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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.05.1993
Aktenzeichen: C-228/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 3796/81, Richtlinie 83/643 vom 1. Dezember 1983


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 30
EWG-Vertrag Art. 36
Verordnung Nr. 3796/81
Richtlinie 83/643 vom 1. Dezember 1983 Art. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat verstösst gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 36 des Vertrages, wenn er Partien Fisch aus anderen Mitgliedstaaten, für die ordnungsgemäß eine Gesundheitsbescheinigung darüber vorgelegt wird, daß das Erzeugnis frei von lebenden Nematodenlarven ist, systematischen Kontrollen unterwirft oder wenn er die Einfuhr von Partien Fisch, für die eine solche Bescheinigung nicht vorgelegt wird und bei denen die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Kontrollen nicht das Vorhandensein von lebenden Larven ergeben haben, verbietet, soweit er in beiden Fällen nicht nachgewiesen hat, daß der Verzehr von Fisch, der tote oder durch eine entsprechende Behandlung abgetötete Nematodenlarven enthält, eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellt.

Da das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen für den Handel zwischen den Vertragsparteien Regeln enthält, die mit denen der Artikel 30 und 36 des Vertrages identisch sind, und da es im vorliegenden Fall keinen Grund gibt, diese Regeln anders als die genannten Artikel des Vertrages auszulegen, stellen die genannten nationalen Maßnahmen auch hinsichtlich von Fisch aus Norwegen eine Verletzung der Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 1691/73 über den Abschluß dieses Abkommens und zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen dazu dar.

Die systematischen Kontrollen von Partien, für die eine Bescheinigung darüber vorliegt, daß sie frei von lebenden Larven sind, stellen ferner eine Verletzung der Verpflichtung aus der Richtlinie 83/643 zur Erleichterung der Kontrollen und Verwaltungsformalitäten im Güterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten dar.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 25. MAI 1993. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN ITALIENISCHE REPUBLIK. - VERTRAGSVERLETZUNGSVERFAHREN - FISCHE, DIE VON NEMATODENLARVEN BEFALLEN SIND - SYSTEMATISCHE GRENZKONTROLLEN - VERBOT DER EINFUHR VON FISCHEN WEGEN BEFALLS MIT LARVEN, AUCH WENN DIESE TOT SIND. - RECHTSSACHE C-228/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 11. September 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Italienische Republik dadurch, daß sie aufgrund einer unterschiedslos anwendbaren nationalen Regelung und besonderer Verwaltungsakte, die sich auf diese stützen und deren Durchführung ermöglichen, den Import von Partien Fisch aus anderen Mitgliedstaaten und aus dem Königreich Norwegen ausschließlich deshalb faktisch verboten hat, weil sie Nematodenlarven enthielten, und dadurch, daß sie diese Partien einer systematischen Kontrolle unterzieht, gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag als Bestandteil der Verordnung (EWG) Nr. 3796/81 des Rates vom 29. Dezember 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse (ABl. L 379, S. 1) in der geänderten Fassung, der Richtlinie des Rates vom 1. Dezember 1983 zur Erleichterung der Kontrollen und Verwaltungsformalitäten im Güterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (83/643/EWG, ABl. L 359, S. 8) in der geänderten Fassung und der Verordnung (EWG) Nr. 1691/73 des Rates vom 25. Juni 1973 über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen sowie zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu diesem Abkommen (ABl. L 171, S. 1) verstossen hat.

2 Nach dem italienischen Gesetz Nr. 283 vom 30. April 1962 (GURI, 1962, Nr. 139, S. 2194) in der geänderten Fassung ist es unter Androhung von Strafe verboten, für Lebensmittel bestimmte Erzeugnisse, "denen, auch nur teilweise, die Nährstoffe entzogen sind, und die mit Substanzen geringerer Qualität vermischt sind, die verunreinigt, von Parasiten befallen, verändert oder schädlich sind oder eine Behandlung zur Verschleierung einer vorhergegangenen Veränderung erfahren haben", zur Zubereitung von Nahrungsmitteln zu verwenden, zu verkaufen, zum Zweck des Verkaufs zu besitzen, für den Verbrauch zu liefern, zu vertreiben oder in das Gebiet der Italienischen Republik zu verbringen. Nach diesem Gesetz können die Gesundheitsbehörden jederzeit Untersuchungen vornehmen, Proben von Lebensmitteln entnehmen und die Beschlagnahme sowie die Vernichtung der Waren anordnen, wenn die vorgenommenen Prüfungen dies zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich erscheinen lassen.

3 Der Ministerialerlaß Nr. 454 vom 8. Oktober 1988 (GURI, 1988, Nr. 253, S. 7), geändert durch den Ministerialerlaß Nr. 47 vom 15. Februar 1990 (GURI, 1990, Nr. 61, S. 3) bestimmt, daß bei Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs der Prozentsatz der Partien, die der gesundheitspolizeilichen Kontrolle zu unterziehen sind, nicht unter 10 % der angemeldeten oder voraussichtlich innerhalb einer Woche eintreffenden Partien liegen darf. Dieser Prozentsatz "wird erhöht, wenn nach Beurteilung des Tierarztes an der Grenze oder des Gesundheitsministers Zweifel bestehen bleiben oder Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Mensch oder Tier zu treffen sind".

4 Aufgrund des Gesetzes Nr. 283 von 1962 sandte der italienische Gesundheitsminister seit Juli 1987 an die tierärztlichen Dienste an den Grenzen mehrere Telegramme, mit denen eine systematische Kontrolle der Einfuhr von bestimmten Fischarten angeordnet wurde, weil eine steigende Zahl von Partien Fisch festgestellt worden sei, die von Nematodenlarven befallen gewesen seien. Ein späteres Telegramm dehnte diese Kontrolle auf italienische Fischereierzeugnisse aus.

5 Nach Beschwerden Dänemarks, Norwegens sowie von Unternehmern, die Fisch nach Italien ausführen, stellte die Kommission fest, daß die italienischen Behörden seit Juli 1987 neue Kontrollmaßnahmen an den Grenzen durchführten, die im wesentlichen die Einfuhr von Makrele, Hering, Lachs und Kabeljau aus anderen Mitgliedstaaten und aus Drittländern betrafen. Die Fische unterlagen auf diese Weise einer systematischen gesundheitspolizeilichen Kontrolle auch dann, wenn die Partien schon im Versandland kontrolliert worden waren und für sie eine ordnungsgemässe gesundheitspolizeiliche Bescheinigung vorgelegt wurde. Sie wurden an der Grenze zurückgewiesen und sogar vernichtet, wenn die italienischen Behörden das Vorhandensein einer einzigen Larve, selbst im abgetöteten Zustand, festgestellt hatten.

6 Zur Begründung ihrer Klage macht die Kommission im wesentlichen geltend, daß die italienischen Beschränkungen der Fischeinfuhr über die Erfordernisse eines wirksamen Schutzes der öffentlichen Gesundheit hinausgingen.

7 Das Vorhandensein von Nematodenlarven in den Fischereierzeugnissen sei ein natürliches Phänomen, das alle in den Gewässern der Gemeinschaft gefangenen Fische betreffe. Nur der Verzehr von Fischen, die von lebenden Larven befallen seien, sei für die Gesundheit der Menschen gefährlich, während die Ergebisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung bestätigt hätten, daß der Verzehr von Fischen, die tote oder abgetötete Nematoden selbst in hohen Dosen enthielten, keinen Risikofaktor für die Gesundheit darstelle.

8 Da nur die roh verzehrten Fische Larven im lebenden Zustand enthalten könnten und diese Parasiten durch verschiedene einfache, wenig kostspielige und weit verbreitete Verfahren wie Kochen oder Einfrieren abgetötet werden könnten, hätten die italienischen Behörden die öffentliche Gesundheit wirksam durch Maßnahmen schützen können, die den Handelsverkehr weniger beschränken. Sie hätte den Verzehr von rohem Fisch verbieten können, zumal diese Eßgewohnheit in Italien ganz selten sei; sie hätte eine geeignete Behandlung verlangen können, um die Larven abzutöten, oder sie hätte den Verbraucher durch Anbringen von geeigneten Hinweisschildern darüber informieren können, daß der von abgetöteten Nematoden befallene Fisch in eine niedrigere als die normale Frischeklasse eingestuft sei.

9 Die italienische Regierung hat demgegenüber geltend gemacht, daß schon das Vorhandensein von Nematodenlarven, selbst im abgetöteten Zustand, den Fisch untauglich zum Verzehr mache. Die alternativen Maßnahmen, die von der Kommission vorgeschlagen worden seien, seien zudem wirkungslos. Unter diesen Umständen seien die strittigen Maßnahmen für den wirksamen Schutz der Gesundheit des Menschen unerläßlich.

10 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des rechtlichen Rahmens, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur wiedergegeben, soweit es die Begründung des Urteils erfordert.

Zu den Artikeln 30 und 36 des Vertrages

11 Die Vorschriften der Verordnung Nr. 3796/81 sprechen zwar nicht ausdrücklich das Verbot von mengenmässigen Einfuhrbeschränkungen und von Maßnahmen mit gleicher Wirkung für den innergemeinschaftliche Handelsverkehr aus, doch geht aus den Vorschriften der Artikel 38 bis 46 in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 7 des Vertrages hervor, daß sich dieses Verbot spätestens seit Ende der Übergangsperiode von Rechts wegen aus den Vorschriften des Vertrages ergibt, wie es im übrigen auch in der dreissigsten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3796/81 zum Ausdruck kommt (vgl. hierzu Urteil vom 14. Juli 1976 in den verbundenen Rechtssachen 3/76, 4/76 und 6/76, Kramer, Slg. 1976, 1279, Randnrn. 53 und 54).

12 Die strittigen Maßnahmen fallen unter das Verbot des Artikels 30 des Vertrages. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. vor allem Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/79, Dassonville, Slg. 1974, 837) umfasst das Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmässige Beschränkungen gemäß Artikel 30 des Vertrages jede Handelsregelung, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, gegewärtig oder potentiell zu behindern.

13 Zu prüfen ist jedoch, ob, wie die italienische Regierung behauptet, die in Frage stehenden Beschränkungen gemäß Artikel 36 des Vertrages zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind.

14 Von Bedeutung ist zunächst, daß die Richtlinie 91/493/EWG des Rates vom 22. Juli 1991 zur Festlegung von Hygienevorschriften für die Erzeugung und die Vermarktung von Fischereierzeugnissen (ABl. L 268, S. 15) zeitlich nach der mit Gründen versehenen Stellungnahme, die die Kommmission in der vorliegenden Rechtssache abgegeben hat, erlassen wurde und daß die Frist zur Umsetzung in das Recht der Mitgliedstaaten erst am 31. Dezember 1992 abgelaufen ist.

15 Die Gemeinschaft verfügte demnach zu der Zeit, als der Gegenstand dieses Rechtsstreits durch das Vorverfahren bestimmt wurde, noch nicht über gemeinsame oder harmonisierte Regeln im Bereich der gesundheitspolizeilichen Kontrolle von Fisch.

16 Unter diesen Umständen war es Sache der Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft zu bestimmen, in welchem Umfang sie in diesem Bereich den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollten (vgl. insbesondere Urteil vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-205/89, Kommission/Griechenland, Slg. 1991, I-1361, Randnr. 8).

17 Es wird nicht bestritten, daß die in Frage stehenden nationalen Maßnahmen die öffentliche Gesundheit schützen sollen, so daß sie grundsätzlich unter die in Artikel 36 des Vertrages vorgesehene Ausnahme fallen.

18 Eine den innergemeinschaftlichen Warenverkehr beschränkende Regelung ist jedoch mit dem Vertrag nur vereinbar, soweit sie für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen notwendig ist. Sie fällt daher nicht unter die Ausnahmebestimmungen des Artikels 36, wenn die Gesundheit oder das Leben von Menschen genauso wirksam durch Maßnahmen geschützt werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränken (vgl. insbesondere Urteil vom 20. Mai 1976 in der Rechtssache 104/75, de Peijper, Slg. 1976, 613, Randnrn. 16 und 17).

19 Es ist daher zu prüfen, ob die strittigen italienischen Beschränkungen dem so bestimmten Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen.

20 Der Gerichtshof hat bereits wiederholt entschieden, daß bei der Einfuhr von Erzeugnissen eine doppelte Kontrolle, die zum einen darin besteht, daß die Bestätigung einer zuständigen Stelle des Versandlandes über eine Behandlung der Ware verlangt wird, die der Beseitigung bestimmter Parasiten dient, und zum anderen in einer systematischen Kontrolle an der Grenze, wonach die Einfuhr erst zulässig ist, wenn die Gesundheitsbehörden des Bestimmungslands festgestellt haben, daß die Ware frei von diesen Parasiten ist, die Grenzen von Artikel 36 des Vertrages überschreitet (vgl. Urteile vom 8. November 1979 in der Rechtssache 251/78, Denkavit, Slg. 1979, 3369, vom 7. April 1981 in der Rechtssache 132/80, United Foods, Slg. 1981, 995, vom 17. Dezember 1981 in der Rechtssache 272/80, Biologische Producten, Slg. 1981, 3277, und vom 8. Februar 1983 in der Rechtssache 124/81, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1981, 203).

21 Wenn das betreffende Erzeugnis bereits im Versandland Gegenstand einer gesundheitspolizeilichen Kontrolle mit Garantien gewesen ist, die denen gleichwertig sind, die aufgrund der Einfuhrkontrolle bestehen, darf nach dieser Rechtsprechung die Einfuhrkontrolle nicht einfach eine Wiederholung der Kontrolle darstellen, die im ausführenden Mitgliedstaat bewirkt worden ist. Sie muß daher in jedem Fall auf Maßnahmen beschränkt werden, die dazu bestimmt sind, den Risiken des Transports oder etwaiger Manipulationen nach der bei der Absendung durchgeführten Kontrolle zu begegnen (vgl. Urteil United Foods, a. a. O., Randnr. 29).

22 Der Gerichtshof hat weiter entschieden, daß, soweit durch eine Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten die Kontrollen an der Grenze erleichtert oder weniger einschneidend gestaltet werden können, die Gesundheitsbehörden zu prüfen haben, ob die im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit ausgestellten Nachweise nicht eine Vermutung dafür begründen, daß die eingeführten Waren den Erfordernissen der innerstaatlichen gesundheitsrechtlichen Vorschriften entsprechen, was eine Erleichterung der Kontrollen bei der Einfuhr ermöglicht (vgl. u. a. Urteil Denkavit, a. a. O., Randnr. 23, und Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, a. a. O., Randnr. 30).

23 Das Erfordernis einer gesundheitspolizeilichen Kontrolle von Waren, die bereits im Versandstaat kontrolliert worden sind und für die eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung der zuständigen Behörden dieses Landes darüber vorgelegt wird, daß die fraglichen Erzeugnisse für die Gesundheit ungefährlich sind, geht über die Erfordernisse eines wirksamen Schutzes der öffentlichen Gesundheit hinaus, so daß die Behörden des Bestimmungsstaats dieser Erzeugnisse nur berechtigt sind, Stichprobenkontrollen durchzuführen, um sich von der Richtigkeit der von den Behörden des Versandstaats ausgestellten Dokumente zu überzeugen, um Täuschungen vorzubeugen und um die Einfuhr von Partien zu verhindern, die sich als nicht ordnungsgemäß herausgestellt haben.

24 Hieraus folgt, daß die Behörden eines Mitgliedstaats nicht ohne Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit gemäß Artikel 36 des Vertrages die Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten, für die ordnungsgemäß eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung der zuständigen Behörden des Versandmitgliedstaats darüber vorgelegt wird, daß das fragliche Erzeugnis keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt, systematischen Gesundheitskontrollen unterziehen können.

25 Die italienische Regierung hat hierzu geltend gemacht, daß zum einen die strittigen Kontrollen nicht systematisch seien und daß zum anderen auch der Verzehr von Fischen, die abgetötete Nematodenlarven enthielten, eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen darstelle.

26 Zum ersten Argument genügt der Hinweis, daß die Telegramme, die der italienische Gesundheitsminister am 18. Juli und 4. September 1987 an die tierärztlichen Dienststellen an den Grenzen gerichtet hat, die systematische Kontrolle von Makrele, Hering, Lachs und Kabeljau vorsahen, ohne danach zu unterscheiden, ob für den Fisch eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung der zuständigen Behörden des Versandstaats des Erzeugnisses vorgelegt wurde oder nicht.

27 Zum zweiten Punkt ist darauf hinzuweisen, daß es nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. Urteil vom 30. November 1983 in der Rechtssache 227/82, van Bennekom, Slg. 1983, 3883, Randnr. 40) Sache der Mitgliedstaaten ist, in jedem Einzelfall darzulegen, daß ihre Regelung zum wirksamen Schutz der Interessen gemäß Artikel 36 des Vertrages erforderlich ist und insbesondere, daß die Vermarktung des in Frage stehenden Erzeugnisses eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt.

28 Die italienische Regierung hat nicht dargetan, daß der Verzehr von Fischen, die nach einer entsprechenden Behandlung tote oder abgetötete Nematodenlarven enthalten, gefährlich für die Gesundheit von Menschen ist. Die beklagte Regierung hat sich vielmehr darauf beschränkt, vorzutragen, daß die Fischereierzeugnisse, die abgetötete Larven aufwiesen, mit Rücksicht nicht nur auf ihren unhygienischen Zustand, sondern auch auf die nicht unwesentliche gesundheitsschädigende Wirkung von der Vermarktung für den menschlichen Verzehr ausgeschlossen sein müssten. Sie hat damit keine konkrete Tatsache vorgetragen, die die Behauptung der Kommission widerlegen könnte, daß die Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung bestätigten, daß die Aufnahme von toten oder abgetöteten Nematodenlarven in keiner Weise einen Risikofaktor für die Gesundheit darstelle.

29 Wie der Generalanwalt unter Nummer 29 seiner Schlussanträge dargelegt hat, wird in der Stellungnahme des italienischen Obersten Rates für Gesundheit, auf die die italienische Regierung in ihrer Antwort vom 13. März 1989 auf die Bitte der Kommission, sich zu äussern, Bezug nimmt, überdies festgestellt, daß eine Bescheinigung vorzulegen ist, in der bestätigt wird, daß der Fisch "frei von Parasiten oder den zum Inaktivieren des Parasiten erforderlichen Behandlungen unterzogen worden ist", was voraussetzt, daß das Vorhandensein von toten Larven im Fisch die öffentliche Gesundheit nicht beeinträchtigt.

30 Aus dem Rundschreiben Nr. 10 des italienischen Gesundheitsministers vom 11. März 1992 (GURI Nr. 62), mit dem die Voraussetzungen der gesundheitspolizeilichen Kontrolle von Fisch gelockert werden sollen, geht gleichfalls hervor, daß tote Larven keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen.

31 Unter diesen Umständen hat die italienische Regierung im vorliegenden Fall nicht dargetan, daß eine systematische gesundheitspolizeiliche Kontrolle von Fisch, der aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt wird und für den ordnungsgemäß eine Bescheinigung darüber vorgelegt wird, daß er nicht von lebenden Larven befallen ist, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich war.

32 Es ist daher festzustellen, daß die italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtung aus den Artikeln 30 und 36 des Vertrages verstossen hat, daß sie eingeführte Partien Fisch, für die ordnungsgemäß eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung der zuständigen Behörden des Versandmitgliedstaats darüber vorgelegt wurde, daß das Erzeugnis frei von lebenden Nematodenlarven war, systematischen gesundheitspolizeilich Kontrollen unterzogen hat.

33 Was dagegen die Einfuhr von Fischereierzeugnissen betrifft, für die eine derartige Bescheinigung nicht vorgelegt wurde, waren die italienischen Behörden berechtigt, diese Erzeugnisse einer gesundheitspolizeilichen Kontrolle zu unterziehen, um zu prüfen, ob die Ware keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt. Die Rüge der Kommission muß daher insoweit zurückgewiesen werden, als sie die von den italienischen Behörden bei den eingeführten Erzeugnissen unter diesen Voraussetzungen vorgenommenen Kontrollen betrifft.

34 Wenn sich nach Durchführung der Kontrolle herausstellte, daß der eingeführte Fisch nur tote oder durch geeignete Behandlung abgetötete Nematodenlarven enthielt, konnten die italienischen Behörden nicht ohne Verletzung des Gemeinschaftsrechts die Einfuhr dieser Erzeugnisse verbieten. Aus den Randnummern 28 bis 31 dieses Urteils ergibt sich, daß die italienische Regierung im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen hat, daß derartige Beschränkungen der Einfuhr von Fischen mit abgetöteten Nematodenlarven zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich waren.

35 Wenn dagegen die Kontrollen bei eingeführten Partien Fisch, für die eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung des Versandmitgliedstaats nicht vorgelegt wurde, das Vorhandensein von lebenden Nematodenlarven ergaben, durften die italienischen Behörden die Einfuhr dieser Erzeugnisse verbieten.

36 Es ist nicht bestritten, daß der Verzehr von Fisch mit nicht abgetöteten Larven Gefahren für die öffentliche Gesundheit mit sich bringt. Wie die italienische Regierung hervorgehoben hat, können überdies die den Handelsverkehr weniger beschränkenden Maßnahmen, die die Kommission vorgeschlagen hat, den wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit nicht gewährleisten. So stellt das Anbringen von Etiketten, um den Verbraucher über das Vorhandensein von lebenden Nematoden im Fisch zu informieren, keine befriedigende Lösung dar, da es sich, wie im vorliegenden Fall, um ein Erzeugnis handelt, das einen Risikofaktor für die Gesundheit von Menschen beinhaltet. Das Verbot des Verzehrs von rohem Fisch stellt keine wirksamere Schutzmaßnahme für die öffentliche Gesundheit dar, da seine Befolgung in der Praxis nicht sichergestellt werden kann. Dies gilt auch für eine der Person, für die die fraglichen Erzeugnisse bestimmt sind, auferlegte Verpflichtung, die von Nematoden befallenen Fische einer geeigneten Behandlung zur Abtötung der Larven zu unterziehen.

37 Unter diesen Umständen hat die Italienische Republik auch die Artikel 30 und 36 des Vertrages verletzt, soweit ihre Behörden die Einfuhr von Fischpartien verboten haben, für die eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung des Versandmitgliedstaats vorgelegt wurde, und bei denen die Kontrollen der italienischen Behörden nur das Vorhandensein von toten oder abgetöteten Nematodenlarven ergeben haben.

38 Die Rüge der Kommission ist dagegen unbegründet im Hinblick auf das Verbot der Einfuhr von Fischen, für die eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung des Versandmitgliedstaats vorgelegt wurde und die von lebenden Parasiten befallen waren.

Zu der Richtlinie 83/643

39 Die Richtlinie 83/643 dient der Festlegung bestimmter Regeln für die Durchführung der Warenkontrollen und der erforderlichen Verwaltungsformalitäten beim Grenzuebergang, um, wie es in ihren Begründungserwägungen heisst, die Wartezeiten an der Grenze zu verkürzen und den Güterverkehrsfluß zwischen den Mitliedstaaten zu verbessern (vgl. Urteil vom 20. September 1988 in der Rechtssache 190/87, Moormann, Slg. 1988, 4689, Randnr. 26).

40 Zu diesem Zweck sieht Artikel 2 dieser Richtlinie vor, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit die Kontrollen und Formalitäten mit dem geringsten erforderlichen Zeitaufwand erfolgen, und zwar die Kontrollen, ausser in begründeten Fällen, durch Stichproben.

41 Hieraus folgt, daß die Kontrollmaßnahmen bei der Einfuhr von Waren aus anderen Mitgliedstaaten nur insoweit über die Stichprobenkontrolle hinausgehen dürfen, als sie durch ein Allgemeininteresse wie die Notwendigkeit des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind und das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche nicht überschreiten.

42 Aus den Randnummern 28 bis 31 des vorliegenden Urteils ergibt sich, daß die italienische Regierung nicht dargetan hat, daß eine systematische gesundheitspolizeiliche Kontrolle von Partien Fisch, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden und für die eine Bescheinigung darüber vorgelegt wird, daß die Erzeugnisse nicht von lebenden Larven befallen sind, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist.

43 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß die Italienische Republik auch gegen ihre Verpflichtung aus der Richtlinie 83/643 verstossen hat, indem sie eingeführte Partien Fisch, für die ordnungsgemäß eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung der zuständigen Behörden des Versandmitgliedstaats darüber vorgelegt wurden, daß die Fische frei von lebenden Nematodenlarven waren, systematischen gesundheitspolizeilichen Kontrollen unterzogen hat.

44 Die Rüge der Kommision muß jedoch im übrigen aus denselben Gründen wie den in Randnummer 33 genannten zurückgewiesen werden.

Zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen

45 Artikel 15 Absatz 2 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen, das der Verordnung Nr. 1691/73 beigefügt ist, bestimmt:

"Auf dem Gebiet des Veterinärwesens und des Gesundheits- und des Pflanzenschutzes wenden die Vertragsparteien ihre Regelungen in nichtdiskriminierender Weise an und treffen keine neuen Maßnahmen, die eine unangemessene Behinderung des Warenverkehrs zur Folge haben."

46 Artikel 20 dieses Abkommens lautet:

"Dieses Abkommen steht Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren oder von Pflanzen, des nationalen Kulturgutes von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind; ebensowenig steht es Regelungen betreffend Gold und Silber entgegen. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Vertragsparteien darstellen."

47 Hieraus ergibt sich, daß dieses Abkommen den Erlaß von neuen, den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und dem Königreich Norwegen beschränkenden Maßnahmen durch die Vertragsparteien verbietet, soweit diese Beschränkungen nicht aus Gründen insbesondere des Schutzes der öffentlichen Gesundheit erforderlich sind.

48 Dieses Abkommen enthält somit für den Handel zwischen den Vertragsparteien Regeln, die mit denen der Artikel 30 und 36 des Vertrages identisch sind; es gibt im vorliegenden Fall keinen Grund, diese Regeln anders als die genannten Artikel des Vertrages auszulegen.

49 Aus den Randnummern 32, 37 und 43 des vorliegenden Urteils geht hervor, daß die Italienische Republik den Grundsatz der Verhältnismässigkeit dadurch verletzt hat, daß sie Partien Fisch aus anderen Mitgliedstaaten, die im Versandstaat vorschriftsmässig kontrolliert worden waren und für die eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung der zuständigen Behörden dieses Staates mit der Bestätigung vorgelegt wurden, daß die Erzeugnisse frei von lebenden Nematodenlarven sind, systematischen gesundheitspolizeilichen Kontrollen unterzogen hat, wie auch dadurch, daß sie die Einfuhr von Partien Fisch verboten hat, für die eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung des Versandmitgliedstaats vorgelegt wurde, bei denen aber die Kontrollen im Bestimmungsstaat der Ware nur das Vorhandensein von toten oder abgetöteten Nematodenlarven aufgedeckt hatten.

50 Da der Grundsatz der Verhältnismässigkeit auch den genannten Vorschriften des Abkommens zugrunde liegt, das der Verordnung Nr. 1691/73 beigefügt ist, hat die Italienische Republik aus denselben Gründen, wie sie vorstehend genannt worden sind, auch gegen ihre Verpflichtungen aus dieser Verordnung verstossen hat, indem sie Partien Fisch, die bereits in Norwegen kontrolliert worden waren und für die eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung dieses Landes darüber vorgelegt wurde, daß der Fisch frei von lebenden Nematodenlarven war, systematischen Kontrollen unterzogen hat, und indem sie die Einfuhr von Partien Fisch aus Norwegen verboten hat, für die keine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung vorgelegt wurde, in denen aber nur abgetötete Nematodenlarven vorhanden waren.

51 Aus denselben Gründen wie den in den Randnummern 33, 38 und 44 genannten sind jedoch die Rügen der Kommission hinsichtlich der von den italienischen Behörden vorgenommenen Kontrollen der norwegischen Fischerzeugnisse, für die keine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung der zuständigen Behörden von Norwegen vorgelegt wurden, wie auch hinsichtlich der Einfuhrverbote für Erzeugnisse, bei denen die Kontrollen in Italien das Vorhandensein von lebenden Nematodenlarven ergeben hatten, nicht begründet.

52 Nach alledem hat die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 36 des Vertrages, aus der Richtlinie 83/643 und aus der Verordnung Nr. 1691/73 verstossen, daß sie Partien Fisch aus anderen Mitgliedstaaten und aus dem Königreich Norwegen, für die ordnungsgemäß eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung des Versandstaats darüber vorgelegt wurde, daß die Erzeugnisse frei von lebenden Nematodenlarven sind, systematischen gesundheitspolizeilichen Kontrollen unterzogen hat, wie auch dadurch, daß sie die Einfuhr von Partien Fisch aus anderen Mitgliedstaaten und aus dem Königreich Norwegen verboten hat, für die keine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung des Versandstaats vorgelegt wurde, wenn die Kontrollen im Bestimmungsstaat nicht das Vorhandensein von lebenden Nematodenlarven ergeben haben.

Kostenentscheidung:

Kosten

53 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 69 § 3 Absatz 1 kann der Gerichtshof die Kosten jedoch teilen oder entscheiden, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

54 Da die Kommission nur teilweise obsiegt hat, hat jede der Parteien ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag, der Richtlinie des Rates vom 1. Dezember 1983 zur Erleichterung der Kontrollen und Verwaltungsformalitäten im Güterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (83/643/EWG) und der Verordnung (EWG) Nr. 1691/73 des Rates vom 25. Juni 1973 über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen sowie zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu diesem Abkommen verstossen, daß sie Partien Fisch aus anderen Mitgliedstaaten und aus dem Königreich Norwegen, für die ordnungsgemäß eine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung des Versandstaats darüber vorgelegt wurde, daß die Erzeugnisse frei von lebenden Nematodenlarven sind, systematischen gesundheitspolizeilichen Kontrollen unterzogen hat, wie auch dadurch, daß sie die Einfuhr von Partien Fisch aus anderen Mitgliedstaaten und aus dem Königreich Norwegen verboten hat, für die keine gesundheitspolizeiliche Bescheinigung des Versandstaats vorgelegt wurde, wenn die Kontrollen im Bestimmungsstaat nicht das Vorhandensein von lebenden Nematodenlarven ergeben haben.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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