischen Recht vorgesehene Sanktion abzudecken, die mindestens dem Doppelten des Mindestbetrags entspreche.

Würdigung durch den Gerichtshof

14 Artikel 6 EG-Vertrag ist ein spezifischer Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes und verbietet jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.

15 Nach ständiger Rechtsprechung verbieten jedoch die Vorschriften über die Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern nicht nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (Urteil Pastoors und Trans-Cap, Randnr. 16).

16 Im vorliegenden Fall behandelt das italienische Recht Personen, die dem Codice della strada zuwiderhandeln, je nach dem Ort der Zulassung ihres Fahrzeugs unterschiedlich. Insbesondere verfügt der Betroffene im Falle einer mit einem in Italien zugelassenen Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung für die Zahlung des vorgesehenen Mindestbetrags über eine Frist von 60 Tagen ab der Vorhaltung oder der Zustellung des Protokolls über die Zuwiderhandlung; er kann auch innerhalb dieser Frist Einspruch beim Präfekten einlegen, wenn er den Mindestbetrag nicht bereits bezahlt hat. Dagegen muss der Betroffene nach Artikel 207 des Codice della strada bei einer mit einem in einem anderen Staat als Italien zugelassenen oder mit einem EE-Kennzeichen versehenen Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung entweder sofort den vorgesehenen Mindestbetrag zahlen oder, insbesondere dann, wenn er beim Präfekten Einspruch einlegen möchte, eine Kaution in Höhe des Doppelten dieses Mindestbetrags stellen, andernfalls wird seine Fahrerlaubnis einbehalten oder sein Fahrzeug eingezogen.

17 Somit enthält Artikel 207 des Codice della strada eine unterschiedliche Behandlung zum Nachteil der Betroffenen, die ein in einem anderen Mitgliedstaat als Italien zugelassenes Fahrzeug besitzen.

18 Zwar beruht diese unterschiedliche Behandlung nicht unmittelbar auf der Staatsangehörigkeit. Doch ist unstreitig, dass in Italien die meisten Betroffenen, die ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Fahrzeug besitzen, keine italienischen Staatsangehörigen sind, während die große Mehrheit der Betroffenen, die ein in Italien zugelassenes Fahrzeug besitzen, dies sind.

19 Somit führt die in Artikel 207 des Codice della strada vorgesehene unterschiedliche Behandlung zum Nachteil der Betroffenen, die im Besitz eines in einem anderen Mitgliedstaat als Italien zugelassenen Fahrzeugs sind, letztlich zum gleichen Ergebnis wie eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.

20 Daraus muss jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht auf die Unvereinbarkeit der Regelung mit Artikel 6 EG-Vertrag geschlossen werden. Vielmehr ist weiter zu prüfen, ob Artikel 207 des Codice della strada durch objektive Umstände gerechtfertigt ist (vgl. Urteil Pastoors und Trans-Cap, Randnr. 19) und ob diese Bestimmung im rechten Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck steht. Ist dies nicht der Fall, so ist diese Bestimmung nach Artikel 6 EG-Vertrag verboten.

21 Zu den Umständen, die objektiv eine unterschiedliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden rechtfertigen können, gehört nach den Randnummern 21 und 22 des Urteils Pastoors und Trans-Cap das Fehlen von Übereinkünften, die die Vollstreckung einer Verurteilung in einem anderen als demjenigen Mitgliedstaat, in dem sie ausgesprochen worden ist, gewährleisteten. Dass nur gebietsfremde Betroffene einen Geldbetrag als Kaution stellen müssen, kann danach verhindern, dass diese sich einer wirksamen Sanktion einfach durch die Erklärung entziehen, sie stimmten der sofortigen Erhebung des Bußgelds nicht zu.

22 Zwar hat der Gerichtshof die Feststellung in Randnummer 21 dieses Urteils in einer Rechtssache getroffen, in der die unterschiedliche Behandlung von Betroffenen aufgrund ihres Wohnorts erfolgte, doch gilt sie auch für die Frage, ob die durch Artikel 207 des Codice della strada eingeführte unterschiedliche Behandlung zum Nachteil der Betroffenen, die ein in einem anderen Mitgliedstaat als Italien zugelassenes Fahrzeug besitzen, mit Artikel 6 EG-Vertrag vereinbar ist. Die italienische Regierung hat zudem in ihrer Klagebeantwortung eingeräumt, dass die unterschiedliche Behandlung, um die es im vorliegenden Fall geht, letztlich einer unterschiedlichen Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden Betroffenen entspricht.

23 Nach allem besteht, wie die italienische Regierung zu Recht und von der Kommission unwidersprochen vorgetragen hat, in Ermangelung völkerrechtlicher oder gemeinschaftlicher Normen, die gewährleisten, dass ein Bußgeld, das in einem Mitgliedstaat wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Straßenverkehrsordnung verhängt wird, in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden kann, die Gefahr, dass dieses Bußgeld nicht erhoben wird. Ferner hat die Kommission den Vortrag der italienischen Regierung nicht bestritten, dass auch keine zweiseitigen Übereinkünfte zwischen der Italienischen Republik und anderen Mitgliedstaaten bestuenden, die eine derartige Vollstreckung gewährleisten könnten.

24 Diese Umstände rechtfertigen die durch Artikel 207 des Codice della strada eingeführte unterschiedliche Behandlung, soweit diese darin besteht, dass allein von Betroffenen, die ein in einem anderen Mitgliedstaat als Italien zugelassenes Fahrzeug besitzen, die Stellung einer Kaution oder die Beibringung einer Bürgschaftsurkunde verlangt wird.

25 Soweit jedoch der Betrag dieser Kaution oder Bürgschaftsurkunde dem Doppelten des im Falle einer sofortigen Zahlung vorgesehenen Mindestbetrags entspricht, was die unter Artikel 207 des Codice della strada fallenden Betroffenen zur sofortigen Zahlung des Mindestbetrags und somit zum Verzicht auf die Überlegungsfrist veranlassen muss, die ihnen das Gesetz für die Entscheidung einräumt, ob sie die Feststellung der Zuwiderhandlung beim Präfekten anfechten möchten, steht die unterschiedliche Behandlung aufgrund dieses Artikels außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck.

26 Dieser Zweck besteht darin, die Zahlung der von den Betroffenen, die ein in einem anderen Mitgliedstaat als Italien zugelassenes Fahrzeug besitzen, geschuldeten Bußgelder sicherzustellen. Wie die Kommission jedoch zu Recht ausgeführt hat, ließe sich dieser Zweck ebenso gut erreichen, wenn die unter Artikel 207 des Codice della strada fallenden Betroffenen als Kaution einen Betrag in Höhe des vorgesehenen Mindestbetrags zu zahlen hätten und wenn diese Kaution von den italienischen Behörden nach Ablauf der in Artikel 202 dieses Codice vorgesehenen Frist von 60 Tagen für verfallen erklärt werden könnte.

27 Die italienische Regierung macht hingegen geltend, eine solche Regelung wäre nicht geeignet, die Zahlung des in Artikel 204 des Codice della strada vorgesehenen Bußgelds sicherzustellen, wenn der unter Artikel 207 dieses Codice fallende Betroffene beim Präfekten binnen 60 Tagen einen Einspruch einlege, der schließlich zurückgewiesen werde. Denn in diesem Fall müsse der Betroffene ein Bußgeld in Höhe von mindestens dem Doppelten des vorgesehenen Mindestbetrags zahlen.

28 Dieses Vorbringen der italienischen Regierung vermag die in Randnummer 25 getroffene Feststellung nicht zu erschüttern und ist daher zurückzuweisen. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, könnte die Zahlung des in Artikel 204 des Codice della strada vorgesehenen Bußgelds durch andere Maßnahmen sichergestellt werden, die in einer späteren Phase verfügt würden.

29 Nach allem ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie durch die Beibehaltung von Artikel 207 des Codice della strada eine unterschiedliche und unverhältnismäßige Behandlung von Betroffenen aufgrund des Ortes der Zulassung ihrer Fahrzeuge beibehält.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Italienischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 EG) verstoßen, dass sie durch die Beibehaltung von Artikel 207 des Codice della strada eine unterschiedliche und unverhältnismäßige Behandlung von Betroffenen aufgrund des Ortes der Zulassung ihrer Fahrzeuge beibehält.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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