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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.05.1991
Aktenzeichen: C-229/89
Rechtsgebiete: EWGV, RL Nr. 79/7/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 169
RL Nr. 79/7/EWG Art. 8 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG ist so auszulegen, daß ein System von Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Invalidität, bei dem die Höhe der Leistung unter Berücksichtigung sowohl der Existenz von Personen, die dem Leistungsempfänger gegenüber unterhaltsberechtigt sind, als auch eventueller Einkünfte dieser Personen festgelegt wird, mit dieser Vorschrift vereinbar ist, wenn dieses System den Zweck hat, Familien ein Mindestmaß an Ersatzeinkünften zu garantieren und die Zuschläge, die den Personen gewährt werden, die mit einem Ehegatten oder Kindern ohne eigene Einkünfte zusammenwohnen, die Höhe der Belastungen, die bei vernünftiger Betrachtung mit dem Vorhandensein dieser Personen verbunden sind, nicht übersteigen.

Ein solches System dient nämlich einem berechtigten Ziel der Sozialpolitik und setzt hierfür geeignete und erforderliche Mittel ein, so daß es aus Gründen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 7. MAI 1991. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN KOENIGREICH BELGIEN. - GLEICHBEHANDLUNG VON MAENNERN UND FRAUEN IM BEREICH DER SOZIALEN SICHERHEIT - BESTIMMUNG DER HOEHE DER LEISTUNGEN BEI ARBEITSLOSIGKEIT UND DER ENTSCHAEDIGUNGEN BEI INVALIDITAET. - RECHTSSACHE C-229/89.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 18. Juli 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, indem es nicht innerhalb der Frist des Artikels 8 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979 L 6, S. 24) die erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, um die vollständige und genaue Anwendung dieser Richtlinie sicherzustellen, und indem es insbesondere ein System zur Berechnung von Arbeitslosenunterstützung und Invaliditätsentschädigungen bis heute beibehalten hat, das zu objektiv nicht gerechtfertigten, mittelbaren Diskriminierungen der weiblichen Anspruchsberechtigten führt.

2 Die in der Klageschrift erwähnten belgischen Systeme wurden festgelegt im Arrêté royal [Königliche Verordnung] vom 8. August 1986 zur Änderung von Artikel 160 des Arrêté royal vom 20. Dezember 1963 (Moniteur belge vom 27. August 1986, S. 11825) und im Arrêté royal vom 30. Juli 1986 zur Änderung der Artikel 226 Absatz 2 und 227 § 1 des Arrêté royal vom 4. November 1963 (Moniteur belge vom 2. August 1986, S. 10854).

3 Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 beinhaltet der Grundsatz der Gleichbehandlung "den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend:... die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen".

4 Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten binnen sechs Jahren nach ihrer Bekanntgabe, das heisst spätestens bis zum 22. Dezember 1984, die erforderlichen Maßnahmen erlassen haben, um der Richtlinie nachzukommen.

5 Die belgische Regelung über Leistungen bei Arbeitslosigkeit, die nach diesem Zeitpunkt in Kraft blieb, behielt für die Berechnung dieser

Leistungen denjenigen Arbeitslosen eine Vorzugsbehandlung vor, die als Haushaltsvorstand einem Ehegatten, einer Person, mit der sie in eheähnlicher Gemeinschaft lebten, einem Verwandten oder einem Kind ohne Einkünfte gegenüber unterhaltspflichtig waren. Da die Kommission der Auffassung war, daß diese Gruppe überwiegend aus Männern bestehe, gab sie am 2. Juni 1986 nach Artikel 169 EWG-Vertrag eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, wonach das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen verstossen hat, indem es ein System zur Berechnung der Arbeitslosenunterstützung beibehalten hat, das zu objektiv nicht gerechtfertigten, mittelbaren Diskriminierungen der weiblichen Anspruchsberechtigten führt, von denen die meisten den beiden anderen in der belgischen Regelung vorgesehenen Gruppen von Arbeitslosen angehören, nämlich der der "alleinwohnenden" Arbeitslosen und der der "Zusammenwohnenden", die mit einem Ehegatten, einer Person in eheähnlicher Gemeinschaft oder einem Kind mit eigenem Erwerbseinkommen oder Ersatzeinkünften zusammenleben.

6 Im Anschluß an diese mit Gründen versehene Stellungnahme wurde die beanstandete Regelung durch den obengenannten Arrêté royal vom 8. August 1986 und den Arrêté ministériel [Ministerialverordnung] vom 23. Januar 1987 (Moniteur belge vom 11. Februar 1987, S. 1817) geändert. Das Leistungssystem beruht auf der Einteilung der Leistungsempfänger in drei Gruppen:

- Arbeitnehmer, die mit ihrem Ehegatten oder einer Person in eheähnlicher Gemeinschaft, einem Verwandten oder einem Kind, die weder Erwerbseinkommen noch Ersatzeinkünfte beziehen, zusammenwohnen (Gruppe 1);

- Arbeitnehmer, die allein wohnen (Gruppe 2);

- Arbeitnehmer, die mit einer Person zusammenwohnen, die Erwerbseinkommen oder Ersatzeinkünfte bezieht (Gruppe 3).

7 Die Höhe der Leistungen nach dem genannten System berechnet sich nach dem früheren, auf einen Hoechstbetrag begrenzten Erwerbseinkommen und nach verschiedenen Sätzen für die einzelnen Gruppen. Erstens erhalten alle Berechtigten einen Grundbetrag in Höhe von 35 % des bisherigen Einkommens. Nach 18 Monaten Arbeitslosigkeit, die für jedes abgeleistete Arbeitsjahr um drei Monate verlängert werden, erhalten die Leistungsempfänger der Gruppe 3 einen Pauschalbetrag, zu dem ein Zuschlag hinzukommen kann, wenn die monatlichen Leistungen, die den zusammenwohnenden Personen gewährt werden, insgesamt eine bestimmte Höhe nicht erreichen. Zweitens wird den Leistungsempfängern der Gruppen 1 und 2 ein Zuschlag von 5 % des früheren Einkommens für den Verlust des einzigen Einkommens gewährt. Drittens wird allen Leistungsempfängern ein Anpassungszuschlag von 20 % des früheren Einkommens gezahlt, der aber für die Angehörigen der Gruppen 2 und 3 auf das erste Jahr der Arbeitslosigkeit beschränkt ist.

8 Was die Invaliditätsversicherung angeht, so folgt das mit dem Arrêté royal vom 30. Juli 1986 eingeführte System denselben Grundsätzen wie das der Arbeitslosenversicherung, sowohl bezueglich der Einteilung der Anspruchsberechtigten in drei Gruppen als auch bezueglich des Systems der Berechnung der Entschädigung, deren Höhe proportional zu dem früheren, auf einen Hoechstbetrag begrenzten Einkommen ist. Sie beträgt 65 % dieses Einkommens für die Gruppe 1, 45 % für die Gruppe 2 und 40 % für die Gruppe 3.

9 Nach Ansicht der Kommission ergibt sich aus den neuen Vorschriften im wesentlichen eine Änderung der Bezeichnung bei zwei der drei Kategorien von Arbeitslosen. Abgesehen von der als "Alleinwohnende" bezeichneten Kategorie von Arbeitslosen, deren Bezeichnung sich nicht geändert habe, entsprächen nämlich die Kategorien "Haushaltsvorstände" und "Zusammenwohnende" den genannten Gruppen 1 und 3.

10 Ausserdem werde mit der belgischen Regelung ein mit dem vorhergehenden vergleichbares System der Arbeitslosenunterstützung beibehalten und das Berechnungsverfahren auf das System der Invaliditätsversicherung erstreckt. Die Sätze der Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Invalidität begünstigten die Gruppe 1 und führten damit zu einer Diskriminierung zwischen Männern, aus denen sich diese Gruppe überwiegend zusammensetze, und Frauen, die hauptsächlich der Gruppe 3 angehörten. Diese Diskriminierung verstosse gegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 des Rates.

11 In ihren mit Gründen versehenen Stellungnahmen vom 2. Juni 1986 und 20. Juni 1988 und sodann in ihrer Klageschrift geht die Kommission vom Vorliegen einer Diskriminierung zugunsten der Männer aufgrund der günstigeren Behandlung der Angehörigen der Gruppe 1 aus. Den Unterschied in der Behandlung zwischen den Leistungsempfängern der Gruppe 2 und denen der Gruppe 3, der sich aus dem ausschließlich den Arbeitslosen der Gruppen 1 und 2 gewährten Zuschlag von 5 % des früheren Einkommens für den Verlust des einzigen Einkommens ergebe, stellt sie dagegen nicht in Frage.

12 Wegen weiterer Einzelheiten der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften, der Höhe der Leistungen, des Ablaufs des Verfahrens sowie des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

13 Einleitend ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 der ungünstigeren Behandlung einer sozialen Gruppe entgegensteht, wenn sich

herausstellt, daß diese aus einer viel grösseren Anzahl von Angehörigen des einen oder anderen Geschlechts besteht, es sei denn, daß die fragliche Maßnahme "durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben" (Urteil vom 27. Juni 1990 in der Rechtssache C-33/89, Kowalska, Slg. 1990, I-2591, Randnr. 16).

14 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof insbesondere ausgeführt hat, daß ein System von Leistungen, das Zuschläge vorsieht, die nicht unmittelbar an das Geschlecht der Anspruchsberechtigten anknüpfen, sondern ihren Ehe- und Familienstand berücksichtigen, und nach dem wesentlich weniger Frauen als Männer Anspruch auf diese Zuschläge haben, Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie zuwiderliefe, wenn es sich nicht aus Gründen rechtfertigen ließe, die eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ausschließen (Urteil vom 11. Juni 1987 in der Rechtssache 30/85, Teuling, Slg. 1987, 2497, Randnr. 13).

15 Aus den Akten ergibt sich, daß nach den von der belgischen Regierung vorgelegten statistischen Angaben die männlichen Arbeitslosen oder Arbeitsunfähigen in der Gruppe 1 wesentlich zahlreicher sind, während die Frauen die Mehrheit der zur Gruppe 3 gehörenden Personen bilden.

16 Unter diesen Umständen würde ein System von Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Invalidität, das an die Familienlasten der einen und an das Bestehen eines Einkommens des Ehegatten bei den anderen anknüpft, gegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie verstossen, wenn die belgische Regierung es nicht durch Gründe, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, rechtfertigen könnte.

17 Der belgischen Regierung zufolge ist die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern auf die drei Gruppen von Leistungsempfängern der Reflex eines gesellschaftlichen Phänomens, bei dem die Zahl der erwerbstätigen Frauen geringer sei als die der Männer.

18 Derartigen Erwägungen, die sich auf die ungleiche Situation von Männern und Frauen innerhalb der erwerbstätigen Bevölkerung Belgiens gründen, lassen sich jedoch keine objektiven Kriterien entnehmen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.

19 Wenn das Königreich Belgien dagegen darlegen kann, daß die gewählten Mittel einem notwendigen Ziel seiner Sozialpolitik dienen und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind, so kann in dem blossen Umstand, daß das Leistungssystem eine viel grössere Anzahl von männlichen Arbeitnehmern begünstigt, keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gesehen werden (Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 171/88, Rinner-Kühn, Slg. 1989, 2743, Randnr. 14).

20 Das Königreich Belgien macht insoweit geltend, daß sein nationales System jedem einzelnen innerhalb des durch die Haushaltsmittel zwangsläufig vorgegebenen Rahmens ein Mindestmaß an Ersatzeinkünften ohne zeitliche Begrenzung zukommen lassen wolle, wobei die familiäre Situation des Betreffenden berücksichtigt werde, der entweder mit einem zusätzlichen Bedarf wegen unterhaltsberechtigter Personen konfrontiert sein oder, im Gegenteil, vom Einkommen des Ehegatten profitieren könne.

21 Es ist zu bemerken, daß die Gewährung solcher Einkünfte Bestandteil der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten ist.

22 Mit den belgischen Rechtsvorschriften soll dem Bestehen unterschiedlicher Bedürfnisse Rechnung getragen werden. Auf der einen Seite erkennen sie die höheren Belastungen an, die sich aus der Arbeitslosigkeit für die Haushalte ergeben, die nur über ein einziges Einkommen verfügen; auf der anderen Seite berücksichtigen sie die finanzielle Hilfe, die für den Arbeitslosen die Einkünfte des Ehegatten darstellen. Im übrigen zielen sie darauf ab, den Betreffenden die Anpassung an ihre neue finanzielle Situation zu erleichtern, indem sie eine zu abrupte Minderung ihrer Einkünfte während des ersten Jahres verhindern und es gleichzeitig dem Arbeitslosen mit unterhaltsberechtigten Personen ermöglichen, die Ausgaben eines Haushalts über einen Zeitraum von 18 Monaten hinaus zu tragen. Diese Grundsätze und Ziele gehören zu einer Sozialpolitik, für die beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Mitgliedstaaten zuständig sind, die hinsichtlich der Art der sozialen Schutzmaßnahmen und der konkreten Einzelheiten ihrer Durchführung über einen sachgerechten Ermessensspielraum verfügen (Urteil vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 184/83, Hofmann, Slg. 1984, 3047, Randnr. 27).

23 Die Festsetzung einer Hoechstgrenze für die Berücksichtigung des früheren Einkommens und die Existenz eines Hoechstbetrags für die zu gewährenden Leistungen, die Festlegung einer Pauschale für die Angehörigen der Gruppe 3 nach einer bestimmten Zeit der Arbeitslosigkeit und die Gewährung eines Zuschlags, wenn die monatlichen Leistungen für zusammenwohnende Personen der Gruppe 3 insgesamt einen Betrag nicht erreichen, der dem den Leistungsempfängern der Gruppe 1 gezahlten Hoechstbetrag entspricht, stellen Faktoren dar, die unter anderem darauf abzielen, den in Belgien eingeführten Ersatzeinkünften den Charakter eines den Familien garantierten sozialen Minimums zu geben. Aus den Akten

ergibt sich, daß die Zuschläge, die den Personen gewährt werden, die mit einem Ehegatten oder Kindern ohne eigene Einkünfte zusammenwohnen, die Höhe der Belastungen, die bei vernünftiger Betrachtung mit dem Vorhandensein dieser Personen verbunden sind, nicht übersteigen.

24 Handelt es sich aber um die Garantie eines Existenzminimums, so hat der Gerichtshof bereits entschieden, daß das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, im Rahmen der Kontrolle seiner Sozialausgaben die im Vergleich zu den Bedürfnissen Alleinstehender höheren Bedürfnisse von Anspruchsberechtigten mit einem unterhaltsberechtigten Ehegatten oder einem Ehegatten, der nur ein sehr niedriges Einkommen bezieht, oder mit einem unterhaltsberechtigten Kind zu berücksichtigen. Denn der Gerichtshof hat ausgeführt, daß die Richtlinie 79/7 einem Gesetz nicht entgegensteht, nach dem die zuvor allen arbeitsunfähigen Arbeitnehmern mit einem Einkommen etwa in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns gegebene Garantie, daß eine (Netto-)Leistung mindestens dem gesetzlichen (Netto-)Mindestlohn entspricht, nur noch für Personen gilt, die einen unterhaltsberechtigten Ehegatten oder einen Ehegatten, der nur ein sehr niedriges Einkommen bezieht, oder ein unterhaltsberechtigtes Kind haben (Urteil vom 11. Juni 1987, a. a. O., Randnrn. 22 und 23).

25 Wenn ein Mitgliedstaat demnach aufgrund der Erfordernisse seiner Sozialpolitik die alleinwohnenden Arbeitnehmer von der Gewährung einer Leistung ausschließen kann, kann er erst recht die ihnen gezahlte Leistung wegen der Abwesenheit unterhaltsberechtigter Personen herabsetzen.

26 Aus alledem folgt, daß die belgische Regierung dargetan hat, daß ihr System von Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Invalidität einem berechtigten Ziel der Sozialpolitik dient, Zuschläge enthält, die für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind, und deshalb aus

Gründen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt ist.

27 Daraus ergibt sich, daß die Klage der Kommission unbegründet ist und deshalb abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

28 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage der Kommission wird abgewiesen.

2) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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